Arcana (1972)



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Wenn man einem seltenen Film jahrelang verzweifelt hinterjagt, nach obskursten Fassungen fahndet in der Hoffnung, es möge einem doch irgendwann eine alte Kaufkassette oder TV-Aufnahme in die Hände fallen, ist man im entscheidenden Augenblick – wenn man das Objekt cineastischer Begierde schließlich ungläubig in Händen hält – in der Regel auf alles gefasst. Denn man hat ja schließlich schon Zeit genug gehabt, in alle erdenklichen Richtungen zu spekulieren.

Seit ich vor etwa vier Jahren Giulio Questis Fiebertraumhaften Italowestern SE SEI VIVO SPARA (“Töte, Django!” – Ein Film aus dem Land jenseits des Hades!) sah, habe ich den Werken der sehr überschaubaren Filmographie des mysteriösen Filmemachers mit viel Energie nachgejagt. Seinen avantgardistisch-grotesken, antikapitalistischen Thriller LA MORTE HA FATTO L’UOVO („Die Falle“) aufzutreiben war aufgrund dessen häufiger (fälschlicher) Zuordnung zum Giallo-Genre nicht allzu schwer. Doch ARCANA, der dritte und traurigerweise auch letzte Kinofilm Questis, schien praktisch außerhalb italienischer Archive nicht zu existieren. Ein Horrorfilm sollte es sein, ein übersinnlicher – und das von diesem exzentrischen, ganz und gar unangepassten, ruppigen Giulio Questi! Vor meinem damals frisch in Leidenschaft fürs Surreale entflammten Auge sah ich wilde, glühende und delirierende Abgründe sich auftun und bastelte mir den Film auf abenteuerliche Weise im Kopf aus den anderen beiden Questi-Filmen zusammen.

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Regelmäßiges, dreijähriges Spekulieren und beinahes Vergessen des Titels später lag er mir nun vor, in einer Bildqualität, die jeden Cineasten zu Stein erstarren lassen würde. Und zwischen all diesem ausgeblichenen, überstrahlten, flimmernden Matsch – zu dem ich nach so langer Wartezeit unmöglich Nein sagen konnte – lag ein Film, wie ich ihn mir zwar einerseits erhofft hatte, auf den ich andererseits aber nicht im Mindesten vorbereitet war. Der Wahnsinn des unberechenbaren Giulio Questi lässt sich nicht zähmen – schon gar nicht in in meinem Kopf.

Wer seine beiden zuvor gennannten Werke kennt, wird, vermutlich überrascht, feststellen, dass ARCANA weder so offensiv ist wie der offenmütig in seine abstrakt-konsumfeindliche, explizit politisch (natürlich links) motivierte Form verliebte LA MORTE HA FATTO L’UOVO, noch so martialisch und sardonisch wie der mit biblischer Metaphorik und Ikonographie zum Bersten gefüllte, bittere SE SEI VIVO SPARA. Er ist viel viel stiller. Viel viel diffuser. Und dennoch – sowie vor allem! – viel viel aggressiver.

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Questi entfernt sich weit von den schicken Apartments, schönen Menschen und trendigen Parties, die man in einem aufs Schauerliche abzielenden italienischen Streifen jener Jahre unweigerlich antraf und präsentiert uns ein unfassbar abgefucktes Mutter-Sohn-Gespann in einem versifften Betonklotz von Haus – einem italienischen Großstadt-Ghetto, in dem die Camorra gleich um die Ecke wohnt. Hier betreiben die aus Sizilien stammenden Tarantinos, ein junger Mann und seine geldgierige Mutter, Wahrsagerei als kassenträchtigen Schwindel. Während die Mutter begeistert absahnt, beim Abendessen in der Manier einer alternden Hure über ihre Kundschaft lästert und nach mehr Geld lechzt um sich ein attraktives Eigenheim zu leisten, schweigt ihr Sprößling die meiste Zeit. Er beobachtet in verachtungsvollem Schweigen seine Mutter, ihre Kunden, die fetten, unzufrieden starrenden Menschen in der U-Bahn. Mit einer Mischung aus Geringschätzigkeit, Langeweile und aus Abstumpfung gebohrener Transgressionsgeilheit nimmt er die offenbar schon zuvor grob etablierten inzestuösen Bettaktivitäten mit seiner Mutter wieder auf. Außerdem unternimmt er auf eigene Faust schwarzmagische Experimente mit der unwissenden Kundschaft und verziert Fernsehantennen und U-Bahneingänge mit Müll an Wäscheleinen, bis am Ende der vermeintlich größte Coup seiner Mutter zur Explosion des dekadenten Wahnsinns führt, der aber ohnehin die Präsenz von Mutter und Sohn stets besonders prägte und somit bereits alltäglich geworden ist.

Ein grober Umriss, der sich vermutlich weit schlüssiger und sinniger liest als Questi ihn tatsächlich inszeniert. ARCANA erinnert stark an das andächtig in ratlose Starre und phlegmatische Verzweiflung seiner Figuren versunkene Kino Michelangelo Antonionis, kombiniert mit der proletarisch bis kleinbürgerlichen Schäbigkeit des britischen “Kitchen sink”-Dramas, unter dessen heruntergekommener Oberfläche giftige Schimmelpilze gedeihen. Doch auch die hysterischen Delirien eines Andrzej Zulawski nimmt Questi vorweg. Der Alptraum des Zuschauers, der Horror, ist in diesem als Horrorfilm durchaus treffend beschriebenen Film nicht Folge eines Effekts sondern des quälenden Unbehagens seiner Figuren, die indifferent schwanken zwischen Zelebrierung ihrer eigenen Entgleisung und Furcht vor den Sanktionen der Gesellschaft. Einer Gesellschaft zu der ihnen jedoch schon längst jeder Bezug fehlt und deren moralischer Kodex ihnen nur noch als Steilvorlage dient. Der Wahnsinn, die Perversion, liegt während des gesamten Films schwelend in der Luft, wie ein schwerer, bittersüßer Schleier und die finale Eskalation der “Welt da draußen” als solche wahrzunehmen fällt in dem bewusst willkürlichen Fluss beobachtender, dann aber auch wieder bedrängender Szenarien innerhalb des Mikrokosmos der Protagonisten immens schwer.

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Questis filmische Ausraster erweisen sich einmal mehr als das wahre italienische “Nouvelle vague”-Pendant mit seinem ausgestellten, sich gleichwohl aber ohne Lärm und Burleske vollziehenden formal-dramaturgischen Chaos, seiner zornigen Stimme und seiner kruden, spartanischen Poesie. ARCANA als Horrorfilm zu beschreiben, ist deshalb problematisch, weil Questi keinerlei Konzessionen an den damaligen Publikumsgeschmack macht und den für das italienische Horrorkino der frühen 70iger typischen Romantizismus und in seiner Perspektive auf die Mutter-Sohn-Beziehung jede Sinnlichkeit ausspart. ARCANA ist über weite Strecken ein ausgesprochen häßlicher, schmutziger Film – was sicherlich nicht nur auf das augenscheinlich extrem niedrige Budget zurückzuführen ist. Am ehesten vergleichen lässt sich das – obwohl nicht ganz so kammerspielartig – mit Polanskis REPULSION, nur mit zwei Protagonisten die sich hier nicht vor Männern ekeln, sondern vor dem gesellschaftstüchtigen Menschen und sich selbst. Der Sohn ist in seiner Verachtung längst in eine Sackgasse geraten und hat die Rebellion weit hinter sich gelassen, seine Mutter ist ein typischer, von Korruption bis zur Unmenschlichkeit zerfressener Questi-Charakter.

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Das Zentrum und das Fundament des Films bildet aber trotz der Aufmerksamkeit für Beide doch die Figur des Sohnes, der Questi ganz offensichtlich keinen Namen gegeben hat. Maurizio degli Esposti, jener graziös-dämonische Teenager mit dem Engelsgesicht, den Salvatore Samperi zwei Jahre zuvor für eine ganz ähnliche Rolle in seinem eigentümlich-perversen Giallodrama UCCIDETE IL VITELLO GRASSO E ARROSTITELO entdeckt hatte, spielt ihn mit zynischer Gelassenheit als dezent androgynes Crossover aus pervertiertem Hippie und frühem Punk. Die meiste Zeit schleicht er schweigend durch das Dämmerlicht der Wohnung oder die vor Sonnendurchflutung düsteren Straßen Mailands wo er mit seiner spontanen Aktions-Antikunst aus “bürgerlichen” Haushaltsabfällen die Neugierde der Passanten und der Polizei auf sich lenkt.

Allein Degli Espostis enigmatisches Charisma setzt den Film in einen Schwelbrand und weckt Reminiszenzen an Tomas Milians rächenden Anti-Messias in SE SEI VIVO SPARA. Das Inferno, welches sich in letzterem Film gegen Ende bereits andeutet, entlädt sich in ARCANA mit morbider Wucht. Die von der Mutter zum Schein beschworenen Mächte treten zutage, ergreifen Besitz von ihr und ihrer Kundin Marisa (Tina Aumont), das Mädchen wird vom Sohn in ihrem ekstatischen Bessessenheitstanz vergewaltigt, die Mutter nimmt die Abtreibung vor, Marisa stirbt. In einem mechanischen Totentanz, den sie in ihrer schmuddeligen Küche mit Marisas Verwandten vollführt, beginnen der Mutter Frösche aus dem Mund zu quellen. Es endet in einer Orgie. Und dann, ganz unvermittelt, bricht in den Straßen ein Krieg aus.

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ARCANA ist so übervoll an filmischen Ideen, symbolischen und surrealistischen Tableaus, politischen und kulturellen Verweisen, Provokationen, Zeitgeist-Reflexionen und wilden, ekstatischen Exzessen der Selbstzerstörung, dass man ihm einen umfangreichen Essay widmen müsste, um halbwegs zu erfassen, was sich hier so kompromisslos und doch lakonisch seinen Weg auf die Leinwand gebahnt hat.
Questi be- und entzaubert in einem Atemzug: Die italienische Gesellschaft, seine Figuren und das Kino an sich. ARCANA schließt den Kreis, den SE SEI VIVO SPARA begann und ist nunmehr ein perfektes Kino der Widersprüchlichkeiten und Verzerrung. Es erstaunt nicht, dass Questi nach LA MORTE HA FATTO L’UOVO vier Jahre brauchte, um dieses Projekt auf die Beine zu stellen. Es überrascht noch weniger und frustriert umso mehr, dass er danach nie wieder einen Kinofilm realisieren konnte. ARCANA floppte in den italienischen Kinos und wurde nie ins Ausland verkauft, die Verleiher vernichteten angeblich sämtliche Kopien bis – Gottlob – auf eine. Erst zehn Jahre später fand Questi zum Film zurück, dann allerdings – wie soviele Landsmänner – im Fernsehen, der falsche Ort für einen Radikalen wie ihn. Im neuen Jahrtausend entdeckte er die kostengünstigen Vorzüge digitaler Kameras und hat seither in seiner eigenen Wohnung mit sich selbst in der Hauptrolle einige Kurzfilme gedreht, die dem Vernehmen nach stilistisch direkt an seine Kinofilme anknüpfen sollen und die unter anderem von Olaf Möller gepriesen wurden. Einer wie Questi gibt nicht auf und besagte Kurzfilme sind auch tatsächlich auf einer Kompilations-DVD erhältlich, während ARCANA in Venedig 2008 im Rahmen der Retrospektive gezeigt wurde. Es ist nie zu spät und vielleicht wird Giulio Questis Name eines Tages neben den anderen Großen seines Landes stehen. Ich wünsche es ihm von Herzen.

ARCANAItalien 1972 – 103 MinutenRegie: Giulio Questi – Drehbuch: Franco Arcalli, Giulio Questi – Kamera: Dario di Palma – Schnitt: Franco Arcalli – Musik: Romolo Grano, Berto Pisano – Produktion: Gaspare Palumbo

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Dieser Beitrag wurde am Dienstag, Januar 26th, 2010 in den Kategorien Ältere Texte, Blog, Blogautoren, Christoph, Filmbesprechungen, Filmschaffende veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

9 Antworten zu “Arcana (1972)”

  1. Der Halunke on Januar 28th, 2010 at 12:24

    Tolle Kritik! Auch ich war jahrelang auf der Suche nach „Arcana“. Ich hab ihn jetzt auch, aber vor der Sichtung hab ich mich stets gedrückt. Wie das halt so ist mit der Vorfreude, hatte ich angst enttäuscht zu werden… aber nach dieser Kritik hab ich wieder extrem Lust bekommen!

    Welche Version hast Du gesehen? Die 85min. TV-Version oder die längere Kinofassung?

    Viele Grüße
    Der Halunke

  2. Christoph on Januar 29th, 2010 at 14:45

    Hallo! Schön, dass du dich auch hierher verirrt hast. Ich würde mir an deiner Stelle keine Sorgen um enttäuschte Erwartungen machen – die machte ich mir nämlich auch, da meine Erwartungen *extrem* hoch waren – und enttäuscht worden bin ich absolut nicht, ganz im Gegenteil. Vielmehr umgeworfen, weil ich mir doch irgendwie etwas völlig anderes erwartet hatte, ganz verquer.;-) Wie ich schon schrieb – Der Film ist so eine unförmige Wucherung (im positiven Sinne), dass man ihm schon mindestens einen 10seitigen Essay widmen müsste, um ihn einigermaßen zu erfassen. Aber das wäre m. E. eher abtörnend denn gerade unvorbereitet lässt einen der Film so richtig staunen.

    Ich habe die 104minütige Teleitalia-Fassung gesehen (Und weiß inzwischen auch, welche Szenen in der kürzeren Fassung fehlen – absolut nicht empfehlenswert, möchte ich meinen), hat Questi ja einige Szenen, die in der ursprünglichen Kinofassung fehlten, im Zuge der Restauration für Venedig wieder in den Film eingefügt. Diese integrale Fassung läuft um die 111 Minuten und ich bete mit verwachsenden Fingern, dass sie bald auf DVD erscheint. Kann gar nicht verstehen, warum das bisher nicht schon geschehen ist – besonders teuer sollte die Lizenz eigentlich nicht sein (wobei die nationale Kinemathek jedes Landes anders arbeitet – da die restaurierte Fassung von ARCANA ja in der italienischen liegt, kann dort u. U. das Problem liegen). Oder der Film ist einfach zu sperrig und aus diesem Grunde nicht reizvoll genug für die Label, auch gut möglich. Allerdings hat er genug skandalträchtiges Potential, um das mit der richtigen reißerischen Werbung (wirtschaftlich) wettzumachen.

  3. Der Halunke on Januar 30th, 2010 at 00:23

    Tja, jetzt hab ich ihn gesehen (die 104 Min-Fassung). Was kann ich sagen?
    Es ist oft so, dass ein minimales (bis nichtvorhandenes) Budget der Kreativität manchmal Flügel verleiht. Hat man kein Geld, hat man eben Ideen. „Arcana“ ist ein Ideen-Konglomerat.
    Nur einen roten Faden entdecke ich nicht. Da muss mir die Zeit helfen.
    Aber ich bin schwer beeindruckt.
    Man merkt auch deutlich, dass Questi ein alter Linker war/ist. Und genau diese politische Dimension macht den Film so stark (vor allem das Ende).

    Ich bin ziemlich begeistert von diesen alten, italienischen Filmemachern, die zwei, drei Filme gemacht haben, und danach in der Versenkung verschwunden sind. Questi war einer davon, auch Francesco Barilli, und Luigi Bazzoni. Fantastisch…

    Übrigens: einige der Stücke, die im Film zu hören sind, kommen direkt aus D’Amatos „Mörderbestien“ (Berto Pisano hat sich selbst recycelt)

  4. Mr. Vincent Vega on Januar 30th, 2010 at 16:53

    Und du erzählst mir was von Schreibblockade! 😉

  5. Christoph on Januar 31st, 2010 at 23:26

    @ Der Halunke:

    Einen roten Faden hat der Film narrativ m. E. schon, nur ist die Narrative hier nicht sehr dominant (geschweige denn wichtig) – das finde ich eigentlich toll, der Film verliert sich total in all seinen Ambitionen, Einfällen und Motiven, ein völlig bizarres Chaos, in dem ich mich extrem wohl fühlte.;-) Das mit der Musik ist mir auch aufgefallen, allerdings variiert sie gegenüber den MÖRDERBESTIEN (übrigens m. E. der wahrscheinlich einzige wirklich gute Filme D’Amatos) schon ein wenig und die besten Stücke des Films sind sowieso das Titelthema (das auch von Romolo Grano zu stammen scheint) und dieses hypnotische Violin-Stück, bei dem es sich angeblich um ein volkstümliches Requiem aus Makedonien handelt, dass Questi selbst dort aufgezeichnet haben soll.

    Und ja gehe mit dir d’accordo was die politische Dimension des Films angeht – obwohl ich zu diesen linken italienischen Filmen der frühen 70iger ein zwiespältiges Verhältnis habe (teilweise wird es einfach zu penetrant wie beispielsweise bei Valerio Zurlinis polittrashigem SEDUTO ALLA SUA DESTRA oder bei Damiano Damianis L’AVERTIMENTO in dem die Sturheit, mit der Damiani auf der mafiösen Unterwanderung italienischer Politik herumreitet, nicht mehr zündend, sondern nur noch weinerlich wirkt.
    ARCANA erinnert mich eher an die mit blutunterlaufenen Augen wütend observierenden, unbändig aufschreienden Filme von Elio Petri, ist aber natürlich viel surrealer (auch wenn LA CLASSE OPERAIA VA IN PARADISO – zu dem ich hier ja auch bereits etwas schrieb – selbst ebenfalls schon relativ surreal ist. Meiner bescheidenen Meinung nach ist eine surreale Überhöhung die einzige effektive Herangehensweise an derartige Themen weswegen der von mir als unfassbar enervierend empfundene Francesco Rosi mit seinem verkopften, bis zur Diabetes ausgenüchtertem Ansatz beispielsweise nur Zuschauern mit einem ausgeprägten politischen Bewusstsein und einem gewissen Intellekt etwas mitteilen wird. Gerade eine solche Unzufriedenheit sollte eigentlich nicht zu spießigen oder bildungsbürgerlichen Filmen führen – aber in dieser Hinsicht bin ich ja ohnehin sehr extrem. Würde ich einen politischen Film machen käme dabei höchstwahrscheinlich eine unfassbar geschmacklose Exploitationgranate heraus…).

    Ja ja, diese Filmemacher, von denen man sich viel mehr gewünscht hätte, sind schon so ein Phänomen, gerade in Italien (wobei man sich von Richard Blackburn nach LEMORA auch wenigstens einen weiteren Film gewünscht hätte, genauso wie von Robin Hardy), wo jeder einmal an die Kamera konnte, aber nicht jeder ein zweites Mal. Ich habe leider bisher weder Barillis PENSIONE PAURA noch Bazzonis LA DONNA DEL LAGO gesehen, aber sie liegen hier schon herum und werden von mir freudig erwartet (auch wenn ich nach all den Vorschusslorbeeren, die es nach dem Release der US-DVD hagelte, sehr enttäuscht war von GIORNATA NERA PER L’ARIETE der für mich neben der hochgradig stilvollen Kamera von Vittorio Storaro, der Morricone-Musik und Franco Nero in seinem anscheinend einzigen Giallo nicht viel zu bieten hatte. Muss den aber auch nochmal sehen, vielleicht auch mit der dt. Synchro oder auf italienisch, denn die englische Fassung ist dort wie üblich ein Kreuz.)

    @ Die Gaysha:

    Ja, die habe ich nach wie vor. 9 Reviews, über das ganze letzte Jahr verteilt, davon die Hälfte dillettantisch hingetippte, kurze Schmierereien. Nennst du das etwa eine gute Ausbeute? Wenn ich daran denke, wieviele Texte ich 2006 / 2007 noch zuwege gebracht habe…

  6. Der Halunke on Februar 3rd, 2010 at 13:20

    @Christoph:

    bisher haben mich die linken italienischen Politfilme nicht enttäuscht, muss ich sagen. Aber ich muss zugeben, ich bin ein großer Fan von Rosi. Und ich mag seinen „bis zur Diabetes ausgenüchterten“ (großartig!;)) Ansatz.
    Welcher Ansatz überhaupt der richtige ist (wenn es so was überhaupt gibt), um so ein Thema zu behandeln, das kommt ganz auf die Zielgruppe an. Wen will man erreichen? Den „einfachen“ Bürger? Den Intellektuellen? Den Links-Intellektuellen? Den Historiker? Den Konservativen? etc.

    Ganz schwierig… ich glaube, an sich ist jeder Ansatz richtig, wenn er denn sein Publikum findet. Aber ich glaube, vor allem Rosi wollte ja nicht nur ein Publikum finden, sondern es auch bis zu einem gewissen Grad „erziehen“. Eine weitere Problematik…

    Ich glaube, „Pensione Paura“ könnte dir gefallen, aber dafür darf man auch kein zweites „The Perfume of the Lady in Black“ erwarten, weil es zwei sehr verschiedene Filme sind.
    Und „La Donna del Lago“ könnte dir auch zusagen, weil er „Le Orme“ viel näher steht.
    Ich kann mir vorstellen, dass wenn man „Le Orme“ zuerst gesehen hat, etwas enttäuscht ist von „Giornata nera per l’ariete“, weil er so viel konventioneller scheint. Aber der Film hat eine zweite Sichtung verdient. Er ist ungleich enigmatischer, als man denkt (aber nicht von der Handlung her).

    Außerdem gibt’s da noch „Mit Django kam der Tod“, wo Franco Nero auf Klaus Kinski trifft, so eine Art Carmen-Variante im Westerngewand. Hab den auch in guter Erinnerung.

  7. Sano on Februar 5th, 2010 at 18:08

    Questi hat ja anscheinend vor seinen 3 Spielfilmen einige Kurzfilme, vor allem innerhalb von Kompilationsfilmen gedreht. Habe glaub ich einige auf der 2009er oder 2008er Entdeckungsliste von olaf Möller gesehen. Und die Fernseharbeiten sollen von dem was ich mitbekommen habe auch zumindest teilweise sehr interessant sein. Somit wäre (inklusive der teilweise bald auf DVD erscheinenden neueren Kurzfilme) noch einiges von Questi zu entdecken.

  8. Christoph on Februar 23rd, 2010 at 09:06

    Von solchen Kompilations-Kurzfilmen verspreche ich mir immer das Schlimmste, vielleicht habe ich das daher einfach ignoranterweise ausgeblendet. Außerdem spielt hier natürlich, ebenso wie bei (ARCANA eigentlich auch) Questis TV-Arbeiten (von denen anscheinend gar nicht alle in der IMDb aufgeführt werden, genauso wie seine neueren Kurzfilme) die Verfügbarkeit eine Rolle und wenn man nicht gerade Olaf Möller oder Christoph Huber heißt und sich das ganze Jahr den glücklichen Hintern auf Festivals breitsitzt (ja ja, Neid ist Eiter in den Gebeinen von Cineasten), bekommt man derartiges einfach nicht zu sehen, denn welches DVD-Label erbarmt sich darüber schon? Die DVD mit seinen Kurzfilmen brauche ich aber unbedingt, unbedingt.8-)

    In der Zwischenzeit sollten soviele Interessierte wie möglich die ehrenwerten Label Bildstörung und Camera Obscura bei Cinefacts mit Bittstellungen bzgl. ARCANA bombadieren. Hartnäckigkeit ist in solchen Fällen schon oft belohnt worden.
    Wo hast du denn etwas über seine TV-Arbeiten gelesen? Ich habe dazu rein gar nichts finden können außer einem (!) Satz über VAMPIRISMUS. Kurioserweise sind diese Krimis, die er Anfang der 90iger gedreht hat, sogar im deutschen Fernsehen gelaufen.

    @ Der Halunke:

    Nur noch so zur Ergänzung: Tatsächlich habe ich LE ORME (du kennst ja vielleicht meinen verfehlten OFDb-Text) erst nach GIORNATA gesehen und war angenehm überrascht, dass Bazzoni mit seiner fotografischen Brillianz auch Atmosphäre kreieren konnte (was er bei DONNA sicherlich auch getan hat, der Film sieht einfach fantastisch aus, beinahe avantgardistisch). Und ich habe ja nur eine mäßige VHS-Aufzeichnung der deutschen Fassung mit der trashigen neuen Synthie-Musik (die ich, wenn ich denn mal die Shameless-DVD in die Finger kriege, sicherlich irgendwie vermissen werde^^) gesehen.

    Bezüglich Rosi stimme ich dir auch zu – dieser mahnende Gestus hat ihn mir nach nur zwei Filmen (CADAVERI ECCELLENTI und LUCKY LUCIANO) vorerst verleidet aber früher oder später werde ich mir sicherlich doch noch LE MANI SULLA CITTÀ und UOMINI CONTRO ansehen. Mir persönlich sagt eben ein Ansatz, der die verhandelten Konflikte emotional erfahrbar macht, am meisten zu – von sentimentaler Verschleierung zu sprechen, wie gerade die lieben Linksradikalen es ja gerne taten und tun, empfinde ich als doppelmoralische Hochstapelei und habe meinem Unmut darüber auch schon in dem kurzen Text zu LA CLASSE OPERAIA VA IN PARADISO Luft gemacht. Letztlich zeugt der Rosische Ansatz m. E. von einem Mangel an Vertrauen in die Urteilsfähigkeit des Zuschauers. Gespräche über die Rolle der Mafia in der Politik mit meinen italienischen Freunden in England haben mir bewiesen, dass die Schlüsse, die ich für mich aus diesen Filmen (nominell Damiani), aus dieser „Fiktion“ gezogen habe, durchaus authentisch waren. Einen richtigen Ansatz gibt es natürlich nicht aber ich würde mir persönlich zumindest anmaßen, von einem „konstruktiven“ oder „offenen“ Ansatz zu sprechen, den Regisseure wie Petri, Questi oder Damiani anbieten und den m. E. Rosi und auch Zurlini verweigern.

  9. Nils on Mai 4th, 2010 at 00:07

    Ich habe mit großem Interesse den Artikel und die Kommentare zu Questis Arcana gelesen. Als großer Fan von „Se sei vivo spara“ habe ich mir dann natürlich auch vor längerer Zeit eine italienische VHS von Arcana besorgt. Die Qualitität war aber derart mies und ich des Italienischen nicht mächtig, dass ich diesen doch recht schwierig zu dekodierenden Film nicht entsprechend würdigen konnte. Auch meine Digitalisierung auf DVD hat mich nicht wirklich weitergebracht. Ich wollte die englischen Untertitel anlegen, musste aber festgestellt, dass sie sich auf eine längere Version beziehen, wie auch in den obigen Beiträgen erwähnt wird. Habe wohl nur die gekürzte Fernsehfassung (tvp oder so, das Senderlogo kann man kaum erkennen). Wie kommt man denn bloß an eine brauchbare untertitelte Fassung? Kann mir da jemand weiterhelfen?

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