14. Hofbauer-Kongress, Aufriss #3
Ausgerechnet bei diesem glumsigen und trüben Film fielen mir die Schuppen von den Augen, was 35mm-Projektionen betrifft. Es war in einem Aachener Kino vor drei Jahren. Der Vorführer war wohl abgelöst worden, denn nach verschwommenen ersten zehn Minuten wurde der Film auf einmal stechend scharf. Die Farben und Strukturen spritzten und schossen nur so in uns rein.
Das schwelende Rotbraun der 70er Jahre-Holztäfelungen und wild gemusterten Orientteppiche, die ochsenblutfarbenen Relieffliesen, die psychedelische Freitreppe in Peter Bonds schmieriger Schneckenhauswohnung: ein holographischer Fiebertraum.
Ja, der geschmeidige und sensitive Peter Bond („Glücksrad“) spielt mit, als guter, rettender Mann. Den Rest des Films beherrscht eine Wand unglaublich kalter, lüsterner Fieslinge. Sie erinnern an Gymnasiallehrer, haben aber seltsamerweise viel mit dem Literaturverlagswesen zu tun. Den lauter netten Mädchen dieses sexuellen Abenteuerfilms können sie nicht garstig genug sein. Eine Entgleiste strippt vor ihnen leidenschaftlich in einem klebrigen Mini-Kino. Zwei übermütige Schulfreundinnen geraten durch eine Anzeige im „Weekend“ Pornoheftchen zu ihrem Entzücken in die erstickende Stilmöbelwohnung eines unverfroren verächtlichen, dominanten Ultraerwachsenen und lassen sich mit Wonne von diesem von ihnen fetischisierten Wutbürger demütigen.
Mehr weiß ich nicht mehr. Nur noch Details: Der Aufkleber „Stoppt Röteln“ auf einer Telefonzelle. Der bedrohliche Riesen-Kuschelhase in der Ecke eines mit Teenie-Tand verstopften Mädchenzimmers. Die dumpfe Musik, die sich verfressen an allem von „Take a walk on the wild side“ bis zum pappigen Bumsdiscosound bedient. Die Frau, die von einem Geliebten aus ihrer Ehe befreit wird, nur um mit ihm und lauter Unsympathen beim Gruppensex in einer beklemmend protzigen Kellerbar zu landen und enthusiastisch auszurufen: „Jetzt beginnt das Leben!“
Hans Billian, der Regisseur dieses unwohlen Trips namens „Intime Liebschaften“, wusste viele Geheimnisse. Am berühmtesten machte ihn natürlich „Josefine Mutzenbacher“, auf vergangenen Kongressen punktete er aber mit seinen lebenslustigen und spritzigen Drehbüchern zu „Holiday in St. Tropez“ und „Tausend Takte Übermut“ und schockte mit den tolldreisten Pornokurzfilmen „First Love“ und „Die Steifeprüfung“. Die „Liebschaften“ gibt es unter dem Namen „Intimes Lustgeflüster“ auch als Hardcore-Porno. Bei der Fassung auf dem 14. Hofbauerkongress handelt es sich aber um die erregt ersteigerte Softcore-Morgengabe des Filmblogs „Hard Sensations“ an das verehrte Hofbauerkommando.
„Durch die Mischung aus moralischer Verrohung und süßer tapsiger Art muss man diesen Bastard liebhaben.“ (tofunerdpunk)
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