14. Hofbauer-Kongress, Aufriss #4



Den „Ernst Lubitsch des deutschen Sexfilms“ nannte Christoph vor vier Jahren enthusiasmiert Eberhard Schröder im Anschluss an eine interne Sichtung seines ersten Kinofilms MADAME UND IHRE NICHTE (1969). Es war ein glühender Sommernachmittag, der die Luft im KommKino-Saal bis zur Schnittfestigkeit erhitzt hatte, die Filmkopie war ausgetrocknet und ausgetrübt, doch die verschwitzte Ver- und Bewunderung groß. Nach Legionen stählerner Alpenlustspiele und mottenzerfressener Kopulationsklamotten, die das Hofbauer-Kommando in seiner jungen Geschichte bereits tapfer zu Forschungszwecken durchlitten hatte, breitete sie sich urplötzlich vor unseren von zarter Liebe verklärten Augen aus: die erwachsene, leichtfüßige und sophisticatete deutsche Erotikkomödie, an deren Existenz wir bereits gezweifelt hatten – der Film, der, zusammen mit den Langfilmen des großen Marran Gosov, bereits Ende der 60er Jahre demonstriert hatte, wie man es vielleicht richtig machen könnte und dessen Beispiel leider niemand folgen wollte – zu verlockend niedrig lagen die Hürden, in allzu naher Sichtweite das nächstmögliche Ziel, die allzu oft – wenngleich nicht immer! – Geist und Körper schändende Humortortur des vorgeblich erotischen, doch faktisch zumeist lustfeindlichen teutonischen Heimat-Schwanks, dessen weiterführende Tiefenerkundung wir bis auf einige Ausnahmen gerne einer neu gegründeten Vereinigung namens STUC, dem „stählernen Filmclub“ überlassen.

Guy de Maupassants Novelle „Yvette“ gibt hier die Stichworte, doch der zeitgeistbeflissene Film spielt im superangesagten, superheißen und superduften, winterlichen Beat-München des Jahres 1969 und ist Teil eines Kongress-Specials unter dem Motto „München im HK-relevanten Film 1969 – 1971“, welches wir im Januar mit drei und in der ferneren Zukunft mit vier weiteren Filmen zu begehen und damit die bundesrepublikanische HK-Filmhauptstadt jener Jahre und ihre gschmackige Anziehungskraft zu würdigen gedenken. Als Stichwortgeber wollte Onkel Fürchtegott de Maupassant allerdings nicht missbraucht wissen: „Er soll lediglich ein dürftiges Kinostück mit dem literarischen Mantel verbrämen, wobei wohl nur einfältige Gemüter an Literatur denken können. Man beruft sich auf Maupassants „Yvette“, die im Film anno 69 in München Sprachen studiert. Ihre Mutter, die die Tochter aus Eitelkeit als Nichte ausgibt, läßt sich – verstehe es, wer mag – mit „Madame“ anreden. Da sie von einem Generaldirektor ausgehalten wird, führt sie ein Haus, wie es nur in der Phantasie eines deutschen Filmarchitekten existieren kann. Aber weil der Generaldirektor deutliche Alterserscheinungen zeigt und schließlich im Bett von Madame stirbt, will die Leichtlebige retten, was zu retten ist und sich an den nächsten Millionär heranschlafen.“

Das große Glück des Films und auch des auf Frauenfang befindlichen, naturtrüben Sohns des erwähnten, nächsten Millionärs: Yvette wird von der italienischen Leinwandgöttin Edwige Fenech verkörpert, deren rassige Pracht in jenen Tagen einige Male in unser erotisch erwachendes Heimatland herüberwogte, wo sie nicht nur für Eberhard Schröder, sondern auch HK-Starregisseur Hans Schott-Schöbinger und stählerne Urgesteine wie Franz Antel ihre steilen Kurven freiherzig den eifrig surrenden Eastmancolor-Kameras feilbot. Das kleine Unglück des Films und des erwähnten, nächsten Millionärs: Madame flaniert in Gestalt von Ruth-Maria Kubitschek über die Leinwand, die damals – Gott sei’s gedankt – noch keine schmalztriefenden Romane über die Liebe im Alter schrieb und diese in aseptisch-touristischen Degeto-Fernsehfilmen nachspielte. Stattdessen war sie ein schillerndes Mitglied der Münchner Filmschickeria und geriet so an den wilden Wolf (C. Hartwig), für den sie sich in MADAME UND IHRE NICHTE und ICH SCHLAFE MIT MEINEM MÖRDER (1970; ebenfalls Teil des ersten München-Specials im Januar) von ihrer liederlichsten und verruchtesten, also von ihrer Schokoladenseite zeigte und Nerzmantel wie auch Pariser Unterwäsche ablegte.

„Daß sich das ganze Opus ausschließlich zwischen Bett und Striptease, Männerstärkungsmitteln, Pille und einigen Anzüglichkeiten bewegt, ist die einzige nachhaltige Erinnerung nach dem Filmbesuch.“ – Wie falsch Onkel Fürchtegott mit dieser ungeschlachten Einschätzung lag und wie störrisch er sich dem nahezu französischen Charme und der feinen Ironie von Schröders Film verschloss, könnt ihr im Januar selbst nachvollziehen, wenn uns MADAME UND IHRE NICHTE, genau ein Jahr nach der berückenden Kongressaufführung von Eberhard Schröders Ultrakunst-Leuchtturm DIE KLOSTERSCHÜLERINNEN (1972), mit leider schon roséfarbenem, aber immer noch filigran-eleganten 35mm-Teint besuchen und uns zu den samtweich die Ohren umschmeichelnden Klängen von Gert Wilden lehren, wie man die Männer einfängt und am Haken behält. Petri Heil!

Madame1

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, Dezember 3rd, 2014 in den Kategorien Blog, Das Hofbauer-Kommando, Festivals veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

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