Vierzehn Aufrisse für ein Halleluja
+++ Weihnachtlicher Leseproviant +++ Ankündigungstexte für den 12. außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos +++
Zum 11. Kongress im vergangenen September gab es zu unserer großen Freude hinterher eine schriftliche Aufarbeitung in bislang nicht gekanntem Umfang. Gesamt-Rückblicke gab es bei Movies & Sports und den Hypnosemaschinen, ein abschließendes Ranking im Filmtagebuch, Betrachtungen und Schnappschüsse zu Rolf Thieles VENUSBERG in Der breite Grat, einen Kongress-Report in der Print-Ausgabe Nr. 23 von SigiGötz-Entertainment, ausführliche Besprechungen sämtlicher gesehener Filme (!) bei Remember it for later, Kurzkommentare zu allen Filmen in Roberts STB sowie mehrere Einzeleinträge und ein abschließendes kommentiertes Ranking bei Dirty Laundry. Lediglich Hard Sensations, wo Silvia zuletzt zur verlässlichen Chronistin der Kongresse avancierte, setzte diesmal aus. Gleiches gilt für das Hofbauer-Kommando, denn während die Kongresse eine faszinierende Eigendynamik entwickelt haben (von der privaten Filmnacht im engsten Kreis zu quasi-konspirativen Treffen unter Freunden bis hin zu einer Veranstaltung, die sich aus öffentlichen und privaten Vorführungen zusammen setzt und immer mehr Zulauf und Echo erfährt), kommen wir inmitten des organisatorischen Aufwands und der anschließenden Erschöpfung selbst längst nicht mehr dazu, uns schriftlich im Nachhinein mit den gezeigten Filmen auseinander zu setzen.
Dafür hat es sich zuletzt zur schönen Tradition entwickelt, dass wir zumindest vorab mit Ankündigungstexten auf die gebotenen Raritäten (die wir überwiegend selbst nicht kennen, weil unser Credo lautet, bevorzugt jene Werke zu zeigen, die wir selbst unbedingt sehen wollen und die man häufig gar nicht jenseits oft jahrzehntelang nicht mehr gezeigter Filmkopien sehen kann) einstimmen. Um diese Texte nicht verloren gehen zu lassen, wollen wir sie hier gesammelt festhalten, zumal der gleich in den ersten Tagen des neuen Jahres steigende 12. außerordentliche Filmkongress des Hofbauer-Kommandos erstmals zumindest partiell offiziell auch als solcher angekündigt ist. Was das Hofbauer-Kommando diesmal an heißen Zelluloidschätzen in dunklen Archivkellern aufreißen konnte, wird nachfolgend vorgestellt (die Texte wurden von verschiedenen Kommandanten verfasst und sind nicht näher zugeordnet, dem Verständnis halber sei allerdings hinzu gefügt, dass nur Christoph von der „Ich“-Form Gebrauch gemacht hat):
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12. Kongress, Aufriss #1: Auch DU bist der Kongress!
Als ich gestern schrieb, das Programm des 12. außerordentlichen Filmkongresses stünde nunmehr vollständig fest, entsprach das nicht der vollen Wahrheit: zum einen wird es natürlich des nachts, wie stets, ausgewählte „Videoknüppel“ und andere, auch uns nur in digitaler Form vorliegende HK-relevante filmische Köstlichkeiten via Beam zu sehen geben. Zum anderen klafft tatsächlich noch ein entscheidendes Loch in der Programmübersicht und ihr könnt nun mitentscheiden, womit wir es stopfen werden!
Der deutsche Sexfilm der 1970iger Jahre, in dessen Verehrung das nach dem großen Wiener Auteur Ernst Hofbauer benannte Hofbauer-Kommando seinen Ursprung hat, soll selbstverständlich auch auf diesem Kongress mit Anwesenheit glänzen. Zartbeseelt wie wir sind, haben wir jedoch die Qual der Wahl nicht lange ertragen – es konnte keine abschließende Entscheidung getroffen werden.
Die folgenden drei handverlesenen erotischen Schwänke sind alle für zukünftige Kongresse vorgesehen, es gibt vor ihnen also langfristig kein Entrinnen. Ihr könnt ab jetzt allerdings eine Woche lang darüber abstimmen, welcher dieser drei Filme in der Nacht vom 03. auf den 04. Januar eure Hosen zum Platzen und / oder euer Gehirn zum Aufgeben zwingen wird! Wir bitten allerdings natürlich darum, dass nur diejenigen abstimmen, die auch tatsächlich kommen wollen. Wählt weise – hier nahen sie, die Kandidaten:
Film 1:
DIE KLOSTERSCHÜLERINNEN (Eberhard Schroeder, 1972)
Zur Originalmusik von Giorgio Moroder (!) erzählt diese winterlich-verschneite Rapid-Produktion von unschuldigen jungen Mädchen hinter gestrengen Klostermauern, in deren taufrischen, erwachenden Körpern die ungeheuren Gefühle entbrennen und die es alsbald zum Herrn Pfarrer in den Beichtstuhl und in die Welt hinaus, zu den Jungens zieht. Regie führte der hochtalentierte Eberhard Schröder, jener von Tragik umwehte Rapid-Stammregisseur, der sich nur zwei Jahre nachdem er dieses Werk schuf, im Alter von nur 40 Jahren das Leben nahm – angeblich, weil es ihm nicht gelungen war, sich als ernsthafter Filmemacher zu etablieren. Wir hoffen inständig, dass das nicht stimmt und er sich der kinematographischen Qualitäten dieses Films und etwa auch seines wundervollen Debüts MADAME UND IHRE NICHTE („Der Ernst Lubitsch der deutschen Sexkomödie“, rief ich seinerzeit aus) zumindest ein klein wenig bewusst war. Mit HK-relevanter Prominenz wie Elisabeth Volkmann, Josef Moosholzer, Astrid Boner, Sascha Hehn, Ulrich Beiger u. a.
Film 2:
AUCH NINOTSCHKA ZIEHT IHR HÖSCHEN AUS (Claus Tinney, 1973)
Eine der wenigen Regiearbeiten von Claus Tinney, dem wir als Regisseur schon beim 6. Kongress NACKT UND HEISS AUF MYKONOS begegneten und der im HK-Kosmos einen ewigen Platz innehat als Darsteller in und Drehbuchautor von Ernst Hofbauers monolithischem Meisterwerk HEISSES PFLASTER KÖLN (1967):
Von seinem Ministerium mit drei properen Bauernmädeln („Kolchosearbeiterinnen“, vermerkt der katholische Filmdienst sachlich) auf eine Landwirtschaftsmesse in München entsandt, hat ein kleiner Russe (gespielt vom HK-Star der Herzen Rinaldo Talamonti!) alle Hände voll zu tun, seine zauberhaften Devushkas davor zu bewahren, in Schmierigkeiten zu geraten, in die diese sich mit lüsternen Bayern stürzen – oder in die sich die lüsternen Bayern mit ihnen stürzen? Früher oder später werden wir das eruieren! Weiterhin mit HK-relevanter Prominenz wie Franz Muxeneder, Elisabeth Volkmann (#2), Karin Heske, Johannes Buzalski u. a.
Film 3:
INTIME LIEBSCHAFTEN (Hans Billian, 1980)
Zu einer Zeit, als der ehemalige Heimatfilmer und Constantin-Dramaturg Hans Billian längst zu einem der berüchtigtsten und schillerndsten Entreporneurs der Bundesrepublik herangereift war, erreichte noch einmal, auf der Schwelle zu den 80igern und am Ende der Softsex-Welle, eines seiner Werke die respektablen Schmuddelkinos. Die gewiß mit rustikalem Spritz erzählte Mär kreist um einen Schriftsteller, der aus Lust- und Karriereverlegenheiten die „Sexkino-Biene“ Sybill als Ehefrau auf Zeit engagiert, um Verleger künftig mit mehr als nur den Vorzügen seiner literarischen Ergüsse zu bezirzen. Dem abgefeimten Plan kommt jedoch ein romantischer Freund des Hauses (Fernsehmoderator Peter Bond!) ins Gehege, der glaubt, in Sybill die Hure mit dem goldenen Herzen erkannt zu haben…
Vielgepriesen von unseren Freunden von Hard Sensations, deren ungeheurer Großzügigkeit sich übrigens auch diese Kopie im Archiv des KommKinos verdankt, sagen Silvia Szymanski und Marco Siedelmann insbesondere der vor öligem Schmalz starrenden schauspielerischen Darbietung von Peter Bond hosensprengende Wirkung nach!
(Als Sieger gingen aus der Abstimmung – an der sich 33 Teilnehmer beteiligten – DIE KLOSTERSCHÜLERINNEN hervor.)
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12. Kongress, Aufriss #2: Am Abend des 1. Dezember 2012…
…wollten wir im Rahmen unseres 8. außerordentlichen Filmkongresses den frühen Poeten und großen Oneironautiker des erotischen Kinos, José Bénazéraf, ehren und nachträglich zum 90. Geburtstag gratulieren, mangels Alternative mit einer 35mm-Voführung seines Hardcore-Films LE BORDEL, 1ÈRE ÉPOQUE; 1900 (1974). Durch einen Irrtum des Kopienbesitzers bekamen wir in jener Nacht allerdings einen ganz anderen, recht unerquicklichen und höchst trostlosen Porno namens CECILIE zu sehen. Erst später erfuhren wir, dass José Bénazéraf (im weiteren Verlauf JB) an just jenem 1. Dezember aus dem Leben geschieden war. Seither bemühen wir uns, Abbitte für dieses unheimliche Geschick zu leisten, erst mit einem DVD-Screening seines Meisterwerks JOE CALIGULA beim 9. Kongress, und nun mit unserem zweiten und hoffentlich erfolgreichen Versuch, einen seiner Filme in 35mm-Projektion zu zeigen.
Der Cinemascope-Farbfilm COVERGIRLS – DIE GANZ TEUREN MÄDCHEN (1964) begibt sich, wie der deutsche Untertitel mit besonderer Unmissverständlichkeit versichert, in das Tal des schönen Scheins und schmierigen Seins, in die schillernde – noch dazu französische!, meint man die zeitgenössische deutsche Werbung abermals aufgeregt schallen zu hören – Modewelt der frühen 60iger, in die Designerapartements und Fotostudios, aber selbstverständlich auch hinein in die Dunkelkammern der Fotografen und die Garderoben der titelgebenden jungen Damen, die ob ihrer zeigefreudigen Profession zum Spielball gefühlvoller Spekulationen und Projektionen werden.
Jene gerade in ihrer vulgären Süffisanz eleganten Striptease-Nummern in schattigen Nachtlokalen oder schwüle Flirts am HEISSEN STRAND (wie JBs international erregt beachtetes Debüt in Deutschland hieß), die man sonst als Schauwerte mit dem fiebrigen* Frühwerk des „Godard du X“ assoziiert, wird man in COVER GIRLS allerdings nicht vorfinden: zumindest an der Oberfläche soll es Fans zufolge keusch zugehen in JBs erstem (und, wenig überraschend, auch letzten) Versuch, in den Mainstream vorzustoßen. Indes, bereits die Eröffnungssequenz, in der das Erregungspotenzial sich räkelnder weiblicher Körper diskutiert wird, lässt erahnen: José war im glamourösen Gewand cremiger Breitwandfotografie vielleicht weniger spröde und düster, jedoch unvermindert von dem Wunsch beseelt, der holden Weiblichkeit ihre sinnlichen Geheimnisse zu entlocken. Wir freuen uns daher auf eineinhalb mondäne Stunden in der langen, französischen Tradition der „Frauenanbetung mit dem Schwanz in der einen und der Kamera in der anderen hand“, wie ich das stets gerne (und sonst meist abfällig, aber man wird sich ja noch untreu werden dürfen) nenne.
(* an dieser Stelle sah ich, um ein Adjektiv ringend, nach, was ich in meinem Sehtagebuch auf Eskalierende Träume 2011 über seinen erleuchtenden Film LA NUIT LA PLUS LONGUE geschrieben hatte – viel zu wenig, vor allem zuwenig Sinnvolles, aber über JB selbst dies: „“Le Godard du X“ – der bessere Godard, ein Meister der abstrakten Reduktion, der anreichernden Entleerung, des lautmalenden Schweigesanges, der implosiven Öffnung, noch mehr.“)
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12. Kongress, Aufriss #3: Mit Glamour Girls…
…kannte er sich aus wie kaum ein Zweiter: Roger Vadim, notorischer Frauenheld und erotomaner Filmemacher, sammelte seine Eroberungen in einem Umfang, wie es andere höchstens in scheuer Sehnsucht mit Pin-up-Bildern taten. Und häufig platzierte er seine aktuellen Herz- und Hosensdamen sowohl hinter seiner Schlafzimmertüre als auch vor seiner Kameralinse, wo sie zu buchstäblich Angebeteten eines fetischisierenden Blicks wurden. „Pretty Maids All in a Row“ hieß, ironisch-programmatisch für Leben und Filmografie, dann konsequenterweise auch eines seiner Werke – und „From One Star to the Next“ die Autobiographie über die Perlenkette seiner amourösen Abenteuer.
Brigitte Bardot und Jane Fonda waren dabei die prägendsten Stars seines Œuvres, mehrfach platziert in Erzeugnissen unterschiedlichster Couleur und facettenreich als Sexsymbole in Szene gesetzt. Die lüsterne Unverhohlenheit, mit der Vadim seine private Erotomanie in eine oftmals schwelgerisch-obsessive filmische Form (er)goss, brachte ihm freilich immer wieder kritisches Naserümpfen ein – prädestiniert ihn aber als Fall für das Hofbauer-Kommando, das sich nun mit DIE BEUTE (La curée, 1966) einen Film ausgesucht hat, der zwar als Émile-Zola-Verfilmung von manchen Kritikern den wohlgeformten Rundungen Jane Fondas zum Trotz mitunter als eher flach gescholten worden sein mag (Auftritt Katholischer Filmdienst: „statt dessen entwirft Vadim ein gepflegt-dekoratives Sittenbild, das als Rahmen und Hintergrund für die Reize der Hauptdarstellerin fungiert“), aber bei dem wir den begründeten Verdacht hegen, dass er im Auge des beobachtungsfreudigen Connaisseurs mit Sicherheit noch einmal ein völlig anderes Aroma zu entfalten vermag.
Nach den COVER GIRLS wird uns mit DIE BEUTE bei diesem Kongress also noch ein zweiter Film in die Welt von Glamour und trügerischem Schein entführen, wo sich zwischen einem reichen Unternehmer, seiner jungen Frau und deren Stiefsohn eine Dreiecksgeschichte entwickelt, inszeniert als Playboy- und Playgirl-Gesellschaftsspiel im morbiden Luxusmilieu der 60er Jahre. Neben Jane Fonda flanieren Michel Piccoli und Peter McEnery durch die mit Schangel-Elementen wie Weitwinkel, Weichzeichner und Spiegel-Konstruktionen angereicherten CinemaScope-Kompositionen von Claude Renoir, der auch die Vadim-Hauptwerke …UND VOR LUST ZU STERBEN und BARBARELLA mit visueller Finesse versorgte, während in Nebenrollen die bezaubernde Tina Aumont in einem ihrer ersten Leinwandauftritte und der Jess-Franco-Lieblingsdarsteller Howard Vernon zu sehen sind. Nicht zuletzt freuen wir uns, Vadims dekadentes Wandeln durch Sixties-Chic und Pop-Art-Dekors am 5.1. in einer farbenprächtigen Technicolor-Kopie darbieten zu können.
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12. Kongress, Aufriss #4: Eine genuine Wiederentdeckung des Hofbauer-Kommandos…
…war das Schaffen und Wirken von Günter Hendel, liebenswerter Selfmade-Auteur erratischer und im Rahmen vergangener Kongresse ekstatisch gefeierter radioaktiver Filmerzeugnisse wie EIN LANGER RITT NACH EDEN und vor allem DER SEX-AGENT („Ich bin der Mann vom Strand.“) sowie Synchron- und Co-Regisseur der berüchtigten deutschen Fassung des italienischen Hosendetonators extraordinaire SKLAVEN IHRER TRIEBE. Günter hatte stets nicht nur eine verwegene, sondern auch eine musische Ader, wovon insbesondere seine frühen GRAF PORNO-Filme beredt Zeugnis ablegen. Und ganz zu Beginn seiner Karriere stand ihm der Sinn vielleicht tatsächlich weniger nach Radioaktivem denn nach Größerem, Schönerem, nach Kino total.
…SOVIEL NACKTE ZÄRTLICHKEIT heißt sein trivialliterarisch verbrähmtes, seltenes Regiedebüt aus dem Jahre 1968 und ist bereits ein Film von einigen Merkwürden. Als Strudel unbezähmbarer Leidenschaften pries man ihn in Italien übermütig unter dem wilden Titel „Für deinen nackten Körper verkaufe ich meine Seele“ an, der katholische Filmdienst schrieb mit unverständlichem Desinteresse von einer „Mixtur aus Heimatfilm, Liebesdrama und Kriminalgeschichte“ und das Hofbauer-Kommando ruft ihn neckisch einen „Sleaze noir“. Freilich ist nichts davon wahr, und doch alles – irgendwie.
Mit dem epischen Raunen seiner eigenen, heiseren Stimme entführt uns Günter in seiner obligatorischen Rolle als gutmütiger Dorfpfarrer ins schöne Oberbayern, wo aus einem kleinen Dorf eine brave Maid namens Eva in das gefährliche Labyrinth der sündigen Großstadt München entschwunden ist. Im winterlichen Straßendschungel derselbigen trifft Peter, ein graumelierter amerikanischer Lebemann, auf die laszive Kitty, deren fraulichem Schnurren er recht bald ergeben und hörig ist. „Warum hast du deine erste Frau verlassen?“ fragt sie ihn einmal unschuldig. „Ach, sie war die Sorte moderne Frau, die immer kalt ist und nichtmal im Bett warm wird.“ antwortet er, weltmännisch lächelnd um Verständnis heischend. Eine funkensprühende Begegnung von Verzicht und Laster, die unweigerlich in einer „amour fou“ à la Hendel enden muss und deren ruchlose Konsequenzen das idyllische Voralpenland erschüttern werden! Und dabei begann doch alles mit der braven Eva, die von zuhause ausgerissen war…
Zwischen schneebedeckten Berghängen und schwüler Kaminfeuerwärme von dem ungarischen Kameramann und unbesungenen Sleaze-Impresario Ferenc „Franz“ Vass (u. a. VULKAN DER HÖLLISCHEN TRIEBE aus dem 11. Kongressprogramm und PERFEKT IN ALLEN STELLUNGEN von Frits Fronz) ehrgeizig in Ultrascope fotografiert – und von uns natürlich in 35mm-Projektion präsentiert -, erzählt SOVIEL NACKTE ZÄRTLICHKEIT schulterklopfend von einer versunkenen Zeit, in der es noch „Männer von Welt“ und „Femmes fatales“ gab, in der es noch möglich war, unbefleckte Mädchen mit Super-8-Pornos zu verderben und in der ausgerechnet Oberbayern zur Wahlheimat eines deutschen B-Kinos jenseits von Lederhosensex wurde!
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12. Kongress, Aufriss #5: „Hart wie Kruppstahl“…
…müsse man sein, um ihn durchzustehen, grinste ich mit einem unüberhörbaren, aber mir selbst noch nicht gänzlich bewussten Frohlocken in der Stimme, als ich im September den Teilnehmern des 11. außerordentlichen Filmkongresses des Hofbauer-Kommandos über einer Pizza bei unserem geschätzten „Dario“ von diesem Film erzählte. Wenige Momente später: eine Epiphanie! Dieser Film musste nicht irgendwann, sondern gleich auf dem nächsten Kongress gezeigt werden, koste es, was es wolle: Liebe, Ruhm, Vertrauen, Anerkennung, Respekt.
Der konspirativen Beichte meiner niederträchtigen Vision folgte ein nicht enden wollender, scheinbar unlösbarer HK-interner Disput. Es ist nicht auszuschließen, dass sich Andreas vor lauter entgeistertem Kopfschütteln eine Prä-kongressiale Migräne eingefangen hat.
Das könne doch nicht mein Ernst sein, dieser Film wäre doch unzumutbar, ich sei am Stockholm-Syndrom erkrankt und solle mich noch einmal recht entsinnen, wie sehr wir vor einigen Jahren unter diesem Film gelitten hatten. Aber, versetzte ich gerissen, dieser Film sei ja wohl absolut prädestiniert, als nächster „trister Überraschungsfilm“ aufgeführt zu werden, denn im Gegensatz zu den beiden unverhofft delirierenden Vorgängern im Juli und September sei er, der Film, doch wirklich der Inbegriff aller vorstellbaren Tristesse. Eben, meinte Andreas, wir könnten nach zwei Meisterwerken wie DER PERSER UND DIE SCHWEDIN und BARON PORNOS NÄCHTLICHE FREUDEN das Vertrauen unserer Freunde in die erfolgreich lancierte, beliebte und freudvolle Kongress-Sektion „trister Überraschungsfilm“ nicht derart glanzlos ruinieren.
All mein Bitten und Flehen schien aussichtslos, doch auf der Fahrt zum 70mm-Festival in Karlsruhe gelang es mir schließlich, meinen HK-Co-Kurator im Beisein des erstaunten Robert mit einem inbrünstigen, einstündigen Plädoyer zur Einsicht zu bringen. Seine Neugierde war geweckt: wie würde das unbefangene, ahnungs- und hilflose Kongresspublikum reagieren? Ich schwelgte: „Stöhnen werden sie, und ächzen vor Schmerz, aber hinterher werden sie noch lange, sehr lange davon sprechen – irgendwann werden sie uns dann dankbar sein!“
Da wir schlussendlich übereingekommen waren, dass der „triste Überraschungsfilm“ auch weiterhin ein Etikett für die Poesie des Verstrahlten bleiben sollte und uns recht schnell auf einen diesbezüglich adäquaten Titel einigten, verblieb für das nunmehr in den Kongressstand erhobene Findelkind nur die naheliegendste Bezeichnung: der STÄHLERNE ÜBERRASCHUNGSFILM war geboren.
Und damit die (Tr)überraschung denn auch perfekt werde, soll nicht allzu viel verraten werden über den Inhalt dieses Monuments der Trübsal, welches auch zu Beginn der 70iger Jahre vermutlich mehr Erschlaffungen denn Ausbeulungen verursachte. Nur soviel: ganz gleich, wie sorgfältig ihr in eurer Jugend von Eltern und Biologielehrer aufgeklärt wurdet – dieses trostlose Werk wird euch an ungekannte Grenzen eurer Selbst führen, euer Bild von Sexualität ins Wanken bringen und mit euch in erschöpfender Ausführlichkeit und unter beispiellosem Verzicht auf Schönheit und Sinnenfreude die ganze Aufklärung noch einmal erbarmungslos bis zum bitteren Ende durchexerzieren. Ohne Gnade, Schätzchen.
Noch Jahre nach der 35mm-Vorführung in der kommenden Januar-Nacht wird euer Schädel beginnen, zu rotieren, sobald ihr jenes Evergreens des musikalischen Impressionismus gewahr werdet, der dem Film als martialisches Leitmotiv dient – und der sich euch – tief, tiefer, am tiefsten – in die eiternden Gehirnwindungen fräsen wird. Doch, um eine anderorts verlautbarte Bemerkung von Silvia Szymanski zu zweckentfremden: Manchmal braucht man so etwas, um zu spüren, dass man lebt. Schlimm wird’s. Auch ich fürchte mich und hoffe, dass ihr mir meine sadistische Tat je verzeihen werdet können.
Der Zusatz, dass dieser Film eine echte Rarität ist und niemals auf Heimkino-Medien veröffentlicht wurde, erübrigt sich. Alles Andere wäre ein Wunder. Das ändert jedoch nichts an der Exklusivität unserer Aufführung. Blink and you’ll miss it!
Im Vorprogramm: Ein anonymer, passenderweise der Vereinigung im Drill verschriebener, trüber 16mm-Kurzfilm aus dem Jahr 1980, in dem man, ich zitiere mich selbst, „Bundeswehr-Soldaten sieht und die Nationalhymne hört.“
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12. Kongress, Aufriss #6: Saisonarbeiterinnen und Lastwagenfahrer…
…befinden sich im aufreibenden Spannungsfeld eines leichtbeschürzten Sittendramas, in dem die ungeheuren Gefühle in sommerlicher Hitze am Siedepunkt köcheln. Denn DIE ERNTE DER SÜNDIGEN MÄDCHEN (Les filles sèment le vent, 1961) besteht nicht allein im Pflücken saftiger Früchte – wie man sich angesichts des aufgebotenen Personals ausrechnen kann, das unsere reversiven Orientierungshelfer des Katholischen Filmdienstes folgendermaßen umreißen: „Saisonarbeiterinnen in einer südfranzösischen Obstauswertung; ein Chef, geiziger Dickwanst und Ausbeuter; ein Juniorchef, blasierter Angeber und Taugenichts; ein Lastwagenfahrer, sonny boy und Frauenliebling; eine Dirne, kurvenreiche Zynikerin und kalt berechnender Vamp; ein junges Mädchen, zart und unerfahren, sowie abenteuerlustige Männer.“
Bei dieser sozialen Gemengelage kann man sich denken, dass es nicht nur der Arbeitsfleiß ist, der da in den Arbeiterhosen pocht und unter den Schürzen und selbstgeschnürten Dekolletés erbebt. Statt immer nur Pfirsiche, hätten sie gerne mal wieder etwas anderes aus den fruchtbaren, feuchten Erdfugen aufgelesen. Man sieht es in den Gesichtern der Erntehelferinnen: Ein erfrischendes Bad, das wäre die richtige Abwechslung in der verdrießlichen Plagerei – aber das junge Gemüse verzehrt sich auch nach einer Wurst mit Pulsschlag zwischen den Lippen. Den verschwitzten Truckern geht es kaum anders: Statt durch staubige Ackerritzen zu rumpeln, würden auch sie lieber Pflaumensaft aus Vergnügungsspalten schlürfen…
„They work in a feverish atmosphere and inflamed by the summer heat, youthful passions run riot, and the girls‘ sensual behavior cause rivalry among the men.“ und „After work each day, Kissa queens it in the cabaret on shore, and derives great pleasure in arousing jealousy between the men.“ sind zwei der wenigen Sätze, die man zum Inhalt in der IMDb lesen kann, während dort und anderorts bislang weder Wertungen noch Besprechungen dieses beinahe unsichtbaren Werkes aufzufinden sind. Immerhin lässt sich noch in Erfahrung bringen, dass es ganz im neorealistischen Geist auch darum geht, dass die sündigen Erntemädchen um Anerkennung und Lohnerhöhung kämpfen. „Doch ob gestreikt wird oder nicht, bestimmt letzten Endes die kurvenreiche Kissa. Sie spielt die erste Geige, und alles, der Chef wie die buntgewürfelte Belegschaft, tanzt so, wie sie spielt. Ihretwegen prügeln sich die Männer, prügeln sich die Frauen, streiten Vater und Sohn.“ weiß abermals der Katholische Filmdienst, und kann das selbstverständlich gar nicht gut heißen:
„Daß dieser gekünstelte Roman von erregter Leidenschaft und falschem Schicksal nicht über eine konfuse und anstößige Melodramatik hinausgelangt, kann nicht weiter wundernehmen. Ohne sich ernsthaft um den Rang eines sozialen Dokuments zu mühen, malt die Regie zum Anblick reichlicher Unterwäsche möglichst grobe Situationen um ihrer selbst willen aus. Eine Kinostunde, weder schön noch unterhaltsam, sondern unanständig.“
Wir versprechen uns nichts weniger als einen zur Vereinigung strebenden Zusammenstoß aus dem stilbildenden italienischen BITTERER REIS (1949) und dem deutschen Alpensittenreißer NACKT WIE GOTT SIE SCHUF (1958), wenn wir auf dem Kongress aus Frankreich DIE ERNTE DER SÜNDIGEN MÄDCHEN (1961) in kontrastreicher und Doppeldeutigkeiten scharf konturierender schwarz-weiß-Fotografie einzufahren trachten. Und hoffen dabei natürlich, auch im kalten Januar erfolgreich nach reifen Südfrüchten greifen zu können…
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12. Kongress, Aufriss #7: Hinein in den rauschenden Wald der Lüste…
…entführt uns ein übererregt schäumendes „Bildragout“ (© Filmdienst), sehr frei nach einem der berühmtesten Stücke des Marquis de Sade, welches uns in völlig diverser und nicht minder freier Umsetzung bereits auf dem 11. Kongress begegnete: wir halten, zumindest im Geiste nackt und berauscht, Einzug in DAS PARADIES (La philosophie dans le boudoir, 1971).
Noch spür-, sicht- und hörbar ein Kind der Acid-Ära und sicherlich ein weiterer potenzieller Lieblingsfilm von John Lennon, handelt es sich dabei um ein delirierendes, hemmungslos die Selbstverschwendung zelebrierendes Frühwerk des zeit seiner Karriere hingebungsvoll der Devianz verpflichteten Regisseurs Jacques Scandelari, der später mit grungigen Gossendramen und ausgefallenen Schwulenpornos auffällig wurde.
In das erwähnte Lustwäldchen zieht es einen unbedarften jungen Recken, der Verständnis zwischen den zarten Fesseln einer geheimnisvollen, ephemeren Maid sucht. Statt auf ihre solitären Schenkel stößt er jedoch auf ein Anwesen, in dessen schwülem Inneren sich vor seinem hervorquellenden Auge ein sexuelles Tollhaus ausbreitet, in dem „kein anderer Gott als die Geilheit“ anerkannt wird – oder, wie ein Rezensent im Internet atemlos schreibt:
„(…) unending orgies by naked people with painted faces, edited abruptly and artily; snakes, porcupines, rabbits and other animals laying about during sex; big black men hopping into bed with small white women; outrageous homosexuals; a woman masturbating with live fish and squid; folks watching a madman rape a chick in a dungeon; women prisoners sent screaming, semi-naked into the woods, to be chased down by wild dogs; people laying about erotically in strange, art-deco/op-art/futuristic rooms while moaning; a wedding is followed by a screw-for-all; a nude conga line (…) A quasi-surreal, all-nude masterpiece: „Your world is repulsive to me; I prefer to ignore it.““
Was dem einen zum Lustgewinn und zu burleskem Amüsement gereichte, war dem anderen, nominell Großväterchen Filmdienst, ein passender Anlass, schulmeisterlich Trübsal zu blasen. Streng knarzte er:
„Die angeblich Unterdrückung bewirkende alte Moral durch eine neue, dem modernen Menschen angemessene Auffassung zu ersetzen, gibt dieser Film als Parole aus – und verkündet die uralte Ideologie der ungezügelten Herrschaft der Triebe, allen voran des Sexus. Menschliche Existenz wird auf sklavische Triebbefriedigung reduziert. Die Mittel, die er dazu benutzt, sind nicht auf rationale Beweisführung angelegt, sondern auf die Aktivierung von Vorurteilen und pubertären Gefühlen. Verworrenes Geschwätz, Pseudotiefsinn und Pathos sind Vehikel seiner Lehre von der Befreiung des durch Religion und Moral geknechteten Menschen durch totale Schrankenlosigkeit. Auch die auf Effekte angelegte, bis zur Manieriertheit geschönte Fotografie und die farblich wirkungsvoll arrangierten Requisiten unterstützen den Appell an die Emotionen. (…)
Was denkende Zuschauer eher zum Lachen reizt, könnte bei naiveren Gemütern vielleicht zur Verwirrung führen, wenn die dem Anliegen der Autoren entgegenstehende realitätsferne Einkleidung nicht weitgehend neutralisierend wirkte. Skandalös an diesem von der Reklame als Skandal angebotenen Film ist an erster Stelle seine Dummheit.“
Da wir jedoch nur zu gut wissen, dass im Filmdienst stets mit gespaltener Zunge gezetert wurde, sobald es erhabene Tugenden wie Sinnenfreude und Maßlosigkeit, Albern- und Ausgelassenheit, „Alles darf“ und Blasphemie, kurz: den Exzess an sich zu preisen galt, wollen wir selbstverständlich nachdrücklicher und tiefer bohren, um die wabernde Wahrheit unter orgiastischem Seufzen ans Tages-, bzw. vielmehr ans Mondlicht zu befördern. Kommt daher zahlreich und begierig herbei zu der geilen Messe, die wir zu nächtlicher Stunde abhalten werden – denn es könnte eure einzige Chance sein, in 35mm-Projektion die seltene deutsche Fassung dieser cinerotischen Ekstase zu erleben, welche derzeit nicht einmal im französischen Original aufzufinden ist.
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12. Kongress, Aufriss #8: Das Land der aufgehenden Sonne…
…hatte in seinem umfangreichen Filmausstoß stets auch viele aufgehende Hosennähte und Reißverschlüsse zu verantworten. Bevor in den 70er Jahren die verschiedenen Subgenres des ‚pinku eiga‘ wild, wüst und freizügig loslegten, ging der frühe Pinkfilm der 60er Jahre bereits langsam auf Nussfühlung mit erotischen Inhalten und weist dabei einige Gemeinsamkeiten mit jenen deutschen Filmen der 60er Jahre auf, die wir liebevoll als „Frühschmier“ bezeichnen. Hier wie dort zeichneten sich die Filme durch einen vorsichtigen Flirt mit dem Zwielicht aus, ein herantastendes Spiel mit dem Anrüchigen und Verbotenen, das gerade in der Andeutung oft umso mehr über Abgründe, Begehren und Verborgenes verriet – und manchmal über den auferlegten Umweg der Hintertüre erst die wahre Schmierigkeit herein ließ.
Denn dass man in dem, was man zeigen durfte, durch strenge Zensurauflagen noch recht eingeschränkt war, beflügelte nicht selten die Kreativität in der Suche nach visuellen Codes, Symbolen und Andeutungen für das Nie-ganz-Zeigbare, das vielleicht auch beim späteren Gezeigtwerden ein Nicht-wirklich-Zeigbares blieb. Das Gefälle war zum Glück nicht überall so extrem wie bei den Produktionen von Erwin C. Dietrich, die in den 60ern erstaunlich kunstvoll und poetisch waren, bevor sie in den 70ern oft nur noch platt und einfallslos wurden. Gerade in Japan ging man in den 70ern weiterhin mit bemerkenswertem Formwillen auch in Randproduktionen zu Werke, und doch besitzen die Filme aus den 60ern mitunter eine ganz eigene Eleganz in ihren oft schwarz-weißen, konzentrierten Sündenpanoramen.
Eine große und bedauerliche Gemeinsamkeit mit dem BRD-„Frühschmier“ liegt aber vor allem auch in der Seltenheit jener japanischen Werke aus den 60ern, bei denen in nicht wenigen Fällen die originale Sprachfassung als verschollen gilt und allenfalls noch bei einem Privatsammler im japanischen Hinterland im Keller liegt, aber nie den Weg auf Heimvideomedien fand. Bereits im VHS-Zeitalter hatten die Filme wenig Chancen auf eine Zweitauswertung, weil man schwarz-weiß für unverkäuflich hielt und der Sex- & Crime-Gehalt nicht mit späteren Produktionen mithalten konnte. Für DVD/BD fehlt neben dem Markt meist auch schlichtweg auffindbares Ausgangsmaterial. Jene deutschen Kinofassungen, die in Archiven und Privatsammlungen überlebt haben, sind daher oftmals die einzige Sichtungsmöglichkeit, weshalb wir den japanischen Beiträgen aus diesem Fundus vorerst einen festen Platz bei jedem Kongress einräumen wollen. UNERSÄTTLICHE TRIEBE (Hiroshi Mukai, 1966) bildete beim 11. Kongress bereits den Auftakt dazu.
Und auch jener Film, der nun beim 12. Kongress zu sehen sein wird, bekam vom deutschen Verleih einen reißerischen Titel spendiert: Nichts weniger als UNGEZÄHMTE EROTIK (Nikutai joyû nikki; Shinya Yamamoto, 1965) wird uns in Aussicht gestellt, während der internationale Titel neugierige Einblicke in ein SEXY DIARY verspricht. Was man sich darunter vorzustellen hat, lässt sich mangels anderer Quellen eigentlich nur anhand der zeitgenössischen Aufzeichnungen des Filmdienstes erahnen, die nicht gerade frei von Widersprüchen sind. Im Kurzfazit wird das Werk als „Kolportagehafter Sex-and-Crime-Film, grell und plakativ.“ abgekanzelt, in der Langkritik dagegen heißt es, dass „die Kamera beträchtliche Zurückhaltung [übt], wohl um nicht bei der nach dem Augenschein urteilenden Zensur anzuecken“. Und auch die Kunst der Fuge, wie wir sie bei Joe D’Amato zu lieben lernten, scheint zu ihrem Recht zu kommen: „Um den Film auf die erforderliche Länge zu bringen, hat man unendlich lange Taxifahrten eingeschoben.“ Vielleicht auch ein Hinweis auf nachtpoetische Filmkunst, für die der Filmdienst in seiner erotisch-fixierten Ereiferung kein Verständnis zu zeigen vermochte?
Den restlichen inhaltlichen Filmdienst-Ausführungen zufolge kommt der Kolportage-Anteil allerdings so oder so nicht zu kurz: „Eine Filmdiva wird erpreßt. Mit Hilfe einer Doppelgängerin arrangieren zwei Bösewichter einen Juwelendiebstahl, der mit einer Serie von Fotos festgehalten wird. Zunächst verlangen die beiden dafür, daß sie die Fotos nicht veröffentlichen, Geld von der Diva, dann Liebesdienste. Um einen Skandal zu vermeiden, gibt sich die Schöne willfährig. Doch ein ihr ergebener Filmbeleuchter, stumm und häßlich, stellt den beiden auf ihre Bitte hin nach. […] Die dumm spekulative Geschichte spielt in Japan. In der Mischung von Sex und Crime dominiert der Sex. Diesen hat man durch Sadismus noch widerlicher gemacht. Denn die Diva wird zuerst malträtiert, ehe sie sich auf die Schlafstelle schleppen läßt. Bei den Krimieffekten hat man sich auf die Mordszenen beschränkt. Als Beigabe treten noch einige begierliche Männer auf, als Kontrast ein Mädchen, das nicht zu haben ist.“
Wir sind gespannt, wie genau der Sex „noch widerlicher“ (ein unfreiwillig tiefer Einblick in die frustrierte Filmdienst-Bürokratenseele?) gemacht wird und wohin uns diese nächtliche Taxifahrt führen wird…
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12. Kongress, Aufriss #9: In der sengenden, schwülen Sonne Lateinamerikas…
…aalt sich das Hofbauer-Kommando stets mit besonderer Wonne – spätestens, seit sich uns 2011 die Filme des argentinischen Schmier-Traumpaars Armando Bo und Isabel Sarli mit der Wucht einer Atombombe offenbarten und für Tränen des Glücks sorgten. Nach dem schwerblütig bebenden Busen des TEUFELSWEIBS VON SANTA MARGARITA und den gierigen Blicken der ASSASSINOS, die uns im Juli glühenden Gefühlsfuror bescherten, lassen wir nun im Januar die QUELLE DER EROTIK (Bonitinha, Mas Ordinária; J.P. de Carvalho, 1965) sprudeln.
Wie wir indes alle wissen, sprudelt jene Quelle jedoch nicht auf Kommando, und nicht Jeder stößt bei ihr auf Willfährigkeit, um von ihrem köstlichen Strahl zu naschen. So greift manch einer zu roher Gewalt, um durch alle hinderlichen Barrikaden zu ihrem feuchten Grund vorzudringen. Das wusste schon Armando Bo, dessen lüstern tosendes Meisterwerk NAKED (1966) diesem Motiv in „Weltuntergangsstimmung in rüdestem, sadistisch vergröbertem Naturalismus“ nachging, und auch dieser brasilianische Film aus dem Jahr 1965 weiß davon anschaulich und in, wie’s scheint, deutlichen Worten zu berichten. Ein „verlogenes Rührstück“ über den jungen Angestellten Edgar, der „in Liebeskonflike zwischen zwei vergewaltigten Mädchen“ namens Maria und Rita gerät, verspricht der katholische Filmdienst, sich der Ungeheuerlichkeit seiner eigenen Formulierungen wie üblich gänzlich unbewusst.
Von einer Rudelvergewaltigung im Wald ist bei ihm – dem Filmdienst, immer noch – die Rede, von einer „Neigungsehe“ und die brave Rita gilt „unter ihren flüggen Schwestern als Jungfrau mit saurer Moral“. Indes, sie mag zwar sauer sein, doch nicht mehr so rein wie ihr Schein, denn auch zu ihrer Quelle wurde bereits par force eine Leitung verlegt. „Doch dieses Geständnis kann Edgars Liebe verkraften, die er im Waldgestrüpp hastig erproben möchte, wo ihn aber ein Aussätziger stört, ebenso auf dem Friedhof in einem ausgehobenen Grabe.“ Liebe auf Abwegen, kann man da nur konstatieren, doch dem deflorationsschwangeren Film scheint am heiklen Beschreiten entlegener Abwege und dem Ausleuchten zwielichtiger Winkel ohnehin sehr gelegen:
„(…) Vorher freilich hat Dr. Paro, der die Tochter seines Chefs als 16jährige mißbrauchte, Maria mit einer zerschlagenen Flasche getötet, dann sich selbst nur mit einem Revolver. Chef Cecil, Marias Vater, dagegen veranstaltet auf einer Neurotiker-Party „mit stinkenden Füßen“ und hierüber praktizierter „Analyse“ drei Vergewaltigungen an ausgesucht „minderjährigen Jungfrauen“, erklärt sich vorher auch bereit, die strafrechtlichen „Folgen zu bezahlen“, und hält dazu einen Kurzvortrag über Freud, kein Gedanke bestehe im Grunde ohne „Sex, Sex, Sex“. Edgar sagt als undankbarer Angestellter und abdankender Schwiegersohn in spe: „Da kann man nur kotzen. Ich gehe.“ – Damit erübrigt sich ein weiterer Kommentar. Widerwärtiger und dümmer geht es nicht. Da nutzt auch die Schere nichts. Denn der übrig bleibende verlogene Sieg der „normalen Liebe“ bereitet ebensoviel Übelkeit wie das gesamte Produkt.“
Über derlei wüsten, infamen Versprechungen konsterniert und erregt, bleibt uns hingegen nur zu exklamieren: „Das kann man nur wollen. Ich komme!“ und fiebern dem Abend entgegen, an dem dieser Film in schwarzweißer 35mm-Pracht auch unseren Schild der Unschuld einreißen und unsere Quellen der Erotik fließen lassen wird. Vamos a pecar, amigos!
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12. Kongress, Aufriss #10: Den „tristen Überraschungsfilm“…
…erwarten gewiß alle, die im Juli und September dabei waren, mit sehnsüchtiger Ungeduld, verbargen sich hinter diesem Etikett doch zwei poetisch-delirante Wunderwerke, die die Schatten der Tristesse mit mäandernder Lässigkeit transzendierten und damit für unaussprechliche Ekstasen im Kinosaal sorgten. Lässigkeit ist auch diesmal das hervorstechende Schlagwort: ein lässigeres Filmerzeugnis als der „triste Überraschungsfilm“ im Januar lässt sich nur schwer imaginieren. Wir versprechen euch grenzenlose Entspannung, die profunde Melancholie eines Zeitbilds und eifrige Schmalfilm-Leinwandfummelei zum Anfassen – nicht weniger als den ultimativen kinematographischen Chill-out!
An letztgenannten Qualitäten entzündete sich jedoch auch unter versierten Schmierologen eine muntere Debatte: was mit trüber Eleganz auf unseren begierigen Nährboden fiel, war unseren geschätzten Freunden vom „geheimnisvollen Filmclub Buio Omega“ dann doch zu trist. „Ganz schlimm“, befand Buio-„Strip & Strap“-Experte Heinz Klett kopfschüttelnd – um wenige Wochen darauf, als wir ihm berückt von unserer Verzauberung berichteten, entgeistert zu exlamieren: „Für mich gibt es wirklich keinen Zweifel mehr: IHR SEID DIE HÄRTESTEN!“ Ein Kompliment, das wir selbstverständlich gerne annehmen.
An dieser Stelle vielleicht einen kleinen Exkurs in die bewegte Geschichte des umtriebigen HK-Kuratoriums: In jener Email, die uns seinerzeit Kletts konsternierte Exklamation brachte, prophezeite er uns weiterhin: „Wenn der euch so gut gefallen hat, werdet ihr beim PERSER in Jubelstürme ausbrechen!“. Gemeint war selbstverständlich der ungeliebt im Buio-Archiv schlummernde DER PERSER UND DIE SCHWEDIN, unser erster „trister Überraschungsfilm“, welcher im Juli dieses Jahres dann auch in der Tat das in jeder Hinsicht unvorbereitete Kongresspublikum zu den angekündigten Jubelstürmen hinriß und eine lange Schleppe der Hingabe und der Verehrung nach sich zog.
Um die Trilogie der im schönen Gelsenkirchen unerklärlicherweise verschmähten Kino-Gedichte vollzumachen, führten wir im September dann als „tristen Überraschungsfilm“ Frits Fronz‘ schmier- und schwermütiges Meisterwerk BARON PORNOS NÄCHTLICHE FREUDEN auf, in einer wunderschönen 35mm-Kopie, die uns die Buios – wir neigen unser Haupt abermals in grenzenloser Dankbarkeit – großzügig vermacht hatten. Der Film sei für ihr Publikum zu speziell, wäre aber auf unserem „Festival des tristen Films“ sicherlich bestens aufgehoben, hieß es schmunzelnd. Abermalige Jubelstürme, Fassungslosigkeit und völliger Bann waren die Folge. Der Perser, die Schwedin, der Baron – sie alle hatten unsere Herzen und Hosen im Sturm erobert!
Von jenem absonderlichen, ephemeren Werk – gesegnet seid ihr, die es sehen könnt! – mit dem wir nun im Januar eure wissbegierigen Netzhäute benetzen werden, sollte man allerdings keinen zweiten PERSER oder BARON erwarten, keine nächtlichen Exzesse, keine Schenkelklopfer und keine Wildheit. Weit zurücklehnen sollte man sich vielmehr, und von seinen Wellen sanft durch die Welt des urbanen wie ruralen Eros treiben, gleichsam die Seele baumeln lassen unter den zärtlichen Berührungen dieser tiefenentspannten, minimalistischen Cine-Wellness-Massage. Ein höflicher und enthusiastischer, anschmiegsamer und bärtiger Geselle wird kommen, um euch auf eine gemütliche Reise in die Sinnlichkeit zu entführen. Ihr könnt ihm euch bedingungslos anvertrauen.
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12. Kongress, Aufriss #11: Filme ohne IMDb-Eintrag…
…sind zuletzt zu einer kuriosen kleinen Kongress-Tradition geworden, sinnbildlich für Werke stehend, über die vor der Sichtung den Kongressteilnehmern (uns selbst in der Regel eingeschlossen) besonders wenig bekannt ist. Wird der Schleier des Unberechenbaren enthüllt, kann sich dahinter fürwahr die ganze Spannbreite der Kongresserfahrung verbergen: Vom freudigen Taumel durch von Persern und Schwedinnen bevölkertes Londoner Nachtleben bis zum Zeitlupen-bedingten Erstarren in der Tristesse fernöstlicher Sexspelunken. Das natürliche Habitat des obskuren Films ist gleichwohl vor allem in den schier undurchdringlichen Verästelungen randständigerer Produktionsformen zu finden, etwa beim in den 50er und 60er Jahren florierenden Kulturfilm oder in den Bereichen des Experimental- und Kurzfilms.
Auch beim 12. Kongress wollen wir nicht versäumen, zumindest ein paar kleine Schneisen zu schlagen durch solcherlei Gefilde, indem wir zur bewährten Abrundung vor einigen Langfilmen ergänzende Vorfilme zeigen, die sich im spritzigsten Fall zu sich gegenseitig befruchtenden Doppelprogrammen vereinigen, wie das etwa beim 8. Kongress gelang, wo zwischen MÄDCHEN IN DER SAUNA und TANJA – DIE NACKTE VON DER TEUFELSINSEL das zarte Pflänzchen einer unverhofften kleinen Leinwand-Romanze erblühte. Vielleicht gelingt das wieder, wenn nun erneut eine BARBARA den Kongress besucht – allerdings nicht unter der Regie von Wisbar oder Petzold, sondern von 1970 stammend in 16mm-OV als 40-minütiges Werk eines Walter Barnes, über den wir in diesem Zusammenhang bislang rein gar nichts in Erfahrung bringen konnten. Das wenige, was uns über den Film selbst angedeutet wurde, verspricht Rausch, Drogen und freie Liebe, und könnte damit einen wunderbaren Aperitif vor dem Eintritt in DAS PARADIES abgeben. Der Kopienleihgeber notierte dereinst knapp und verlockend dazu: „Ein künstlerisches Statement zur sexuellen Revolution. Schöne, sinnliche, schockierende Menschenknäuel gibt es darin, bei denen man oft nicht weiß, wer was mit wem macht.“
Neben Trailern (die noch separat aufgerissen werden und genau genommen auch eigene Kurzfilme ohne IMDb-Eintrag sind) wird es noch drei andere kurze Vorfilme obskurer Art geben: FARBIGE LIEBELEI (Kurt Baum, 1956) wird uns, bevor auch die QUELLE DER EROTIK durch zwei mögliche Ehehäfen sprudelt, eine ethnographische Viertelstunde lang auf 35mm zum Hochzeitsritual bei den Endebele in Südafrika begleiten. Lediglich zwei Minuten werden für EROTISCHE TEMPELFESTE IN JAPAN veranschlagt, die aus einem Wochenschau-Beitrag entnommen auf die UNGEZÄHMTE EROTIK einstimmen werden, während sich unsere unerschrockenen Zuschauer vor dem stählernen Überraschungsfilm noch einige Minuten mit Bildern der Bundeswehr und Klängen der Nationalhymne von einer unbekannten 16mm-Rolle abhärten können. Wohl bekomm’s!
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12. Kongress, Aufriss #12: Den Tag, an dem die Erde stillstand…
…rief Lukas lakonisch inmitten der allgemeinen, ungläubigen Aufregung aus, als Sebastian verkündete, er sei nun an Jürgen Enz‘ Telefonnummer herangekommen und werde ihn sogleich anrufen. Und da selbstverständlich die unermessliche Freude und grenzenlose Erleichterung, mit der diese ungeheuerliche Nachricht nach fast dreijähriger, vergeblicher Suche unseren Busen erfüllte, in irgendeiner Form auf dem nahenden Kongress begangen werden mussten, reckte Enz alsbald wieder seinen Kopf in unsere eigentlich bereits abgeschlossene Kongress-Planung.
GEHEIME LÜSTE BLUTJUNGER MÄDCHEN waren schon immer ein akut HK-immanentes Filmmotiv, doch je nach Veröffentlichung, Schnittfassung und Jahr versprach einem diese etwas obskurere Enzianische Arbeit aus dem Jahre 1978 gar „Blutjunge Lolitas“ oder in prickelnder Doppelmoppelung „Feuchte Lippen spritziger Mädchen“. Wie geheim allerdings die Lüste, wie blutjung und wie spritzig die Mädchen (und wie feucht ihre Lippen) sind, müssen wir jedoch in der finalen Kongressnacht selbst herausfinden – die Tatsache, dass wir den Film tatsächlich auch in 35MM-PROJEKTION zeigen können, wird dabei aufmerksamen Fernstechern – die ihr ja alle seid – gewiß zugute kommen!
Wieder einmal kann Jürgen auch hier von lustigen Schwänken von Würstchen, Salamis und überdimensionierte Semmeln nicht lassen, doch über dem aristokratischen „Lusthaus am Venusberg“ (ein weiterer Alternativtitel) schwebt – einem leider nicht so ganz pulsierenden und standfesten Damoklesschwert gleich – die Erbschuldigkeit zu erfüllender Potenzansprüche: Der junge Graf von Rammelburg wird geplagt von den Mahnungen seiner Ahnen, die als Geister aus seiner Galerie zu ihm sprechen. Das Geschlecht derer von Rammelburg sei von jeher dafür bekannt gewesen, dass seine männlichen Mit-Glieder die „klaffenden Wunden“ der Weiblichkeit in ihrer Grafschaft mit Hingabe und Stoßkraft „stopften“. Dergestalt in die Sex-Offensive getrieben, fristet der junge Adelige in seinem Schloss ein ängstlich zurückgezogenes, entsagungsvolles Dasein. Doch vor den feuchten Lippen der spritzigen Postbotinnen, Bäckerinnen und Hausmädchen (u. a. HERBSTROMANZE-Glamour-Girl Marion Brandmaier) gibt es kein Entrinnen, und so wird aus dem Wahlverzichter bald ein rechter Sexprotz, der allen bedürftigen Damen der Gegend tiefes Verständnis entgegenbringt. Das will sein fickriger Valet nicht auf sich sitzen lassen und schickt sich hechelnd an, seinem Herrn und Gebieter nachzueifern…
Auf dem Papier klingt all das beinahe so, als würden der liebessuchende Peter aus DIE LIEBESVÖGEL, der salbungsvolle Gutsherr Benno von Caldern aus HERBSTROMANZE und der Entsagungs-Buddhist Graf Reginald aus WAIDMANNSHEIL IM SPITZENHÖSCHEN im fernen Rammelburg zu einer einzigen Figur verschmelzen – sollte das der Fall sein, ist freilich mit einer Kernschmelze auf der Leinwand wie auch im Kommkino-Saal zu rechnen. Wir fürchten sie nicht. Versprechen können und wollen wir allerdings nichts, denn ebenso wie üblicherweise (und auch diesmal) sind die meisten anderen Filme des Programms uns selbst ebenso unbekannt wie euch, weswegen wir das große, aber gewiß sanfte Abenteuer gemeinsam antreten und uns alle zusammen in die Kutsche nach Rammelburg quetschen werden. Die Weihnachtsferien waren gewiß nie trüber, menschlicher, poetischer, unhöflicher, bescheidener, finsterer, liebenswerter, allzeitbereiter und zärtlicher! Und wenn wir Glück haben, bringt uns das Tristkind vielleicht sogar schöne, neue Tapeten, Würstchen, Zinnteller, Semmeln und putzige, bunte Nippsachen fürs Kaminsims mit!
PS: Vergesst nicht, eure standing ovations auf euren Blogs oder der offiziellen Facebook-Seite des Meisters zu verlieren! Er freut sich – man kann mittlerweile sagen: erwiesenermaßen – bestimmt!
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12. Kongress, Aufriss #13: Wie eine klebrige Mönchsrobe…
…schmiegt sich die narrative Klammer dieses Anthologie-Films an dessen Episoden, die uns zu nächtlicher Stunde mit den Genüssen mediterraner Literatur umschmeicheln werden. Denn weder Aug’ noch Hos’ bewahren Trockenheit, wenn einer der großen italienischen Meister gleich drei seiner Lustgemälde über unsere Guckäpfel stülpt. Da geht es um Fernstich mit Willen zur Distanzverkürzung, um Gottesdiener, denen unterm Gewand das Zölibat anschwillt, aber auch um ein heiteres Pflaume-Banane-Pflaume-Spiel von ungewissem Ausgang.
Den routinierteren unter den Kongress-Pilgern ist besagter Meister des filmischen Südlands bereits wohlvertraut. Sicherlich sind es schon weitaus mehr als elf Tage und elf Nächte, in denen sein Werk den Saal in atemlose Lustschreie tauchte. Er war es, der uns beibrachte, was es bedeutet, ein Top Model zu sein. Ihm haben wir es zu verdanken, dass wir endlich begriffen haben, welch hartes Leben eine Wall Street Woman führt. Und nicht zuletzt war es seine filmische Vision, die uns jene profunde, ja entscheidende Erkenntnis über die menschliche Natur gewinnen ließ: Menschen laufen gerne. Sie laufen über Zebrastreifen. Sie laufen um Ecken und durch Vorgärten. Sie laufen durch Seitenstraßen und über Flugzeug-Landebahnen. Sie laufen. Ja, sie laufen. (Der Beweis!)
Mit stolzgeschwollenen Brüsten präsentieren wir ihn nun -zum ersten Mal in der Geschichte des HK-Kongresses auf 35mm- den wahren, den einzigartigen: Joe D’Amato! Experten wissen: “Das war noch nie dagewesen.”
Durchzogen von deftigen Schwarten mediterranen Schlumors (= Schlock + Humor, siehe §318, Abs.6 Schmiergesetzbuch), ist HEMMUNGSLOS DER LUST VERFALLEN ein herzhafter Verzichtbrocken aus Onkel Joes Frühwerk, den zwar nur wenig mit dessen späteren Visionen urbaner Langstrecken-Lustwandlerei verbindet, der dafür aber umso tiefer in das kulturelle Erbe Italiens bohrt. Angeleckten Fingers wird hier in Bocaccios “Decamerone” geschmökert, denn wo der Pasolini randarf, sagt sich Onkel Joe, da kann er gleich allemal rüber. Also kurzum die Literatur ausgewrungen und ihr dabei ein paar naturtrübe Tröpfchen Zelluloid abgepresst. Es ist uns eine Ehre, Euch diesen edlen Sud im Januar zu kredenzen und in voller Todesverachtung die Warnungen des Filmdienstes in den Wind zu schlagen:
„Den Startschuß zu dem kläglichen Sexprodukt gibt eine Gruppe von Mönchen, die eilends zu Nonnen unterwegs sind, von denen sie am Ende des spekulativen Films „abgekämpft“ zurückkehren. Innerhalb dieses Rahmens werden einige Episoden präsentiert, die sich mit zügellosem Sexualverhalten, im besonderen mit dem Schicksal gehörnter Ehemänner beschäftigten. Auch ein Mönch tritt wieder in Aktion, der an seinem verheirateten Beichtkind zu großen Gefallen findet, wofür er freilich hart bestraft wird. – Ein recht klägliches Sexfilmchen, das von einem Klischee in die nächste Plumpheit tappt. Der Dilettantismus erstreckt sich auch auf die antikirchlichen Tendenzen dieses spekulativen Abfallprodukts. – Wir raten ab.“
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12. Kongress, Aufriss #14: Kurz vor Kongressnachten…
…sei noch in aller Kürze auf jenen Programmpunkt hingewiesen, dessen nächtliche Vorbereitung am Spulentisch mich stets ebenso viele Nerven kostet wie er uns allen später im Kinosaal Vergnügen bereitet: die beliebt-berüchtigte Trailer-Rolle! Auch für den 12. außerordentlichen Filmkongress haben El Lasso und ich eine erlesene Auswahl schamlos spekulativer, unermüdlich schmetternder und hemmungslos reißerischer, seltener deutscher 35mm-Kinotrailer aus der HK-relevantesten aller Ären, der Zeitspanne zwischen 1965 und 1975, zusammengestellt, um uns und euch zu erquicken.
Wir werden tief eintauchen in den Geist einer Kinokultur, in der Filmverleihern kein Versprechen an den Zuschauer zu gewagt schien und kein Titel absurd genug. Durch standesgemäß pittoresk verschrammte, verschmutzte Bilder und protzige Einblendungen werden sie im Minutentakt auf uns herabregnen, die erregt tönenden, sich überschlagenden Verheißungen von blutjungen Mädchen, echten Männern, schonungslosen Beichten, heißen Körpern, unsagbarem Grauen und bacchantischen Festen!
Zu sehen sein werden diese kleinen, feinen Schätze vor …SOVIEL NACKTE ZÄRTLICHKEIT und in besonder geballter Form vor dem „tristen Überraschungsfilm“.
Als kleinen Quasi-Vorgeschmack einen der Höhepunkte der Trailer-Rolle, die wir im September zeigten, eine geheime Sünde des renommierten Synchronsprechers Arnold Marquis. „Vati, was macht die Stimme von John Wayne da?“
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[…] – wobei sich die Frage, wer hier wen aufreißt, gar nicht erst stellt –, finden Interessierte hier, Lesen allerdings auf eigene Gefahr, denn so man nicht teilnehmen kann, wird man danach ein […]
Vielen Dank im Namen der verschwindend geringen Minderheit aller Nicht-Facebookerianer!
Hello there,
With regard to BARBARA by director Walter Barnes: Have you seen the film and if so – how did you come across the film? Do you know if there are any plans on releasing the film or any places to still see the film?
Thank You,
VMT
What we saw was a 16mm print in original English language which ran just about 40 minutes. It appeared to be a legitimate version of the film, complete with closing credits, but a longer version is highly imaginable (the fragmentary faux documentary structure would lend itself to edits of various lengths). Unfortunately, there isn’t much more we could tell you – it more or less was a private screening without any distribution background. We were just fortunate enough to stumble across a collection that held this particular print.
Thank you for letting me know Christoph. Its a shame that the film hasn’t seen a release but at least you’re the second person to tell me that a print exits (since it was thought to no longer exist). According to the information I’ve found the film should be 91 minutes. I posted a clipping from the American Film Institute Catalog, Feature Films 1961-1970, pgs. 63-64 on my Robert Mclane entry (on my blog) which goes into more information about the film (from the songs used to everything else). I’m sorry I didn’t reply sooner but I just happened to check back and saw a reply.