Solange du lebst (1955)
Ein seltsamer Film. 1955 in Spanien und Deutschland gedreht, von der damals wohl in Wiesbaden angesiedelten Produktionsgesellschaft Eva-Film GmbH. Die Handlung des Films ist während des spanischen Bürgerkrieges (1936 – 1939) angesiedelt, doch wir schreiben bereits 1939. Marianne Koch spielt die Hauptrolle: Sie spielt Teresa, eine Franco-Anhängerin, vielleicht weil ihr Mann Franquist ist, doch den Kindern, den Müttern und den Vertriebenen hilft sie auf jeder Seite. Am Anfang gerät sie durch die Wirren des Krieges und ihre Opferbereitschaft in die Hände der Kommunisten, wo sie dennoch als Krankenpflegerin arbeiten darf, obwohl ihr Status (bzw. der ihres Mannes in der Armee) bekannt ist. Sie hat jedoch einen Grund dort zu bleiben: Einen abgestürzten Flieger der Wehrmacht hat sie entdeckt, durch einen Zufall, und scheinbar gegen ihren Willen verspricht sie ihm ihre Hilfe. Es ist zu diesem Zeitpunkt natürlich schon klar, zumindest für den Zuschauer: Hier entwickelt sich eine Liebesgeschichte.
Während des spanischen Bürgerkrieges unterstützten zahlreiche Länder offen oder bedeckt eine der beiden sich bekriegenden Gruppierungen. Die zuvor gewählte Volksfrontregierung oder die Putschisten unter General Franco. Deutschland entsandte mit der Legion Condor eine verdeckt operierende Einheit, die vor allem durch ihre zahlreichen Flugeinsätze bekannt geworden ist. Auch in der Bundesrepublik Deutschland wurden vor allem die Flieger lange Zeit nicht nur als Leitbilder für Soldaten betrachtet, sondern auch von weiten Teilen der Bevölkerung als militärische Helden verehrt. Adrian Hoven ist einer dieser Flieger, er dient als einzige mögliche männliche Identifikationsfigur im Film. Dennoch hat er nicht viel zu tun. Alles ist um Marianne Koch ausgerichtet. Es ist ihr Film. Es ist ihre Geschichte.
Einmal, am Anfang als er noch kann, folgt ihr sogar ihr Mann nach, auf die andere Seite, zu den Kommunisten, und bekommt von deren Anführer die Zusicherung, dass sie wieder wird zurückkehren dürfen. Ihr Mann liebt sie, soviel steht fest. Auch wenn er selten im Film auftaucht. Auf ihn angesprochen sagt sie einmal, von klein auf seien sie beide einander schon versprochen gewesen. Mehr sagt sie nicht über ihren Mann. Doch sie kann ihn nicht verlassen. Wofür auch? Marianne Koch ist aufopferungsvoll. Sie opfert sich für alles und jeden. Sie ist da, wenn man sie braucht. Den Deutschen Soldaten liebt sie, so scheint es fast, weil er das möchte. Weil er will, dass sie es sagt, es fühlt. Dabei ist sie aber, so wie sie ist, aus eigenem Antrieb. Es scheint ihr Entschluss zu sein, in dieser Welt, in diesem undurchdringlichen Chaos, für alle da zu sein. Für die Kinder, für die Mütter, für ihren Mann, für den geretteten deutschen Soldaten, für die Kommunisten, letztlich für Franco (sie entscheidet in einer für sie – und beinahe auch für den Film – beiläufigen Wendung, den spanischen Bürgerkrieg zugunsten der Faschisten).
In diesem Nicht-Ort, in diesem Niemandsland, das der Film heraufbeschwört, in dem Positionen keine Bedeutung mehr zu haben scheinen, meint man sich ständig am Ende der Geschichte, der Geschichtsschreibung zu befinden. Doch der Film ist eindeutig pro-franquistisch, anti-kommunistisch. Es gibt Ausschnitte aus Wochenschauen in denen der Sieg Francos heroisiert wird. Wenige nur in der Fassung die ich im deutschen Fernsehen gesehen habe (vielleicht gekürzt?). Jedenfalls wird der Kommunismus als Faschismus präsentiert und die italienischen Faschisten als eine Art Befreier. Der deutsche Wehrmachtssoldat ist dabei ein Held. Am Ende wird er wieder zurück nach Deutschland fliegen. „In die Heimat“, sagt er freudestrahlend, „endlich“. Es ist 1939. Ein bitteres Ende. Ein bitterer Film.
Ein Film der unter seiner falschen Oberfläche so viele Wahrheiten transportiert, dass es weh tut. Nichts wird hinterfragt, keine der Figuren stellt ihre Position wirklich in Frage. Alle machen das, was von ihnen erwartet wird, was sie selbst von sich erwarten. Die unsympathischste Figur ist der Zweifler. Wer zweifelt, stirbt. Wer nicht glaubt, ist verloren. Das Kreuz ist das wichtigste Symbol des Films. Ein christliches Kreuz. Das Kreuz das Teresa zu tragen hat, das sie bereitwillig entgegennimmt, und das als entscheidendes Symbol immer wieder eingeblendet wird. Als Ausdruck für alles. Ein christlicher Film? Wer weiß. Vielleicht eher über den Verlust des Glaubens, beziehungsweise zu welchen Verlusten der Glaube führen kann. Der Glaube an was? Alle glauben an etwas. Die Kommunisten, die Faschisten, der deutsche Wehrmachtssoldat. Teresa (ein sprechender Name), an was glaubt sie, glaubt sie an sich?
Karin Dor taucht im Film übrigens auch gelegentlich auf, als hässliches Entlein, das doch alle Männer auf sich zieht. Weil sie burschikos ist, direkt, leidenschaftlich, eine Göre noch, ein Kind. Die Welt ist für sie schwarz-weiß. Als Marianne Koch vor Ihr zu weinen beginnt, wird sie erwachsen, zeigt Mitgefühl, damit ist ihre Rolle erfüllt, ihre Figur hat ausgedient. Auf die Selbsterkenntnis folgt rasch der Tod, vom Laster der eigenen Leute (es sind natürlich die Kommunisten) sprichwörtlich überfahren. Nachdem ihr Vater erschossen wurde (im Grunde auch wegen ihr), rennt sie auf die Straße. Todessehnsucht. Aber nicht wie bei Harlan, sehnsuchtsvoll, sondern fast schon widerwillig. Man fügt sich, man rast, aber es ist doch nichts zu machen. In diesem Film, in dieser Welt kann es kein Happy End geben. Für niemanden. Und der Film bedauert es. Vielleicht bedauert er auch seine eigene Verlogenheit. Gott, der nicht anwesend ist, der im Film von Teresa erschaffen, manchmal fast schon verkörpert wird, als letzte Lüge, die aufrecht erhalten werden muss, um jeden Preis.
Was bleibt, sind die Blicke Marianne Kochs, ihre Bewegungen, ihre stille Verzweiflung, ihre stille Selbstlüge, selbst in den emotionalsten und aufreibendsten Momenten ist sie nicht wirklich da. Eine lebende Tote. Der Film gehört ihr, Sie ist der Film. Solange du lebst. Solange du lebst, wird sich nichts ändern. Ein Abgesang auf den Fatalismus. Vielleicht.
Solange du lebst – BRD 1955 – 99 Minuten? – Regie: Harald Reinl – Drehbuch: Harald Reinl, Jochen Joachim Bartsch – Produktion: Paul Hans Fritsch – Kamera: Walter Riml – Schnitt: Jochen Joachim Bartsch, Gertrud Petermann – Musik: José Munios Molleda – Darsteller: Marianne Koch, Adrian Hoven, Karin Dor, Willy Rösner, Kurt Heintel, Sepp Rist, Werner Stock, Kurt Hepperlin, Luis B. Arroyo, Juan Cortes Santiago
Sehr interessanter Hinweis. Den kannte ich noch gar nicht (obwohl mir der Titel irgendwie sprichwörtlich im Hinterkopf herumspukt). Was ich fragen wollte: Gibt es Anknüpfungspunkte zum DDR-Gegenstück FÜNF PATRONENHÜLSEN von Frank Beyer aus dem Jahr 1960? Ist der DDR-Film eine Art Antwort? Oder spielen beide eher unabhängig voneinander im spanischen Bürgerkrieg?
FÜNF PATRONENHÜLSEN habe ich leider trotz einiger naher Kinovorstellungen bisher noch nicht gesehen. Den habe ich irgendwie immer knapp verpasst. Daher kann ich zu den Verbindungen zwischen den beiden FIlmen auch nichts sagen. In der DDR-Literatur habe ich den Reinl-Film jedenfalls nie erwähnt gefunden, und auch sonst scheint SOLANGE DU LEBST eher dem Vergessen anheim gefallen zu sein.
Ich glaube aber mich zu erinnern, dass Christoph und/oder Andreas FÜNF PATRONENHÜLSEN kennen – und zumindest Christoph könnte als Reinl-Experte auch noch genügend Erinnerungen an seine Sichtung von SOLANGE DU LEBST hervorzukramen wissen, um dann zumindest einen Vergleich der beiden Filme ziehen zu können.
Der Titel scheint aber auch mir allgegenwärtig zu sein. Es gibt zwar keinen deutschsprachigen Film, der genauso lauten würde, ich muss dabei aber irgendwie immer an Curd Jürgens-Dramen aus den 50ern denken, à la ’solange es dich gibt‘ (u.ä.).
Ich assoziierte natürlich augenblicklich „Solange ein Herz schlägt“ (Mildred Pierce, 1945), den Film, der Joan Crawford den Oscar brachte (womit ich zugleich ein wenig Werbung für die wunderbare Besprechung des Crawford-Westerns „Johnny Guitar“ betreibe, die mein Mitarbeiter „david“ am Samstag reingestellt hat). – Diese „Solange“-Titel scheinen sich in den späten 40er und 50er Jahren überhaupt (auch für Eindeutschungen) grosser Beliebtheit erfreut haben – ein Wehmuts-Phänomen (ach wie vergänglich alles ist!), dem man mal nachgehen sollte.
Ja, in der Tat. An SOLANGE EIN HERZ SCHLÄGT hatte ich auch gedacht, es aber eher mit einem Nachkriegs-BRD-FIlm als mit Hollywood assoziiert. Bin zwar ein großer Michael Curtiz und Joan Crawford-Fan, aber MILDRED PIERCE ist mir noch nicht vor die Augen gekommen. Wäre vielleicht auch interessant herauszufinden wann und wieso sich das mit den „Solange“-Titeln wieder gelegt hat.
Die sehr schön anzusehende (und wie auf Whoknows Presents gewohnt ausführlich[! :D] scheinende) JOHNNY GUITAR-Kritik hatte ich bereits entdeckt. Da ich den Film aber auch noch nicht kenne, wollte ich den Text zwecks möglicher Spoiler noch nicht lesen. Ich habe es ja tatsächlich geschafft mir die Handlung und die wesentlichen Eigenschaften dieses Westerns noch im Verborgenen zu halten. Ich hatte mir den Film sogar mal als Kino-Abschiedsgeschenk gewünscht, aber die 35mm-Kopie befand sich angeblich in einem unakzeptablem Zustand, und ich musste ausweichen. Nachdem die neue Blu-Ray von Olive Films nun leider ein furchtbares „Wachs-Inferno“ geworden ist, werde ich vermutlich doch auf die deutsche oder britische DVD zurückgreifen müssen.
Mir ist gerade noch der Douglas Sirk-Film „Imitation of Life“ (1959) eingefallen, den man mit dem Titel „Solange es Menschen gibt“ in die Kinos brachte. Eine vielfache Veränderung des Denkens, das unter anderem dieses „Wehmuts-Motiv“ als Kitsch abtat, fand also gerade um 1960 statt. Man bemerkt diese Veränderung natürlich vor allem in der Musik (in England, wo die Beatles und ihre Konkurrenten, die Rolling Stones aufkamen; aber auch in Deutschland, wo z.B. Gerhard Wendland-Lieder rasch den 50ern zugeordnet wurden, weil neue, leicht frechere Gesangsstars von sich reden machten.
Was den Film anbelangt, so verlief diese Änderung mit der plötzlichen Dominanz der „Edgar Wallace“- und „Winnetou“-Filme beinahe natürlich. Als Schweizer bemerkte ich eine „Wende“ im Denken etwa in den Gotthelf-Verfilmungen durch Franz Schnyder: Während die „Uli“-Filme der 50er noch“ heimelig“ und vom Schriftbild in den Credits her ein wenig nach“ Blut und Boden“ riechend dahergekommen waren, wirkte die überlange „Anne Bäbi Joweger“-Verfilmung (1960 und 1962) bereits ungebührlich „modern“ für einen Gotthelf. Mir kommt aus den 60ern auch kein USA-Film in den Sinn, der in Deutschland einen „Solange“-Titel erhalten hätte, obwohl doch aus dieses Jahzehnt mit schnulzig anmutenden Liebesgeschichten aufwartete („Fremde, wenn wir uns begegnen“, 1960 etc.).
Die 50er waren eben nicht nur im Heimatfilm eine Art langsame Überwindung der Zeit, die vergessen werden musste; auch das „Wehmuts-Motiv“ scheint Teil dieses Prozesses gewesen zu sein. – Dass man später „Filme wie „Solange du lebst“ besonders intensiv in dieses Vergessen miteinbezog, war aber kein rein deutsches Phänomen. Wo auch immer Filme mit politischem Hintergrund gedreht worden waren, die ganz offensichtlich für die „falsche Seite“ Partei ergriffen, bemühte man sich ums Vergessen. Ich würde „Solange du lebst“ gern mal sehen, weil mir Marianne Koch als Schauspielerin bislang nur in „Des Teufels General“ (1955) begegnete.
Filmportal.de spuckt mir auf der Suche nach „Solange“-Titeln 11 deutschsprachige Filme aus, davon 6 aus den 50ern. Der Curd Jürgens-Film den ich übrigens im Sinn hatte, heißt aber OHNE DICH WIRD ES NACHT. Stattdessen haben O. E. Hasse und O. W. Fischer in zwei „Solange“-Filmen jeweils eine Hauptrolle verkörpert. So kann man sich irren.
Da mir die Schweizer Filmhistorie leider immer noch völlig unbekannt ist, las ich deine kurzen Ausführungen hierzu mit großem Interesse. Könntest du vielleicht irgendeine generelle Publikation zum Schweizer Film empfehlen?
Dieses Wehmuts-Motiv, das du erwähnst, scheint es ihn ähnlicher (und scheinbar fast noch intensiverer) Form auch im japanischen Kino der 50er gegeben zu haben. Überhaupt waren Melodramen wohl eines der weltweit dominanten Genres der 50er Jahre. Ob das aber tatsächlich soviel mit dem zweiten Weltkrieg zu tun hatte, ließe sich möglicherweise an einem Vergleich mit der Melodramen-Produktion nach dem ersten Weltkrieg feststellen.
Marianne Koch kenne ich noch aus dem nicht minder zweifelhaften, ebenfalls sehr wehmütigen und faszinierenden (aber in keinster Weise die ambivalenten Qualitäten von Reinl heranreichenden) Kriegsfilm DER STERN VON AFRIKA (1957), sowie aus den zwei sehenswerten Produktionen LIEBLING, ICH MUSS DICH ERSCHIESSEN (1962) und DER SCHWARZE PANTHER VON RATANA (1963). Sie gefällt mir bisher als Schauspielerin sehr gut, und ich bin gespannt auf weitere Filme mit ihr. Wie aus meinem Text vielleicht ersichtlich wird, lohnt sich eine Sichtung von SOLANGE DU LEBST auch schon allein aufgrund von Marianne Kochs schauspielerischer Darbietung.
Der Schweizer Film ist – wie ich erwartete – viel zu klein und nimmt sich auch nicht wichtig genug für eine umfassende Darstellung. Ich stosse nur auf Bücher zu einzelnen Aspekten (etwa den „neuen Schweizer Film“ von Tanner, Goretta u.a.), wie sich auch die oft nicht auf DVD erhältlichen Dokumentarfilme nur Ausschnitten annehmen (besonders interessant: Christoph Kühns „FRS – Das Schweizer Kino“, 1985, über Franz Schnyder). – Ich habe im Rahmen der „Aktion DÖS“ ein paar Schweizer Filme besprochen, stosse aber auch bereits an meine Grenzen. Die peinlichen Versuche, internationalen Ruhm zu erlangen („Vitus“, 2006, u.a.) seien besser der Vergessenheit anheim gegeben.
Der japanische Film ist für mich leider noch immer ‚terra icognita‘; deshalb finde ich deine Beobachtung, die wohl Ozu und andere mit einbezieht, besonders spannend. Die internationale Dominanz des Melodramas erklärt auch, weshalb nicht melodramatische Filme wie Joshua Logan’s „Picnic“ (1955) einschlugen wie Erotikbomben.
Schade, dass sich unser Stummfilmexperte gabelingeber in letzter Zeit so ruhig verhält! Er hätte sicher einiges zum Melodrama nach dem ersten Weltkrieg beizutragen.
Hatte es bereits befürchtet, kann es aber eigentlich nicht glauben: Mitten im Herzen Europas, ein gar nicht mal so kleines Land, und es soll keine umfassende Darstellung seiner kinematographischen Geschichte, oder zumindest einen Versuch dahingehend geben? Das ist ja wirklich zum Verzweifeln. Selbst in Slowenien gibt es mehrere umfassende Versuche aus unterschiedlichen Blickwinkeln…
Das wäre aber doch mal ein Ansporn für ein Alterswerk, also eine monumentale (ja in diesem Kontext schon olympische) Leistung, die deinen Ruhm für immer sichern würde Whoknows! 🙂
Das Buch über Franz Schnyder klingt interessant, über VITUS hüllen wir aber, wie du schreibst, lieber den gnädigen Mantel des Schweigens.
Japan ist ja von der filmischen Quantität zumindest ab dem 2. Weltkrieg mit dem Ausstoß der USA zu vergleichen. Von daher auch für mich (nach ein paar hundert gesehenen Filmen) noch immer eine Respekt einflößende und größtenteils undurchforschte Wildnis. Wenn man dazu die Sprache nicht spricht (im Gegenteil zu den USA, GB, Deutschland, oder teilweise bei mir auch der Schweiz) wird es dann umso mysteriöser und exotischer. Aber ich gebe nicht auf. Zahlreiche Dissertationen zum japanischen Film gibt es zum Glück auch auf Englisch. Aus einer davon stammt auch diese (sehr wertvolle) Information zum Melodram. Da gab es anscheinend eine ganze Reihe sogenannter „Mütter-Filme“ (zitier‘ mich jetzt aber bloß nirgendwo wörtlich 😉 ), in denen es um die Beziehung zwischen Mutter und Sohn (und Familie) ging. Bei Ozu ist es ja eher das Vater-Tochter Verhältnis und man sieht bei ihm Familien die meist keine mehr sind: Also Verwestlichung durch Karrierismus, und nach dem 2. Weltkrieg viele alleinerziehende Elternteile. Ozu ist aber natürlich auch sehr melodramatisch (zumindest sehe ich das so), nicht zuletzt aufgrund der wunderbaren zutiefst sentimentalen Melodien, die viele spätere Filme von ihm fast die gesamte Spieldauer über durchziehen.
Deine Theorie mit anspruchsvolleren Werken wie Logan’s Filmen lässt sich auch gut mit der Apotheose (und völligen Pervertierung) des Melodrams bei Douglas Sirk verbinden. Das Unkonventionellere (oder die Potenzierung des Konventionellen) bargen dann sicher auch neue Seherfahrungen für aufgeschlossene Zuschauer.
Beim Melodram nach 1918 bräuchten wir aber tatsächlich einen Stummfilmexperten. Da ist auch mein Wissen zu dünn gesäht.
Da müsste ich aber alt werden. 😀
Das mit der aufopferungsvollen Marianne Koch, das hast du gut umrissen, Sano. Gibt zu denken, gibt zu denken. Ich hab den Eindruck, diese Aufopferung aus eigenem Antrieb wurde von ihr und den vielen ihr ähnlichen Schauspielerinnen wirklich wieder und wieder gespielt. Das Thema der „So lange“-Titel ist auch lustig. Ich vermute, beides hat damit zu tun, dass die Fünfziger Jahre als entbehrungsreiche Zeit erlebt wurden. („So lange du deine Füße unter meinen Tisch steckst“ ist zwar kein wehmütiges So-Lange und gehört nicht zum Thema, aber der Satz hatte wohl seine intensivste Zeit auch in den Fünfziger Jahren, nehme ich an.)