Golan: A Farewell to Mr Cinema (2015)
Screenshot Youtube Menahem Golan
Es ist eine Hommage an einen großen israelischen Filmtitan, das Porträt eines Getriebenen, aber auch Zeugnis einer besonderen Beziehung zwischen einem Filmemacher und seinem Thema: Christopher Sykes‘ dritter Film über Menahem Golan ist nicht nur der Abschluss einer Trilogie, sondern auch Ausdruck einer aufrichtigen, wenngleich widersprüchlichen Faszination, mit der Sykes seinem Protagonisten begegnet. Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Sykes‘ BBC-Dokumentation The Last Moguls (1987) entstand zur Blütezeit von Cannon Films, als sich Golan und sein Cousin Yoram Globus auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs befanden. So begegnet ihnen der Filmemacher kritisch und distanziert, kreiert dabei eine Art Satire auf den Filmbetrieb, liefert aber auch überraschend treffende Charakterskizzen der Go-Go Boys, vor allem von Golan (Globus, der Businessman, hielt sich eher bedeckt), die seine Ambitionen und seine Liebe zum Kino ernst nahmen.
Der zweite Film, Shooting Versace (1998), zeigt einen Golan in der Post-Cannon-Ära, entmachtet, aber nicht besiegt. Doch der Spielraum ist deutlich kleiner geworden, was die grandiose larger than life-Persönlichkeit Golans in einem tragikomischen Licht erscheinen lässt. Ein bitterer, wenn auch komischer Film.
Der dritte Film, der Golan im Herbst seines Lebens zeigt, verzichtet nun komplett auf den journalistischen Scharfsinn der beiden Vorgänger und wird zu einem Dokument der Sympathie und Empathie. Wobei sich Sykes niemals anbiedert. Er steht zu seinen teils scharfen Urteilen aus den ersten beiden Filmen, gibt auch zu, dass er sich über Golan lustig gemacht habe, kapituliert aber letztlich vor dessen unbändigen Willen zum Kino: „I also discovered a real affection and admiration for Golan. He never gave up on his dreams.“ Und wenn der Film sein, wie wir bereits ahnen, vergebliches Bemühen dokumentiert, einen Thriller mit Al Pacino und Matt Damon auf die Beine zu stellen, so nicht, um Golan bloßzustellen, sondern um bewundernd, vielleicht auch leicht beschämt, den Hut vor ihm zu ziehen. Was Sykes in diesem dritten Film entdeckt ist nicht nur eine Dynamo-Mentalität, ein Nicht-Ohne-Können, sondern das Kino als Metapher für das Leben an sich (was kann sich das Kino Größeres wünschen?). Filme machen zu wollen demonstriert nichts weiter als Golans Lebenswillen. Wenn man mit Filmen aufhört, kann man gleich komplett aufhören.
Scheinbar automatisch, widerstandslos und voll Leichtigkeit entstehen die privaten Momente mit Golans Frau Rachel und ihrer Tochter Naomi: präzise Momentaufnahmen, die dem Dokumentarfilmer geradezu geschenkt werden. So wie der ganze Film in seinen Beobachtungen eine beeindruckende, elegante Prägnanz ausstrahlt, die nur ein in sich ruhender Routinier wie Sykes erreichen kann.
Nach dem mehr als enttäuschenden Dokutainment-Irrsinn Electric Boogaloo: The Wild, Untold Story of Cannon Films (2014) ist dieser Film nicht nur für Golan-Fans eine Freude, sondern für alle Filmbegeisterten. Ein letzter Kuss zum Abschied. Eine Liebeserklärung, fast 30 Jahre zu spät, dafür umso trauriger, dafür umso schöner. Golan – A Farewell to Mr Cinema ist ein intimer Film, der Bände spricht über den „israelischen Steven Spielberg“ (wie ein Fan es im Film ausdrückt), die Liebe zum Kino und zum Leben und darüber, dass es dazwischen manchmal keinen Unterschied geben kann.
Der Film ist (noch) auf Sykes‘ Youtube-Kanal zu sehen. The Last Moguls und Shooting Versace sind ebenfalls auf youtube zu finden.
Safarow schreibt
Eine herzzerreißender Film, vielen Dank für den Artikel, ansonsten wäre das Ganze vollkommen an mir vorbeigengangen.
Electric Boogaloo ist rückblickend dann eher Mumpitz von Schmocks wie Menahem Golan sagen würde. Unbedingt anschauen!