STB Robert 2014

„If my films are messy, it is probably due to the fact that I don’t like too perfect a cinema. The audience must not admire the technical aspects of my filmmaking, like they would a computer or the law of physics.“ (Imamura Shôhei)


Wertung: Ich kann nichts mit Zahlen zur Bewertung anfangen. Deshalb gibt es hier ein System der euphorischen Aufnahme des Films. In Zahlen übersetzt wäre es wohl ungefähr: fantastisch 10,0 – 9,4 / großartig 9,3 – 8,2 / gut 8,1 – 6,8 / ok 6,7 – 5,0 / mir zur Sichtung nichts sagend 4,9 – 3,5 / uff 3,4 – 1,0 / ätzend 0,9 – 0. Diese Skala ist mit der Qual verbunden, Filme in eine lineare Skala zu quetschen. Deshalb hat die Wertung eine Y-Struktur für freieres Atmen. Ab ca. 7.9 kann ein Film eine Wertung der Verstörung erhalten: radioaktiv 10,0 – 9,0 / verstrahlt 8,9 – 7,5.

Legende: Ist im Grunde selbst erklärend. Wenn hinter der eckigen Klammer eine Zahl steht, dann gibt sie die Anzahl der Sichtungen wieder. Je höher die Zahl, desto mehr ist sie geschätzt. Da ich mit Fernsehen und Kino aufgewachsen bin, wo nur gekennzeichnet wird, wenn ein Film nicht in deutscher Sprache kommt, tue ich das schändlicherweise auch. (OmU=Originalfassung mit Untertiteln, OmeU=Originalfassung mit englischen Untertiteln, OF=Originalfassung, EF= englischsynchronisierte Fassung, OZmeU=Originalzwischentitel mit englischen Untertiteln)


Das Sehtagebuch von 2012 findet sich hier.
Den ersten Teil des Sehtagebuchs von 2013 findet ihr hier.
Der zweite Teil hier.

Juni
Montag 30.06.

The Exploits of Elaine (Part 6) The Vampyre
(Louis Gasnier, George B. Seitz, USA 1914) [35mm, OZmeLivesynchro]

gut

Highsocietyadventuregirl Elaine erschießt einen Handlanger ihres Erzfeindes Die Hand oder Der Mann mit dem roten Schal, die Übersetzerin oder die Zwischentitel waren sich da nicht einig, wie der Mann mit der entstellten Hand und dem Tuch vorm Gesicht denn nun eigentlich heißt. Er lässt sie jedenfalls daraufhin entführen, um mit ihrem Blut das Leben seines Vasallen zu erhalten. Das sieht alles sehr nach Feuillade aus, ist aber einer Fortsetzung eines anderen HighsocietyadventuregirlgegeneinheimtückischenGangsterphantomvehikels. Es lag wohl in der Luft. Aber da die Folge auf eine halbe Stunde beschränkt ist, bleibt alles an der actionreichen Oberfläche, die vor allem durch das Design Der Hand im Gedächtnis bleibt.

The Exploits of Elaine (Part 10) The Life Current
(Louis Gasnier, George B. Seitz, USA 1914) [35mm, OZmeLivesynchro]

uff

Elaine wird mal wieder entführt. Ein Mann im Taucheranzug taucht auf. Schüsse und so weiter und ohne erkenntlichen Grund, das zu drehen, und so fort.

Vorstadtvarieté
(Werner Hochbaum, A 1935) [35mm]

fantastisch

Die Zooms auf die zentral im Bild befindlichen Gesichter trauriger bis verzweifelter Leute … oder weg von diesen, die in Mengen von Menschen stehen, mit denen ihnen nichts gemein ist. Die Wasserspiegelungen der Liebe. Die Horrorfilmbilder von magenverkrampfenden katholischen Bergmatronen, die über ihr Reich eisernen herrschen, immer im Schatten mit einem Kerzenhalter in der Hand, gleich einem schrecklich realen Nachtalp. Hochbaum gießt sein Melodrama über ein ungleiches Paar, das nur von der Liebe zusammengehalten und in einem Wirbelsturm zerfetzt wird, in niederschmetternd schöne Bilder. Die Frau der Geschichte kommt aus einer Varietéfamilie und steht kurz vor ihrem Debüt. Ihr Verlobter, ein aufrichtiger Verzichter, der in katholischer Bergdorf- und preußisch-protestantischer Erziehung Lebenslust hassen gelernt hat, muss zur Armee. Unsicher und lustfeindlich verbietet er ihr ihre Karriere und verlangt er von ihr, dass sie während seines Dienstes zu seiner Mutter in den Alptraum eines lebensfeindlichen Berghof zieht. Sie willigt ein und ein Marathonlauf durch vielseitige Verachtung steht ihr bevor. Doch das ist nur der Beginn aus Ausbrüchen, Anschuldigungen, Selbsthass und suizidalen Tendenzen, die aus dieser Liebe entsteht, die zwischen zwei Menschen glüht, deren Lebensentwürfe sie sich untereinander aufreiben lässt. Die nachdrücklich-montierten niederschmetternden Bilder dieser Eifersuchts- und Liebesgeschichte peitschen einem dieses Leid um die ob der Schöhnheit verzückten Ohren.

Other Men’s Women / Die Frau meines Freundes
(William A. Wellman, USA 1931) [35mm, OF]

großartig +

Zu Beginn sitzt Bill in einem Diner, bestellt Essen, schäkert mit der Kellnerin, isst und zählt dabei die Wagons des Zugs, der hinter ihm entlang fährt. Die Sprache ist schnell, die Themen wechseln kaum, dass sie angerissen wurden, der Zug schnellt voran. So gut wie nichts gegessen habend springt Bill auf und sprintet dem letzten Waggon hinterher, springt auf und rennt zu seinem Lokführerhäuschen. OTHER MEN’S WOMEN rast so, wie seine Eröffnungsszene. Ekstatischer Witz, klare Situationen, in deren Hintergrund ein Drama über die Liebe Bills zu der Frau seines Partners abläuft, und das Melodrama übernimmt immer mehr das Ruder, je mehr das Ende sich nähert. Und dort wartet ein Regen, der alles verschlucken wird, der den Fluss über die Ufer treten lässt und wie das Schicksal niederpreschen wird.

Night Nurse
(William A. Wellman, USA 1931) [35mm, OF]

großartig +

Der erste Film mit einer jungen Barbara Stanwyck, den ich sah. Sie ist taff, schlagfertig, wunderbar. Aber trotzdem nicht so toll wie 20 Jahre später. Barbara Stanwyck ist wie Wein, der beste Wein. Ansonsten Clark Gable als diabolischer Chauffeur, der fast wie ein Nazioffizier aussieht, und eine sich überschlagende Groschenheftgeschichte, die in einem Krankenhaus locker leicht beginnt und immer anwesend ist, wenn sich eine Frau zufällig in ihre Uniform schmeißen muss, bis sie zu einem Thriller über korrupte Ärzte, Häuser voller Krankheit und Verfall und reich erbende Kinder wird.

Pyaasa / The Thirsty One
(Guru Dutt, IND 1957) [blu-ray, OmeU]

verstrahlt

Vorletzter Film von Guru Dutt. Wunderschön inszeniert er ist. Vor allem die Gesangsszenen. Johnny Walker, der abgebrannte Straßenhändler mit dem Herz aus Gold, der fröhlich seine Haartinktur in einem Park an den Mann bringt. Die alkoholgeschwängerte Szene in der Guru Dutt das Elend in der Welt beklagt. Oder die, in der er die Korruption der Welt erkennt und diese beklagt wie ein 15jähriger, in dem noch ein Feuer lodert, mit dem er alles ihn Umgebende abbrennen möchte. Alles sagenhaft … bis auf das, was er inszeniert, nämlich sich selbst als bemitleidenswertem Messias, dem alle Welt böse mitspielt. Der gepeinigt in leuchtenden Türen steht und edel nach Mitleid schreit. Der arme Guru Dutt und seine böse Welt sind schön, aber auch grenzenlos ins eigene Leid selbstverliebt.

Salvatore Giuliano / Wer erschoß Salvatore G.?
(Francesco Rosi, I 1962) [DCP, OmeU]

gut +

I hope there’s enough information in my films that a viewer can disagree with me. sagte Frederick Wiseman einst. Franceso Rosi versucht den Tod Salvatore Guilianos ebenso aufzurollen, indem er seine marmornen Scharzweißbilder wage Geschehnisse einfängen lässt, die wie immer nur eines erkennen lassen, dass nämlich jeder, Mafia, Politiker oder Polizei, Dreck am Stecken haben und tief im Schlamm stecken. Was aber genau los ist, dass muss sich jeder zusammen reimen.

Sonntag 29.06.

The Star Witness
(William A. Wellman, USA 1931) [35mm, OZ]

verstrahlt

Im Kampf gegen das organisierte Verbrechen ist William Wellman jedes Mittel recht. So auch ein überdrehter Familiendramagerichtsklamottenthriller in dem ein Alkoholikeropa selbst das Leben seines Enkels opfern würde, wenn es nötig ist um dieses Geschmeiß aus den guten alten USA zu vertreiben. Brennende Reden schmeißt er um sich, die nicht von ungefähr vom unehrbarsten Protagonisten verzweifelt gegen den guten Verstand und die Menschlichkeit des Rests der Familie vorgebracht werden. Hilflos durchgedreht.

Aquila Nera / Schwarzer Adler
(Riccardo Freda, I 1946) [35mm, OmeU]

großartig

Der russische Zorro kämpft gegen den Usurpatoren seiner Ländereien. Freudig hüpft AQUILA NERA hinter seinem Protagonisten hinterher und hat Spaß an den riesigen Schatten bei Degenkämpfen, Täuschung, Intrigen, Wein, Weib und Gesang. IL CAVALIERE MISTERIOSO als Abenteuerkonzentrat.

Tonari no Yae-chan / Our Neighbor, Miss Yae
(Shimazu Yasujirô, J 1934) [35mm, OmeU]

großartig +

Shōchiku war berühmt – vll auch berüchtigt – für heitere Inhalte in heiterem Stil. Wie in den diesjährigen Filmen von IL GIAPPONE PARLA! zu sehen war, hieß das, dass der dramatische Grund durch herzliche Witze abgemildert wurde oder dass sich hemmungslos Albereien hingegeben wurde, die aber nichts desto trotz ihre herben Grundlagen hatten. Ber nicht bei Shimazus TONARI NO YAE-CHAN. Wie aus der Hüfte schüttelt er Drama und Witz ohne das beide sich abmildern oder ohne das Andere bestehen können. Ganz nebenbei laufen Episoden über Liebesprobleme, Ehekrisen, das nachbarliche Miteinander, Saufen um zu ertragen und Baseballspielen ab, die wie in einem Fluss geschehen, so dass das Ende wie Damm wirkt, der den Lauf der Dinge einfach abreist.

Partie de champagne / Eine Landpartie
(Jean Renoir, F 1936) [DCP, OmeU]

gut

Theatralische Albereien um einen Landausflug Pariser Bürger, die auf französische Landpapagalos treffen. Die besagten Schwerenöter gehen mit den Damen auf Bootstour und Renoir macht aus dem Fluss eine undurchdringliche, schwebende Naturgewalt, welche die Geschehnisse wie ein griechischer Chor kommentiert. Eine Frau wird vergewaltigt und der Fluss fließt unaufhaltsam weiter, wie sich die Gefühle immer weiter durch die Personen reißen.

La Chienne / Die Hündin
(Jean Renoir, F 1931) [DCP, OmeU]

nichtssagend

Biedermann liebt Hure. Hure liebt Zuhälter. Zuhälter liebt Geld. Wie gehabt.

Maudite soit la guerre / Verflucht sei der Krieg
(Alfred Machin, B 1913) [DCP, OmeZ]

ok

Krieg ist schlecht und macht sogar alte Freunde zu den gegenseitigen Mördern. Wie gehabt.

En dirigeable sur les Champs de bataille
(F 1918) [Beta]

großartig

Aufnahmen aus dem Cockpit diverser Flieger im Ersten Weltkrieg. Während 18 der 20 Minuten Film donnerte und blitze es bedrohlich über der Piazza Maggiore, was die Stimmung beim Anschauen des zerbombten Niemandslands auf der Leinwand, vormals als Europa bekannt, nur noch gespenstiger machte.

Sonnabend 28.06.

Beggars of Life
(William A. Wellman, USA 1928) [35mm, OZ]

großartig

Ein Film über falsche Erwartungen und Verdächtigungen sowie den Zufall. Louise Brooks tötet in Notwehr ihren Stiefvater, der sich an ihr Vergehen möchte und wird mit einem zufällig hereinplatzenden jungen Mann wegen des Mordes gejagt. Doch ehe es, dem Beginn entsprechend, ein düsterer Thriller wird, fängt BEGGARS OF LIFE an sich zu überschlagen. Wilde Verfolgungsjagden, derbe Witze und Zärtlichkeit in einer Achterbahnfahrt, die bald das Schicksal seiner namenlosen Protagonisten abhakt und sich Wallace Beery zuwendet. Einem Hobo namens Oklahoma Red, der genau wie BEGGARS OF LIFE voll Grobschlächtigkeit, Witz und Sentimentalität alles rettet, in dem er sein Leben / sich selbst trunken in den Sand setzt.

Il Cavaliere Misterioso / Der geheimnisvolle Chevalier
(Riccardo Freda, I 1948) [35mm, OmeU]

großartig

Rokoko-Bond Giacomo Casanova reist durch Europa um einen Brief aus der Hand von Verschwörern zu retten und somit Venedig vor Katharina der Großen. Frauen liegen ihm sofort zu Boden, wie er jede brenzlige Situation mit einem Lächeln meistert. Doch was dieses naiv-kindliche Abenteuer aber ausmacht, ist Fredas Gestaltungswille. So besteht die abschließende Verfolgungsjagd durch den russischen Schnee fast ausschließlich aus Nuancen von Weiß … verspielte, wie gleisende Schönheit.

Mother India
(Mehboob Khan, IND 1957) [35mm, OmeU]

verstrahlt

Dramaturgisch ist MOTHER INDIA eine brutale Daumenschraube. Ein Kredithai hält eine Familie als fiskale Geisel und quetscht sie unerbittlich aus. Jedes Einzelne der endlosen Unheile geht auf ihn zurück. Männer verlieren ihre Arme, Familien ihre Väter, ihre Geschwister und ihr Eigentum … und alles was getan wird, ist leiden und ertragen. Die erste Hälfte ein eindimensionaler Reigen des Unheils mit Unmengen an Comic-relief-Kindermomenten … voll Aufopferung und Ertragen, die gerade im just unabhängig gewordenen Indien weniger reaktionär wirkt als total weltvergessen. Doch mit dem Heranwachsen der Söhne wird es unerträglich. Birju erträgt den Zustand nicht, aber statt etwas ändern zu wollen, reißt er alle mit seinem verschwitzten, delirierenden Destruktivismus in einen schäumenden Kochtopf aus Hysterie und Wahnsinn. Brutal und kaum erträglich ist es MOTHER INDIA zu sehen, aber auch ein kraftkostendes Erlebnis ausschließlich über Leute, die keine Sympathie verdient haben und sie oft auch nicht wollen. Ein Film voller Leute, denen ich die ganze Zeit eine klatschen wollte, damit sie endlich ruhig sind und überlegen. Und am Ende steht eine Mutter unbewegt mit ihrer Flinte da, die als einzige aktive Handlung im Film gerade ihren Sohn vom Pferd geschossen hat, und wird aufgenommen wie Sylvester Stallone. Bad Ass Mother India geht gegen jeden vor, der sich gegen die Unterdrücker wehrt. Unfassbar inszenierter Tobak.

Rebel Without a Cause / …denn sie wissen nicht, was sie tun
(Nicholas Ray, USA 1955) [DCP, OF] 2

verstrahlt

Der passende Zusatz zu MOTHER INDIA. Jugendliche, die mit der Welt und ihren Eltern nicht klar kommen. Aber es sind Jugendliche, was also nicht verwunderlich ist. Die Interpretationsangebote, die REBEL WITHOUT A CAUSE dafür offen bereithält, sind dominante, repressive Eltern oder verweichlichte Väter, die schon, weil sie in Schürze Hausarbeit machen, fragwürdig scheinen. Und so wenig spannend. Nathalie Woods gieriges Lächeln im Angesicht jeder Form von Gewalt und Aufregung spricht da viel spannender und deutlicher von der unerträglichen Watte der 50er (Wood) und der Orientierungslosigkeit zwischen zwei Formen von vorgelebten Seins (Dean), die abstoßend sind. James Dean leidet so, ohne zu wissen, was er tun soll, außer seinen Eltern Vorhaltungen zu machen, und Nathalie Wood denkt sich, wie schlimm es schon sein kann, dass etwas einem selbst oder jemand anderem weh tut, wenn es einen nur aus der Lethargie reißt. Nicholas Rays Antwort darauf heißt sehr.

Freitag 27.06.

The Bad and the Beautiful / Stadt der Illusionen
(Vincente Minelli, USA 1952) [dvd, OF] 2

großartig

Episodenmelodram über den besessenen Produzenten Jonathan Shields (Kirk Douglas). Ein rücksichtloses Genie, das in einem zärtlichen, dem hoffnungsvollsten Moment von THE BAD AND THE BEAUTIFUL erkennen muss, dass er alles hat, alles kann, dass es ihm aber nichts nutzt. Es ist ein bisschen wie die Lebensgeschichte Orson Welles‘, wenn er ein megalomanischer Produzent gewesen wäre. Schatten umgeben ihn jedenfalls wohin er geht – schöne wie furchterregende – ebenso wie Minellis Drang, alles beschwingt zu erzählen … das Musical ist manchmal kurz vorm hereinplatzen … bis dann aber doch wieder die kurzen Fetzen ekstatischer Düsternis oder Augenblicke ernüchternder Klarheit übernehmen.

Midaregumo / Zerrissene Wolken
(Naruse Mikio, J 1967) [dvd, OmeU]

fantastisch

Zwischen zwei Autounfällen liegt ein Schmetterling in einer Suppe. Eine unmögliche Liebe, so schmerzhaft erstickend wie die Erwartung auf den Aufprall beim Sturz aus einem Fenster. Naruse Mikio, dessen zwischenzeitliche Verschüttung und nicht Wahrnehmung im Westen oft damit begründet wurde, dass er zu sehr Mustern aus Hollywood entsprach um ernsthaft gewürdigt zu werden, entwickelt hier tatsächlich die emotionale Kraft eines Douglas Sirk mit den Mitteln eines Douglas Sirk … wo er lange Zeit eher Melodramen mit heruntergespieltem Drama und unterschwelligen Melo macht. Oder um es anders zu sagen, bei MIDAREGUMO nähert er sich einem klassischen Hollywoodstil an … in einem modernen Japan, das mit ihm nichts mehr anfangen kann. Und so wirkt er – Naruse wie MIDAREGUMO – wirklich wie eine gestrandete Anomalie, die so nur noch schmerzhafter wird.

Between Heaven and Hell / Feuertaufe
(Richard Fleischer, USA 1956) [dvd, OF]

ok

Am Ende meines Studiums hat ein Philosophieprofessor mir einen großen Gefallen getan. Er war einer der wenigen, die mich auf Grund meines Namens nicht auf HART ABER HERZLICH ansprachen, sondern auf einen alten Kriegsfilm, den er in seiner Jugend gesehen hatte und der ihn tief beeindruckte. Den Film habe ich mir sofort besorgt, aber erst jetzt, nach fünf Jahren gesehen. Am Anfang sieht es aus, als ob Richard Fleischer sein eigenes Schlusskapitel zu APOCALYPSE NOW! Drehen wollte. Robert Wagner kommt als zerstörter Soldat im Zweiten Weltkrieg in eine Einheit mitten im Nirgendwo. Die Zivilisation liegt unter dicken Schichten von Staub, Schweiß und Schmerz verborgen. Der Atavismus der Gewehre schwingenden Männer ist förmlich zu riechen, aber dann kommen die zwangsläufigen Rückblenden, die uns erzählen wie Robert Wagner hier landen konnte … gerade als sie kaum noch zu erwarten sind. Und so wird es doppelt schmerzhaft, dass BETWEEN HEAVEN UND HELL nur einen kleine Lehrstunde in Toleranz und Verständnis ist, die einem der Krieg scheinbar lehren kann.

Donnerstag 26.06.

L’Apollonide (Souvenirs de la maison close) / Haus der Sünde
(Bertrand Bonello, F 2011) [DVD, OmeU] 2

großartig +

Mittwoch 25.06.

Tenebre / Tenebre – Der kalte Hauch des Todes
(Dario Argento, I 1982) [blu-ray, ImeU] 2

fantastisch

Die erste Hälfte ein Meisterwerk des triefenden meta-misogynen Sleaze und in der zweiten eines des existenziellen, verständigen furztrockenen Misandrieschangels.

Millionen
(Fabian Möhrke, D 2013) [blu-ray]

ätzend

Ein glücklicher und zufriedener Mann, nochdazu ein lässiger und coller Vater und Typ gewinnt im Lotto. Er verzweifelt, weil er in seinem Leben nun überflüssig ist. Muss nicht mehr arbeiten und weiß nicht was er mit dem Geld anfangen soll. Seine Freundschaften und seine Familie zerbrechen am Geld, wie das Geld immer mehr zwischen ihm und anderen Menschen steht. Es braucht zwei Minuten bis jeder verstanden hat, wie dieser Typ rüberkommen soll und es fragt sich nur voran das alles zerbrechen wird. Sobald der Lottogewinn da ist, hat der Film einem alles gegeben, was er bereit hält. Es bleiben ruhige Bilder, die wohl menschliches Drama vortäuschen sollen und so ambitioniert sind, wie der kleine Laborversuch (Glück plus Geld gleich Elend) im Drehbuch, aber eben nichts, wirklich nichts in sich tragen als den Anspruch. Sehr schade.

Dienstag 24.06.

Apur Sansar / Apus Weg ins Leben – 3.: Apus Welt
(Satyajit Ray, IND 1959) [DVD, OmeU]

uff

Apus Welt ist nicht die meine.

Montag 23.06.

Winnetou I
(Harald Reinl, BRD/Y/I 1963) [blu-ray] 3

großartig

Hilflose Engländer und die deutschen Zivilisations- und Vernunftstifter (also Old Shatterhand und der alte Deutsche, der bei den Apachen lebt) lassen nationale Rivalitäten und damit den Geist des späten 19. Jahrhunderts und frühen 20. durch die Prärie wehen. Süße Kindereien wie bei Jules Verne mitunter, die zum Glück nicht aus dem Drehbuch gestrichen worden sind. Wahrscheinlich weil niemanden klar war, wie ekelhaft sowas vor dem Hintergrund der vergangenen Weltkriege ist. Der schönste Moment von WINNETOU, der diesen zu einem außergewöhnlichen Film macht, ist aber kurz. Mitten in der abschließenden Schlacht stürzt Mario Adorfs rechte Hand in eine Schlucht. Dann Schnitt zu Adorf, einer Figur, die bis dato nur als rücksichtsloses Scheusal porträtiert wurde, der innehält mitten im Trubel. Der hinterher blickt. Und die Musik wechselt plötzlich mit diesem erstarrten Blick in sehnsüchtigste Höhen. Die Emotionen kochen, als ob Adorf plötzlich verletzt, getroffen, wenn nicht gar zerstört wird. Durch den Anblick eines Menschen, der bis dahin eher wie sein Fußabtreter schien. Alles was ich über WINNETOU und Adorfs Figur zu wissen glaube zerbrach in den Untiefen dieses zerbrechlichen Momentes.

Sonntag 22.06.

Air Bud: Seventh Inning Fetch / Air Bud 4 – Mit Baseball bellt sich’s besser
(Robert Vince, USA 2002) [TV]

verstrahlt

Seit dem ich MISS CONGENIALITY 2 / MISS UNDERCOVER 2 gesehen habe, bin ich fasziniert von diesen Satiren und Abgesängen auf das Genre Komödie, wo jeder Witz aus dem gleichen kleinen Pool der immer gleichen vorurteilbeladenen, familienfreundlichen Minimallacher fischt. Ob lebloser Nachklapp zu 90er Jahre Nickelodeon-Serien wie THE ADVENTURES OF PETE AND PETE oder campige Skurrilitätenparade jede Pointe hat einen Bart und kommt so überraschend wie der tägliche Sonnenuntergang. Und obwohl alles grenzenlos debil ist und keine emotionalen Regungen evoziert, ist es doch nie langweilig oder unerträglich. Und so ist auch AIR BUD 4 ein Exemplar dieses Nirwanas aus Nichts und süßen Tieren. Der Untergang des Abendlandes war nie furchterregender als in diesen Filmen.

Cap und Capper / The Fox and the Hound
(Ted Berman, Richard Rich, Art Stevens, USA 1981) [TV] 2

gut

Zuviel Botschaft.

The Pirate Fairy / TinkerBell und die Piratenfee
(Peggy Holmes, USA 2014) [DCP]

ok

Wenn ein achtjähriger Junge lieber TINKERBELL statt MALEFICENT guckt, dann geh ich natürlich mit. Das Piratenlied hat sich auch gelohnt.

Ultimo tango a Parigi / Der letzte Tango in Paris
(Bernardo Bertolucci, F/I 1972) [DVD, OmU] 3

großartig

Sagenhafter Anfang mit sagenhafter Musik … voll Lebensüberdruss, eleganter dargestellter selbstsüchtige Gleichgültigkeit und mit einem fauligen, notgeilen Geschmack im Mund. Kurz ein Meisterwerk. Die Gemälde von Francis Bacon. Das gleisen der Kamera um die Pariser Straße unter der Metro. Die braunen Farben, die verlassenen Straßen, die irre Concierge. Alles erweckt in mir den Wunsch mich mit einer nackten Frau in eine vergammelte Wohnung zu legen und zu weinen. Und genau das macht DER LETZTE TANGO VON PARIS auch. Bis er mich immer mehr verliert. Brando lässt nie die Hose runter, als ob er zwischen Bauchnabel und Oberschenkeln nicht existiert. Seine Stöße mit der Hüfte, bei diesem Tier, der nur durch sein Auftreten in einem Film Sex versprüht, sind desillusionierend unerotisch. Das ist eigentlich nichts und vll auch schon alles was mich wirklich stört … mal abgesehen davon, dass die parallel ablaufenden, trügerisch sonnigen Szenen mit Leaud zunehmend uninteressant sind und nur noch mitgeschleift werden … aber durch diesen hüftlahmen Brando finde ich mich zunehmend neben dem Film, statt in ihm.

Freitag 20.06.

Boyhood
(Richard Linklater, USA 2014) [DCP]

großartig

Linklater ist irgendwo seit BEFORE SUNRISE zu Eric Rohmer geworden … ohne einem der beiden damit nahe treten zu wollen. Es ist nur so, dass sich dem Leben in den Filmen der beiden vor allem/fast ausschließlich übers Reden und Bereden genähert wird. Symptomatischerweise redet Ethan Hawke als Vater ohne Unterlass und auch wenn er dadurch nur oberflächliche Informationen an seine Kinder weitergibt und auch nur solche aus ihnen herauskitzelt, ist er dadurch der sympathische der männlichen Erziehungsberechtigten … denn er lässt teilhaben und will seine Weisheiten weiterreichen. Nicht das was, sondern wie (oft) ist entscheidend. Mason, der Junge dessen Heranwachsen BOYHOOD etappenweise begleitet, wird auch so eine Labertasche, der voll Inbrunst naiv-philosophische Reden schwingt und alles mal euphorisch, mal weinerlich bequatscht. Reden überall. Ich war todmüde und hatte keine Müdigkeitserscheinungen, wie ich mich auch beim Romanlesen bei Dialogen immer am besten konzentrieren kann. Ohne das zu werten, sich mitzuteilen ist eine starke Waffe … daran lassen, BOYHOOD, Linklater und Rohmer keinen Zweifel. Woran sie zweifeln lassen, ist schlicht, ob es in dieser Ausschließlichkeit nicht viel zu viel ist. Denn BOYHOOD ist am stärksten, wenn Momente wirken, wenn Dinge geschehen. Intensive Dinge, die kaum beredet werden, im Leben wie – und das ist das Tolle – in den kurzen Episoden, die wir aus Masons Kindheit zu sehen bekommen. Wenn er als kleiner Junge im Wagen sitzt und seiner Heimatstadt und seinem Freund hinterherschaut, wenn sein erster Stiefvater ihm gegen seinen Willen, pervers grinsend die Haare abschneiden lässt oder wenn seine Mutter, als er Heim kommt, geschlagen in der Garage liegt und ihn verscheuchend … aus Angst, dass ihm was passiert und aus empfundener Schande jede Diskussion unterbindend … dann erfahren wir mehr, als wenn wir den ewigen Dialogen zuhören würden. Und so ist das Reden nur das Ausfüllen der Leere, das Tanzen um das Unsagbare … fast wie bei Ozu. Eine Assoziation, die sich auch durch die elliptische Erzählweise aufdrängt. Über 10 Jahre, von Kindheit bis zum Studienbeginn, folgt Linklater Mason und verknappt alles aufs Nötigste. Intensive sind die Momente und es kann nur geahnt werden, was in den Pausen passiert. Figuren verschwinden dauernd im Strom und kehren meist nicht wieder. Vll sind die ausgewählten Situationen (deutlich) sprechender als bei Ozu, aber sie drücken einem nichts auf. Die Diskussionen in der frühen Pubertät mit Gleichaltrigen und Älteren kamen mir zum Beispiel dermaßen bekannt vor, dass ich wieder einmal nur glücklich war, dass dieses Alter für mich vorbei ist. Sprich wie nebenher werden die Eingeweide offengelegt, ohne das groß zu besprechen. Bei allem Gequatsche, das mir immer noch etwas suspekt ist, war BOYHOOD zumindest für mich auf diese Weise intensiv, dass mir, als ich am nächsten Tag aus einem Zug stieg und auf das Auto wartete, dass mich zu meinen, sagen wir, kommenden Stiefkindern fahren sollte, dass mir ganz schön mulmig in den Eingeweiden war und mir deutlich das Herz pumpte.

Mittwoch 18.06.

Der Schatz im Silbersee
(Harald Reinl, BRD/Y/F 1962) [blu-ray]

ok

Opfer und Aufopferung ohne Konsequenzen immer wieder. Die Bösen – und nichts weiter sind die von Gier getriebenen Westmänner hier – bringen die Helden immer wieder in brenzliche Situationen. Immer wieder müssen sich Winnetou, Ol‘ Shatterhand und Götz George entscheiden: den Schatz retten oder das Leben eines Freundes, falls überhaupt eines von beiden möglich ist … und am Ende retten sie immer alles. Immer wieder und immer aufs Neue. Harald Reinl und die seinen setzen es episch ins Bild und ich erkannte, dass ich schnell die Lust verliere, wenn klare moralische Koordinaten zumindest in meiner Wahrnehmung bei einem ständigen Hin und Her keine Action erzeugen, sondern bloße Handlungen. Schön anzusehen, aber wo waren die kleinen Unfassbarkeiten?

Sonntag 15.06.

Karami-ai / The Inheritance
(Kobayashi Masaki, J 1962) [DVD, OmeU]

großartig

THE INHERITANCE ist wie ein älterer Bruder zu I WILL BUY YOU. Ein Mann, todkrank und reich, lässt nach seinen drei unehelichen Kindern suchen um sein Erbe nach seinem Willen und mit den nötigen Informationen zu verteilen. Seine Ehefrau, seinen Anwalt und seine Sekretärin schickt er los und Kobayashi findet nur Gier. Gier als Antriebsfeder des Menschen, sobald er den Geruch des Geldes in der Nase hat. Sechs Jahre nach besagtem Baseballdrama mit einer ähnlichen Thematik ist der ganze Ansatz reifer. Die Bilder sind wunderschön. Voller Kontraste, wo bei I WILL BUY YOU nur verwaschenes, sprödes war. Wie oft in Japan zu der Zeit werden kurze Abschnitte mit Fotos erklärt. Virtuos wird jedes Register gezogen, was nötig ist. Der Schnitt verbindet alles zu einem Strom, der einen an das Unvermeidliche langsam heranführt, bis es einen mitreißt. Schauspieler und Drehbuch sind entschlackt, geben nicht zu viel und nicht zu wenig. THE INHERITANCE ist ein wunderbarer Film. Das Werk von Meistern, welchem leider genau die Stärken von I WILL BUY YOU fehlen. Das Ambivalente, das Undurchsichtige, das was einen mit all seinem Hässlichen und Unklaren lange nicht loslässt und einen wundern lässt. Hier beherrscht die Gier alle Figuren. Die Klarheit, so unaufdringlich sie ist, hat bei aller Klasse ihren Preis.

Der Passagier – Welcome to Germany
(Thomas Brasch, BRD 1988) [VHS, teilweise OmU]

fantastisch

Thomas Brasch hat seiner Zeit im deutschen Fernsehen in einem Interview erklärt, dass vor ihm und viele nach ihm Filme gedreht haben, die zur Nazizeit spielen, weil dort die Dinge, die Widersprüche des Lebens viel dramatischer an der Oberfläche liegen. Die Schuld, die den ehemaligen KZ-Häftling Mr. Cornfield (Tony Curtis als zerfressenes Häufchen, mit letzter Kraft einen verbitterten Schalk gebend, spuckend und geifernd, verhöhnend und resignierend, war selten besser, falls überhaupt) antreibt, einen Film über seine Vergangenheit zu machen, ist irgendwo ziemlich banal. Besonders wenn sie wie im Traum von einem deus ex machina im Rollstuhl offenbart wird. Er hat nicht gehandelt, als er es hätte sollen, und dadurch überlebt, während ein Freund bei einem Fluchtversuch eben ohne seine Hilfe starb. Oder noch mehr, Mr. Cornfield war zu diesem Zeitpunkt nur der Passagier in seinem Leben. Passiv saß er da und ließ die Geschichte, das Leben, die Nazis, was auch immer geschehen. Nun sucht er nach der Wahrheit dieses einen Moments, aber gerade durch die Suche bringt er sich ins Spiel, wo er doch außen vor steht. Sein Ringen mit seinem Film ist das verzweifelte Ringen mit seinem Leben und je mehr er sich diesem fiktional annähern will, desto mehr verschluckt es ihn und die Wahrheit. Und so ist diese Schuld im Grunde auch gar nicht banal. Vielleicht braucht es ein KZ um das zu verstehen.

Sonnabend 14.06.

The Defilers
(Lee Frost, USA 1965) [DVD, OF]

gut

Ein sadistischer Psychopath macht Urlaub. So beginnt es. Doch sein Urlaub ist das Leben. Carl Walker, Ein Berufsjugendlicher, der mit Mitte 30 noch von seinem Vater gesagt bekommt, dass er doch bitte sich einen Job suchen möge (solange er die Füße noch unter dessen Tisch stellt), und der nur Kicks möchte. Kicks! Kicks! Wie ein Mantra spricht er davon, doch er hat keine Ahnung wie er sie bekommen kann. THE DEFILERS bietet kaum etwas, gibt sich aber lustvoll diesem hin. Die schrägen Bilder und die sonnigen Szenen halbnackter Menschen am Strand kriechen entspannt von der Leinwand. Nur vom Glauben an die Verkommenheit der dargestellten Nichtsnutzigkeit angetrieben, wird sich nicht angestrengt mehr Kicks zu suchen. Und wenn das wunderbare Bürgerschreckurlaubleben dann doch zu langweilig wird, dann springt eine Frau auf, weil ihr Bein unvermittelt, lustlos/-voll mit einer Zigarette verbrannt wurde. Es ist wunderbar. Doch dann muss irgendwann im Film was passieren und THE DEFILERS kommt mit dem Nutzen bringen nicht zurecht. Eine junge Frau wird entführt und im Keller festgehalten. Sie wird vergewaltigt und findet es irgendwann schön, weil sie es muss, damit dem Film nicht der Vorwurf gemacht werden kann, dass er pervers sei. Aber höchstens dadurch wird er schlimm. Aber vor allem uninteressant, weil er kaum noch das irre Lachen der Hauptperson in Szene setzt oder die perverse Läuterungsgeschichte noch höher aufdreht. Das dahin Köcheln wird mit dem Moment, wo eine Geschichte erzählt werden muss, zum Verhängnis, weil verwaltet wird, statt sich der Atmosphäre hingegeben.

Puffball
(Nicolas Roeg, GB/IRE/CDN 2007) [DVD, OF]

verstrahlt

Wie der titelgebende Pilz, erst sieht es komisch aus und wenn es platzt, dann riecht es seltsam. Sehr spannend, aber was damit anfangen??

Karisuma / Charisma
(Kurosawa Kiyoshi, J 1998) [DVD, OmU]

großartig

Sehr sinnlich. Wie immer bei Kurosawa. Die Schnitte zumeist trockene Pointen. Die philosophische Fable, die es auch wie so oft ist, ist so aggressiv wie Jesus, der einem ungefragt ein Gleichnis ins Gesicht aufsagt und fordert, dass wir doch mal nachdenken mögen. Aber so dreist … und ungrazil, dass es schon wieder toll ist … zumindest in diesem sinnlichen Film.

Godzilla
(Gareth Edwards, USA/J 2014) [3D]

gut +

Godzilla sah aus, obwohl er durch und durch computeranimiert war, als ob ein Mensch in einem Gummianzug stecken würde. Was braucht es mehr? … Vll dass ich trotz meines Lebens, bei dem ich täglich mit Häschen über eine Wiese springe und an Blümchen rieche, sprich wo mir das Gefühl für kollektive, niederschmetternde Ereignisse fehlt, einen Sinn für Katastrophenfilme entwickeln würde. Ich weiß auch nicht. Toller Film.

Freitag 13.06.

Wu du / Die unbesiegbaren Fünf
(Chang Cheh, HK 1978) [blu-ray, OmeU]

(gut )

THE FIVE DEADLY VENOMS stritten sich um den Schatz ihrer Kampfkunstschule, während sich ein ihnen unterlegener Schüler aufmachte, den schlechten Ruf dieser reinzuwaschen, und ich langsam mit warmen Augen ins Reich von Morpheus abstieg.
*****
Verbraucherhinweis: die deutsche blu-ray ist fast kornfrei gefiltert, was wie immer heißt, dass alles wie aus Plastik geformt aussieht. Etwa so.

Mittwoch 11.06.

The Idol
(Tom DeSimone, USA 1979) [VHS, OF]

großartig +

Ein junger Mann beobachtet eine Beerdigung und die trauernden Gäste. Er schaut versteckt reihum und erinnert sich anhand der Personen wie er den Verstorbenen verfolgt hat und als mal mehr, mal weniger zufälliger Spanner dessen Coming-of-Age miterlebte. Sonnige Musik läuft. Träumerischer Kitsch ohne Übertreibung. Die perfekte Untermalung jugendlicher Schwärmereien. THE IDOL wird diesen Ton immer beibehalten, solange er in den Handlungsszene wie über ein Feld Blumen hüpft. Gerade aber durch Tod und harte Männer aber auch wenig … naja … peinlich wird. Wie Glück ohne Prahlerei … aufrichtig irgendwie. Der junge Lockenkopf sieht nun wie Gary, der jung gestorbene Sportler, zu Sex mit Männern fand, weil seine Verlobte ihn nicht ran ließ. Wie es ihm immer leichter fiel unter der Männerdusche, mit dem Sportlehrer und mit Bekannten zusammen zu finden und wie er so möglichrweise seine große Liebe fand. Und vll ist Kevin Redding als Gary das Beste. Wie er nackt dasteht, ganz unsicher, seinen Schwanz in der Hand, weil ein Freund ihm empfahl, dass wenn er Druck ablassen müsse, dass er es doch in der Männerdusche Liebesdienste in Anspruch zu nehmen solle … das mache schließlich jeder. Wie Gary/Kevin dasteht und in einer Mischung aus Neugier und Unglauben auf die ganzen nackten, haarigen Männer schaut … eher starrt, weil er den Blick gar nicht abwenden kann. Scheu wie ein Reh sieht er aus, als ob er gleich wegrennen will, obwohl er sichtlich mag, was er sieht. Aber seine Verlorenheit, sein zaghaftes Annähern bricht immer mehr auf und es war als ob ich dieses Land mit Gary entdeckte.

Dienstag 10.06.

Quella villa accanto al cimitero / Das Haus an der Friedhofsmauer
(Lucio Fulci, I 1981) [blu-ray, OmeU]

großartig

Im Keller eines Hauses voller Vorahnungen, Gräbern und Familien wartet Frankensteins Monster als personifizierter Todestrieb. Dr. Freudstein, der nicht sterben wollende von einer Haut zusammengehaltener Haufen Maden, Dreck und Verfall. Ein Fest für die Seele.

Montag 09.06.

Teenage Mutant Ninja Turtles III / Turtles III
(Stuart Gillard, USA/HK 1993) [VHS] 8

nichtssagend +

Gar nicht Cremig.

Die Freunde der Freunde
(Dominik Graf, D 2002) [DVD] 2

fantastisch

Es ist, glaube ich, kaum zu beschreiben, was in DIE FREUNDE DER FREUNDE wirklich passiert. Der Realismus der Bilder und die nüchtern erzählte Geschichte werden mit Impressionen von verzerrten Bildern und von Masken an der Wand, mit dämonisch wirkenden Menschen in schwarzen, irreal designten Wohnungen, mit Erinnerungen zerfetzt. Und mit ihm das Herz. Was bleibt sind die Assoziationen der Zuschauer. Ganz tief wühlt DIE FREUNDE DER FREUNDE in meinem Gedärm und ich habe keine Ahnung, wie er es macht, so schlicht und unschuldig, wie er wirkt.

Sonntag 08.06.

Malabimba / Komm und mach’s mit mir
(Andrea Bianchi, I 1979) [DVD, teilw. OmU]

fantastisch

Das markige (Auf-)Reiben der Geschlechter, welches hier zwischen Verzicht, lustvoll gelebter, ganz natürlicher Verderbtheit und diabolischer Besessenheit changiert, erreicht seinen Höhepunkt, wenn der Rechtsanwalt, nachdem er seiner Mandantin und Geliebten Nais, ihr verfallen und sie dafür mit deftigen Schmähreden strafend, nachdem er ihr also zwei- dreimal in den Arsch stieß, schon gekommen ist und von dieser gebeten wird, wenigstens mit den Finger sie auch zu befriedigen. Da sagt er zu ihr, dass sie ja unersättlich sei, dieser faule Trübling. In gewisser Weise bringt diese Szene einen Sexismus auf den Punkt. Ansonsten: Die ungeheuren Gefühle und was sie mit den Leuten machen, wie sie phantasieren lassen, wie sich ihnen verwehrt wird, wie sie sich hingegeben wird, wie sie welche verbittern, weil sie nicht ausreichend befriediegt werden, wie sie andere verwirren, weil sie im Irrwald aus Unerfahrenheit und christlicher Moral verlust gehen udn wie sie einige sich genießen lassen, dass alles verbindet Andrea Bianchi zu einem Tanz verkommener viktorianischer/ romantischer Bilder mit, zumindest in der Synchronisation, unverschämten Dialogen, welche die Ohren klingeln lassen. Kess.

Sonnabend 07.06.

Jackie Brown
(Quentin Tarantino, USA 1997) [DVD, OmU] 5

großartig

Freitag 06.06.

Power of the Press
(Lew Landers, USA 1943) [DVD, OmeU]

gut

Diese patriotisch-pulpige Brandrede beziehungsweise diese Ansammlung von vielen, vielen Brandreden gegen das gesellschaftszersetzenden Vorgehen eines Pseudojournalismus à la Bild-Zeitung, nach einer Geschichte des ewigen Kämpfers mit Herz für ein aufrichtiges, bedeutendes Zeitungswesen, Samuel Fuller, macht salonfähig, was Jahrzehnte später Bestandteil einer jeden guten Diskussion im Internet werden soll. Ein (unpassender) Hitler-Vergleich findet sich überall, wo er nur untergebracht werden kann um das Gegenüber ordentlich in die Ecke des Bösen zu drängen. Trotz dieser schamlosen Propaganda behält POWER OF THE PRESS doch irgendwie das Herz am rechten Fleck seines überbordend-naiven Idealismus, der perfiderweise auch wunderbar illustriert, wie einfach Verkaufszahlen einer Zeitung angehoben werden können. Fast ein Lehrfilm für Leute wie Axel Springer, die vll nicht gaanz so mafiös waren, wie hier dargestellt. Diese werden aber auch wunderbar hinter ihrer Fassade als, denn Journalismus erzählt beiden Seiten der Geschichte, als jämmerliche Figuren gezeichnet, die nur Misserfolg schlechter ertragen als andere Meinungen.

Fletch / Fletch – Der Troublemaker
(Michael Ritchie, USA 1985) [DVD] 9

großartig

Ein abgebrannter Journalist, der vom eigenen Ruhm, von der eigenen Überlegenheit nur träumen kann. Der sich in lächerliche Verkleidungen wirft, um der Wahrheit näher zu kommen. Ein Möchtegern, dessen Träume von sich als Basketballstar mit Afro und dessen Verkleidungen vll nur ein kleiner Witz sein sollen, aber unerhört liebevoll von den Leuten, die ich kenne(n gelernt habe), spricht … und von mir. Von den rechthaberischen Tendenzen, dass wir es doch besser wissen, und wie lächerlich wir dabei mitunter sind. Nur dass die Figur Fletch treffsicher populistisch inszeniert wird, da er am Ende doch gegen alle Widrigkeiten die Wahrheit findet, das Mädchen bekommt … oder sogar die Mädchen(?), Geena Davis als Miss Moneypenny scheint sehr liberal … und von allen angebetet und beneidet wird.

Mittwoch 04.06.

Aparajito / Apus Weg ins Leben – 2.: Der Unbesiegbare
(Satyajit Ray, IND 1956) [DVD, OmeU]

nichtssagend

APARAJITO professionalisiert seinen Vorgänger. Die Impressionen werden zurückgefahren. Die Welt von Apu wird glatter und ist sichtlich bemüht, die große Geste zu umgehen. Edele Schlichtheit regier diese Geschichte, die deutlich am Reißbrett dramatisiert wurde. Der Humanismus, ebenso wie in PATHER PANCHALI eine Entscheidung, die mit rührigen Scheuklappen dargestellt wird, wird so empfindungsarm und hohl.

Dienstag 03.06.

Akira
(Ōtomo Katsuhiro, J 1988) [blu-ray, OmeU] 2

großartig

Sonntag 01.06.

Travels in Experimental Film: In & Out of Japan
(Diverse Kurzfilme) [16mm und Quicktime]

Einzelwertung s.u.

– SHIBUYA-TOKYO (Nishikawa Tomonari, J 2010) [16mm] gut
– SUPER UP! (Kanesaka Kenji, USA 1966) [Quicktime] ok
– PACIFIC OCEAN (Iimura Takahiko, J 1971) [16mm] nichtssagend
– ALL THAT RISES (Saïto Daïchi, J 2007) [16mm] nichtssagend
– AIRLINER (Sawa Hiraki, GB 2003) [Quicktime] nichtssagend
– THE VIPERS (Tajiri Shinkichi, USA 1955) [16mm] gut
– 45 7 BROADWAY (Nishikawa Tomonari, USA 2013) [16mm] gut
– TOKYO-EBISU (Nishikawa Tomonari, J 2010) [16mm] gut
– REPEAT (Sogo Stom, J 2006) [Quicktime] großartig

Saison in Kairo
(Reinhold Schünzel, D 1933) [35mm]

gut +

Missverständnisse, Melodei und Wippen unter den Pyramiden. Ein gemütlicher Film-Tanztee, in dem Willy Fritsch unter Beweis stellt, dass er die perfekte Besetzung für den Joker abgegeben hätte … oder eben wie kaum ein anderer einen beruhigenden tristen Trübling geben kann, der die Damenherzen im Sturm … einmottet. Ein unbedarfter Junge, der eingefangen und erzogen werden kann.

Dorodarake no junjô / Mud Spattered Purity
(Nakahira Kô, J 1963) [35mm, OmeU]

gut

Yakuza-Junge verliebt sich in die Tochter eines Diplomaten. Etwas deckiger als die Takakura Ken-Schinken, aber erst Verzweiflung und Kitsch, die den Film gefühlig beschließen, sind auf einem Niveau mit dem unglaublichen Titel.

Mai
Sonnabend 31.05.

Aitsu to watashi / That Guy and I
(Nakahira Kô, J 1961) [35mm, OmeU]

großartig +

Überholen ohne einzuholen, war eine Parole, ein Motto in der DDR. Doch wie sie wirtschaftlich immer durch die Gravitationskraft eines boomenden Nachkriegskapitalismus im Staub landeten und dem Geschehen trotzig hinterherhechelten, so waren sie auch kulturell zwischen dem Aufwärmen altbackener Avantgarde, Unterdrückung eigener Wege und dem systematischen Abschwächen kultureller Phänomene des Westens gefangen. THAT GUY AND I atmet aber auch genau diese Luft der DDR. Eine populäre Jugendkomödie um Jungs und Mädels in einem kunterbunt-trüben Japan, dass mich sehr an die ganzen Frank Schöbel-, Joachim Hasler- und wie sie nicht alle heißen-Filme erinnerte. Nur das hier tatsächlich alles auch düster werden kann. Studentenunruhen um den Ampo-Vertrag lagen noch in der Luft und Familien konnten auch dunkle-sexuelle Geheimnisse im Keller haben. Doch wie alles hier aufgelöst wird, wie damit umgegangen wird, dass macht mich traurig, weil es ahnen lässt, wie irre DDR-Filme noch hätten sein können, wenn die Zensur an manchen Stellen nicht so selbstherrlich gewesen wäre. Übrigens hatte aber schon FLORA ON THE SAND einige Gemälde prominent besetzt, die der Avantgarde um Miro, Kandinsky usw. mit Anleihen von sozialistischem Realismus hinterherliefen. Auch hier hatte ich ein massives DDR-Gefühl. Dieses hatte aber eher einen Konrad Wolf-Touch.

Getsuyôbi no Yuka / Only on Mondays
(Nakahira Kô, J 1964) [35mm, OmeU] 2

großartig +

Die Gemütlichkeit von Kannibalen … und spaßig.

Kuroi tobakushi: akuma no hidarite / The Black Gambler – Devil’s Left Hand
(Nakahira Kô, J 1966) [35mm, OmeU]

großartig

Warum Woody Allen sich bei WHAT’S UP TIGER LILY genötigt sah eine neue absurde Synchro zu produzieren, bleibt wohl auf ewig sein Geheimnis, denn was alleine in diesem Teil der THE BLACK GAMBLER-Reihe passiert, dass geht auf keine Kuhhaut. Drei superausgebildete Spieler verlassen das Königreich Pandora und reisen nach Japan um Nikkatsu Superstar und unbesiegbaren Überspieler Kobayashi Akira zu besiegen … um dadurch das gesamte Glückspiel in Japan zu übernehmen … und um sich dann eine Atombombe kaufen zu können. Aber Computeranalysen, sprunghafte Zuneigungen (die Kobayashi zwangsläufig und ohne großes Vorspiel im Bett mit den Damen landen lässt … weil es eben gar nicht anders sein kann, wer braucht da Erklärungen?), Militärs und Putschversuche lassen das Geschehen dermaßen explodieren, dass es am Ende auch das Gehirn überlebt, ungläubig, aber am Leben, wenn die muslimischen Mächte von Pandora mit einem Ferkel vertrieben werden (Schweinefleisch, unrein und so). Das tollste ist aber das Verständnis von Glückspiel. Das Wetten auf Motorbootrennen, die Pokerspiele, das Würfeln, dass alles gleicht mehr dem naiv kindischen Verständnis von Fußball und Attraktionen in einer Folge von DIE KICKERS, wo Stürmer durch den Strafraum fliegen und Torhüter mit ins Tor geschossen werden.

Onna no uzu to fuchi to nagare / Whirlpool of Flesh
(Nakahira Kô, J 1964) [35mm, OmeU]

großartig +

Sprödes Melodram mit dem Nakahira seine lose Sex-Trilogie abschließt. Mitten im Film klopft die vernachlässigte Ehefrau eines Professors für englische Literatur an die frisch beschlosste Tür des Arbeitszimmer ihres Ehemannes. Unablässig drischt sie dagegen und schlägt diese fast ein. Sie will endlich nach Jahren wieder Sex … mit ihrem Ehemann, ihrer Liebe. Doch er bleibt hart. Nach Jahren in denen er sich nicht auf sie einlassen konnte, in der er auf sie als ungebildet herabblickte und schließlich paranoid geworden durch den Strohhalm den sie ergreift, um zu überleben, nämlich dass sie feuchtfröhliche Abendgesellschaften empfängt, fühlt er sich hinter Holzwänden sicherer. Durch Löcher schauend, sich seine eigene Welt bastelnd. Ganz anders als in FLORA ON THE SAND ist hier der Ehemann (abermals Nakaya Noboru), aber in seinem Unverständnis für Frauen, welches sich vor allem über die eigene Phantasie von Verdammnis definiert, doch wieder sehr ähnlich.

Freitag 30.05.

Kurutta kajitsu / Crazed Fruit
(Nakahira Kô, J 1956) [35mm, OmeU] 2

großartig +

Zwischen dem Toben einer gelangweilten Jugend, die gegen jeden Sinn aufbegehrt, zu Beginn und einem wilden Hysteriebeben am Ende liegt Beklemmung. Die Beklemmung des Erwachsenwerdens, der Liebe, der Widersprüche des Lebens. Alt bekannt, aber in der Sonne des glühenden Sommers in CRAZED FRUIT schleicht sie langsam mit jeder Szene tiefer ins Herz der Beteiligten.

Suna no ue no shokubutsu-gun / Flora on the Sand
(Nakahira Kô, J 1964) [35mm, OmeU]

(fantastisch )

Um es mit Sano zu sagen: FLORA ON THE SAND ist vll der Film, an den ich mich am wenigsten erinnern kann, aber er hat mir auch am besten gefallen. Während meines ersten Abends bei der Nakahira Kô-Retro bei der Nippon Connection in Frankfurt am Main auch direkt eingeschlafen. Ein Film, der auch so kaum nachzuvollziehen scheint. So hörte es sich jedenfalls an. Ich sah große Teile und erwachte immer wieder in Szenen, die schon mal so ähnlich zu sehen waren, die sich um die Geschichte eines älteren Mannes schlangen, der zwischen Frau, Geliebter, Liebe, Lust, Eifersucht und Gewalt kaum noch unterscheiden konnte. Der irgendwie zum Spiegelbild seines Vaters wird oder Angst davor hat, es ist schwer zu sagen, da alles aus seiner Sicht erzählt wurde. Und unter dieser strengen Subjektive brechen Zeit, Zusammenhänge, Realität und Phantasie zu einem Puzzle auseinander, dass vll von Inzest handelt, von Unsicherheit, Macht oder von Misogynie. Könnte sein. Jedenfalls zerrinnt der Zusammenhang der Geschichte von FLORA ON THE SAND in seiner assoziativen Verknüpfung repetitiver sowie für sich stehender Momente voll spröder Pösie.

Mittwoch 28.05.

…continuavano a chiamarlo Trinità / Vier Fäuste für ein Halleluja
(Enzo Barboni Clucher, I 1971) [DVD] 343

großartig

Den beiden kleinen Haudegen, die bald bei mir wohnen und zwei Tage zu Gast waren, habe ich am folgenden Tag, während in der Wohnung gearbeitet wurde, noch ZWEI HIMMELHUNDE AUF DEM WEG ZUR HÖLLE und DAS KROKODIL UND SEIN NILPFERD zu sehen gegeben. Vielmehr haben sie sich diese gewünscht. Der Erziehung zu Lebenslust, Hilfsbereitschaft, Antirassismus, Antiautorität (weil Autorität hier immer auch korrupt ist), Antibürgerlichkeit, Unangepasstheit und der Durchsetzung des eigenen Glücks mit Fäusten steht nichts mehr im Weg.

The Sword in the Stone / Die Hexe und der Zauberer
(Wolfgang Reitherman, USA 1963) [DVD] 11

großartig

Mir ist am nächsten Tag aufgefallen, dass ich auch so ein verbohrter Erwachsener bin, wie sie hier zuhauf präsentiert werden. Als Ben Z. und Finnlay O. am nächsten Tag beim Teppichverlegen und beim Regal bauen gerne helfen wollten, sehr gerne, habe ich ihnen Teppichcutter und Akkubohrer nicht in die Hand geben wollen. Sie wollten es sowenig einsehen wie Arthur, der doch nur beim Jagen helfen wollte uswusf. Diese Erkenntnis hat aber etwas den Merlin in mir geweckt und ich habe wenigstens ein paar Schrauben mit Akkubohrer festziehen lassen. Film und seine Möglichkeiten zur Selbsterkenntnis.

Dienstag 27.05.

Opera / Terror in der Oper
(Dario Argento, I 1987) [DVD, OmeU]

fantastisch

Kaum zu übersehen ist, dass OPERA ein Film über das Sehen ist. Nicht auf Grund der sagenhaften, allerorts beschwärmten Kamerafahrten oder der Stakkatoschnitte zwischen Rabenaugen, Rabenköpfen, Raben und Zeug … die wie die Panoramaaufnahmen bei Ozu die Atmosphäre vorgeben. Nur hier sind es nicht Ruhe und Kontemplation, die erzeugt werden, sondern es ist eine anziehende Stimmung, Genuss versprechend, obwohl oder gerade weil die Tiere einen archaischen Terror ausstrahlen. Aber wie gesagt geht es ums Sehen. Sehen müssen und nicht sehen können. Der schwarzbehandschuhte Psychopath verhindert mit den ihren Ruf vorauseilenden an die Augenlider geklebten Nadeln, dass die gefesselte Opernsängerin Betty ihre Augen vor seinen brutal für sie inszenierte Morden verschließen kann. Sie muss alles mit ansehen, was er ihr zu sehen gibt. Alles andere entzieht sich ihr aber. Er verschwindet so schnell, wie er gekommen ist. Wie ein Phantom oder eine Einbildung. Der Terror sind also nicht die Klingen, das Blut und die malträtierten Körper, sondern die (Selbst-)Inszenierung des Mörders. Und so ist OPERA nicht nur ein Film über das Horrorkino an sich, sondern auch über den Terror real-inszenierter Gewalt, welche Leuten präsentiert bis aufgezwungen wird … und so eben über Macht an sich. So verführerisch wie möglich. Und ebenso verunsichernd. Denn wenn alles in alpiner Harmonie zu enden scheint, dann ist mir zumindest nicht klar, was hier eigentlich wirklich passiert ist.

Montag 26.05.

Family Viewing / Familienbilder
(Atom Egoyan, CDN 1987) [blu-ray, OF]

gut +

Atom Egoyan dreht das Prinzip Sitcom um und macht daraus etwas zum weinen und vor Kälte erstarren.

Sonntag 25.05.

Pather Panchali / Apus Weg ins Leben – 1.: Auf der Straße
(Satyajit Ray, IND 1955) [DVD, OmeU]

gut

Ray malt erst mit den Gesichtern. Apus große Augen isnzeniert er so prominent wie das zerfalle Gesicht von Apus Tante. In diese legt er all seine Liebe zu seinen Figuren. Menschlichkeit schreibt er mit ausladenden Federstrichen, wie er Zeit und Situationen mit einem sensiblen, zaghaften zeichnet. Und deshalb ist PATHER PANCHALI vor allem eins: nett. Wahrscheinlich ist das mein Fehler, dass ich dadurch eher kalt gelassen werde und mich jetzt, nach zwei Tagen, schon nur noch an eine handvoll schöner Bilder erinnern kann. Er liebt die Menschen, dass ist von der erste Minute an klar. Er zeigt sie leidend, dumme Dinge tun, schlechte Dinge tun, verloren in der Welt, verloren zwischen den Menschen, wie sie aber doch überleben, Wärme austrahlen können und schöne Dinge tun. Er zeigt sie in wehenden Feldern wie im Regen Pirouetten drehend. Er zeigt eine magische Welt, die voll Düsternis ist. Und Ray ist immer mit dem Herz bei seinen Menschen … ein Loblied singend auf die gebrannten Kinder der Erde. Und er macht das wirklich toll … aber PATHER PANCHALI blieb so lange bei mir, wie der Nachtisch bei Durchfall.

El cuerpo / The Body – Die Leiche
(Oriol Paulo, E 2012) [blu-ray, OmU]

ok

Die Figurenzeichnung. Die Bildgestaltung. Die Zooms. Die dramatischen Schnitt-Gegenschnitt-Montagen mit bedrohlicher Musik. Fast alles deutet daraufhin, dass dies hier eine Parodie auf einen Thriller sein soll. Alles dermaßen übertrieben und herzzerreißend angestrengt nach Spannung lechzend, dass der ein oder andere auf die Lacher wartet. Aber die bleiben aus. Der Plot ist platt und arbeitet seine Stationen doch Recht trist ab. Aber die scheiternde Inszenierung, die zu gleichen Teilen nach Liebe und zwanghafter Coolness riecht, sie will mir doch etwas ans Herz gehen.

Sonnabend 24.05.

Demon Seed / Des Teufels Saat
(Donald Cammell, USA 1977) [DVD, OmeU]

großartig +

Reine Vernunft darf niemals siegen. Und schon gar nicht, wenn sie in Form eines geometrisch-mathematischen industriell gefertigten Metal- oder Kristalfangarms als Ausführender Willen eines Computers auftritt und eine Frau begatten will, weil der Intellekt entschieden hat ein mensch sein zu wollen … zu müssen. Wild? Wild!

Donnerstag 22.05.

The Spy Who Loved Me / James Bond 007 – Der Spion, der mich liebte
(Lewis Gilbert, UK 1977) [blu-ray, OmU] 5

gut

Zu Füßen der Sphinx liegt ein anderes Land. Eine Touri-Show wirft in einem getragenen Rhythmus sich abwechselnde Farben in die Nacht. Eine Stimme, es könnte Vincent Price sein, vermischt Mythologie und Zuschauerfang in seine donnernd-esotherischen Ansagen. Und Bond jagt einen Mikrofilm, getragen von einem windigen Geschäftsmann, dem auch eine russische Agentin und eben Jaws, der Beißer, auf den Spuren ist. Wegen dieser einen Szene würde ich THE SPY WHO LOVED ME immer wieder sehen. Und wegen dem Kamelsattel aus dem eine Klinge schnellt. Der wummerige Wechsel der monochromen Farben hat etwas von einer Drogenrausch, die Schatten, das unweltliche der Klangkulisse tun ihr übriges. Dies ist keine einfache Szene auf der Suche nach einer Nichtigkeit in der internationalen Spionagewelt. So sieht es wahrscheinlich auch in H.P. Lovecrafts Kopf aus, wenn eine Cthulhu-Gottheit das Angesicht der Erde mal wieder betritt. Ansonsten ringt Moores Bond fast schon zwangsneurotisch um coole Sprüche und Gesten … als sei er auf einem Schulhof.(?) Bondgirl Barbara Bach, die Spionin die hier den Titel gibt, sitzt die zweite Hälfte des Films gefesselt an einem Stuhl und ist so selten zu sehen wie der reichlich verschenkte Curd Jürgens. Zuviel Business as usual oder vll bin ich nur eingeschnappt, dass der Rest der Film nicht wie unter der Sphinx ist.

Montag 19.05.

Cobra Woman / Die Schlangenpriesterin
(Robert Siodmak, USA 1944) [blu-ray, OF]

gut

Sonntag 18.05.

The House of Magic / Das magische Haus
(Jeremy Degruson, Ben Stassen, B 2013) [3D]

ok

Wenn das 3D eine Achterbahn und einen Vergnügungspark nachstellte, dann war DAS MAGISCHE HAUS ein Erlebnis.

Sonnabend 17.05.

Anatomie de l’enfer / Romance 2 – Anatomie einer Frau
(Catherine Breillat, F 2004) [DVD, OmU]

(Schlüssel fehlt)

Ich verstehe kein Wort von dem, was diese Menschen hier reden. Sie sprechen über die weiblichen und männlichen Körperöffnungen und was diese über das sie tragende Geschlecht aussagen, was diese dem anderen Geschlecht bieten und erwarten lassen und sie schließen schließlich auf die ontische Beschaffenheit des Verhältnisses zwischen Mann und Frau … sowie zwischen Mann und Mann. Und irgendwo zwischen seltsamen Verallgemeinerungen, mir unverständlichen Zuweisungen und hochtrabender/verquasten Assoziationen setzt es bei mir aus. Da fühlte ich mich, als stände ich vor Caravaggios DER TOD DER JUNGFRAU und neben mir würden sich zwei Leute darüber unterhalten, dass in diesem Bild der gesellschaftlich Einfluss auf Verfall und Veredlung der Sitten durch die Eistüte zu sehen ist. Was natürlich spannend ist, aber ich verstehe einfach nur Bahnhof. Eine Frau versucht sich das Leben in der Toilette eines Clubs zu nehmen, nachdem sie in der wild ravenden Menge bestehend aus Männer liebenden Männer nicht fand, was sie suchte … vll fand sie auch genau das. Rocco Siffredi bringt sie jedenfalls zum Arzt und lässt sich auf einen Pakt ein. Er beobachtet sie gegen Geld mehrere Nächte lang, so wie nicht zu sehen ist. Sprich, er guckt ihr beim schlafen zu und hat Handlungsfreiheit.(?) Es wird daraufhin geredet, getrunken, Rechen in Körperöffnungen gesteckt, berührend geweint, Identitäten bröckeln und werden verloren. Es geht vll um die Misogynie der Frau und des Mannes oder aber um die Beschaffenheit der Geschlechter. Es geht um Missverständnisse, Vorurteile, Selbsthass, Liebe (zu sich selbst) und das Labyrinth der eigenen Identität in einem wuchernden Garten der Zuschreibungen. Denke ich. Jedenfalls regte es sowas an, während die ruhigen Bilder in wärmender Abfolge und unterkühltem Weiß zwei alles andere als hysterische Menschen zeigten, die sehr hysterische Dinge sagten und taten. Es war toll ANATOMIE DE L’ENFER zu sehen, aber am Ende des Tages habe ich nicht den geringsten Anhaltspunkt, was ich da sah. Fand ich toll, aber wie das bewerten. … und wieso überhaupt?

Freitag 16.05.

Wenn die prallen Möpse hüpfen
(Ernst Hofbauer, BRD 1974) [DVD]

großartig +

Als Jugendlicher war einer meiner Lieblingsfilme FLETCH – DER TROUBLEMAKER. Darin war Chevy Chases Figur immer besonders gut darin sich spontan Decknamen wie Dr. Rosenpenis oder John McPimmel zu geben. Das hätte hiermit nicht sonderlich viel zu tun, wenn Peter seine Anja nicht mit in das Apartment eines gewissen C. von Ficker nehmen würde, welches direkt neben der Praxis von Zahnarzt Dr. Stoss liegt. So gesehen ist klar, dass derjenige, der seinen Humor auf einem achtbaren Niveau mag, der hat hier verloren. Schulmädchen, welche über (traumatische) Umwege die Liebe kennenlernen, Schwanks mit Lederhosen und Fensterln, Kalauer mit Italienern, die ungewollt zustoßen, Leute, die ihre Geliebten dort vorm Ehepartner verstecken, wo dieser sich ebenfalls mit einem Nackedei versteckt und eben Peter, welcher der aufgeregten Anja, welche immer wieder durch minimalste Geräusche hysterisch vor dem Vollzug zurückschreckt, zur Einstimmung diese Geschichten erzählt … in einem Haus, welches gut und gerne die beömmelte Blaupause zur Lindenstraße hätte sein können. Ein radioaktives Komödienstadl blickt also ins Herz seiner Nation. Eine grimmige Landkarte von deftigem Humor und vorurteilsbeladener wie durchdrehender Phantasie. Deutschland im Jahre 1974 ohne Rücksicht auf Verluste. Aber nichts lässt dieses biestige Werk mehr strahlen, als die Besetzung von Künstl(ehr)er Staudinger, einem abgebrochenen Rodin, mit Günther Kieslich. Ja, wir erinnern uns … wer’s nicht kann, kann sich gesegnet schätzen … er war der pädagogische Großwesir in ANATOMIE DES LIEBESAKTES. (Wenig Hilfreiches siehe fast ganz unten auf dieser Seite.) Schäbig, schmierig, faltig und verbraucht spielt er einen notgeilen Maler, der sich mit Schülerinnen und Modells vergnügt. Nach dandyeskem Lebemann schreit die Figur, nach Aussehen und Charisma. In Ernst Hofbauers Pandämonium wurde aber Günther Kieslich besetzt und zeigt so die bierbäuchige Dominanzkultur und ihre Träume. Schönheit, sowas gibt’s in Wohlfühlfilmen. In WENN DIE PRALLEN MÖPSE HÜPFEN herrscht der Name dieses Blogs.

Donnerstag 15.05.

À ma soeur! / Meine Schwester
(Catherine Breillat, F 2001) [DVD, OmU]

großartig

Die exponentielle Spannungskurve ist wirklich garstig. Lange Zeit ist fast kein Puls zu spüren. Dafür reden naive Mädchen, schmierige Typen und überforderte Erwachsene und offenbaren ihren Schmerz bzw ihre Schäbigkeit. Da bleibt einem ja nichts anderes als zu Essen. Dann schießt die Kurve aber nach oben, damit Breillat diesen “Mädchen, Jungs und Erwachsene reden”-Coming-of-Age-Film mit einem düsteren Witz … einem bitter-bösen Kalauer beenden kann.

Mittwoch 14.05.

Maximum Risk
(Ringo Lam, USA 1996) [VHS]

großartig

Ringo Lam geht nach Hollywood um einen Film zu machen, der sich für mich sehr französisch angefühlt hat. Hier und da ist Herrn Lams Hand deutlich zu erkennen, wenn die Kamera beispielsweise elegant über das Panorama von New York fliegt oder in der atemberaubenden Verfolgungsjagd, die den Film eröfffnet, aber MAXIMUM RISK ist genauso wenig vollständig ein Ringo Lam Film, wie es kein gänzlicher Hollywoodfilm ist. Vll weil Jean-Claude van Damme einen Franzosen spielt, dessen Zwillingsbruder (van Damme abermals in Doppelrolle: TIMECOP, GEBALLTE LADUNG, REPLICANT … ich kenne keinen anderen Schauspieler, der so oft mit sich selbst zu tun hat) von der russischen Mafia und dem FBI gejagt wird. Er kommt zwar nach New york aber es ist immer sein Blick auf die ihm fremde Welt zu sehen. Diese seltsamen, aggressiven Straßenkinder, denen er begegnet, und diese holzgeschnitzte Welt in Little Odessa, wo Akkordeonspieler auch mal in der Sauna sitzen, um die richtige Atmosphäre beim schwitzen zu erzeugen. Vll auch einfach, weil Frankreich zwischen Hongkong und LA liegt … auf europäischen Weltkarten und im Actionfilm.

Dienstag 13.05.

Run of the Arrow / Hölle der tausend Martern
(Samuel Fuller, USA 1957) [DVD, OF]

großartig +

Es ist wieder die Faust, welche die Botschaft bringt, dass es Arschlöcher und tolle Menschen überall gibt – bei den Nordstaatlern, bei den Südstaatlern und bei den Sioux. Aber es wäre nicht Fuller, wenn er mit dieser Faust nicht eine krude Poesie entwickeln würde. Die DVD von Schröder Media ist aber der Hohn. Die deutsche Version ist an den Seiten beschnitten und gekürzt. Die originale Version besteht zwar von der Lauflänge aus dem eigentlichen Film, aber das Bild ist nicht nur eine Beleidigung von der Qualität, sondern erreicht das Originalseitenformat indem von dem 4:3-Bild der deutschen Version eben oben und unten noch was abgeschnitten wird. Nichts mit Open Matte. Manche Einstellungen und die rechts abgeschnittenen Brandmarken verdeutlichen nur zu sehr, dass es links und rechts mehr Bild geben müsste. Traurig.

Schatten – Eine nächtliche Halluzination
(Arthur Robison, D 1923) [35mm]

großartig +

Die Maske der roten Erkenntnis. Eine Abendgesellschaft sitzt abgeschlossen in einer Villa und lässt sich von einem Schattenspieler einlullen. Ein Hauch von Opium ist in den Gängen und Sälen zu spüren. Er zeigt ihnen an der Wand, was sich hinter den Masken der Leute abspielt. Hinter den Versuchen Ruhe zu bewahren. Hinter „ist doch nur ein Spaß“. Hinter frustriertem Dienstgeschiebe. Hinter Schüchternheit. Ellenlange Schatten werden die Wände und Böden ständig bedecken. Jeder und alles wirft einen. Die Nacht und ihre Kerzenhalter werden die Phantasie der Zuschauer im Film und vor diesem in Beschlag nehmen. Die Ahnungen darüber, was sich hinter der Front in der Dunkelheit verbirgt. Der Schattenspieler, halb Magier, halb Dämon zeigt wie die Anwesenden gieren und lässt sie von der Leine. Etwas. Schmierenkomödianten werden ihre Lust befriedigen wollen. Angst und Hass werden kulminieren. Sexueller Frust wird Haut mit Stricken binden. Klingen werden Haut durchbohren … in exaltiertem Schauspiel und in wabbernden Bildern, die nicht zu fassen sind. Eine nächtliche Halluzination und ein gieriger Traum von Lust, Gewalt und den Abgründen im zwischenmenschlichem Sein.

Sonnabend 10.05.

The Slammin‘ Salmon
(Kevin Heffernan, USA 2009) [DVD, OF]

ok

Der Regiewechsel innerhalb von Broken Lizard scheint gescheitert. Aber auch sonst. Da wo sie sich liebevoll ihren Charakteren und ein-zwei Genres angenommen haben, da herrscht in THE SLAMMIN‘ SALMON biederes Stückwerk. Nach CLUB DREAD und BEERFEST kommt vorerst die Ernüchterung.

Freitag 09.05.

Double Team
(Tsui Hark, USA 1997) [VHS]

verstrahlt +

Der Film, der noch hudson-hawkier sein wollte als HUDSON HAWK. Zudem mit viel mehr Koffein.

Dung fong tuk ying / Eastern Condors
(Sammo Hung, HK 1987) [blu-ray, OmeU]

gut

L’ULTIMO CACCIATORE unter Hongkong-Vorzeichen.

Donnerstag 08.05.

Amore e morte nel giardino degli dei / Liebe und Tod im Garten der Götter
(Sauro Scavolini, I 1972) [DVD, OmU] 2

fantastisch

In der ersten Szene ist schon alles enthalten, was AMORE E MORTE NEL GIARDINO DEGLI DEI so aufwühlend macht, was diese Geschichte über Überdruss, Inzest und Vogelkunde zu bieten hat. Das Spiel mit Perspektiven und Unsicherheiten. Die Suche nach der Orientierung, die einem immer wieder geraubt wird. Jedoch ohne auf die Pauke zu hauen. Alles wie nebenbei, viel subtiler, als dass es sofort bewußt würde, kriecht es einem unter die Haut. Die Bilder sehen aus, als ob sie aus einer bodenständigen Doku aus den 70ern stammen würden. Nichts von der ausladenden wie atemberaubenden Schönheit des italienischem Kunstkinos des vorangegangenen Jahrzehnts oder vieler zeitgleich entstandener Gialli. Eher von der staubigen Rauheit eines Poliziottesco, aber auch wieder ohne das pumpende Adrenalin. Ein einen umhüllende Kälte liegt in den warmen Bildern begraben. Zwischen den Stühlen selbstbewußt in sich ruhend. Die Kamera wandert durch einen Garten. Es hat etwas von den subjektiven eines Slashers auf der Suche nach einem Opfer. Vielleicht ist es aber auch nur der Blick der Frau, die uns die Kamera nach einigen Schnitte als Identifikation bietet. Doch ehe wirklich klar wird, was der Gang durch den Garten in eine Villa wirklich zeigt, bevor einem, wie gesagt bewußt, wird, dass wir es nicht wirklich wissen, kommt ein assozitiver Schnitt ganz woanders hin. Keramik. Blut. Rasierklinge auf Haut. Wasser. Regentonne. Kurze Sprenkler von Verstörung und Schönheit. Langsam tastend hin und her zwischen den Bildern dieser Realität. Bis wir glauben etwas zu wissen, was AMORE E MORTE NEL GIARDINO DEGLI DEI aber genauso genüßlich wie entspannt wieder zersetzen wird. Und so wenig effekthascherisch es aussieht, so poetisch ist es.

I tre volti della paura / Die drei Gesichter der Furcht
(Mario Bava, I/UK/F 1962) [blu-ray, OmeU]

ok

Besonders die mittlere, die längste Episode der drei Gesichter will mir gar nichts sagen. Die anderen beiden sind elegant inszeniert, mit Hitchock, Poe und Lesben, jedoch werde ich abermals mit einem Bavafilm nicht warm.

Mittwoch 07.05.

The ‚Burbs / Meine teuflischen Nachbarn
(Joe Dante, USA 1989) [DVD, OmU] 5

großartig

Was alles schrecklich sein kann, wenn Menschen untereinander leben … und wie schön es ist, dem missgünstigen Wohlstandselend anderer zuzusehen.

Dienstag 06.05.

The Legend of Hercules
(Renny Harlin, USA 2014) [3D]

großartig +

Ein B-Movie der Sonderklasse. Sehr oldschool bis auf das 3D. Das wattete in gefühlvollem, kitschigem Wahnsinn. Als hätte Douglas Sirk WRITTEN ON THE WIND in 3D gedreht und von Dezenz nie etwas gehört. Lutz sieht natürlich aus wie die spätpupertäte Version des Kinderriegelschachtelkindes und passt so mit seinem fröhlich-unschuldigen Aussehen gut zu den alten italienischen Hercules und Maciste-Pepla. Wo lächelnde wie muskulöse Jungs sich ins Abenteuer warfen. Nur das er sogar, im Gegensatz zu ihnen, nicht nur zu Metasex fähig ist. Seine Vorgänger konnten zwar vielsagend Obelisken aufstellen, sich auspeitschen lassen und so weiter, aber Lutz rennt vor den Frauen nicht weg … ins Abenteuer. Hier wird auch gepeitscht und Lutz suhlt sich mit muskulösen Männern im Schlamm, was ordentlich triefende Schauwerte bietet. Aber wenn er sich mit seiner Angebeteten im güldenen See vergnügt, dann ist da Lust nicht nur eine Andeutung. Lüsterne Gier nicht nur für den Zuschauer, sondern auch für und durch Lutz. Alles in allem als ob Clint Eastwood auf die alten Tage entdeckt, dass eine hemmungslose Tucke in ihm steckt. Ich habe es geliebt.

Sonntag 04.05.

The Lego Movie
(Phil Lord, Christopher Miller, AUS/DK/USA 2014) [3D]

ok

Niemand soll THE LEGO MOVIE nicht mögen, deshalb weist er ganz postmodern mit Ironie auf seine Schwächen hin und macht Witze darüber, dass er nur ein Werbefilm ist. Dadurch ist er eben aber auch nur nett … wenn überhaupt.

Neptune’s Daughter / Neptuns Tochter
(Edward Buzzell, USA 1949) [DVD, OmeU]

verstrahlt

Verzichtender Camp, in dem die feuchten Wasserspiele an den Rand gedrückt werden. Esther Williams wehrt sich den Film lang erfolgreich wie verständlich gegen die trierigen (trist-schmierigen?) Avancen von Riccardo Montalban. Doch kaum springt sie ins feuchte Nass, um sich den bunten Choreografien hinzugeben, gibt sie sich auch ihrem Verehrer hin. Die Erklärung so nebensächlich, wie die Magie des Wassers unwiderstehlich ist. Abgerundet wird NEPTUNE’S DAUGHTER mit Red Skelton als epochalem Verzichter, der jede schamvolle Peinlichkeit auf sich nimmt, um die Frauen von sich zu überzeugen, aber vor ihren Armen flieht, als ob seine Mutti hinter der nächsten Ecke mit dem Nudelholz wartet.

Sonnabend 03.05.

Amore e morte nel giardino degli dei / Liebe und Tod im Garten der Götter
(Sauro Scavolini, I 1972) [DVD, OmU]

(großartig)

Immer wieder eingeschlafen. Vor dem Showdown fast nichts bewußt wahrgenommen. Aber auch wenn am nächsten Tag fast alles Greifbare weg war, arbeitete er in mir. Die schnell folgende Zweitsichtung zeigte mir später wieso.

Drive
(Jack Deveau, USA 1974) [VHS, OF]

(((großartig)))

Illusionär noch nen Film angefangen, weil ich ja jetzt ausgeschlafen war, aber sofort hinweggetrübt. Am nächsten Tag den faszinierten Berichten gelauscht, wie weit die Arme verschwunden waren.

Freitag 02.05.

Ms. 45 / Die Frau mit der 45er Magnum
(Abel Ferrara, USA 1981) [blu-ray, OmeU] 2

fantastisch

Ferraras Traum einer Rache. Rache an den eigenen schmutzigen, männlichen Gefühlen. Er phantasiert sich eine Frau als Racheengel, die sich von ihrem schüchternen Selbst ermächtigt, die straft und anscheinend die bösen Geister in Ferrara(/den Männern/der Gesellschaft?) exorzieren soll. Eine stumme Näherin wird zweifach kurz hintereinander vergewaltigt. Daraufhin wird sie zur Serienmörderin, die erst Machos und Zuhälter umbringt und schließlich Jagd auf alle Männer macht. Das siechende New York der 80er Jahre als verrückte, wie heilige und in seinem Vorhaben natürlich unbefriedigende wie ehrenwerte Exploitation.

Donnerstag 01.05.

Carlito’s Way
(Brian De Palma, USA 1993) [blu-ray, OmeU]

gut +

Mit THE UNTOUCHABLES vll der beste straighte Thriller, den De Palma gemacht hat. Dem auch erst gegen Ende anzusehen ist, wer da die Fäden in den Händen hält. In dem der abgekochte Menschenfreund von der Straße Carlito am zugekoksten Gangsteranwalt von da oben stylish zugrunde geht.

April
Mittwoch 30.04.

Miss Sadie Thompson
(Curtis Bernhardt, USA 1953) [DVD, OmeU]

großartig +-janein

Sadie Thompson muss auf der Durchreise auf einer Insel im Pazifik halt machen, wo es Eingeborene gibt, ein runtergekommenes Hotel, einen Militärstützpunkt, der vor ausgehungerten Hyänen nur so wimmelt und auf der ein zugeknöpfter Mann Gottes das Sagen hat, der vor Geilheit schäumt und diese unterdrückend auf alles und jeden projiziert, in seinem Kampf um Ruhe. Sich nicht langweilend wollend zieht sie mit den Soldaten durch die Bars. Mit einem Lächeln und die Selbstverständlichkeit verspühend, dass ihr nichts passieren wird, hält sie sich den Mob von der Wäsche. Der Mann Gottes rast und erkennt in ihr eine Prostituierte. Diese lebensfrohe Frau, Rita Hayworth so verbraucht aussehend wie nie, kämpft … vll schon ihr Leben lang … mit Männern, die ihr Vorschriften machen wollen, die sie vereinnahmen, die in ihr ein Engel sehen, den sie verteufeln, sobald sie nicht mehr ihren konservativen Vorstellungen von Mann und Frau entspricht, oder die sie verteufeln, weil sie die Lenden glühen lässt, die sie so gern absterben sehen würden. Kurz die Liebe wie der Hass regnen brennend auf sie nieder und MISS SADIE THOMPSON kämpft um sie. Mit jedem Bild von Inselharmonie, von Hitze und Exotik, welche von den Handlungen der Menschen und von ihren Vorstellungen zu einer Zelle des Unbehagens gemacht werden. Sadie wird brechen, wird leiden und vll erkennen, dass ihr Lebenstil falsch war. Unter dem Druck des Gottesmannes wird sie einsehen, dass sie nicht weiter vor den Konsequenzen ihrer Existenz fliehen kann. Dass sie zurück nach San Francisco muss, wo ein Mordprozeß auf sie wartet … wegen eifersüchtigen Messerstechereien oder ähnlichem. Sie erkennt an, dass sie die Schuld hat an allem, was ihr schlimmes passiert und nicht die Männer. Das sie nur Frieden findet, wenn sie verzichtet … auf ihre Lust und ihr Leben. Das ist tragisch und vielleicht der Fehler des Films. Wie er sie brechen lässt, wie er ihr scheinbar Seelenfrieden in der Selbstnegation schenkt. Doch so wie der Verkünder des Heils als Teufel dargestellt wird, wer will da die doppelten Böden und Löcher leugnen. MISS SADIE THOMPSON gleich so einer zwischenmenschlichen Sauna. Es sieht entspannend aus, aber es kocht und wird explodieren … bestenfalls in Ambivalenz.

Sekkusu hantâ – sei kariudo / Sex Hunter
(Ikeda Toshiharu, J 1980) [DVD, OmeU]

radioaktiv

Ein Ballerina wird entführt und brutal geschändet. In barocken Dekors und melancholischen Bildern von Sehnsucht, Gewalt und dreckigem Spaß. Volle Punktzahl auf der nach oben offenen „Wie sehr ich mich schäme, wenn ich diesen Film mit normalen Menschen schauen würde“-Skala. Und dazu das fragwürdigste Produktplacement, was mir je unter die Augen gekommen ist. Nie wieder werde ich kleine 0,33-Flaschen von Coca Cola sehen können, ohne verschmitzt zu grinsen und über meine Schulter zu gucken, ob jemand errät, was in meinem Kopf vorgeht. Ich hoffe inständig, dass die Brausefirmaniederlassung in Japan hierfür bezahlt hat. Natürlich undenkbar. Deshalb zum Ausgleich: Pepsi.

Captain America: The Winter Soldier / The Return of the First Avenger
(Anthony & Joe Russo, USA 2014) [3D]

gut

Nachkonvertiertes 3D ohne Sinn und Verstand. Dafür ein wilder Tanz mit sich selbst, der mitunter zu souverän versucht zu überspielen, dass er nicht weiß, was er hier eigentlich macht. Gehorchen oder nicht gehorchen, dass ist hier die Frage. Nichtgehorchen natürlich …. auch nee, doch nicht. Oder vielleicht …

Dienstag 29.04.

Noah
(Darren Aronofsky, USA 2014) [3D]

verstrahlt

Aronofsky ringt mit der Seele der Menschen und ihrer Berechtigung zu leben. Wer würde denn auch nicht wie Dr. Peters am Flughafen in TWELVE MONKEYS nochmal eine kleine Prise Menschheitsvernichtungsvirus nehmen? Aranofsky hat Hoffnung und macht Noah zu einem verbissenen Rächer. Weg mit den weltzerstörenden Menschen. Und Hass und Fanatismus machen aus Noah fast das, was er vernichten möchte. Doch das ganze ist ein Gleichnis, das am Höhepunkt aus einem grollenden Plan Gottes ein simples, liebevolles Gleichnis macht, das in seiner Einfachheit schon wieder spannend ist. So hat NOAH irgendwo etwas von Camus‘ DER MENSCH IN DER REVOLTE. Aber eben durch wie versöhnlich mit seiner dumpfen Lehre. Mit Matsch, Dreck, viel Menschenhass und einer kleinen Prise biblischen Rassismus.

Montag 28.04.

Her
(Spike Jonze, USA 2013) [DCP, OmU]

ätzend

Das Grauen eines bewegten IKEA-Katalogs. Keine Unordnung. Makellose Designs. Keine alten Menschen. Keine armen Menschen. Keine dicken Menschen. Keine hässlichen Menschen. Sicherlich sehen wir nur einen begrenzten Ausschnitt der Welt, in der HER spielt, aber die Phantasie, wie eine solche Welt entstehen kann, jagt mir Angst ein. Alles was nicht passt, negiert. Unter der Erde, wie in H.G. Wells ZEITMASCHINE, ermordet wie in FLUCHT INS 23. JAHRHUNDERT oder einfach nur in luftdichten Slums, den niemand mehr entsteigt um das saubere, schöne Bild zu verunstalten. Keine Hass. Keine Ausbrüche. Keine Brutalität. Die Menschen auf dem Weg zu einer bürgerlichen Vervollkommnung, die den Briefen von Joaquin Phoenix/Theodore Twombly gleicht. Das Schlimme an diesen ist ja nicht, dass die Auftraggeber sich selbst nicht mehr anstrengen und andere sagen lassen, was sie fühlen, was sie gerne fühlen würden bzw. was sie gerne hätte, dass jemand glaubt, dass sie es fühlen, sondern, dass diese Briefe immer schön sind, immer so treffend. Hier und da etwas Melancholie, etwas schweinisches, etwas dümmliches, aber immer in Grenzen, immer so, dass der Brief sich schön und wahr und voller Gefühl anfühlt … immer für eine Gänsehaut gut … ohne Makel, ohne Überflüssiges, ohne Egoistisches, ohne Fettnäpfchen … einem IKEA-Katalog der Gefühle entsprechend. Und so ist auch HER. Die Farbe der Hemden von Theodore Twombly ein Verrat an der Farbe und den Gefühlen, weil sie immer designt sind, immer auf Grund einer Entscheidung zum wasserdichten psychologisieren ausgewählt. Die Dialoge schön und treffend und etwas aussagend … über Menschen, deren Gefühle die Untiefen eines Suppentellers haben. Die Handlung vielsagend, andeutend, offen für Interpretationen und immer schön alle Möglichkeiten ansprechend … außer dem, was nicht passt, was dreckig wäre, was peinlich wäre, was über Melancholie und süßer Schönheit hinausgehen würde. Die Montage und der Erzählfluss sauber abarbeitend, ohne Strenge oder Umwege für ein nicht aneckendes Wohlgefallen. Die Bilder glatt und glänzend wie eine Katalogseite, an der alles abperlt … ich fühlte mich abrutschend, fallend … angeekelt. Ein garstige Dystopie einer Welt, in der sich die Menschheit fast von allem gelöst hat, was uns Werbung, Magazine und solche Filme erzählen, dass es unschön sei … und jede Faser in meinem Körper schreit, dass HER auf der Seite dieser gruseligen Reinlichkeit steht.

Sonntag 27.04.

7 uomini d’oro / 7 goldene Männer
(Marco Vicario, I/F/ES 1965) [35mm]

gut

Heist. Ohne Drumherum. Bunt, frisch, fröhlich, frivol, frei.

Mondo infame
(Roberto Bianchi Montero, I 1963) [35mm]

verstrahlt

Sagenhafte Struktur. Apropo sagenhaft, viel von der Welt wird einem erzählt. Und wenn wir schon bei Welt sind, Sex und Gewalt gibt es auf dieser. Und Sex hat ja auch was mit Castings zu tun. Und im Casting sieht ein jeder ein Potpourri an Menschen, wie es hier ein Potpourri an Erzählenswertem gibt. Assoziativ verbunden.

Banditi a Milano / Die Banditen von Mailand
(Carlo Lizzani, I 1968) [35mm] 2

großartig +

Von der Reportage zum Poliziottesco. Die Polizei versucht erst in Form von Tomás Milián den Eindruck von Ohnmacht abzuwenden. Als gefasster, rationaler Draufgänger mit Pfeife erzählt er von der Verbecherjagd. Er schaut in die Kamera und versichert, dass er alles in der Hand hat. Nur kleine Hindernisse liegen im Weg. Dann, der Übergang kaum fühlbar, zeigt Lizzani aber die Verbrechern in Form einer wilden Kriminalkolportage. Nicht als fehlgeleitet, keine Opfer der Gesellschaft. Sie fragen eher nach dem Sinn eines geordneten Lebens, wenn es doch so trist ist. Und alles prallt Aufeinander in Verfolgungsjagden, während denen die unschuldigen Opfer wie die Fliegen sterben, in Überfällen, die vor Ekstase strotzen, und Dialogen, die von ihrer Seite der Münze erzählen, nebenbei. Realität und Fiktion, Ordnung und Kontrollverlust.

L’ultimo cacciatore / Jäger der Apokalypse
(Antonio Margheriti, I 1980) [35mm]

(verstrahlt +)

Ich hatte gedacht, dass ich immer nur kurz die Augen ausgeruht habe. Noch im Kinosaal erzählte mir Jenny J. aber unfassbare Dinge, die passiert waren. Diese sagten mir nichts. Ich sah nur den wilden traumatischen Start aus rotem Licht in einer verkommenen Welt, den Start in den Dschungel, den THE DEER HUNTER-Mittelteil im Gefangenencamp und den Ersatz für den Walkürenritt mit Hubschraubern zur Rettung. Sie erzählte von Höhlen, in denen unsagbare Dinge passierten. Bösen Radiosendern, welche die Moral unterminierten. Ein Hippieboot voll Deserteuren, das vom Protagonisten wohl sofort von menschlichem Leben bereinigt wurde, sobald er an Bord ging. „Dolchstoßlegende – Der Film“ im Delirium.

Sonnabend 26.04.

Il sicario / Das bittere Leben
(Damiano Damiani, I 1961) [35mm]

gut

Sergio Fantoni muss kurzfristig Schulden zurückzahlen, wodurch er pleite wäre. Also sucht er jemanden der seinen Gläubiger für ihn eine Treppe runterstupst. Er macht sich auf und liefert wie nebenbei einen Querschnitt durch das Elend der italienischen Gesellschaft. Es ist mitunter so etwas buchhalterisch, wie in IL SCARIO vorangeschritten wird … das soziale Empfinden immer vor Augen. Aber er hat auch seine magischen Momente, wenn zum Beispiel Fantonis Frau die Jalousien ihres Zugabteils schließt und damit die Augen vor dem Klops, der in ihrem Hals stecken muss.

La bella Antonia, prima Monica e poi Dimonia / Wehe, wenn die Lust uns packt
(Mariano Laurenti, I 1972) [35mm]

verstrahlt

Piero Focaccia hat bei der imdb zwei Schauspielcredits. Die Unwahrscheinlichkeit der Welt. Sein gutherzig-schmieriges Grinsen hätte Unmengen an Commedia (sexy) all’italiana tragen können. Das Schelmische von WEHE, WENN DIE LUST UNS PACKT steckt quasi nur in diesem Lächeln, dass wie die Sonne das Treiben erhellt. Zu keiner Zeit wird hier ernst gemacht, weshalb der Zuschauer genüßlich wie ruhig durch frivole Kalauer gleitet. Gegen Ende fiel er vll etwas sehr gepanscht aus, aber wer kann diesem Hauch von Nichts böse sein.

Maciste contro lo sceicco / Maciste im Kampf mit dem Piratenkönig
(Domenico Paolella, I 1962) [35mm]

großartig

Ed Fury spielt Maciste und ist vll die Vervollkommnung einer Tendenz seines Charakters. Denn in seinen Muskeln steckt nur Reinheit. Höchstens zu Metasex ist er fähig, wenn er beispielsweise ausgepeitscht wird oder einen riesigen Obelisken aufrichtet. Ansonsten ein fröhlicher Verzichter, der sich freudig lachend in jedes Abenteuer stürzt, wenn er nur nicht Dinge mit Frauen machen muss.

Zombi 2 / Woodoo
(Lucio Fulci, I 1979) [35mm]

(großartig )

Die tropischen Temperaturen im Filmhaus unterstützten die Sichtung von WOODOO, aber das war nur eine Seite der Münze. Atmosphärisch wollte es mehr als passen, aber die Luft knockte mich auch ordentlich aus.

La verità secondo Satana / Das Lusthaus teuflischer Begierden
(Renato Polselli, I 1972) [35mm]

radioaktiv

Weniger Dolcemente. Viel weniger. Aber Polselli liebte die Männer mit aufgerissenen Augen, die überspannt voll Wahnsinn grinsen. Am Rande des Verlusts des Verstandes, da fühlt es sich wohl … und da begibt sich DAS LUSTHAUS TEUFLISCHER BEGIERDEN nur allzu gerne hin. Ein Mann bringt sich um und stellt es dar, als ob seine Freundin es war. Der benachbarte Teufel kommt vorbei und verspinnt sie in ein überspanntes, symbolisches Treiben. Irgendwo unter Manie und Übergeschnapptheit stecken wichtige Botschaften. So viel scheint klar. Wenn zum Beispiel die als Teufel eingeführte Personen das schlechte Gewissen dieser Dame abduscht … in einer Szene, die einen vieldeutigen Salto Mortale im Umgang mit Schuld macht … die perverse Freude des Teufels, der Genuß der Frau, das reinigende Wasser, der vergewaltigende Aspekt der Situation … dann passiert aber weniger für einen Kopf, sondern für das Gedärm. Viel tiefer will Polselli … falls er nicht einfach nur total durchgedreht ist …

Freitag 25.04.

La lama nel corpo / Die Mörderklinik
(Lionello De Felice, Elio Scardamaglia, I/F 1966) [35mm]

verstrahlt +

Ein Mörder zieht durch eine Anstalt mitten im Wald. Die Anstalt wird in einer Villa beherbergt, die eklektisch mit Hochkulturnippes vollgestellt wurde. Aus der Zeit gefallen und vergessen ist ihre Eleganz. Und darin leben vielen bunt zusammengewürfelte Leute. Ärzte, Männer Frauen, Irre, Schwestern, Knechte, Verunstaltete, Ehefrauen und Erpresserinnen. Sie treffen mal dumme, mal zwangsläufige Entscheidungen, mal egoistische, mal selbstlose voller Treue. Doch das ist kaum von Belang, weil die Handlung meist nur pflichtbewusst dahin schlendert. Es ist eine entspannte Kur in DER MÖRDERKLINIK … wenn da nicht die Szenen wären, wenn der kurz vor Fertigstellung gefeuerte Regisseur Lionello De Felice sich seiner Romantik hingibt. Dann sind plötzlich Wälder von dichten Laubwehen begraben und Rückblenden eines vergangenen Glücks bersten vor Kitsch und Gefühl. Gerade hier erwacht DIE MÖRDERKLINIK aus ihrem somnabulen Halbschlaf und kommt völlig zu sich … als Gefühlsausbruch entrückter Bilder.

¡Mátalo! / Willkommen in der Hölle
(Cesare Canevari, ES/I 1970) [35mm]

fantastisch

Ein Film der Geister und Phantome. Traumverloren wandeln diese als skrupellose Frauen und Männer getarnt, sich selbst für Menschen haltend, über den trockenen Boden einer Geisterstadt. Ruhig wird von ihnen erzählt … in Bildern die kreisen, die schief stehen, die keine Möglichkeit auslassen um davon zu künden, dass dies nicht die Realität ist, die keine Geschichte erzählen wollen, sondern von den Leuten, die reich sein wollen, die von niemanden etwas hinnehmen wollen, die sich reinigen wollen, die von ihren Phantomen gejagt werden. … und dann ist da dieses Wasser, in welchem Lou Castel jeweils in anderer Rolle badet, das von dessen Haut perlt wie funkelnde Kristalle und das wie nichts anderes von der assoziativen Qualität von ¡MÁTALO! erzählt … von Reinigung, Glück, Entspannung, Perversion und vll auch einem Körperwechsel …

L’etrusco uccide ancora / Das Geheimnis des gelben Grabes
(Armando Crispino, I/BRD/Y 1972) [35mm] 2

(großartig +)

Schönheit, Leidenschaft und Wiederkunft. Gewalt, Liebe und Heimsuchungen. Nur verblasst die Schnittkunst der VHS sowie deren Gelb etwas.

Montag 21.04.

Let’s Scare Jessica to Death / Grauen um Jessica
(John D. Hancock, USA 1971) [DVD, OmeU]

gut

Sonntag 20.04.

Robin Hood
(Wolfgang Reitherman, USA 1973) [DVD] 28

gut

Ich finde es immer ein bißchen Schade, wenn nach dem Bogenschießturnier das bunte Treiben endet und es traurig, grau und träge wird. Wie aus dem Nichts hängt plötzlich eine Eisenkungel am Bein von ROBIN HODD.

Sonnabend 19.04.

The Spy Who Came in from the Cold / Der Spion, der aus der Kälte kam
(Martin Ritt, UK 1965) [DVD, OmU] 2

großartig +

Alec Leamas bringt einem näher, dass auf der Berliner Mauer hängend vll der beste Ort zum sterben war, wenn wir nicht gerade zum ignoranten Pöbel gehören. Und Richard Burton, Überdruß aus jeder Pore schwitzt, brennt als Alec Leamas. Keinen Zweifel lässt er, dass er gerne zu diesem Pöbel gehören würde. Dass er all sein Wissen über Spionage und Spionageabwehr im Kalten Krieg gerne hinter sich lassen würde. In melancholischem Schwarz-Weiß trottet THE SPY dahin und weiß wo es landen wird … ohne Eile dorthin zu kommen, ohne Illusionen, dass es dort enden muss. Radikal wendet Martin Ritt das ostdeutsche Gegenstück DER GETEILTE HIMMEL zu einem ätzenden Säurefass.

Winnetou und das Halbblut Apanatschi
(Harald Philipp, BRD/I/Y 1966) [blu-ray] 18

großartig

Mein alter Lieblingswinnetoufilm, den erneute Wiedersichtungen auf den Boden zurückbrachten. Jetzt ein paar Kindern näher gebracht und ihn wieder deutlich mehr geliebt. Vor allem die Kraft des „Schlussbildes“, wenn Judge mit Gold behangen vor dem Zug wegrennt. Uff. Das ist sagenhaft. Das lässt vergessen, dass es hier und da etwas hakt. Vll einfach ein Film der Einzelteile. Die Nutten, die beständig Kerle umschlagen. Die Nachsynchronisation der Dialoge, die erst die brechtsche Note zur Entfaltung bringt. Die sich beständig über den Haufen knallenden Schurken. Die Tunnel und der wie der Joker grinsende Götz George, der als Springinsfeld durch den Film strahlt. All das ersetzt für die Fahrigkeit und die Beiläufigkeit des Mythos‘ Winnetou.

Freitag 18.04.

Desire / Sehnsucht
(Frank Borzage, USA 1936) [DVD, OmU]

gut

Gary Cooper gibt Bourvil, aber Louis de Funès fehlt.

Donnerstag 17.04.

Boeing (707) Boeing (707) / Boeing-Boeing
(John Rich, USA 1965) [DVD, OF]

gut

Interessanterweise finde ich BOEING-BOEING erträglicher als BRINGING UP BABY, weil er nicht so gut (gemacht) ist. Ab und zu haben hier zwar auch meine Fingernägel lange Furchen der Verzweiflung in meine Wangen gerissen, aber die Mordgelüste haben sich in Grenzen gehalten. Statt einer Achterbahntour aus Durcheinanderreden, Nichtzuhören und Nervenzussamenbruch ist BOEING-BOEING nur eine lange Sitcomfolge, die mir irgendwo nicht so ans Herz ging … und mich meinem ersten Schlag nicht sehr viel näher brachte.

The Bourne Supremacy / Die Bourne Verschwörung
(Paul Greengrass, USA/D 2004) [DVD, OmU]

ok +

Marie stirbt als erstes. Dadurch hält Bourne nichts mehr zurück und Greengrass tritt ordentlich auf Gaspedal. Die letzten Splitter der bourneschen Identitätssuche jagten nur so vorbei.

Mittwoch 16.04.

The Bourne Identity / Die Bourne Identität
(Doug Liman, USA/D/CZ 2002) [DVD, OmU]

gut

Franka Potentes Figur Marie sucht ihre Identität. Jedenfalls legt es ihr Lebenswandel nahe, der sie durch die Welt reisen und nirgends Halt finden lässt. Sie spiegelt so die Identitätssuche von Jason Bourne, sowie die Suche des Drehbuchautors nach einem Mittler für den Zuschauer und einem sinnvollen Love Interest. In einer Bank findet Bourne in seinem Schließfach sehr viel Geld in diversen Währungen, Pässe und eine Pistole. Weil ihm die Pistole sinnlos erscheint und er nichts mit ihr zutun haben möchte, lässt er sie zurück. Ein sonst wunderbarer Film lässt aber Marie zu keinem Zeitpunkt verschwinden, obwohl Bourne sie nur kurz als Krücke braucht, sie selbst mit sich nichts anzufangen weiß und vor allem das Drehbuch. Aber vll ist das auch das sympathischste, was alle tun konnten: sich das Unnütze nicht aus dem Bauch zu schneiden, egal wie gescheitert dessen Existenz ist.

Dienstag 15.04.

To Live and Die in L.A. / Leben und sterben in L.A.
(William Friedkin, USA 1985) [DVD, OmU]

großartig +

Neonlicht und schlechte Menschen.

Montag 14.04.

White of the Eye / Das Auge des Killers
(Donald Cammell, GB 1987) [blu-ray, OmeU] 2

fantastisch

Himmel hilf! Was ist das nur für ein Film. Eine Oper, ein Sumpf. Zu den elegischen Aufnahmen einer Baugrube singt Pavarotti Vesti la giubba. Der Mord an einer Frau, ein Kunstwerk von strahlender Schönheit, inspiriert Diskussionen über Picasso in seiner postkubistischen Phase. Aber Cammell zieht diese sagenhafte Schönheit in den Schmutz. Genußvoll reißt er alles herunter aus seinen höchtsen Höhen und wälzt sich mit seinem Film in Verderbtheit und bietet eben nicht die Kunst, die einen ob seiner Anmut seufzen lässt. Stattdessen sind Dinge zu sehen. Ich weiß nicht welcher Art. Herbe Dinge, die es einem nicht einfach machen (sie einzuordnen). Was ist hier nur los?

Sonntag 13.04.

Jûbê Ninpûchô / Ninja Scroll
(Kawajiri Yoshiaki, Kevin Seymour, J 1993) [VHS, EF]

(gut)

Diverse VHS fanden sich in letzter Zeit auf den Jenenser Straßen. Unter anderem NINJA SCROLL, die auf dieser englischen Kassette mit einer gewöhnungsbedürftigen englischen Synchro ausgestattet war. Giftige Frauen, vergiftete Ronin, sieben unbesiegbare Teufel, der Shogun der Finsternis, Blut, Pest, Sex und Neutralität … durch einen sein Recht fordernden Mittagsschlaf blieben mir vor allem Fragmente.

Hellboy II: The Golden Army / Hellboy 2 – Die goldene Armee
(Guillermo del Toro, USA/D 2008) [DVD, OmU]

nichtssagend

Al Bundy als Superheld wird auf ein Abenteuer geschickt, in dem es vor allem darum geht, Verantwortung zu lernen und Liebe zuzulassen … bis alles irgendwie nach dröger Doris Day riecht. Wie beim ersten Teil schon, weiß ich einfach nicht, was ich hiermit anfangen soll. Der Ray Harryhausen-Aspekt ist toll, aber das Abenteuer nicht wirklich abenteuerisch, die Dramaturgie nicht wirklich dramatisch, Kamera und Inszenierung ganz nett. Mir will es einfach nichts sagen.

Indiana Jones and the Temple of Doom / Indiana Jones und der Tempel des Todes
(Steven Spielberg, USA 1984) [DVD, OmU] 13

fantastisch

Zwischen einem Groschenheftintro und einer 40minütigen, adrenalingeschwängerten Achterbahnfahrt erschafft Spielberg eine Welt, in der das Böse eingedrungen ist. Von suggestiven Details über Affenhirn auf Eis bis zu einem lasziven, in rot getauchten Irrsinn schauckelt sich THE TEMPLE OF DOOM hoch, der einen in seiner lockend/locker aufbereiteten Verdorbenheit wie der Wirbel aus blutigen Lava anzieht, in dem die Opfer Khali dargebracht werden.

Blonde Venus / Die blonde Venus
(Josef von Sternberg, USA 1932) [DVD, OmU] 2

fantastisch

Die Moral liegt verschüttet unter einer Lawine von Ambivalenzen … unter einer herzzerreißenden, wunderschönen Lawine.

Sonnabend 12.04.

Torn Curtain / Der zerrissene Vorhang
(Alfred Hitchcock, USA 1966) [DVD, OmU] 2

großartig

Die Tristesse der DDR in filmische Realität gegossen. Ein Film grau in grau.

Super Troopers / Super Troopers – Die Superbullen
(Jay Chandrasekhar, USA 2001) [DVD, OmeU] 2

gut

Dieses schmierige deutsche Paar sollte als die Essenz des Deutschseins gelten. Auch wenn dies natürlich gelogen wäre.

The Devil Is a Woman / Der Teufel ist eine Frau
(Josef von Sternberg, USA 1935) [DVD, OmU]

großartig

Marlene Dietrich spielt Concha Perez in Sternbergs Versions von LA FEMME ET LE PANTIN. Sie passt aber nicht. Vll die schönste Version des Stoffes, in der Sternberg alles in Nebel, Luftballons und Weiden taucht, in der die Welt zu einem düster-romantischen Ort geworden ist, aber das Leichte, Spielerische, der Schmollmund sind nicht der Dierich ihres.

Cría cuervos / Züchte Raben
(Carlos Saura, E 1976) [blu-ray, OmeU]

großartig

Was über einen Film schreiben, der eigentlich nur aus den Blicken eines Kindes in die Kamera besteht? Eines Blickes, der in sich die Schuld am Tod des Vaters trägt, Todessehnsucht und Leere. Einem ganz normalen Blick, aber einer, der selten zu sehen ist. Oder so.

Beerfest / Bierfest
(Jay Chandrasekhar, USA 2006) [DVD, OmeU] 6

großartig +

Jedesmal wenn ich BEERFEST empfehle, runtzeln die Leute die Stirn und schauen mich komisch an. Sie glauben, ich wolle sie verarschen, aber diese liebevolle Hommage an die Kampfsportfilme wie BEST OF THE BEST mit seinem unsinnigem Deutsch und anzüglichen Kalauern ist wunderbar.

Freitag 11.04.

Napoleon Dynamite
(Jared Hess, USA 2004) [DVD, OmU] 4

ok +

Irgendwie geht ihm mit jeder Sichtung etwas mehr das Sympathische verloren.

Donnerstag 10.04.

Marathon Man / Der Marathon Mann
(John Schlesinger, USA 1976) [DVD, OmU] 2

großartig +

Thus far I find you rather detestable, may I say that without hurting your feelings?

Mittwoch 09.04.

Saboteur / Saboteure
(Alfred Hitchcock, USA 1942) [DVD, OmU]

großartig +

Oh, no, really … Esmeralda! Everywhere you search for sex. Get your eyes out of the mud and look up at the stars. Der Krieg weht den Edelmut in Hitchcocks Film. Gute Menschen, die sich untereinander erkennen, die erbauliche Reden schwingen, füllen ihn an. Aber es gibt eben auch eine bärtige Frau, die, wenn sie einen Mann und eine Frau mit ihrer Geschichte vom liegengebliebenen Auto in der Wüste trifft, natürlich sofort an die ungeheuren Gefühle denkt, welche die beiden angetrieben haben muss. Sie steht quer in dieser frohen Kunde vom Edelmut der Menschen. Gegen Tyrannei ermuntert SABOTEUR den Zuschauer, welche in Form von elitären Halunken, welche gerne den Kriegsgewinn einer nicht genannten Nation sehen würden, damit sie nicht weiterhin durch Gerechtigkeit beschnitten würden. Die lieber unter Hitler als unter dem, auch dies wird nicht gesagt, Kommunisten Roosevelt ihr Geld scheffeln würden. Vll wollte Hitchcock universell bleiben und einen Film machen, der über den Krieg hinaus erhalten bleibt, vll war der Kriegseintritt auch zum Dreh noch nicht vollzogen (oder Hitch wollte es sich mit einem möglichen Kriegsgewinner von Übersee nicht verscherzen, aber dann hätte er dem garstigen Zwerg im Zirkustreck wohl einen anderen Bart verpasst). Jedenfalls sitzt einmal Großgrundbesitzer und faschistischer Terrorist Tobin unter herrschaftlichen Bildern in prunkvollem Tüllambiente, so dass die Verkommenheit von Aristokratie in schönstem Licht leuchtet. Einer korrumpierten Schönheit. Wenn Aristokratie, dann der Seele. Aber diese kommt hier eben nicht ohne bärtige, lüsterne Frau. Denn wie Handlung sich an die Sterne wendet, so lüstern ist die Inszenierung. Wie immer vollgestopft mit Hitchcocks Obsessionen. Die schablonenhaften Figuren, die fälschlich angeklagt und verfolgt sind, das Fallen, die Angst vorm Fallen, die aus diversen Bildebenen zusammengeschobene Realität und eben den zugeknöpften Frauen, deren Herz durch das Auftreten eines eindimensionalen, gutherzigen, zumindest in Gegenwart der Herzallerliebsten raubeinigen Mannes penetriert wird. Aber vor allem überschlägt er sich in Ideen und Spielereien. Werbetafeln mit leichtbekleideten Modells, die dem Hauptdarsteller hilfreiche Tipps geben oder ihn mit paranoiden Botschaften verunsichern. Radiosendungen auf der Tonspur, die das Bild konterkarieren. Eine Verfolgungsjagd durch einen Kinosaal, wo die Handlung des Films im Film das Geschehen kommentiert. Und und und. Kurz, Hitchcock erdet die Sterne der Propaganda für das Gute im Menschen mit Quatsch und triefendem Schlamm.

Dienstag 08.04.

Tarzan Triumphs / Tarzan und die Nazis
(Wilhelm Thiele, USA 1942) [DVD, OF]

ok +

Am besten ist TARZAN TRIUMPHS, wenn er nicht er selbst ist. Wenn er nicht wie Johnny Weissmüllers Oberkörper, glattrasiert wie ein Babypo, jede Wildheit ausgetrieben bekommen hat. Die märchenhafte Szene, wenn Tarzan ohnmächtig von den Affen des Dschungels versteckt wird, in dem sie Laub auf ihn fallen lassen, das Schneeflocken gleichend langsam auf ihn nieder tanzt. Wenn die Nazis tatsächlich einmal diabolisch werden und den Tod eines jeden in Kauf nehmen, wenn Col. Von Reichart nur eine Frau bekommt. Oder beim Abschlusswitz, wenn sich plötzlich total der Absurdität hingegeben wird.

Casablanca
(Michael Curtiz, USA 1942) [blu-ray, OmU] 5

großartig +

Als ich anfing Filme zu gucken, die älter als meine Eltern waren, da fand ich diese immer etwas schwach auf der Brust. Und CASABLANCA war aus meiner Sicht ein Paradebeispiel dafür. Ich erklärte mir das damit, dass diese Filme durch ihre langsamere Erzählweise, nicht so viel erzählen konnten, dass die Charaktere nicht so ausgearbeitet werden konnten und alles auf einem rudimentäreren Level ablief. Was war ich blind. Jedenfalls dachte ich das, als ich CASABLANCA das erste Mal seit vielen, vielen Jahren sah und dieser nicht nur kompakt von so vielem erzählt, sondern soviel zu bieten hat. Eine beeindruckene Lichtgestaltung, die zB mittels dem Schatten einer Lampe eine einfache weiße Wand zu etwas Exotischem macht, die den Ort der Handlung (Marokko eben) ohne großen Aufwand entstehen lässt. Wie die Charaktere so voll von Leben sind. Der schmierige Captain Louis Renault, der Korruption und Machtmissbrauch wie die edelsten Dinge aussehen lässt. Der Waschlappen Bogart, dessen herbe Männlichkeit gleichzeitig baden geht, aber auch verherrlicht wird. Ingrid Berman, die ein perfides Spiel aus Aufrichtigkeit, Verheimlichungen und (aufgeführten) Gefühlen zum Besten geben darf, das soviele Interpretationsspielräume offen lässt. Wie überhaupt der Film so wenig eintönig ist, nicht nur ernst, nicht nur traurig, nicht nur witzig, mit Musik und düsterer Kargheit. Es ist erstaunlich, wie sich der Blick mit dem Lernen der Filmsprache bzw des damaligen Dialektes ändern kann.

Montag 07.04.

Indiana Jones and the Last Crusade / Indiana Jones und der letzte Kreuzzug
(Steven Spielberg, USA 1989) [DVD, OmU] 10

großartig

Fast ist es ein garstiger Kommentar Spielbergs zu Forderungen nach Realismus, wenn Marcus Brody am Abhang steht und verwirrt gestikulierend überlegt, wie Indiana Jones sich vom eben abgestürtzten Panzer gerettet haben soll, auf dem dieser eben noch saß. Ansonsten scheinen Lucas und Spielberg sich aber bewußt gewesen zu sein, dass sie nicht mehr mit den naiven, leuchtenden Augen (wie bei einer Mischung aus Kind und Priester) der ersten beiden Teile dienen konnten und deshalb Slapstick und Witz etwas hochfahren.

Sonntag 06.04.

Traumstadt
(Johannes Schaaf, BRD 1973) [DVD]

verstrahlt +

Ratlos. Einfach nur ratlos.

Sonnabend 05.04.

Raiders of the Lost Ark / Jäger des verlorenen Schatzes
(Steven Spielberg, USA 1981) [DVD, OmU] 11

großartig

Zuletzt habe ich RAIDERS OF THE LOST ARK mit großem Überdruss gesehen. Vll an Film allgemein damals, aber an diesen Film im Besonderen. Alles war bekannt und tausendmal gesehen, der Spaß war dahin und ich konnte nur noch sehen, wie das Drehbuch funktioniert. Und das war kein Spaß … sich in arrogante Ablehnung hineinzusteigern. Aber RAIDERS ist toll. Vll schließlich doch mein Liebster Indiana Jones. Wie er sich völlig dem Mythos dieser Figur hingibt. Wie von Odysseus erzählt er, wie von einem Reisenden aus einer Welt, die richtiger als die reale scheint … auf eine sehr naive, kindliche Weise. Wie von Abenteuer und der eigentlichen Zusammensetzung der Welt geträumt wird, in dem festem, eskalierenden Glauben, dass da mehr sein muss. In totaler Missachtung der erdrückenden Qualität der Realität. Stattdessen Platz zum atmen. Als ob Spielberg und Lukas auf einer Wiese liegen und die Realitäten in denen sie leben bilden nur die Wolken für ihre Vorstellungskraft. So ist Indiana Jones kein Mensch, sondern eine Ikone aus einer Sage, deren Kraft nicht in seinen menschlichen Charakteristika liegt, sondern in seinem Hut, seiner Lederjacke und seiner Peitsche. Emblematisch ist, wie er immer wieder seinen Hut rettet. Nicht weil er so lässig ist, sondern weil er ihn braucht wie Samson seine Haare. Die Nazis und die Geschichte der Bundeslade werden so auch von jeder historischen Korrektheit entkernt. Die Nazis sind kaum noch Deutsche sondern Dämonen. Bleiche, charakterlose Menschen in Uniformen, die von alptraumhaften Gestalten in Schwarz angeführt werden. Jetzt habe ich jedenfalls dieses kindliche Kitzeln wieder gespürt, dass die Realität Realität sein lässt und sich den Träumen von Frauen, die alles und jeden unter den Tisch trinken, Orten, wo immer Fallen lauern, wo sich nicht nur schweißtreibend und lebensgefährdend verdient werden muss, was wir erhalten, sondern wo wir diesem auch gewachsen sind. Tagträumerei, die gerade zu Anfang und mit dem Ende unsagbare Höhen erreicht.

Mittwoch 02.04.

Those Magnificent Men in Their Flying Machines or How I Flew from London to Paris in 25 hours 11 minutes / Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten
(Ken Annakin, GB 1965) [DVD, OmU] 2

ok

Unsere fröhliche Völkerkunde.

Dienstag 01.04.

Maniac Cop
(William Lustig, USA 1988) [blu-ray, OmeU]

gut

Das Gesicht ist die Schlüsselstelle des Films. Solange es im Schatten bleibt oder vom Bild abgeschnitten wird, ist der Maniac Cop nur eine Projektionsfläche. Eine leere Uniform, die nichts ist als Uniform mit allen Möglichkeiten die darin stecken können. Der eskalierende Vigilant ist so ein Alptraum, nicht an Ort und Zeit gebunden, der den Phantasien seiner Opfer, seiner Autoren und der Zuschauer entspringt. Den Ängsten entstiegen, die mit dieser Uniform verbunden werden. Der Inhalt der Uniform wird aber benannt werden … weil alles in einer geradlinigen Geschichte enden muss. Der Maniac Cop bekommt einen Namen, eine Vergangenheit und eben ein Gesicht. Was geradezu zum schmollen einlädt. Wie wenn die Eltern dem Kind erzählen, dass das weiße Porzellan nicht auch noch UFO, Insel oder Frisbee ist, sondern nur ein Teller. Das Spielzeug, diese düsteren Uniform wird vieler Möglichkeiten beraubt, die einem den Kopf drehen lassen können und es verbleibt die Geschichte über die Rache eines ambivalenten Vigilanten in einer Gesellschaft, die nicht weiß, wie sie sich aus dem Sumpf von Gewalt und Korruption befreit … und deshalb in vielerlei Hinsicht fehlen muss. Das ist immer noch toll, aber eben weniger. Es wurden mir zumindest Dinge weggenommen. Ein Meisterwerk beschneidet sich selbst. Es gab weiterhin Großartiges wie Kämpfe in Duschen mit nackten Männern oder ein Revier voller Füße, die von Decken hängen, aber auch lange Erzählstränge, die nur mehr die Geschichte des Maniac Cops erschließen wollen und das Gesicht offenlegen … womit aber auch der Schrecken des Maniac Cops ein Gesicht erhält, sowie einfach erklärbar und weniger furchteinflößend wird. Zurück bleibt ein schön erzählter Plot, der sich nur mehr auf Handlung beschränkt.

März
Montag 31.03.

Die Sklavinnen / Swedish Nympho Slaves
(Jesús Franco, CH 1976) [blu-ray] 2

verstrahlt +

Gleich platzt ihnen die Hose! Ein kurzer Moment, der mich immer wieder schweißbadet. So wie sie es sagt, ist es ja fast schon ein Befehl. DIE SKLAVINNEN ist dann leider nicht so ganz hoseplatzend, dafür aber deep down and dirty. Ein schmieriger Film, in dem Menschen immer die schäbigsten aller Handlungsmöglichkeiten vollziehen. Über die nahe Zukunft hinausplanen kann niemand, weil die Gelüste zu stark sind. Sie übermannen einen. Die Lust nach Geld, die Lust nach Reichtum, die Lust nach Sex. Dafür wird gefoltert, das Leben anderer Menschen schulterzuckend zerstört … mit harten … den härtesten Drogen und einem heruntergekommenen Spruch auf den Lippen. Kurze Momente der einfachen, hingebungsvollen Lust gibt es auch, wenn Ebenholz (was für ein Name) beispielsweise ihr Gangstersyndikat Gangstersyndikat sein lässt, sich übers Bett rollt und nichts von den gerissenen Aussichten um Geld und Erpressung hören möchte, sondern endlich auf das sofortige Entkleiden des ränkeschmiedenden Mannes besteht, auf dass das Tier mit zwei Rücken gemacht werden kann. Aber zumeist schweben die leichten Bilder durch tonnenschwere Verderbtheit, denen in Dialogen, die aus billigen Kneipen kurz vor Ladenschluss entsprungen zu sein scheinen, die Krone aufgesetzt wird. Kurz, DIE SKLAVINNEN ist bevölkert von Figuren, die den feuchten, schimmligen Kellern unserer Seele entsprungen sind, und Fanco tanzt mit ihnen engumschlungen ruhig durch exotische Kulissen.

Sonntag 30.03.

Lobster (Folge 5) Blut
(Hans W. Geissendörfer, BRD 1976) [DVD]

großartig

Eine junge Dame liegt durch Schlafmittel selbstgerichtet in einem Boot am See. Ein wahrlich romantisches Bild. Doch sie lebt und ihre Mutter verschleppt sie von einem weißen Raum in den nächsten. Die Keuschheit soll scheinbar zurückkehren. Doch um die Mutter herum, eine Modeschöpferin, ist ein Sündenpfuhl. Orgien, Rausch und Frauen, die über das Unwissen des Gegenübers lachen, wenn sie Mannequins genannt werden … irgendwie scheint Huren besser zu passen, sagt dieses Lachen. Die Schatten einer Nacht werfen ihre Schatten über diese Folge und unser Detektiv muss herausfinden, wer sie wirft. Und was aber der leicht angetrunkenen, hier noch einen Tick keimiger aussehenden Lobster, am Ende als Zündschnur aufdecken wird, ist dann doch etwas profaner.

Lobster (Folge 6) Das Kind
(Hans W. Geissendörfer, BRD 1976) [DVD]

gut

Lobster passt hier nicht wirklich auf. Er macht Fehler ohne Ende. Schludrig, als ob er sich langweilt. So liefert er einen Mann blauäugig an einen Auftragskiller aus. Dessen Sohn schwört er Rache, aber dieser hält den Lobster für den Mörder.

Blind Husbands / Die Rache der Berge
(Erich von Stroheim, USA 1919) [DVD]

fantastisch

Warum hieß Stroheim eigentlich the man you love to hate. Müsste es nicht eher sein the man you hate to love … oder gar the man you love to love? Ein Held, der lügt und betrügt, aber doch offenheraus erkennen lässt, was er will. Nämlich die Damen der unaufmerksamen Herren. Jedes Grinsen, jedes über die Lippen Lecken macht es klar. Eine Art Alptraum, anhand derer sich der bodenständige Bürger wieder gut fühlen darf, weil er eben nicht solch ein aritokratischer, von der Zivilisation verbogener Strolch ist. Eric (von) Steuben (Stroheim verzerrt gespiegelt als er selbst) wandelt dabei durch die Nacht, bereit sich auf die schlafenden Damen zu werfen … oder die nicht abgeneigten … als wollte er NOSFERATU vorwegnehmen. Wundern würde es mich nicht, hätte sich Murnau von der Selbstdarstellung von Stroheims inspirieren lassen. Und wenn auf dem Berg – denn BLIND HUSBANDS endet wie ein Arnold Fanck Bergdrama – seine Rückgratlosigkeit gierig genossen wird, dann ist es Stroheim, der sich genüsslich den Hyänen zum Fraß vorwirft, der seine Überlegenheit noch darin feiert, dass er den Zuschauern ihren kleinlichen Hass lässt und diesen auf seine Figur projiziert. … während er ihre Blindheit genießt.

Sonnabend 29.03.

Lobster (Folge 4) Handschellen
(Hans W. Geissendörfer, BRD 1976) [DVD]

großartig

Lobster findet nicht, dass es gute und böse Menschen gibt. Gut und Böse sind in allen Menschen. Kurz nach dieser Aussage sitzt ein Ausbrecher in seiner Wohnung und will Rache dafür, dass Lobster ihn ins Gefängnis brachte. Er will ihn schikanieren, macht ihn zu seinem Laufburschen und lässt ihn sogar eine Bank ausrauben, währen der in der Wohnung wartet und sich von Lobsters Tochter Ellen Romane vorlesen lässt. Irgendwie will Fred Wortmann nicht das Gute in sich offenbaren. Er erschießt Menschen rücksichtslos, quält seine beiden Gefangenen … Misshandlung und Vergewaltigung liegen in der Luft. Und doch rächt sich dieser tobende Hund nur an seinen Peinigern … blind vor Wut. Da kommt selbst der Lobster etwas aus seinem nonchalanten Schlendern heraus. Fasst können wir zusehen wie er bei lebendigem Leib gekocht wird … zu unserem Wohlgeschmack.

Lobster (Folge 2) Zwei Fliegen
(Hans W. Geissendörfer, BRD 1976) [DVD]

großartig +

Ein Haus, eingerichtet wie von René Magritte. Schwarze Wände, weiße Statuen, Pfauen und die Atmosphäre lässt hinter jeder Ecke die Häscher vermuten, während in den Bildern etwas Bedrohliches steckt. Im Gegensatz zu den miefigen Einrichtungen aller anderen Häuser, die etwas sehr Deutsches haben. Auf verspielte Weise. Die Frau des besagten Hauses engagiert Lobster zum Personenschutz, ihr Mann macht ihm deutlich, dass es weiter nichts zu tun gibt, weil es hier nichts herauszufinden gibt. Was natürlich nichts anderes heißt, als das er bis zum Hals im Dreck steckt und Lobster wird kaum den Überblick behalten können. Schwarzarbeiter, griechische Mafia, Eifersucht und Ehedrama, so eklektisch der Stil so eklektisch der Inhalt – deftiger Film Noir, Lindenstraßenmelodram, verlebte Menschen, die im alter nicht mehr so leiden, Wracks, die Heulen, sobald sie sich unbeobachtet fühlen, Dreck der Straße, die Seide der High Society, steifer Wille zur Kunst, menschliches passieren lassen. Und dann fragt eine Frauen, die ihren Ehemann liebt, aber auf Grund seiner sexuellen Apathie betrogen hat, ganz ungläubig, ob ihr Ehemann wegen dieser Schwänze eifersüchtig wäre. Mein Herz, es blutet wie das Endbild.

Lobster (Folge 3) Stirb
(Hans W. Geissendörfer, BRD 1976) [DVD]

großartig

Langsam, sehr langsam baut sich STIRB auf. Erst mmit dem Schluss – Er starb als aufrechter Kapitalist. – wird klar, was da eben alles abgelaufen ist … was einem da die Kehle zugeschnürt hat.

Bitte recht freundlich, es wird geschossen (Teil 1)
(Rolf von Sydow, BRD 1969) [DVD]

nichtssagend

Anderthalb Stunden Menschen, die zusammensitzen und sprechend dem Plot hinterher denken … und vll ab und zu etwas Action.

Lung fu fong wan / City on Fire
(Ringo Lam, HK 1987) [blu-ray, OmeU]

fantastisch

RESERVOIR DOGS. Das ist das Erste, was ich über CITY ON FIRE gehört habe und es wird auch unablässlich erwähnt. Sicherlich bilden die letzten 20 Minuten die Blaupause für diesen, aber dass ist auch immer so, wie Shakespeare verächtlich vorzuwerfen, wo er seine Geschichten alles geklaut hat … als ob es bei diesem nicht um die Wörter geht … um das Fleisch am Gerüst … als ob es bei Shakespeare-Dramen jemals um den Plot gegangen wäre. CITY ON FIRE hat jedenfalls sehr wenig mit dem einzigen Tarantino gemein, der mir so absolut gar nichts sagen wollte. In CITY ON FIRE geht es um viel mehr. Ein melodramatischer Rausch aus Schicksalen, Eindrücken und gehetzter Atmosphäre. Es ist keine Zeit zum überleben, während für so viele Menschen hier die Uhr tickt. Der Kommissar, der entmachtet und einen jungen Sadisten vorgesetzt bekommt. Der Undercoverbulle, der nur aussteigen möchte, Ruhe von den nächtlichen Qualen, wegen des ständigen Verrates … und weil er endlich seine Freundin heiraten möchte. Seine Freundin, die sich durch seine jobbedingte Unzuverlässigkeit einem reichem Verehrer an den Hals wirft, nur um ihren Freund zu provozieren und damit auch immer mehr Richtung Schmerz taumelt. Der Bandit, der nicht Lesen und schreiben kann, also nichts besser tun kann, als Verbrecher zu sein … in dritter Generation. Die tollwütigen Hunde um ihn, die, sobald sie Pistolen in der Hand haben, in den Maniacmodus umschalten. Wie ein Karussell dreht sich CITY ON FIRE um diese und zeigt wie schlimm das Leben sein kann, wenn es in seinen Widersprüchen einem brutal im Schritt packt, bis einem die Tränen kommen.

Chitty Chitty Bang Bang / Tschitti Tschitti Bäng Bäng
(Ken Hughes, GB 1968) [blu-ray, OmU] 2

großartig +

Noch besser als in Karlsruhe. Hin und weg. Und die Farben.

Freitag 28.03.

Pompei (II) / Pompeji – Der Untergang (Teil 2)
(Giulio Base, I 2007) [DVD]

nichtssagend

Die Deutsche synchro ist doch die erträglichere, der Schmier wird hier etwas schmieriger betrieben, aber wenn dann beim Ausbruch ganz langsam und gemächlich jedes Schicksal pädagogisch wertvoll beendet wird, da wird mir ganz anders.

Lobster (Folge 1) Der Einarmige
(Hans W. Geissendörfer, BRD 1976) [DVD]

großartig

Lobster ist Privatdetektiv. Im München der 70er. Während seiner kurzen Lebenszeit startet die Hörzu eine Umfrage unter Deutschlands Privatdetektiven, die einwandfrei beweist, dass in Geissendörfers Serie alles unrealistisch ist. So arbeitet kein Schnüffler. Münchens persönlicher Magnum, lange vor Magnum, wird dann aber schnell wieder abgesetzt. Vll liegt es daran, dass er Millionen Lichtjahre von Hawaiihemd und High Society entfernt ist. Er ist auch ein fauler Nichtsnutz, der sich durch Tag und Leben treiben lässt, aber er sieht nicht aus wie Tom Selleck. Heinz Baumann ist schon älter, seine Haare sind immer speckig und er hat keinen Millionengönner, der ihm sein Leben stützt, sondern ist immer kurz vorm Ruin. Deshalb das Bett verlassen oder sich sorgen machen, sind die Dinge des Lobsters nicht. Sein alter Freund Kommissar Korn muss ihn förmlich aus dem Bett prügeln, als er ihn beauftragt den Einarmigen Borsig zu beschatten, der just aus dem Gefängnis entlassen wird, wo er auf Grund eines Millionenraubes war. Die Beute bis zu diesem Tage verschwunden. Lobster aber hat es nicht eilig, bleibt im Bett und lässt die Beschattungsarbeit die Polizei machen, bis er sich in eine schäbige Kneipe zu Bier und Korn zu ihm gesellt. Prügel und Schießereien werden folgen, viele Hacken, die ins Nichts führen, eine Handlung, die um die Menschen und ihre Schicksale mäandert … in Hinterhöfen und staubigen Vierteln des alten unrenovierten Münchens. Und dann macht es Zack. Im Moment der Erkenntnis, des Schocks, wenn ich als Zuschauer noch gar nicht verarbeitet habe, was da jetzt alles in dem Satz steckte, da berstet die Musik hoch und es ist Ende. Geissendörfer wird es bei der Lindenstraße immer so machen, aber nicht so niederschmettern als Rundumschlag.

Donnerstag 27.03.

Das Frauenhaus / Blue Rita
(Jesús Franco, CH/F 1977) [blu-ray]

großartig

Es ist 1977 und der Punk zieht über die westliche Welt. Während selbst Queen den nebenan aufnehmenden Sex Pistols Tribut zollen und mit SHEER HEART ATTACK zumindest ein Lied etwas brachial auf ihr NEWS OF THE WORLD-Album rotzen, macht Jess Franco einen Film, der auch von 1967 hätte sein können. Psychedelische Nachtclubs mit hippen Kostümen, bunte Farben, transparente futuristische Aufblasmöbel, Labore und technische Gerätschaften, die nach frühstem Raumschiff Enterprise aussehen, ganze Szenen die durch ein Aquarium gefilmt werden … von loungigem Cool Jazz unterlegt. Ein Film, der zum vergnügten Fußwippen und entspanntem Genießen einlädt. Männer bzw Spione werden in Kerker geworfen und von nackten Frauen mit Anheizen, aber dem Verwehren von Körperkontakt gequält. Wirklich fieses Zeug. Einzig das Franco für Erwin C. Dietrich einen Film mit Plot hinzaubern muss … das ist bisher in meiner Erfahrung immer etwas trüb … wie ein Korsett aus Handlung(-smotivierung). Aber es ist eben ein Film, in dem Männer mit keinem Sex gefoltert werden und ganze Szenen durch ein Aquarium gedreht wurden!!! Mit Fischen drin!!! Super.

Montag 24.03.

Mud / Mud – Kein Ausweg
(Jeff Nichols, USA 2012) [DVD, OmeU]

gut +

T.C. Boyle kann seitenlang über Matsch und Morast schreiben, dass es mir immer im Herz wehtut, wenn die Geschichte weitergeht. Gerade zu Beginn ist MUD auch eine solche Hymne über Schlamm, Sümpfe und den Mississippi … den Mythos, den Mississippi von Huckleberry Finn, Faulkner und ausgebrochenen Sträflingen, von Alligatoren, undurchdringlicher Weiten von Nässe und Gestrüpp … in denen alles Leben zu erwarten ist, was sich vor den Menschen und der Gesellschaft versteckt … Verbrecher, Teufel und Erlösung. Ellis und Neckbone reisen in diese Weiten um ein Motorboot in einem Baumwipfel gleich Tom Sawyer oder den vieren aus STAND BY ME in Beschlag zu nehmen. Dort wartet aber Mud (Matthew McConaughey) und mit ihm verschwindet eben dieser langsam. Es entspinnt sich ein Coming of Age-Film über erste Schritte in der Liebe, die Trennung der Eltern und den Träumen von ewiger Liebe, wie sie in den Filmen beschworen wird … und das Erwachen aus diesen … vll. Dabei funktioniert das Drehbuch aber sehr unschlammig und stellt alles klar auf und verzahn es, damit nichts übersteht.

Sonntag 23.03.

Im schwarzen Rößl
(Franz Antel, A 1961) [TV]

verstrahlt +

Miefige Späße, surreale Dekors und Menschen von unbedarfter guter Laune, die sich vor den Schrecken der Welt nur kurz wundern würden, nur um diesen mit einem harmlosen Spaß aus ihrer netten Welt zu schaffen. Ein kindlicher Spaß, der gerade durch die Abwesenheit von Leichen im Keller, diese nur deutlicher spürbar macht. Es ist jedenfalls eine Münze mit zwei Seiten, ein Film, der ganz locker zu sehen ist, der sogar Spaß macht, der aber gerade darin seine Wirkung entwickelt, die es einem verkrampfen lassen kann. Also setzen wir uns hin und genießen diesen kunterbunten Fall Out unter dem Atompilz, der mich nun glauben lässt, dass ich wohl inzwischen gewappnet bin meinen ersten Film mit Peter Alexander zu sehen … von Peter Krauss ist der Schritt ja auch nicht mehr weit.

Independence Day
(Roland Emmerich , USA 1996) [TV] 2

(nichtssagend)

Im nachmittäglichen Matinee-Cut auf einem nicht näher genannten Sender gesehen. Viel fehlte, aber dafür war er schneller vorbei. Wobei, der ist ja darauf angelegt einfach so zum runterschlucken zu sein und wäre vollständig natürlich deutlich besser gewesen. Mir ist nach Jahren, in denen ich nur ab und zu MARS ATTACKS sah, jetzt aufgefallen, wie nah sie sich im Grunde sind und wie Burtons Version des gleichen Gerüsts gar keine Parodie von Emmerichs Film ist, sondern eine Art Neuschnitt, der sein Glück nicht in Kampf, Onelinern sowie Ruhm und Ehre sucht. Jeff Goldblum hatte ich zudem ganz verdrängt und seinen launigen Kampf für eine gesunde Umwelt. Ein Charakter, der durch seine Holzhammer-Charakterisierung erst wirklich gewinnt.

Las orgías inconfesables de Emmanuelle / Emmanuelle Exposed
(Jesús Franco , E 1982) [DVD, OmeU]

radioaktiv

Jess Franco goes Jürgen Enz. Vll. Die Verballhornung spanischer Männlichkeit in LAS ORGÍAS INCONFESABLES DE EMMANUELLE ist jedenfalls von einer ähnlichen Steifheit in Witz wie Erotik … eine Steifheit die irgendwo zwischen fluffig leicht und niederschmetternd deftig liegt. Der Ich-Erzähler des Ganzen, der Frauen, die miteinander schlafen, quasi entartet findet und über die Zustände klagt, mit denen sich die Männer nunmehr herumschlagen müssen, nämlich Frauen, die sich nicht mehr freiwillig unterjochen lassen, er könnte der älter gewordene Reno sein, der, nachdem ihn sein Vater von Gut Vorwald verjagt hat, in Spanien seine Heimat fand und altersruhig so leblos wie sein Vater geworden ist. Sein Verständnis und seine Feinfühligkeit hat er jedoch nicht verloren. Die Frauen, die er beglückt, schauen augenrollend an die Decke und müssen nicht lange warten bis es vorbei ist, wenn er mal unverbunden auf sie gesprungen ist. Aber alle Männer haben so ihre Probleme mit den Frauen, die ganz selbstverständlich ihren Lüsten nachgehen. Sie sind Vergewaltiger, die den Frauen geben, weshalb sie ja eh nach Spanien gekommen sind, überforderte Ehemänner, die, wie Reno so treffend analysiert, mit diesen Frauen nicht zurecht kommen, oder es sind Zuschauer, die vor den Sexshows wie das Schwein vor dem Uhrwerk sitzen … applaudierend und unverständig lachend. Der Sex in LAS ORGÍAS INCONFESABLES DE EMMANUELLE ist so leblos wie problematisch. Das Verhältnis zwischen Mann und Frau wird hier durch einen trüben Kakao gezogen, der vor allem offenbart wie herzlich Franco über sowas lachen kann.

Sonnabend 22.03.

Pompei (I) / Pompeji – Der Untergang (Teil 1)
(Giulio Base, I 2007) [DVD, O(?)mU]

uff

Die italienischen Schauspieler scheinen Englisch zu reden, die Lippen zeigen es, aber sie sprechen nicht mit ihren Stimmen, sondern mit denen von englischen Synchronsprechern, die üben möglichst epochal wie Gott zu klingen oder leblos ihre Zeilen runterrattern. Die deutsche Synchro ist noch schlimmer. Und die Handlung, die Bilder, die Charaktere so lust- wie lieblos wie eben diese Synchros oder die dargebotenen Römerklischees. Vll offenbart mir Teil 2 die Schönheit in der überbordenden Tristesse.

Freitag 21.03.

Historia sexual de O / The Sexual Story of O
(Jesús Franco, E 1984) [DVD, OmeU]

großartig +

Ein Film der Blumen. Immer wieder werden sie idyllisch eingeschoben. Fast sehen sie wie aus einer Werbung entsprungen aus … mit einem wunderschön glitzernden Wassertropfen darauf. Wer sowas an einer Wegesecke sehen würde, wer hätte da nicht den Drang solch ein Kleinod zu pflücken … und damit zu töten … nur damit sie besessen wurde, diese unverbrauchte, ergötzliche Schönheit, diese Reinheit. (Jedenfalls legen es diese Bilder einem Konsum gewohnten Bürger wie mir nahe.) Odile ist wie diese Blume in HISTORIA SEXUAL DE O und Mario und Mara können nicht anders als sie zu pflücken. Es ist eines von Jess‘ Lieblingsmotiven, nur dass diesmal nicht Eugenie oder Lolita verschleppt, verführt und in einen ungewissen, gefühlvollen Schrecken gerissen wird, sondern O(dile). (Die unterschiedlichen Titel mit ihren Bezügen richten vll ihren Blick auf die Nuancen in der Verschiebung der Inhalte.) Aber Mario und Mara geleiten sie wortwörtlich in eine Welt, in der sie niedergemäht werden soll. Nach kleinen Ekstasen und Abenteuern führen sie Odile zu einem Paar (deutscher Adel? Mutter und Sohn? Mann und Frau?), welche sie an die verderbten Gelüste des Mannes verfüttern. Dieser kann nur noch durch Leid des Schönen und Reinen, durch eben dessen Tötung erregt werden und Jess, vorher alles in Ruhe belassend, entgrenzt die Farben, die Perspektiven … jedes Bild gleist und er lässt den Fiebertraum eines unsagbaren Gräuels in voller Lust erscheinen. Lange holt er Anlauf, um es uns dann umso hypnotischer mit Aquarell-artigen Bildern, die zwischen Regenbogen und einem Rasiermesser changieren, zu besorgen.

Donnerstag 20.03.

Zetsurin ama: Shimari-gai / Horny Diver: Tight Shellfish
(Fujiura Atsushi, J 1985) [DVD, OmeU]

großartig

Lüsterne Ama, Immobilienspekulanten, anderweitige Dorfbewohner, vulgäre Späße und Haare zum herbeiziehen.

Mittwoch 19.03.

Drive
(Nicolas Winding Refn, USA 2011) [blu-ray, OmU] 2

ok +

Im Kino damals war ich von der ersten Minute an hin und weg. Jetzt sah ich plötzlich Familienversicherungswerbespots und Krampf zwischen den tollen Szenen (die Ertränkung von Nino in den stürmenden Wellen z.B.). Hach. 🙁

Dienstag 18.03.

300: Rise of an Empire
(Noam Murro, USA 2014) [3D]

großartig (———)

Eins meiner Lieblingsbücher ist MÄNNERPHANTASIEN von Klaus Theweleit. Ausgehend von der Analyse von Tagebüchern und Romanen, deren Verfasser Mitglieder der Freikorps im weißen Terror nach dem Ersten Weltkrieg und später meist (führende) Nazis waren, fängt er an sich zu überschlagen und macht einen eklektischen, wilden psychoanalytischen Rundumschlag (voller unfassbarer Bilder, die unkommentiert den Text vervollständigen) zu Sexismus, Faschismus und Soldatentum, der manchmal albern ist, manchmal seltsam, aber vor allem erschrecken und aufregend (am Puls des hier und jetzt eines jeden). Ein Werk dessen Kapitel „Matsch“ heißen oder „Der Analverkehr als Erhaltungsakt“. Und 300: RISE OF AN EMPIRE passt bestens ins Geschehen. Denn der größte Gegner, der Biest in diesem Film ist das Meer. Ein wildes, tobendes schwarzes Meer … und das Meer ist die Masse, die einen verschlingt, die einem die Individualität raubt, das unsichere Gebiet der Gefühle und, wenn wir dem Unbewussten von Faschisten trauen dürfen, das Weibliche … und vll ist es eben kein Zufall, dass die Perser von einer voll sexualisierten, bedrohlichen Frau angeführt werden … auf diesem Meer. Doch anders als noch in 300 werfen sich die Krieger nicht für Ruhm und Ehre in den Kampf, sondern lustvoll in die Wellen. Sicherlich schwingt hier viel Machismo im Kampf mit dem weiblichen Geschlecht mit (alleine die Sexszene zwischen Artemisia und Themistocles, in der er sich heldenhaft nicht von ihren Reizen verführen lässt, dieser Held), aber die Frau und das Meer sind keine Huren, sondern würdige Gegner, die nicht degeneriert sind, sondern Gründe und Subjektivität haben. Und wie ambivalent die Griechen wegkommen, wie vernarbt und dreckig ihre Körper sind, wie das schwarze Meer gierig und schön peitscht, wie sehr er sich über die Spartaner, diese Menschen voll Angst vor Gefühl, Massen und Leben, voll Angst vor dem Verlust ihrer verkrampften Ganzkörpererektion, wie er sich über sie lustig macht, als würde Snyders 300 von innen nach außen gestülpt, es ist ein lustvoll sabbernder Reigen … über riesige, bemannte erigierte Penise, die im Meer gegeneinander kämpfen und mit diesem. Ein großer Film … bis ja bis er in der Geschichte nach ca. ner Stunde das Ende von 300 aufgreift und diesen beginnt weiterzuführen. Wenn Themistocles beginnt den Tod der Spartaner als Opfer und Martyrium zu missbrauchen um nationale Einheit zu erreichen – sicherlich unter Vorzeichen wimmelnder Unterschiede, die nicht in einem gleichförmigen Griechenland aufgehen, und auch nicht unter Lösung von Schuld (Artemisias Jugendjahre als Sexsklave, die vieles erst hervorrufen) – dann kehren soldatischer Ruhm und Ehre im Kampf gegen einen nunmehr wieder degenerierter erscheinenden Gegner wieder. Ja, der Patriotismus und das soldatische Juchhei lagen mir wieder quer im Magen. Und vor allem war das Meer wieder etwas ruhiger … schien mir.

Sonntag 16.03.

Knerten / Mein Freund Knerten
(Åsleik Engmark, N 2009) [DVD]

großartig

Ein klein wenig TOTORO weht durch diese Kindheit in den 60ern in Norwegen. Phantasie und Horror … wo Phantasie ist, wird Horror nie fehlen … herrschen. Diabolische Mädchen, Träume vom unbeweglichen Liegen in einem unheimlichen Ameisenhaufen … mitunter fasst dieser Kinderfilm sein Publikum nicht mit Samthandschuhen an und gibt sich stattdessen überraschenden Anflügen von Ultrakunst hin. Dazu noch etwas Albernes hier und etwas Schrulliges da und fertig ist der Lack. Nur die Songs sind von ausgesuchter Biederkeit.

Knerten gifter seg / Knerten traut sich
(Martin Lund, N 2010) [DVD]

ok +

Mehr Pädagogik, mehr gut Gemeintes. Aber Ben Z., seines Zeichens 6 Jahre, dem ich erklärt hatte, warum ich diese Filme schaue und was ein Filmkritiker so ungefähr macht, sagte danach: Du kannst schreiben, dass der cool ist.

Kango joshiryô: Ijiwaru na yubi / Nurse Girl Dorm: Sticky Fingers
(Kawasaki Yoshihiro, J 1985) [DVD, OmeU]

großartig

Eine absurde Klassenfahrt in ein Krankenschwesternwohnheim. Der dortige Oberstudiendirektor Taft ist eine strenge Dame, die keine Herren im Haus sehen will … und wenn sie doch welche erwischt, reißt sie ihre Kleider von sich, um Lack und Leder zu offenbaren und den Herrn der Schöpfung im Folterkeller zu fesseln, zu peitschen und anderweitig zu benutzen. Die Schwestern ihrerseits haben aber sehr viel Lust, weshalb sie sich immer wieder in die Quere kommen und von der Oberstudiendirektorin zum morgendlichen Gewaltjogging geführt werden. NURSE GIRL DORM: STICKY FINGERS ähnelt dabei sehr deutschen (Sex-)Klamotten, ist aber doch ganz anders. Nur eines verwirrt: nirgends gibt es klebrige Finger…

Sonnabend 15.03.

Foolish Wives / Närrische Weiber
(Erich von Stroheim, USA 1922) [DVD, OZ]

fantastisch

Erich von Stroheim – Godfather of HK-Relevanz. Keiner kann eine Uniform so anzüglich tragen wie er … mit seiner übermäßig langen Zigaretten. Wer zerfließt da nicht? Wer wird da nicht zum närrischen Weib, das ihm alles Geld gibt, auf dass er uns beglücke? Und wie er die Frauen anguckt, wie er sich ständig in ihrer Gegenwart über die Lippen leckt. Ihm gefällt, was er sieht. Gar keine Frage. Aber seine größte Heldentat ist, als er in einer Situation, wo jeder andere fliehen würde oder in Furcht erstarren, da geht er los, um das aus seiner Sicht Wichtigste zu tun: noch die verbotenste Frucht zu pflücken. Über ein Kletterpflanzengeländer erklimmt er eine Wand, um freudig blickend durchs Fenster zur schlafenden Jungfrau zu steigen. Dies muss er noch erledigen, sonst kann er das Land nicht guten Gewissens verlassen. Was für ein göttlich arroganter Schmutzfink.

Donnerstag 13.03.

Vigilante / Streetfighters
(William Lustig, USA 1983) [blu-ray, OmeU]

großartig +

Kleine Blicke sagen hier mehr, als tausend Diskussionen, als jede blutige Handlung.

Mittwoch 12.03.

Vijay and I / Vijay und ich – Meine Frau geht fremd mit mir
(Sam Garbarski, B/D/L 2013) [blu-ray, OmU]

(nichtssagend)

Zaytoun
(Eran Riklis, GB/IL/F 2012) [blu-ray, OmU]

(uff)

VIJAY AND I sowie ZAYTOUN habe ich sehr unaufmerksam geschaut. Teilweise nur im Hintergrund laufen lassen, weil schon ohne jegliche weitere Information durch Titel und Cover klar war, was passieren wird … und dass das mich nicht interessiert. Als zunehmend klar wurde, dass es wirklich so war, war auch jedes Interesse futsch. Musste sie aus Gründen aber sehen. Zumindest VIJAY hat etwas für sich, weil am Ende es alle besser finden, wenn Moritz Bleibtreu den Rest seines Lebens so tut, als sei er Inder. ZAYTOUN hingegen ist alles, was zu erwarten war. Ein israelischer Soldat freundet sich mit einem Palästinenserjungen an … gegen jede Chance … mit einem Plädoyer für Freundschaft und Verständnis und gegen Gewalt und Krieg. Eine hehre Botschaft, die aber wie gesagt schon der Blick aufs Cover offenbarte. Nett gemeint, aber genau die süßliche Öde, die zu erwarten war.

Resident Evil: Retribution
(Paul W.S. Anderson, D/CA 2012) [blu-ray, OmU]

großartig

Film als Spielwiese. Paul W.S. Anderson macht sich seine Welt, wie sie ihm gefällt. Er scheißt auf Logik, Kohärenz und fühlt sich nicht mal den Vorgängerfilmen … oder selbst den vorangegangenen Szenen verpflichtet. RESIDENT EVIL ist grundlegend paranoid, weil einem jeder Grund entzogen wird. Anderson zeigt das ein Filmmacher Descartes‘ Genius malignus ist, der böse Geist, der uns täuscht. Nur das er eben keine sichere Erfahrung einer sicheren Welt bieten will. Virtuelle Welten hier, erwachen in einer genauso ungesicherten Realität da. Die Figuren sind nicht nur Typen, die sind kaum noch etwas anderes als gesichtslose Spielfiguren, die genau auf eine Eigenschaft reduziert sind. Fast kann ihnen beim Kampf um Charakteristika zugesehen werden, die ständig drohen verschlungen zu werden. Und wir sind wie die Figuren Andersons Gelüsten, seiner Freude am Spiel ausgeliefert, wenn wir RESIDENT EVIL schauen. Darauf muss sich eingelassen werden, denke ich, um diese Reisen zu genießen oder mit dem Grundlosen, dem Willkürlichen zu ringen, sonst sitzen wir nur in einer dummen Anreihung von coolem Geschehen.

Dienstag 11.03.

Das finstere Tal / The Dark Valley
(Andreas Prochaska, D/A 2014) [DCP]

großartig +

Ein düster brummendes Biest von einem Heimatfilm. Wo die Heimat noch etwas anders ist. Wo Dünkel, Inzest und mittelalterliche Bräuche wie das Recht der ersten Nacht herrschen. Wo der kleinste Anlass die Fratze unterdrückten Frusts brutal aufblitzen lässt. Wo sich jeder an jedem rächt, der sich etwas leistet, was für einen selbst verboten scheint. Wo die Starken die Schwachen herzlos unter ihrer Knute halten. Und wie das alles dröhnend durch einen Fremden mit Winchester in Frage gestellt wird. Als wäre ein urgewaltiges LEICHEN PFLASTERN SEINEN WEG in den Alpen zu unheiligen Leben erwacht. Monumental.

Little Malcolm and His Struggle Against the Eunuchs
(Stuart Cooper, GB 1974) [blu-ray, OmeU]

großartig

Im Grunde ist es schade, dass Malcolm Scrawdyke, eine wunderbare Gammlerfigur, die es nur mit übermenschlicher Willenskraft aus dem Bett schafft und die, weil sie nichts mit sich anfangen kann, einfach wortreich protestiert und lamentiert, gegen alles und jeden, dass dieser also in seinem Hang zum Faschismus dramatisiert wird. Fast ist er ein Held wie Werner Enke, der seinen Tag mit wunderbar albernen Allmachtsphantasien anfüllt. Dessen faschistischer Gruß Hail Scrawdyke mit Branke vollführt wird, dass es nur süß und hanswurstig ist. Doch das Stück von David Halliwell will überdeutlich zeigen, dass politische Allmachtsphantasien nur durch Angst entstehen. Angst vor sozialen Situationen, von Männern vor Frauen, vor Sex. Sein Malcolm Scrawdyke wird immer frustrierter, weil er es nicht schafft seine Geliebte auch nur richtig anzusehen und so wird er jähzorniger und skrupelloser … bis alles hanswurstige im Schrecken endet. Was weniger vll weniger schade wäre, wenn das Stück nicht einen sehr eindimensionalen Weg der Botschaft gehen würde. aber heimlicher Held ist sowieso David Warner als Dennis Charles Nipple, der seinem zwischenzeitlichen Führer in vielem ähnelt … auch Morgan Delt, den er fast zehn Jahre früher in MORGAN: A SUITABLE CASE FOR TREATMENT spielte, scheint durch … nur das seine Exzentrik von einer unbeschreiblichen Sanftmut und Zärtlichkeit bestimmt wird, die noch nie so natürlich wie hier einen Menschen zu einem Helden gemacht haben.

Montag 10.03.

Nymphomaniac: Vol. I / Nymph()maniac: Vol. I
(Lars von Trier, DK/D/F/B 2013) [DCP, OmU]

uff

Da liegt ein abgestandener Fisch in meinem Tee. Bildlich gesprochen.

Sonntag 09.03.

Desperately Seeking Susan / Susan… verzweifelt gesucht
(Susan Seidelman, USA 1985) [DVD, OmU]

großartig

Eine lange Version vom GET INTO THE GROOVE-Video hätte gereicht. Nun ist eben dieses nur noch die kurze Version von DESPERATELY SEEKING SUSAN. Dieses New York, diese Menschen, diese Poolwerbung, diese abgeranzte Kaschemme mit ihren abgestandenen Zaubertricks und Stand-Up-Programmen, die sich wie ein monumentaler Morgenkater mit pelziger Zunge anfühlen, die Unbedarftheit … toll.

The Other Side of the Underneath
(Jane Arden, GB 1972) [blu-ray, OmeU]

uff

Erst eine Stunde Symbolismus (Zum Beispiel die langgezogene Szene, wo eine Frau in symbolisch, traumhaft Ambiente von Dissonanz eine Hostie isst und dann wieder hervor würgt. Die aber nichts weiter hat, außer diesem Symbol … und dem Gefühl, dass dies alles aufrütteln und provokant in seiner Form sein soll, aber eben nur – mich nervende – Penetranz als Form hat.) und dann ein Homevideo von Hippies in Ruinen, die ein (Familien-)Fest feiern. Da fehlen mir intellektueller wie emotionaler Zugang um das Sehen von THE OTHER SIDE OF THE UNDERNEATH nicht als auszuzelnde Bürde zu empfinden.

Outland / Outland – Planet der Verdammten
(Peter Hyams, USA 1981) [blu-ray, OmU] 2

fantastisch

Atemraubend in Schönheit und Dynamik.

Sonnabend 08.03.

Phantom Lady / Zeuge gesucht
(Robert Siodmak, USA 1944) [DVD, OmU]

großartig +

I’m an authority on hats. Jedem sein Spezialgebiet. Und Künstler sind im Wahnsinn beleckt. Der Drummer, der beim Spielen wild schwitzt und jede Frau in seinen privaten Jazzkeller bringen muss, um sich dort vor ihr hemmungslos in Manie und Irrsinn zu spielen, in Sphären, wo kein klarer Gedanke mehr zu fassen ist, wo der Rausch herrscht und wo nur noch Körperflüssigkeiten regieren. Blut, Schweiß, Säfte und Sperma. Siodmak pumpt diese in schräge Bilder von stierenden Menschen, die im Rhythmus des Rausches geschnitten über die Leinwand jagen. Der Bildhauer, der zwanghaft seine Hände und sein Spiegelbild anstarrt, als seien es Fremde, die schon wieder Dinge getan haben, die er nicht wollte, geschweige denn versteht. Der Verstand ist fragil in PHANTOM LADY … und wer Künstler ist, dem wurde dieser schon lange gestohlen. I would like to laugh. It would be fun to laugh. Und so deprimiert der unschuldig angeklagte Architekt, seine Sekretärin, die eine Frau jagt, die außer ihrem Chef niemand gesehen haben will, und die Polizisten sind, die wie zweitklassige Mafiosi aussehen und handeln, die schon erlernt, dass sie das Böse nicht am Aussehen erkennen können, denen dieses Wissen aber nichts nützt, weil ihre gutbürgerliche Vorstellungskraft gerade noch bis zum Wort Wahnsinn reicht, so deprimiert sie alle sind, so wenig kann ihnen ein Pinselstrich oder eine Note etwas anhaben, weil sie noch nie von den verbotenen Früchte genascht haben.

Sakebi / Retribution
(Kurosawa Kiyoshi, J 2006) [DVD, OmU]

großartig +

Der kalte Hauch von Wiedergutmachung, der die Menschen übermannt. Lebend und tot. Lakonische Besessenheit und langhaarige Geister. Alles beim Alten im Hause Kurosawa. Aber das heißt auch, dass wieder alles seltsam auf höchstem Niveau war.

Spring Breakers
(Harmony Korine, USA 2012) [blu-ray, OmU] 2

fantastisch

Spring Break forever!

Freitag 07.03.

Asphalt
(Joe May, D 1929) [DVD]

großartig

Auch bekannt als DER POLIZEIWACHTMEISTER UND DIE DIAMANTENELSE. Heiliger Strohsack. Und wenn das zur neuen Sachlichkeit gehört, dann ist diese nicht sehr sachlich. ASPHALT jedenfalls ist sehr affektives Kino. Mehr an Gefühlen und Sensationen interessiert, die mit teilweise irrsinniger Bildsprache aus der Geschichte heraus gekitzelt werden. Besonders wie der Vater, nachdem sein Sohn (beide Wachtmeister) nach Hause kommt und berichtet, dass er einen Mann getötet habe …. im Kampf um eine Frau, die sein bürgerliches, ordentliches Leben bedrohte … wie der Vater, vorher immer voll Verständnis, immer ein Lächeln auf dem Lippen …. in seiner anal verkrampft aufgeräumten Wohnung … in ebensolchen Bildern … wie er also weder ein noch auswissend da steht und sich dann entscheidet. Wie er ruhig aber bestimmt seine Uniform anzieht und nur noch Gesetz ist, wie er sein Leben verliert und nur noch Ordnung und Anklage verkörpert … nur durch seinen steifen Körper und seine hinter einer ernsten Totenmaske verschwundene Mimik dies darstellend … dann ist klar, dies ist kein Film über sachliche Dinge, sondern über Dämonen und die Verzweiflung vor dem Leben … und vll die eigene Befreiung.

Resident Evil: Afterlife
(Paul W.S. Anderson, D/CA 2010) [blu-ray, OmU]

nichtssagend

Nach ASPHALT war das irgendwie, als ob ich von den coolen Klassenschlägern auf den Schulhof unter Hohn vermöbelt wurde. Falscher Film zur falschen Zeit und ich habe mich immer mehr, Deckung nehmend, in meine Decke gemummelt.

Donnerstag 06.03.

La vampire nue / Das Lustschloss der grausamen Vampire
(Jean Rollin, F 1970) [blu-ray, OmeU]

fantastisch

Modernste Anzüge für den Herrn von Welt. Psychedelische Jugendliche und ihre poppigen Räume. Ein Dschungel aus Jugendstilwandvorhängen, Vasen, Geländern und allem was geschwungen verziert werden kann. Barocke Überladung und Pomp der Ausstattung. Eine organisches Ganzes aus Dingen, die nie zusammengehört haben, in einer Welt, die nie von dieser war. Masken und geheime Verschwörungen. Pierre Souvestre, Marcel Allain und Louis Feuillade blicken ständig um die Ecke in diesen von düsteren Schicksalen kündenden Paranoiabildern. Die französische Vorkriegsphantastik, in der die Welt, wie sie die Menschen kannten, auseinanderfällt, weil sie es tatsächlich vor ihren Augen tat, lebt hier wieder. Gefangengehaltene Frauen, Väter mit Geheimnissen. An jeder Straßenecke kann eine neue markgefrierende Entdeckungen in Form einer desorientierten, leichtbekleideten Frau warten, die einem alles, was einem bekannt schien, zersetzt. Dazu die zu Beginn bezeichnenden Szenen von nackten Frauen, tanzend. Nicht wie bei Franco, der in sie hinein will. Rollin sitzt mit seinen ältlichen Männerfiguren davor und findet sie schön, wie Statuen. Er kreist um sie und wie seine Figuren, staunt er ohne mit ihnen etwas anfangen zu können. Und wie LA VAMPIRE NUE lange so bunt und reich an Ausstattungen ist, wie kein anderer Rollin, so übernimmt, dass was ihn fasziniert langsam den Film … den vorher auszeichnet, was ihn interessiert und beeinflusst. Die seltsamen, so wunderbar falsch aussehenden Amulette auf fahlen Pullovern kehren wieder. Schrullige Mutanten, leblose Halbgötter, Husaren von grenzenloser Gemütsruhe, Träger von Rollins Fetisch für das Unweltliche – Friedhöfe, eine märchenhaft-romantische Logik des Traums jenseits von Leidenschaft und Gier, untrennbare Zwillinge, Ruinen – retten sich und die Welt vor den Menschen und dem, was sie sein wollen … dem Weltlichen – Realität, Coolness, Was-sein-wollen, Sensation. Wobei Sensation … sein fast regloses Schreiten durch die Geschehnisse ist vll schon delirierendes Fieber im Endstadium … ein Tanz der Sinne kurz vorm letzten Anhalten.

Onna kyôshi-gari / Female Teacher Hunting
(Suzuki Jun’ichi, J 1982) [DVD, OmeU]

gut +

Fragmentiertes Geschehen. Fragmentierte Lüste. Wie Female Teacher Hunting an Lehrerinnen fast vollständig vorbei erzählt und durch einzelne Szenen stolpert, so wenig gibt es hier nie so etwas wie eine Sogkraft der Begierden. Hier etwas Vergewaltigung, da etwas Fetisch, aber Lust an den Situationen oder am Erzählen möchte nie aufkommen. Wie ein Jugendlicher, die auf der Suche nach dem ist, was sie anmacht, aber in einem Meer aus vorgelebten Leidenschaften noch nichts so richtig mit sich anzufangen weiß und deshalb ungelenk ein Fragezeichen vor seinem lieblich roten Kopf herträgt.

Mittwoch 05.03.

Resident Evil
(Paul W.S. Anderson, D/GB/F/USA 2002) [blu-ray, OmU]

gut

Nie RESIDENT EVIL gespielt. Film gemocht.

Dienstag 04.03.

Pompeii / Pompeji
(Paul W.S. Anderson, USA/D/CA 2014) [3D]

gut +

Nach den warmen Worten von Thomas G. im Gesichtsbuch und Jenny J.’s Verteidigungsschrift für Paul W.S. Anderson überschlugen sich widersprüchliche Erwartungen. Gefühlvoll triefender Fleisch- und Lederfetisch oder bombastische, fetischierte Spielerei mit leblosen Puppen in einer Schicksalsmaschine? Vll lag es daran, dass ich seit EVENT HORIZON vor vielen, vielen Jahren keinen seiner Filme gesehen habe und mir die Feinjustierung zu seiner Sprache fehlte oder die Erwartungen mich durchs falsche Glas blicken ließen. Jedenfalls saß ich danach wie vor einem kleinen Puzzle, dass viel zu schnell vollendet war, während Haufen von Stücken, die mir die beiden in die Hand gegeben hatten und die ich auch deutlich sah, noch um mich rum lagen. In feinster B-Movie-Manier ohne Schnörkel geht Pompeji unter, rennen die Leute, intrigieren die Mächtigen und kämpfen muskulöse Gladiatoren im knappen Ledergurtgewand. Kiefer Sutherland als lüsterner wie skrupeloser Machtmensch kam mir noch nie so eindringlich vor. Dirty Jacky war selten so feingliedrig wie allumfassend in seinen Drohgebärden, die wie freundliche Schulterklopfer aussehen. Von einigen Szenen, die Lanze eines Gladiators betreffend, abgesehen, war er der aalglatte, glitschige Höhepunkt. Ansonsten herrschten Liebe und Ehre, sprich die edlen Gefühle … selbst in den Bildern. Aber wie es mit einem Fetisch nun mal ist, muss es nicht das offensichtliche sein, was diesen Film ausmacht beziehungsweise ausmachen kann. Die Ahnungen die über die Tage blieben, waren jedenfalls reicher als die Sichtung … und das muss ja nicht negativ sein.

Sonntag 02.03.

The Croods / Die Croods
(Kirk DeMicco, Chris Sanders, USA 2013) [blu-ray]

gut

Die Welt des Höhlenmenschen ist die des Pater familias. Nur wer sich davon lösen kann, wird in Zukunft überleben. So die Botschaft, die erstaunlich offensiv unter die (Höhlen-)Menschen gebracht werden soll.

Sonnabend 01.03.

Mr. Peabody & Sherman / Die Abenteuer von Mr. Peabody & Sherman
(Rob Minkoff, USA 2014) [DCP]

ok

Februar
Freitag 28.02.

Cronaca di un amore / Chronik einer Liebe
(Michelangelo Antonioni, I 1950) [DVD, OmeU]

großartig +

Eine unbestimmte Ahnung scheint einen Ehemann zu belasten, der daraufhin eine Detektei beauftragt die Vergangenheit zu durchleuchten. Mit ruhiger Sachlichkeit beginnt CRONACA DI UN AMORE bei der Weiterreichung des Auftrags an einen Detektiven. Der Ehemann ist schon nicht mehr da. Routiniert soll die Vergangenheit beleuchtet werden. Doch das wird auch der letzte Moment von Sachlichkeit sein, weil unter der damals schon ruhigen Oberfläche bereits die Schatten lauern. Einiges wird über die Vergangenheit zu erfahren sein, aber Rückblenden wird es keine geben. So wie Vergangenheit nur ein Teil der Gegenwart ist, so wird der aufgewirbelte Staub das hier und jetzt seiner Bestimmtheit berauben. Dinge kommen in Bewegungen. Alte Liebhaber tauchen auf. Die Unzufriedenheit mit dem Ehemann erst deutlich. Intrigen werden gesponnen werden. Die Schatten werden auf Wänden sich räckeln und den Einfluss des Film Noir Tribut zollen. Doch die größten Schatten tragen diese Menschen in sich. Sie tragen sie mit sich rum und Gesagtes, Handeln und Denken werden nur in den seltensten Fällen übereinstimmen. Rätsel sind sie, schon damals.

When Harry Met Sally… / Harry und Sally
(Rob Reiner, USA 1989) [DVD, OmU] 9

großartig

Kino wie es trister nicht sein kann. Manchmal macht das Widerwärtige Spaß.

Mittwoch 26.02.

Capote
(Bennett Miller, USA 2005) [DVD, OmU] 3

ok

Ende 2012 standen Christoph und Jenny J. in meinem Zimmer und im Affekt sagte ich, dass mir CAPOTE besser gefallen habe als IN COLD BLOOD, also die Verfilmung von Richard Brooks. Danach habe ich überlegt, was ich gesagt hatte und wann ich mir zuletzt diese Meinung bildete. Ich ahnte schlimmes. Jetzt wiedergesehen, auch etwas in der Hoffnung den Blicken der beiden etwas entgegensetzen zu können, aber nein. Was hatte ich mir nur gedacht.

Dienstag 25.02.

Akumu tantei / Nightmare Detective
(Tsukamoto Shin’ya, J 2006) [blu-ray, OmU]

ok

Akumu tantei 2 / Nightmare Detective 2
(Tsukamoto Shin’ya, J 2008) [DVD, OmU]

gut

Im Gegensatz zum ersten Teil, wo der Nachtmahr Detektiv widerwillig einen Depressionsdämonen in Form eines Krankenhauspatienten jagt, der wie ein Cousin von Freddie suizidale Leute in ihren Träumen heimsucht und sie zu seiner Lust über die Klinge springen lässt, hat er es diesmal widerwillig mit einem Mobbingopfer zu tun, welches die es schickanierende Mitschülerinnen im Traum heimsucht. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen seiner Biographie und einer Schülerin, die eben mobbte und nun verfolgt wird. Und so überschlägt sich das Geschehen deutlich wilder, als noch im ersten Teil. Tsukamotos Mojo bleibt weiterhin vermisst, aber er rettet sich wenigstens in hemmungslosen Quatsch.

Montag 24.02.

Man of Violence / Männer der Gewalt
(Pete Walker, UK 1971) [blu-ray, OmeU]

großartig

Moon ist ein kleiner Gangster, der sich zwischen zwei Verbrechersyndikate stellt und die ihn förmlich darum bitten, diese gegeneinander auszuspielen. Und Scotland Yard fuhrwerkt auch irgendwie in der Jagd nach einer großen Beute mit. Was passiert, ist aber im Grunde gleichgültig, da der Gangsterfilm nur ein Wunschtraum bleibt. Moon stellt es an einer Stelle lakonisch fest: Not exactly Monte Carlo. Aber auch die anderen Beteiligten tragen ständig Verweise auf Bogart, Noirfilme und so weiter auf den Lippen und bemerken, dass hier doch etwas weniger Glamour herrscht. Dafür gibt es Leerstellen und von allen Regeln befreite Plotabläufe, die nur noch einem Genüge tun sollen, dass sie nämlich Pete Walkers Träume befeuern. Feuerwerk statt Kohärenz. Freude statt unterkühltem Stil.

Sonnabend 22.02.

RoboCop
(Paul Verhoeven, USA 1987) [blu-ray, OmU] 2

großartig +

The Entity / Entity – Es gibt kein Entrinnen vor dem Unsichtbaren, das uns verfolgt
(Sidney J. Furie, USA 1982) [blu-ray, OmeU]

großartig +

Welcome home cunt. Nach einem Zwischenspiel, das mehr an GHOSTBUSTERS gewahrte, wird Carla Moran mit diesen Worten daran erinnert, dass es kein Entrinnen gibt. Wie vieles in THE ENTITY ist das ein Moment, der an die Nieren geht. Aber nicht so verheerend wie zuvor. Fast hatte diese Begrüßung etwas herzliches, etwas beruhigendes … mal davon abgesehen, dass sie wie nichts zuvor wieder etwas wie ein Lachen in mir hervorzauberte. Denn davor gibt es nichts zu lachen, wenn einem das Blut in den Nieren gefriert, wenn ein unsichtbarer Geist Carla Nacht für Nacht misshandelt und vergewaltigt. Dieses Gespenst hat aber auf makabere Weise etwas von einem klassischen Ehemann. Es erscheint erst abends. Bleibt die größte Zeit unsichtbar und ist nur am Grunzen und am Geruch zu erkennen bis es dann seine Frau schlägt und sie rücksichtslos benutzt. Das weiße, schweißfleckige Feinrip-Unterhemd ist förmlich zu spüren. Und alle Männer bleiben hier lange Schemen, die realen Ehemänner, die unsichtbar aus den Nachbarräumen ihre Frauen anmotzen, die Liebhaber, die nur per Telefon in Erscheinung treten. Und so steht Carla und mit ihr der Zuschauer der Entität nicht nur hilflos gegenüber, weil es unsichtbar bleibt und so überall unvorhersehbar über uns herfallen kann, sondern weil es wie ein Ehepartner uns eben (fast) unentrinnbar an der Backe klebt. Ein wirklich wunderschön gemachter Film, der nur weniger zum genießen ist. Vielmehr einer, der uns genießt.

Montag 17.02.

Dallas Buyers Club
(Jean-Marc Vallée, USA 2013) [DCP, OmU]

gut

ERIN BROCKOVICH revisited oder auch THE PEOPLE VS. LARRY FLYNT. Der Kampf der Kleinen gegen die da oben souverän erzählt. Das persönliche Leid der Protagonisten scheint wie so oft erst was Wert, wenn es einen kämpferischen, edlen Zweck hat. Das ist wie immer schade, aber der Staub, der dabei mitunter aufgerissen wird, getragen von einem wie immer großartigen Matthew McConaughey, hat etwas für sich. Die Ahnung vom Exzess, der Grenzen wie Homo- und Heterosexualität hinter sich lässt. Der Glamour beim Verlieren genauso wie das Entsetzen der Verzweiflung. Wie immer gesüßt, aber trotzdem in den Ecken erkenntlich.

Sonntag 16.02.

Shortbus
(John Cameron Mitchell, USA 2006) [DVD, OmU] 2

gut

Indie-Film. Ganz klassisch. Eine interessante Geschichte mit interessanten Charakteren, die ganz beiläufig erzählt wird … um nicht zu sagen nett.

Sonnabend 15.02.

Chiisai ouchi / The Little House
(Yamada Yôji, J 2014) [DCP, OmU]

uff

Rührsal. Rührseliges Selbstmitleid. Rührselige, selbstmitleidige Ewigkeit. Rührselige, selbstmitleidige, ewige Erstickung. Rührselige, selbstmitleidige, ewige, erstickende Enge.

La belle et la bête / Die Schöne und die Bestie
(Jean Cocteau, F 1946) [35mm, OmeU]

ok

Ein Film von Cocteau. Schöne, wunderschöne Effekte. Aber wieder kein Leben, das gepackt werden könnte. May the devil splatter you with dung.

Mo jing / That Demon Within
(Dante Lam, HK/CN 2014) [DCP, OmeU]

großartig

In DAS NEUE DSCHUNGELBUCH gibt es eine Geschichte, in der Mowgli einen Dolch sucht. Er verfolgt dessen Spur und finde nur Tod und Verderben. Wegen der blinkenden Steine auf diesem, schlagen sich die Menschen die Köpfe ein, betrügen sich, schneiden ihren besten Freunden in der Nacht die Kehle durch. Verwundert findet er Leiche um Leiche und weiß nicht wieso. Der Mowgli in THAT DEMON WITHIN ist kein Aussenstehender, der sich wundert. Er heizt die Gier an und macht aus psychotischen Gangstern tollwütige. Doch der König unter diesen Psychopathen ist er selbst. Weshalb es auch keinen ruhigen Erzählton geben kann. Dante Lam haut uns dies um die Ohren. Masken, Feuer, unheilige Zeremonien, Gewalttaten, Schießereien, Nervenzusammenbrüche. Ein Orkan an Bildern und Tönen geht nieder.

Tsuruhachi Tsurujirô / Tsuruhachi und Tsurujiro
(Mikio Naruse, J 1938) [35mm, OmeU]

großartig +

Es schien der lebensfrohste Film Naruses zu sein, bis er irgendwann in Alkoholismus und Depressionen abgleitet. Und wie so oft endet dann dieser Film so, dass ich wieder an allem zweifeln musste, was ich glaubte über TSURUHACHI TSURUJIRÔ zu wissen … was ich glaubte über Naruse zu wissen. Immer wieder diese Filme, die mich ewig kauen lassen … und eigentlich so beiläufig scheinen, aber doch so ambivalent angelegt sind.

Freitag 14.02.

Wu ren qu / No Man’s Land
(Ning Hao, CN 2013) [DCP, OmU]

ok +

Ein Plot, der sich langsam aufstellt und der dann abgespult wird. Mit mathematischer Verlässlichkeit werden die Unbekannten, die mit Verlässlichkeit fast schon zwangsneurotisch mit einem Autocrash in den Film zurückkehrten, aufgelöst, jeder Charakter wird seiner Bestimmung im Geschehen zugeordnet. Bis am Ende keine Ecke des Geschehens nicht seinen Dienst getan hat, alles weggestrichen wurde und eine klare Auflösung des Geschehens vor uns steht.

Tokyo no eiyu / Ein Held aus Tokio
(Shimizu Hiroshi, J 1935) [35mm, OmeU]

großartig

Zwei Enden. Ein sauberes, das mit naiver Moral alle Probleme löst. Und ein drauf folgendes, das unsichere Menschen zeigt, die von Moral gebrochen wurden.

Berlin: Die Sinfonie der Grosstadt
(Walter Ruttmann, D 1927) [35mm] 4

gut

Nach mehrmaligen Gucken bleiben vor allem die Frisuren spannend.

The Cheat / Brandmal der Rache
(Cecil B. DeMille , USA 1915) [35mm, OZ]

fantastisch

Im Licht herrscht das eitle Sein in der Oberschicht. Ein Mann arbeitet an diesem Ort, wo Licht und Dunkelheit klar verteilt sind. Ein harter Arbeiter der Finanzwelt, der alles daran setzt seiner Frau jeden Wunsch zu erfüllen. Sie, immer von Licht umgeben, gibt sich ihren Gelüsten hin. Sie lebt eitel und ohne Verantwortungsbewußtsein ein Leben aus Mode und Partys. Mit ihrem japanischen Freund, den sie wie einen Hund als Spielgefährten hält, verbringt sie ihre Tage in strömenden Licht. Einmal wird sie in Geldnot geraten und jener harmlose Japaner hat welches. Er nutzt ihre Hilflosigkeit aus. Es wird nie ausgesprochen. Darin ist DeMille ein Genie. Nie wird ausgesprochen werden, was er im Gegenzug für das Geld möchte, aber immer ist es klar. Die Schatten der geheimen Welt des sadistischen, triebgesteuerten „Orientalen“ bedrohen das ruhige Sein im Licht. Er überflutet die unschuldige Welt mit Sex, Angst und Gewalt. Die Angst vor dem düsteren Reich des Sex‘, das hinter jeder verschlossenen Tür lauern kann, die Angst vor dem Fremden, vor dem, was nicht sofort verstanden ist, das alles wird von DeMille in geifernden, gierigen Bildern mit Schatten eingefangen, die nach einem greifen, die mir den Atem verschlagen haben. Da sie eben auch ihrer Anziehungskraft nie beraubt wurden. Die Welt des Lichtes ist es eher, die in ihrer Sicherheit einen apatisch und unaufgeregt lässt. Die nicht nur Klarheit und Ruhe bietet, sondern eben den Überdruss und den Schrecken eines langsamen Siechens. Angst und Schrecken, ein Lob, und die Erleichterung, wenn sie vorübergezogen sind.

The Typhoon
(Reginald Barker , USA 1914) [35mm, OZ]

uff

Japaner als dümmliche Ränkeschmiede. Eine Klamotte, welcher der Wahnsinn eines Ilja Richters fehlte. Ein Drama, das Rudi Carrell wie Sophokles nur ein Kopfschütteln abgerungen hätte.

Jûjiro / Im Schatten des Yoshiwara
(Kinugasa Teinosuke, J 1928) [35mm, EZmU]

großartig

Rikiya wird im Vergnügungsviertel geblendet und gedemütigt. Seine Schwester opfert sich für ihn, aber die Welt in den dunklen Gassen ist schlecht. Kontraste. Flackern. Reißende Lichtblitze. Kinugasa lässt dieses Groschenheft beben.

Ye / The Night
(Zhou Hao, CN 2014) [DCP, OmeU]

gut

Prostitution und geschmolzenes Eis in Gassen.

Donnerstag 13.02.

Bai ri yan huo / Black Coal, Thin Ice
(Diao Yi’nan, CN 2014) [DCP, OmU]

gut +

Du denkst im Leben kann gewonnen werden?
Etwas Feuerwerk zu Ausklang lässt zumindest bei Zhizhen ob dieser Fragestellung etwas Hoffnung keimen, womit ein Noir beschlossen wird, aus dem das Leben und die Freude größtenteils gewichen sind. Es ist Winter. Schnee und dicke Mäntel halten die Menschen am Leben, wie das wunderschöne Neon-Rot von BLACK COAL, THIN ICE den Zuschauer etwas wärmt, wenn die Existenz dieser Menschen einen schon die Zehen blau anlaufen lässt.

The Dog
(Allison Berg, François Keraudren, USA 2013) [DCP, OF]

ok

Der Hund hinter DOG DAY AFTERNOON. Ganz nett etwas Hintergundwissen vermittelt.

The Mark of Zorro / Das Zeichen des Zorro
(Fred Niblo, USA 1920) [35mm, OZ]

großartig

Douglas Fairbanks sr. hüpft durch blühenden Blödsinn. Vor allem aber wie er sich als sein Zorros Alter Ego Don Diego seiner Schmierigkeit und Charakterlosigkeit hingibt und damit seine Geliebte Lolita vorführt, ist zweifelhaft wie wunderbar. Er verbrüdert sich im Wissen, dass diese, sobald er seine Maske abnimmt, ihn dafür lieben wird, dass er Zorro ist und nur Schmierentheater spielen musste, mit dem Zuschauer. Ständig regt er sie auf und gibt sich jeder schmalseidenen Schlingeligkeit hin, nur um danach ihre Reaktionen zu genießen, das Zwinkern in die Kamera immer nur im letzten Moment unterdrückend, auf das sich alle freuen, wie er das Weibsbild vorführen kann, was die Herren der Schöpfung im Saal sich leider so oft verkneifen müssen. Sicherlich ein Macho, aber dieser akrobatischen Schelm genießt auch nur seine bemittleidenswerte Freiheit, die bald zu einem schiefen Haussegen führen wird. Don Diego wird es nach THE MARK OF ZORRO nie mehr geben, deshalb feiern wir mit ihm.

ärtico
(Gabriel Velázquez, E 2014) [DCP, OmeU]

nichtssagend

Voll ernst inszenierte Boulevardgeschichte, von deren Sichtung mir am deutlichsten in Erinnerung blieb, dass das Parfüm meines Sitznachbarn in Verbindung mit den Popcornschwaden von den Spanieren vor mir nach Klospray roch. Aber das hat ja auch wieder gepasst.

Al doilea joc / The Second Game
(Corneliu Porumboiu, ROM 2014) [VHS, OmeU]

großartig

Die Fernsehaufzeichnung eines arg verschneiten Fußballspiels zwischen Steaua und Dinamo Bukarest im Jahre 1988. Doch das Treffen vom Verein von Präsident und Militär auf den der Geheimpolizei geht im Schnee unter. Die Politik wie das Aufeinandertreffen von ein paar der begnadetsten Fußballer ihrer Generation geht in Belanglosigkeit und Stolpern verloren. Statt Pomp bleibt Unbeholfenheit. Dazu diskutieren Corneliu Porumboiu mit seinem Vater, seines Zeichens Schiedsrichter der Partie, über Langlebigkeit und Philosophie des Fussballs, ohne die Beiläufigkeit eines netten, unbedeutenden Abend vor der Glotze zu verlieren. Aber gerade, dass hier alles irgendwie nebenher wirkt und ob der Bedeutsamkeit der Zeit so unglamourös, so gegen jede Dramatik verläuft, ist so zauberhaft.

Ché phawa daw nu nu / Tender Are Your Feet
(Maung Wunna, BUR 1972) [VHS, OmeU]

großartig

Ein Video-Rip für die frühen Morgenstunden eines Hofbauer-Kongresses restauriert und in den erwürdigen Abendstunden der Berlinale. Ein Heimatmelodram, dass sich langsam aber kontinuierlich in menschliche Abgründe begibt. Ein Trommler schließt sich einer neuen Tanz- und Musiktruppe an, nachdem er sich mit seiner letzten Tänzerin überworfen hat. Dazwischen wird die Schönheit der Natur und der Kultur von Burma ausgestellt. Beat und Gamelan wechseln sich ab, wie Moderne und Tradition eher nebenher stehen. Mal schreiten die Bilder in Gemächlichkeit nur um dann zu rasen. Assoziative Schnipsel zeigen dann Schönheit, nur um den Schrecken erahnen zu lassen. Nach einem solchen Bilderfeuerwerk aus Ellenbogen und Landschaft sitzt eine halbnackte Frau auf einem Wagen. Tieftraurig und verstört verschrenkt sie ihre Arme vor sich. Nichts war zu sehen, aber die Vergewaltigung, die gerade stattfand, war mehr als deutlich zu spüren. Einzigartig.

Mittwoch 12.02.

Über-Ich und Du
(Benjamin Heisenberg, D/CH/A 2014) [DCP, OmeU]

nichtssagend

Ich habe ihn zwar immer noch nicht gesehen, weshalb solche Vergleiche eher unangebracht sind, aber ÜBER-ICH UND DU will mir wie eine leicht absurdere Version von ZIEMLICH BESTE FREUNDE scheinen, wenn eine alte Psychologiekoryphäe sich nett und amüsant um einen Kleinganoven mit Persönlichkeitsproblemen kümmert.

Butter on the Latch
(Josephine Decker, USA 2013) [DCP, OF]

großartig

Menschen tanzen in einem Hippiecamp. Die Nähe der Natur wird gesucht. Geredet und gesungen. Nah am Menschen die Geiseln der Moderne abwerfen. Kein Wunder, dass eine der Teilnehmerinnen, die, nachdem sie in einem Keller auf einer Matratze neben seltsamen Männern aufwachte, traumatisiert wurde und genug von der Großstadt und deren Partys hatte, kein Wunder, dass ihre Realitätswahrnehmung in einem solchen Umfeld kippt und die Düsternis sich ihrer in der ausgesuchten Herzlichkeit der Hippies bemächtigt. Dazu kriecht eine gelbe Schnecke in der Mitte des Filmes durch den Wald. Gesundheit ist nirgendwo, wenn sie gesucht werden muss.

The Dawn Patrol / Start in die Dämmerung
(Howard Hawks, USA 1930) [35mm, OF] 2

ok

Von Richter ist der deutsche Bösewicht. Fast ein Mythos, der übermächtig hinter jeder nächsten Wolke lauern kann. Es ist Erster Weltkrieg und wenn er von Howard Hawks auf die englischen Flieger losgelassen wird, dann sitzt ein comichaft überzeichneter Deutscher vor einem, der zielstrebig nur das ehrenvolle Morden im Sinn hat. Nichts anderes kennzeichnet ihn Ehre und kämpferischer Wettstreit. Leider ist er das einzige, was mich an THE DAWN PATROL faszinieren wollte. Repetitiv erklärt er vorhersehbar das Vorhersehbare, dass Krieg nämlich unmenschlich ist. Was anders wollte er mir nicht sagen. Wiedermal war Lukas F. anderer Meinung, der ihn zum besten Film des Festivals erklärte. Ich weiß beim besten Willen nicht wieso. Ich bin wirklich perplex.

Nasake no hikari / Das Licht des Herzens
(Henry Kotani, J 1926) [35mm, OmeU]

ok

Armut, Kälte, eine kranke Mutter, für die wie die Geschwister gesorgt werden muss, Geld, das mit Blumenverkaufen verdient werden muss, und das Leben im Slum, alles muss Junichi meistern. Keine Zeit für Leerlauf. Er muss schaffen, schaffen, schaffen. Und wenn er am Ende von einem Mäzen abgeholt wird, der ihm wenigstens das Schulgeld bezahlen möchte, dann zeigt die Kamera das Armenviertel das erste Mal in voller Pracht. Fast ist es wie die Warnung einer Gesellschaft: Wehe ihr seit arm UND verzweifelt! Das Lob des übermächtigen Tristkinds wird so auch zur Verunglimpfung der Faulenzer dieser Welt. Eine biestige Analyse in Form eines Wohlfühlfilms.

Gonin no sekkôhei / Fünf Armeekundschaftler
(Tasaka Tomotaka, J 1938) [35mm, OmeU]

uff

Unindividuelle Opferbereitschaft in herben Farben. Alle sind gleich. Alle ertragen und opfern sich für Kaiser und Vaterland mit herbem Heldentum. Niemand handelt anders. Eine Nation, ein Volk, ein Ziel. Ein zweifelhafter Film.

Dienstag 11.02.

Tui na / Blind Massage
(Lou Ye, CN/F 2014) [DCP, OmU]

nichtssagend

Wie schön findest du mich?
Wie Schweinegulasch.
Aber zwischen solchen liebreizenden Dialogen und ultrainszenierten Er- und Entblindungsszenen vergeht viel Zeit, in welcher der dröge Realismus mit esoterischen Kalendersprüchen angereichert wird. So sehen nach TUI NA die Sehenden die Dunkelheit im Licht, während die Blinde das Licht in der Dunkelheit wahrnehmen. Sowas erinnert mich immer an die Wände des Wartebereichs meiner Hautärztin, wo eine Allgemeinplatzparade des Schönen mir das Warten zur Ewigkeit macht.

Dirnentragödie
(Bruno Rahn, D 1927) [35mm]

gut

Danach mit einem begeisterten Lukas F. geredet, der nach eigener Aussage den Film am liebsten eingepackt und mit nach Nürnberg zu einem Kongress genommen hätte. Recherchen haben mir gezeigt, dass er damit Erfolg gehabt hätte. Christoph war wohl seiner Zeit ähnlich begeistert. Damals vorm Kino kündete mir Lukas von den Wundern des Films. Und bei jedem Moment, bei jeder Szene, die er nannte und mit leuchtenden Augen beschrieb, erinnerte ich mich daran, wie ich diese ebenso genossen hatte. Trotzdem war DIRNENTRAGÖDIE an mir vorbei gelaufen. Vll war ich zu müde und hatte nicht die Geduld. Vll waren es die Bilder, die mich außen vor ließen. Jedenfalls waren die beschriebenen Momente und Szenen für mich nur Oasen in einem Trockengebiet.

Aimer, boire et chanter / Life of Riley
(Alain Resnais, F 2014) [DCP, OmU]

verstrahlt

Bauerntheater. Wunderbares, verstrahltes Bauerntheater. Irgendwie als ob ein kindlich vergnügter Schlingel, der niemanden mehr etwas beweisen muss, vll ein Josef von Sternberg, der eine Überdosis Bonbons gegessen hat, als ob dieser nun eine Aufführung des Ohnsorg Theaters inszeniert.

Nayak / Der Held
(Satyajit Ray, IND 1966) [DCP, OmeU]

gut

Mein erster Ray hat mich sehr an meinen ersten Bergmann erinnert. Doch statt eines alten, verbitterten Professors lässt ein vergötterter Schauspieler sein Leben in Träumen und Rückblenden Revue passieren, als er mit einem Zug zu einer Preisverleihung fährt.

Pierrot Lunaire
(Bruce la Bruce, D/CA 2014) [DCP, OmeU]

großartig

So unrhythmisch, so exaltiert der Gesang und Schönbergs Stück, so auch die Bilder, so eigenwillig die Erzählung. Impressionen, Spielfilm und Theaterinszenierung, in denen eine Frau sich auf die Suche nach einem eigenen Penis macht, um die Ansprüche ihrer Geliebten und deren Familie zu erfüllen, werden wild collagiert. Schönberg wie nie. Nie so schön.

Montag 10.02.

Kreuzweg
(Dietrich Brüggemann, D 2014) [DCP, OmeU]

uff

Ein kraftvoller Film, der einen wie nach einer Tracht Prügel aus dem Kinosaal entlässt. Wer halbwegs mit Empathie ausgestattet KREUZWEG guckt, muss wohl zwangsläufig mit Bernadette mitleiden, die mit 13 Jahren in einer Welt ohne Wegweiser und klarer Moral zugrunde geht und symbolisch wie pathetisch den Kreuzweg Jesus‘ beschreitet. Ihre fanatische Mutter erzieht sie im Glauben ihrer kleinen fanatischen Fraktion des Katholizismus, in der diese ihr Heil sucht. Denn sie ist es die mit der Welt nicht zurechtkommt. Sie überspielt es und bei jeder Ahnung von Schuld wird sie zur Furie, die alles in Verfehlungen der anderen ummünzt. Jede Nettigkeit und zur Schau getragene Zuneigung ihrerseits ist wie eine fragile Bedrohung, die sich schnell in einen Vulkan entwickeln kann. Bernadette merkt nur die Ausbrüche, die auf ihre Taten folgen und fühlt sich als Schuldige. Sie will alles richtig machen und scheitert, an ihrer beginnenden Pubertät, an ihrer peer group, an ihrer Familie und an der Welt. Am Ende will sie sich Gott zu Opfer bringen. Ein Lamm ohne Schuld ist sie. Mutter und Priester sind die Schuldigen, die Teufel, die ihr offensichtlich falsche Werte für die (moderne) Welt abverlangen. In einzelnen Szenen, wenn Bernadette beispielsweise mit einem Schüler aus der Parallelklasse spricht, weiß KREUZWEGE diese Geschichte mit etwas wie Einfühlungsvermögen zu erzählen. Großteils ist es aber eben eine ein Vorschlaghammer, der nur Nuancen weniger selbstgerecht ist als die Mutter. Eine Vorhaltemaschine sind beide, Mutter und Film, die jede Nuancen hinwegfegen, die nur aus Diffamationen bestehen. Denn der hier vorgetragene Mechanismus ist einfach. Eine Mutter schikaniert ihre Tochter. Ein absolut Böses quält ein Lamm. Jede Behandlung von Themen wird darunter begraben. Das wenige Feinfühlige verzieht sehr schnell. Zurück blieb nur gammliges Fleisch, das mir übel im Magen liegt.

Things People Do
(Saar Klein, USA 2014) [DCP, OF]

nichtssagend

Wes Bentley baut Schicht um Schicht Spannungen auf. Er ist gefeuert worden und will es seiner Familie nicht sagen. Die Angst davor, ein Versager zu sein, zerreißt ihn. Immer orientierungsloser und verzweifelter wird er. Er verbringt Tage auf Parkplätzen und in der Wüste, raubt Tankstellen und Häuser aus. Doch im Grunde passiert nichts, als dass er sich einer Lösung oder einer Katharsis verwehrt und lieber in der immer unerträglichen Spannung weiterlebt. Und genau das macht Saar Klein auch mit dem Zuschauer. Er setzt diesem lediglich dieser Spannung aus … über träge Minuten, die mal zäh dahin fließen, mal foltern. Das ist aller Ehren wert, aber auch sehr unspannend, da alles überdeutlich ist darin, etwas über den Stand der Dinge sagen zu wollen, nichts aber über diesen außer der Ausgangssituation weiß … und auch keine Fragen stellt … im Grunde nichts wissen will und sich für nichts interessiert. So bleibt nur die stille Qual des Protagonisten … und des Zuschauers … sprich mir.

Supernova
(Tamar van den Dop, NL 2013) [DCP, OmeU]

ok

Der Ort erinnert etwas an DIE NOORDERLINGER. Ein Haus direkt in der einzigen Kurve auf einer sonst geraden Straße im Nirgendwo der niederländischen Provinz. Dort wartet eine Familie, dass mal wieder ein Mann im Auto ins Haus rauscht. Wie eine Prophezeiung liegt dieses Warten über dem Haus. Vater und Mutter haben so zueinander gefunden. Was sie aber nun eigentlich wollen ist ihnen nicht klar. Wie viele Generationen das schon läuft ist unklar. Alle warten nur, weil sich dann alles fügt … so denken sie … so scheint es. Die Tochter, die gerade ihre Sexualität entdeckt … mit ihrer Freundin, mit den Rockern an einer nahegelegenen Brücke, die sie beobachtet, mit dem kommenden jungen Mann, der ins Haus rauschen wird, was den Eltern dann auch wieder nicht schmecken will. Nichts wird aber ausgesprochen. Alles liegt wie Ahnungen in der Luft. Leider ist diese nicht so schwül, sondern eher dünn. Schwer zu sagen, auf dem Papier und in der Erinnerung hört es sich spannend an, aber in Realität vor der Leinwand war da zu wenig …

The Midnight After
(Fruit Chan, HK/CN 2014) [DCP, OmeU]

radioaktiv

Check ignition and may gods love be with you.

Castanha
(Davi Pretto, BR 2014) [DCP, OmeU]

(uff)

Die halbe Stunde, die ich wach war, kam mir vor wie zwei.

Sonntag 09.02.

Die geliebten Schwestern
(Dominik Graf, D 2014) [DCP, OmeU]

fantastisch

Um es mit Dominik Grafs eigenen Worten zu sagen, mit denen er sein Team nach der ersten Probe des Treppenaufgangs Schillers zu dessen Antrittsvorlesung darüber in Kenntnis setzte, welche Meinung er über den vor Schiller voranschreitenden Statisten habe, und die ich mir auf meinen Grabstein schreiben lassen werde: Er ist ok.

Hævnens Nat / Die Nacht der Rache
(Benjamin Christensen, DK 1916) [35mm, EZ]

(ok )

Film fing an, ich schlief ein. Pünktlich zur Texttafel, welche den zweiten Teil ankündigte, aufgewacht. Eine Frau gesehen, die überdeutlich Panik darstellen wollend in die Kamera blickte … während sie die Polizei per Telefon zur Hilfe rief … Augen, die mich entsetzt anstarrten. Schauer hervorrufend. Einen Arm, der aus einem Schrank schaute und mit seinem neuen, hölzernen Körper wie ein kybernetisches Wunderwerk aussah, das ich Stunden hätte anstarren können. Eine Geschichte, die zwar Kapriolen schlug, aber oft Jahrmarkt und Faszination, Trübnis und Leben für gediegene Langeweile opferte.

Flesh and the Devil / Es war
(Clarence Brown, USA 1926) [35mm, OZ]

fantastisch

Brown ersetzt den Gothic der Vorlage mit (den Bedrohungen der) Fleischeslust. Beziehungsweise weniger gotischer Fleischeslust. Aber allein wie Greta Garbo, hier noch nicht die Göttliche sondern das Verderben in weißer, lüsterner Haut, wie sie also den vom Priester gebotenen Weinkelch demonstrativ zurückdreht, um von der Stelle trinken zu können, die noch vom Speichel John Gilberts benetzt ist, lies mir den Atem aussetzen. Das Gehirn war kurz vorm aufgeben. Sinne raubend. Entrückte Fleischeslust. Entrückt, wie sie über das Eis laufen. Lüstern, wie Licht, Schatten und Nebel den einfachsten Bildern Tiefengrade geben, die der Phantasie keine Grenzen bieten. Schwindelig kann einem werden. Und das alles eingebettet in das Schmunzeln über die militärische Steife der Deutschen.

Oshidori utagassen / Die Liederschlacht der Mandarinenten
(Makino Masahiro, J 1939) [35mm, OmeU]

großartig +

Hemmungslos naives Singen und wippendes Gehen. Keine Wolke trübt die sich überschlagende Einbettung von einem rudimentären Drama in fröhliche, treibende Musik. Warum Shimura Takashi Regenschirme baut, weiß er wahrscheinlich selber nicht. Sein Hof steht voll von diesen, die selbst noch in blassen Schwarz-Weiß von leuchtenden Farben künden, und kein Regen scheint hier jemanden lang genug auf dem Gemüt zu liegen, als dass dieser auch nur Zeit hätte einen Schirm aufzuspannen. Selbst die Kampfszene, die wie aus heiterem Himmel in den Film mit dem schönsten im Rhythmus fröhlicher Tanzmusik gebrochenen Genick der Filmgeschichte hereinbricht, treibt sie nur mehr voran, die entzückende Atmosphäre, die mich aus dem Kino wippen und noch am nächsten Morgen die Melodie auf meinen Lippen beließ.

Yoru no henrin / The Shape of Night
(Nakamura Noboru, J 1964) [35mm, OmeU]

gut +

Eher die Farbe der Nacht, die Nakamura in Neon tränkt … im Gegensatz zum warmen Tageslicht. Der Schnitt verbindet die Momente gleisend. Dem Weg in den Abgrund wird kein Widerstand geboten. Alle Hürden, jeder Hügel, jeder Anstieg von Hoffnung wird einfach weggeschnitten.

Sonnabend 08.02.

Yukinojô henge / An Actor’s Revenge
(Kinugasa Teinosuke, J 1952) [35mm, OmeU]

ok

Die drei Mitte der 30er Jahre erschienenen Teile wurden auf Anfang der 50er zu einem zusammengeschnitten. Ein Erzähler rast durch die Lücken und versucht Klarheit zu schaffen, aber die unzähligen Namen aus seinem Mund schaffen lediglich ein Labyrinth aus Fragezeichen. Der junge Hasegawa Kazuo (hier noch als Hayashi Chôjirô) spielt wie 30 Jahre später bei Ichikawa Kons Meisterwerk seine Paraderolle als onnagata (männlicher Damendarsteller), der den Schnee mit Blut färbt. Vll waren es die Beschneidung, welche diese Rachegeschichte so wirr und assoziativ wie bei Ichikawa erscheinen lassen … oder eben weil Kinugasa eine wirre, assoziative Geschichte durch seine Finger laufen lässt, die er mit optischen Spielereien und wunderschöner Eleganz veredelt. Doch irgendwas fehlt … wie bei einem Preisboxer, dem ein Arm und ein Bein abgeschnitten werden, auf dass er auch eine Gewichtsklasse niedriger Erfolge feiern werde.

The Better Angels
(A.J. Edwards, USA 2004) [DCP, OF]

uff

Ein Film wie Meißner Porzellan. Sicherlich ganz schön anzusehen, aber völlig leblos. Jede Sekunde ist erhaben und gleitet an schönen Landschaften und schönen Menschen vorbei, welche die gesamte Welt in Watte packen. Überall sind Dreck, Kargheit und Nässe, aber sie werden entweltlicht und entkernt. Nichts tut weh. Diese Dinge, die jeden Film veredeln müssten, dachte ich, werden verraten und zu Menschen gestellt, die selbst in Jähzorn und Verzweiflung noch ruhig und erhaben sind. Danach wollte ich mir wehtun, um wieder etwas zu spüren.

The Docks of New York / Die Docks von New-York
(Josef von Sternberg, USA 1928) [35mm, OZ]

großartig +

Ein Groschenheftmonument aus Licht, Schatten und Nebel, das sich etwas vor seinem Happy End ziert und es immer wieder mit Schicksalsschlägen hinauszögert. Sich ihm aber genau so wenig diesem verwehren kann, wie er im Schmutz noch das pulsierenste Leben findet.

Doshaburi / When It Rains, It Pours
(Nakamura Noboru, J 1957) [35mm, OmeU]

großartig +

Alles ist da um den Ozu-Film perfekt zu machen. Die Schauspieler. Die Atmosphäre. Die Themen. Die Unaufgeregtheit. Doch alles ist falsch. Der Witz ist ätzend. Die Menschen leben und leiden. Und je länger WHEN IT RAINS, IT POURS läuft, desto mehr wird klar, dass die Meisterschaft hier im Detail liegt und nicht in einer Strenge, die Nakamura nie auch nur anstrebt.

Freitag 07.02.

What Ever Happend to Baby Jane? / Was geschah wirklich mit Baby Jane?
(Robert Aldrich, USA 1962) [blu-ray, OmeU] 2

fantastisch

Erschütternd. Nach dem Film kam es zu Ausschreitungen in meinem Zimmer. Bezeichnend.

Dienstag 04.02.

Molokh / Moloch
(Aleksandr Sokurov, RU 1999) [web]

großartig

Die Absurdität der Macht, keine Komödie, eine Dokumentation.

Sonntag 02.02.

Getsuyôbi no Yuka / Only on Mondays
(Nakahira Kô, J 1964) [DVD, OmeU]

großartig +

Eine Frau ist erst zufrieden, wenn ihr Mann glücklich ist. So lernt es zumindest Yuka von ihrer Mutter. Wirklich alles tut sie (sich an) um dies umzusetzen … mit eskalierenden Engagement. Wer dies durchsteht ohne sich die Hand vor die Augen zu halten, ist ein stärkerer Mensch als ich. Nicht das die Männer Abartiges von ihr verlangen würden. Sie ist es, die sich unbekümmert lächelnd auf ein Pendel aus schwarzer Komödie und Folter begibt, dass zwangsläufig in den geistigen wie körperlichen Untergang mehrerer Menschen führen muss. Ohne sich um Konventionen zu kümmern, kann sie sich von ihrem Liebhaber während eines Geschäftsmeetings den Kauf einer Puppe wünschen, weil sie sah, wie glücklich dieser war, als er seiner Tochter eine Puppe schenkte. Die Fremdscham ist dabei nicht mal das schlimmste, sondern wie sie dabei lächelt. Bar jeder Vernunft, nur vom Wunsch Glück zu bringen beseelt. Wer hiernach Frauen ausschließlich an den Herd wünscht, dem mögen die Augen verfaulen.

Der Förster vom Silberwald
(Alfons Stummer, A/BRD 1954) [DVD]

großartig

Mitunter sind diese Menschen und ihre Inszenierung schauerlich. Bedrückend in ihrer Deftigkeit. Aber je mehr Heimatfilme ich gucke, desto wohler fühle ich mich in ihren Welten … in der Gemütlichkeit und all den Schatten in der ausgestellten Unschuld. Hier ist es wieder Rudolf Lenz, der Millionen begeisterte, der über den Silberwald sowie Sitte und Anstand wacht. Der sich diesen zum Opfer bringt und selbst noch den Städter vorlebt, aus welchem Holz ein Mensch geschnitzt sein kann. Ein König unter den Menschen. Sein Zepter heißt Trübnis, sein Reichsapfel Verzicht.

Sonnabend 01.02.

Sinbad: Legend of the Seven Seas / Sinbad – Der Herr der sieben Meere
(Patrick Gilmore, Tim Johnson, USA 2003) [web]

ok

Histoire d’O / Geschichte der O
(Just Jaeckin, F/BRD 1975) [DVD, OmU]

gut

Januar
Donnerstag 30.01.

Bao lie xing jing / Bullets over Summer
(Wilson Yip, HK 1999) [DVD, OmeU]

großartig

Im Zentrum steht die Suche nach einem Bankräuber. Aber das Gute an Filmen aus Hongkong ist ja, dass das Zentrum in diesen Filmen nicht zwangsläufig im Zentrum steht, sondern auch mal am Rand.

Mittwoch 29.01.

They Live / Sie leben!
(John Carpenter, USA 1988) [DVD, OmU] 2

gut

Etwas weniger Ausstellen der Wrestlingskills von Roddy Piper wären nicht von Nachteil gewesen.

Sonntag 26.01.

Kairo / Pulse
(Kurosawa Kiyoshi, J 2001) [DVD, OmeU]

großartig

Zur Hälfte war ich mir sicher, dass ich die Nacht nur schlafen gekonnt hätte, wenn die Verbindung zum Internet gekappt worden wäre. Dann kam die Kryptik, die mich ruhig schlafen, aber im Unklaren darüber lies, was ich da gesehen hatte.

Sonnabend 25.01.

3-4 x jûgatsu / Boiling Point
(Kitano Takeshi, J 1990) [DVD, OmU]

gut +

Nebraska
(Alexander Payne, USA 2013) [DCP]

ok

Eine nette Geschichte für die schönen Momente im Leben.

Freitag 24.01.

The Bonfire of the Vanities / Fegefeuer der Eitelkeiten
(Brian De Palma, USA 1989) [blu-ray, OmU]

großartig

Wahrscheinlich musste der Erzähler drin bleiben, damit die Verbindung zum Millionenseller mit seinem süffigen Erzählton deutlich erkenntlich blieb. Der Film wird dadurch aber mehr als sabotiert. Als Morgan Freeman als Richter aber das Ende auch noch Richtung Cosby Show wenden durfte, da ist es eh egal, weil De Palma wieder alles daran setzte, es mit seinem Quatsch zu vereinnahmen.

Emanuelle in America / Black Emanuelle – Stunden wilder Lust
(Joe D’Amato, I 1977) [DVD]

radioaktiv

So harmlos und verschämt er anfängt, so unerbittlich schraubt er sich in Sphären des Unsagbaren. Für danach wird dringend geraten eine Decke und heißen Kakao bereitzuhalten.

Donnerstag 23.01.

The Wolf of Wall Street
(Martin Scorsese, USA 2013) [DCP, OF]

gut

Mittwoch 22.01.

The Holy Mountain / Der heilige Berg
(Alejandro Jodorowsky, MEX/USA 1973) [TV, OmU]

gut

Nachdem Jesus seine Kacke in Gold verwandelt hat, verliert sich THE HOLY MOUNTAIN in seiner biederen Sozialkritik.

Montag 20.01.

Schalcken the Painter
(Leslie Megahey, GB 1979) [blu-ray, OmeU]

fantastisch

In den Niederlanden herrscht sonnige Harmonie. Vor allem in den Bildern von Vermeer, durch die der junge Schalcken während seiner Lehre bei Gerrit Dou immer wieder läuft … auf der Suche nach der eigenen Meisterschaft. Vor Ehrgeiz nimmt er gar nicht wahr, wie es sich um ihn verdunkelt. Wie die Schatten sich ausbreiten und in ihnen ein Nachtalp. Seine Liebe wird in gotisch-romantische Regionen verschleppt und seine Bilder atmen das Laudanum einer Edgar Allen Poe Geschichte. Und SCHALCKEN THE PAINTER, wie es zu Beginn Gemälde beschaulicher Schönheit nachahmte, kippt in die Schönheit von Krankheit und Verfall.

The Secret Life of Walter Mitty / Das erstaunliche Leben des Walter Mitty
(Ben Stiller, USA 2013) [DCP, OF]

fantastisch

Walter Mitty folgt der yellow brick road und wie Vogelscheuche, Blechmann und Löwe findet er nur das, was er schon von Beginn an hatte. Eine naive Liebeserklärung an die Möglichkeiten des Kinos.

Sonntag 19.01.

Murder by Death / Eine Leiche zum Dessert
(Robert Moore, USA 1976) [DVD, OmU]

großartig

Since we cannot call for a doctor, I will need a cold compress for my chaffeur, and a cup of hot chocolate for me, n’est ce pa?
I don’t think we have any Nespa, sir. Just Hershey’s.

Oder eben Kaba. Es ist schrecklich, aber das ist das Niveau, wo ich mich beömmle. Die Auflösung ist unbefriedigend wie Hölle. Soll sie auch sein. Die reine Absurdität erhält die Überhand, während es eine Stunde lang immer noch der Träger von Grauen war.

Mr. Skeffington / Das Leben der Mrs. Skeffington
(Vincent Sherman, USA 1944) [DVD, OmU]

gut +

Basket Case / Basket Case – Der unheimliche Zwilling
(Frank Henenlotter, USA 1982) [blu-ray, OmU]

gut

Es ist schon etwas traurig, wie Frank Hanenlotter sich auf der blu-ray fast schon entschuldigt, dass diese nur versucht Mimikry der originalen 16mm-Kopie zu bieten. Aber wahrscheinlich ist es sogar nötig. Aber wie sonst soll ein ranziger Film über ranzige Leute, die in einem ranzigen Hotel wohnen, auch anders aussehen als ranzig … in seiner bestmöglichen Form. Was wäre die Alternative: Punkrock, aber so gut produziert wie die Beatles muss es schon sein. Noch dazu, da es um einen jungen Mann geht, der auf Rachefeldzug gegen die Leute geht, die ihm seine irrationale Kindlichkeit ausgetrieben, die ihn zivilisierten und einen Erwachsenen aus ihm machen wollten. Doch er hat all das gerettet und trägt es als unförmiges, grundsympathisches Monster in einem Bastkorb mit sich rum. Und so verwehrt sich BASKET CASE auch gegen Zivilisation und Polierung in jeder Form.

Bou ying / Punished
(Law Wing-cheong, HK 2011) [DVD, OmeU]

gut

Eine Anger-Management-Therapie für den Hauptentführer bitte. Bitte.

Sonnabend 18.01.

The Corpse Grinders / Die Leichenmühle
(Ted V. Mikels, USA 1971) [DVD, OF]

nichtssagend

El Topo
(Alejandro Jodorowsky, USA/MEX 1970) [TV, OmU] 6

großartig

Der erste Film den ich vor vielen Jahren aus dem Internet heruntergeladen lassen habe … nachdem ich 2001 das MIDNIGHT MOVIES Buch von Hoberman und Rosenbaum gelesen habe und dachte, dass ich vieles davon nie sehen werde … und dann das. Ich habe ihn verehrt und nicht ganz legale, wie räudige Screenings an der Uni organisiert, wo auch noch ein Großteil der 6 nicht zahlenden Gäste ging. Aber irgendwie wird die zweite Hälfte immer flauer. Immer flauer. Was schade ist.

The Wizard of Oz / Der Zauberer von Oz
(Diverse, USA 1939) [DVD, OmU] 7

großartig

Laut meinem Vater der erste Film, den ich je sah. Ich soll mit ca. einem Jahr mit hochroten Backen vorm Schwarz-Weiß-Fernseher gesessen haben … wie eine Bulldoge und wenn meine Eltern mich wegnehmen wollten, soll ich ausgetickt sein, bis ich wieder vorm WIZARD OF OZ saß. Heute ist er nicht mehr ganz so faszinierend, aber immer noch delerierend. Besonders nachdem ich just LOST GIRLS von Alan Moore und Melinda Gebbie gelesen habe und immer und überall die schmierige Dinge hinein fantasierte.

The Insomniac
(Rodney Giesler, GB 1971) [blu-ray, OmeU]

großartig +

Ein kurzer Film über den Traum von einer grünen Wiese und von den leicht verleitbaren Frauen. Das freie Atmen. Der Alptraum von den miefigen Herren der Welt. Und der wunderbare Moment, wenn die eigenen Kinder einem Tür aufmachen, wenn die Polizei einen nach Hause bringt.

Stepping Out
(Saxon Logan, GB 1977) [blu-ray, OmeU]

großartig

Ein kurzer Film übers Aufstehen und Anziehen.

Sleepwalker
(Saxon Logan, GB 1984) [blu-ray, OmeU]

großartig +

Ein kurzer Film über die Unmöglichkeit mit diesen Menschen zusammenleben zu können. Erst die Hysterie der Dialoge. Dann die der blutgetränkten, benommenen Bilder von Raserei.

Freitag 17.01.

Un tranquillo posto di campagna / Das verfluchte Haus
(Elio Petri, I/F 1968) [DVD, OmU]

großartig +

Zu verkrampft um arbeiten zu können, um zu entspannen, um zu spielen. Künstler Franco Nero ist Überdruss pur … und ein trüber Junge. Selbst seine Träume legen sich wie würgende Schlangen um ihn, so dass Tentakel von der Leinwand nach dem unbedarften Zuschauer greifen, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht. Bild, Schnitt, Ton, Schauspiel, Themen, Inhalte, Ebenen, alles ist überladen, überspannt, überdeutlich, überanstrengend. Elio Petri gibt uns die Knute auf diesem sadistischen Ritt eines apokalyptischen Glücks.

Detour / Umleitung
(Edgar G. Ulmer, USA 1945) [DVD, OmU] 2

fantastisch

Schweiß, Dreck und speckige Ränder. Danach immer Zeit für eine Dusche lassen.

Mittwoch 15.01.

Wong Fei Hung II: Nam yee tung chi keung / Once Upon a Time in China II
(Tsui Hark, HK 1992) [blu-ray, OmU]

großartig

Das Schöne an ONCE UPON A TIME IN CHINA II … nein, nein, eins der schönen Dinge an ihm ist, dass die ganzen westeuropäischen Kolonialisten nur Snobs in Elfenbeintürmen sind, die von nichts eine Ahnung haben und nur ein Spielball – wenn auch im Vergleich zum einfachen Volk ein etwas reicherer – zwischen rechtsradikalen Hasspredigern, der korrupten chinesischen Regierung und linken Weltverbesserern sind. Tsui Hark macht die Vorgeschichte des Boxeraufstandes zu einer innerchinesischen Angelegenheit. Er holt ein ganzes Land aus der weltgeschichtlich gepredigten Opferstellung und verbreitert das Spektrum an Perspektiven … weg von einer einzigen chinesischen Position zu einem pulsierenden Land voller unterschiedlicher Menschen mit unterschiedlichen Sichtweisen und Entscheidungsmöglichkeiten. Er ist und war sicher nicht der Einzige, der dies tat, aber er prügelte seine witzige, träumerische Emanzipierung mit fliegenden Fäusten in internationale Gefilde.

Only Lovers left alive
(Jim Jarmusch, USA/D/F/UK/Z 2013) [DCP]

ok

Im Kino gewesen. Seekrank geworden. Zumindest in den Schraubbewegungen zu Beginn. Dann folgte ein Film, bei dem ich oft das Gefühl bekam, dass Jarmusch viel lieber Musiker geworden wäre. Die unsterblichen Blutsauger schwelgen fast ohne Unterlass über Gitarren, Musik, Bücher und Gedichte. Am Rand von etwas Trauer darüber, dass die Welt vor die Hunde geht, wird ein Kino in Detroit gezeigt, dass inzwischen eine Tiefgarage ist. Sonst keine Spur von Filmen als Gut. Muss ja auch nicht. Aber in einem Film, der vor allem von der Musik getragen wird, die der Regisseur mit einer Band selbst gemacht hat, klaffte diese Lücke doch etwas. Vll macht er ja nur Filme, weil er sich das getraut hat, während The Del-Byzanteens leider scheiterten. Vll interessiert ihn Kino auch nicht mehr so. ONLY LOVERS LEFT ALIVE würde es irgendwie nahe legen. Nicht weil er lustlos wirkt, sondern weil er in bestimmten Momenten lustlos wirkt. Die Atmosphäre ist toll, aber fürs Erzählen scheint er kaum noch den Nerv aufzubringen … ob in Bild oder Wort. Oft nur Listen von Dingen, die er toll findet. Nur genannt. Obwohl die Schrulligkeit dabei auch schon wieder sympathisch ist. Aber für viele der Dialoge fehlt mir wohl der Überdruss eines ewigen Lebens. Sie handeln von der Missachtung des teslaschen Genies durch die Menschen, von ihrer Missachtung alter Dinge, den globalpolitischen Sackgassen in denen sich die Menschheit immer wieder wiederfindet, wie sie vor Katastrophen die Augen schließen usw usf. Nicht das meine Desillusion gegenüber der menschlichen Rasse für solche Themen nicht ausreichen würde, aber für die schnöselige Art, mit der Hiddleston hier lieblos hingeworfene Stichworte aufsagt, da bin ich wohl durch das Bewusstsein, einmal durch den Tod erlöst/aus dem Leben herausgerissen zu werden, noch etwas zu wenig von Lauf der Dinge ermüdet. Nur Tilda Swinton reißt ihn und den Film mitunter in lebendige Bereiche. Die mittlere Episode war zudem toll, weil dort ein Mädchen auftaucht, dass als Jugendliche unsterblich wurde … auf ewig mit dem Hormonhaushalt der Pubertät geschlagen. Der Horror.

Dienstag 14.01.

Papaya dei Caraibi / Papaya – Die Liebesgöttin der Kannibalen
(Joe D’Amato, I 1978) [DVD, OmeU]

großartig

Voodoorausch, Sex, Palmen, Sonnenschein und ein klein wenig Gewalt gegen Atomkraft, Kolonialherrschaft und reine Vernunft. Die Optionen sind klar. Mitunter verstörendes Glück oder Angst. Und so relativ einfach und klar Sara die Entscheidung im Film fällt, so mögen wir uns mit D’Amato fragen, warum fällen wir sie eigentlich nicht.

Montag 13.01.

Miami Vice
(Michael Mann, USA 2006) [blu-ray, OmU]

radioaktiv

Das erste Lied im Abspann ist eine Nu Metal Version von Phil Collins‘ In the Air Tonight. Immer wieder waren Audioslave zu hören. Ich komme mit dieser Band, sowie großen Teilen genannter Musikrichtung wegen der Kälte, des Versteckens der Gefühle hinter durchproduzierten Wänden nicht klar. Aber diese Musik ist perfekt, weil alle in MIAMI VICE dies auch tun. Sie bauen Mauern der Kälte um sich, um sich vor jeder Peinlichkeit zu schützen. Vll werden sie es jedoch gerade erst dadurch. Ich finde es aber vor allem traurig, dies zu sehen. Zu viel von mir steckt darin. Vll sehe ich deshalb so gerne Filme in denen Menschen sich Peinlichkeiten aussetzen, weil es Helden für mich sind, die ihre Käfige abwerfen. Irgendwie kann ich dann auch freier atmen. MIAMI VICE erstickt mich eher. Er ist wunderschön anzusehen. Aber diese Figuren, die alle versuchen ihre Menschlichkeit abzuschaben, die sich als ungreifbare Phantome durch die Welt schmuggeln lassen, die jedem Con vorgreifen und einen Gegen-Con in der Tasche haben müssen, die nur mehr in süßlicher Melancholie schwelgen können, weil ihnen ihr Panzer zu viel abverlangt, die ihrer Coolness jedes Gefühl zum Opfer bringen … zu Audioslave, sie tun weh. Nicht weil es sie nicht geben würde, sondern weil sie so viel Sinn machen und mich vor einer Welt erschaudern lassen, von der ich nicht verstehe, wie sie wenigstens ab und zu diversen Menschen ein glückliches Leben bieten kann. Zu logisch scheint mir diese kalte Logik, die Gefühle verneint und sich nur vor anderen Wölfen schützen möchte. Mit anderen Worten, MIAMI VICE wirft zumindest mich kurzzeitig in einem plakativen, populistischen Wirbelsturm, der trotz des warmen Aussehens, es mir kalt den Rücken runter laufen lässt, weil Menschen zu Nu Metal in Limos mich erschaudern lassen.

Sonntag 12.01.

Sekkusu hantâ: Nureta hyôteki / Sex Hunter: Wet Target
(Sawada Yukihiro, J 1972) [DVD, OmeU]

verstrahlt

Der illegitime, japanische Halbbruder von Lionel Richie (mit doppelt so schönem Minipli) lernt durch die Vergewaltigung seiner Schwester … oder besser durch die Rache an den Tätern, welche eh nur arme Schweine sind, die sich auf den Weg nach Vietnam befanden, dass er nur Symptome bekämpfen kann. Traumatas soweit das Auge reicht und die Leute schlagen hysterisch um sich, um die Folgen der wahren Probleme zu bekämpfen. What else can a poor boy do?

Sex, Lies, and Videotape / Sex, Lügen und Video
(Steven Soderbergh, USA 1989) [blu-ray, OmU]

gut +

Moderate Entscheidungen sind für alle der Protagonisten ein Buch mit sieben Siegeln. Dass Andie MacDowell allergisch auf jede Erwähnung von Sex und Körperflüssigkeiten reagiert, weil sie nichts damit anfangen kann und sich von allen Seiten gerade zu diesen genötigt sieht, kann ich ja noch nachvollziehen. Aber dass James Spader, der sich zu Videos einen runter holt, in denen Frauen einfach nur über ihr Sexleben sprechen, eben diese Videos alle löscht, weil er mitbekommt, dass diese nur Krücken sind, da tut mir alles weh. Diese Hysterie der Heilung. Sicherlich ist das Verhältnis zu den eigenen Fehlern nicht einfach, aber deshalb melodramatisch den Schlusstrich unter alles setzen, was einen bisher anmachte … und weiter anmacht, nehm ich mal an … Und es ist eben nicht nur Spader, sondern alle reden und reden und erkennen sich selbst. Sie erkennen sich und die Guten erhalten eine Chance, wie die Bösen bestraft werden. Warum nicht einfach mal mit seinen Macken leben (lernen) … oder die Erkenntnis, dass Krücken nicht das Schlechteste sind, was einem hilft, durch dieses Leben zu kommen. Immer dieser illusionäre (wie beruhigende) Versuch die Figuren (und die Zuschauer?) vollständig zu retten. Soderbergh inszeniert dies alles aber zu düsteren Drones, sodass die Gespräche schwülstig wie bedrohlich werden. Wenn nur dieses faule Ende nicht wäre.

Sonnabend 11.01.

The Canyons
(Paul Schrader, USA 2013) [DVD, OF]

gut

Überdruss und Kontrollzwang. Ironie und Distanz zu allem und jedem. James Deens Figur erzählt zu Beginn ein paar Bekannten, dass er gerne fremde Männer zu sich ins Haus bestellt, damit diese seine Frau (Lindsay Lohan) bespringen mögen … bzw ihm selbst dabei zusehen. Dieser Spaß sei ihm gegönnt. Erzählen tut er es, weil er unterstreichen möchte, wie wenig es ihn kümmert, dass er es erzählt. Wir leben schließlich im 21. Jahrhundert, god dammit. Da wo die Menschen cool und aufgeklärt sind. Da wo jeder eine Garantie hat, dass alles schön ist und nichts ihm weh tut, da wir alles so einfach kontrollieren können. Doch das sind alles Illusionen … die Christian nur zu gerne glaubt. Nach vielen Diskussionen und leeren Handlungen, in denen sich THE CANYONS langsam gen Seelendrama und Psychopathennabelschau aufbaut, erweist es sich als perfektes Gefäß für seine Figuren.

Freitag 10.01.

Ruf der Wälder
(Franz Antel, A 1965) [DVD]

großartig

Geh nicht! Darf nicht! Ist verboten! Der italienische Mechaniker Marcello will nur lieben, aber die netten Menschen kommen ihm mit Realität und die Paragraphenreiter und Fremdenhasser, weit in der Überzahl, mit Zucht und Ordnung. Und nach Unmengen von Demütigungen vollfüllt sich die Prophezeiung, aus Marcello wird ein Schuft. Vll hat er den RUF DER WÄLDER ja überhört. Denn es mag einem scheinen, dass der Film einem sagen möchte: „Flieht! Flieht! oder ihr müsst bestenfalls opportun mit diesen Menschen zusammenleben“. Idyllischen Naturaufnahmen und süßen Hundegeschichten künden von der Schönheit von Wald und Wiesen. Viel Platz wird ihnen geboten. Doch das ach so ansehnliche Österreich ist bewohnt von einer riesigen Parade von trüben Verzichtern, welche die Leere von ANGST ESSEN SEELE AUF mehr als aufgesaugt haben und nun jeder Leidenschaft schon den Riegel vorschieben, wenn sie nur die Möglichkeit von Missgunst ahnen – und mehr noch, die alle belehren wollen, die noch etwas Mut im Herzen haben – und hasserfüllten Miesepetern, die keine Untat auslassen um der Welt zu beweisen, was sie mit Sicherheit wissen, dass nämlich Italiener Unmenschen sein müssen, weil sie fremd sind in dieser Schönheit und sich viel zu viel rausnehmen … weil sie keine feinfüllenden, tugendhaften Menschen sind, wie sie selbst. Der Naturkitsch, so kurz vor der Kernschmelze wie er ist, ist da dann doch das bessere Los. Eine kaum ernst zu nehmende Alternative, die nur zeigt wie verzweifelt und düster das Leben mit den Menschen im ach so schönen Österreich (und Deutschland) sein muss.

Donnerstag 09.01.

Chou tin dik tong wah / An Autumn’s Tale
(Mabel Cheung, HK 1987) [blu-ray, OmeU]

großartig

Ich kann diesen Romantisierungen des guten, alten postapokalyptischen New Yorks nicht wiederstehen. Chow Yun-Fat mit seiner untüvbaren Karre – von oben bis unten mit räudigen Graffitis vergoldet – die Straßenzüge voller Schlaglöcher, Müll und Mietskasernen, die maroden Häuser mit der sehr individuellen Elektrik, dem Schimmel und dem bröselnden Putz. So viel Wärme. Nicht wie in Uptown, wo sich hinter ehrbaren Masken Grapscher und Nötigung verstecken. Cherie Chung kommt als Jennifer (immer wieder ruft Chow Yun-Fat: „Jenifa! Jenifa!“, wer spürt da nicht die Liebe im Herzen) nach New York und ihre Wunschträume enden brutal in einer solchen Wohnung, von der sie sich nicht hat träumen lassen, dass sie existieren. Wer will es ihr verübeln, sieht sie diese doch nicht sofort wie wir in diesen traumhaften Bildern. Es entspinnt sich eine ramontische Geschichte zwischen ihr und ihrem Cousin x. Grades (Chow), die wohl mehr Jenifas Verhältnis zu der sie umgebenden Welt zeichnet. Ihr Wünsche nach einem geregelten, guten Lebens, ihre Unfähigkeit an einem solchen Ort voll Freiheit und Unsicherheit zu leben … mit den dortigen Bewohnern, aber auch ihre innige Liebe zu diesem. Wenig Neues oder Originelles hält dieser bitter-süße Wunschtraum vll bereit, aber wie er es mit überschwänglicher Liebe zu seinen Figuren und Orten erzählt … hach, da ist dieses New York nur das I-Tüpfelchen.

Sonntag 05.01.

La curée / Die Beute
(Roger Vadim, F/I 1966) [35mm]

gut

DIE BEUTE war vor vielen Jahren das dritte Buch, welches ich von Emile Zola gelesen habe. Eine Trunstwand vor die ich unvorbereitet gefahren bin. Die beiden Bücher davor waren riesig und dies hier über große Strecken unlesbar. Die Archäologie des Pariser Immobilienspekulationsmarktes im Zweiten Kaiserreich detailliert aufgezeichnet. Jede Straße wurde genannt und ihre Umwälzungen erklärt. Saccard wurde dabei reich. Die Handlung zäh und leblos. Ich ward erdrückt unter einem tonnenschweren lustfeindlichen Klumpen Lehm … der plötzlich gegen Ende schmolz und sich in Geifer und Körpersäfte auflöste. Wie so oft bei Zola, wie ich später lernen sollte, preschte er erst los, wenn er seinen Sinnen überlies, was sein taub gewordener, entkräfteter Kopf tröge aufgebaut hatte. Er war ein König unter den Schriftstellern, der Wahnsinn, Verzweiflung, Lust und Romantik wie kaum jemand anderes aus seinen Geschichten fließen lassen konnte, wenn, ja wenn er sich endlich einmal an seinem naturalistischen, wissenschaftlichen Aufbau abgearbeitet hatte. Unendliche Aufzählungen und genaue Milieubeschreibung am Anfang, Irrsinn, Raserei und Verderbtheit am Ende. Mit Zola verbinde ich Schwere, überreife, manchmal ekelerregende, manchmal lüsterne Schwere … in Dekadenz wie im Hungertod. Vadim hat DIE BEUTE genommen und einen wunderbaren leichten Film daraus gemacht, der nie auch nur mit einem Wort die Arbeit von Saccard erwähnt und der ab und zu die schwere Verkommenheit des Originals atmete … aber genau dann war er am schwächsten. Mir schien es, dass der Film hüpfen wollte und nicht mit überlebten Menschen in stickigen Gewächshäusern Giftblumen essen … Vadim brachte immer wieder Verweise auf das Original, aber sie schienen eher aus Pflichtbewusstsein dort zu sein … oder weil sie ihm gefallen hatten … in seinem Film fühlten sie sich aber falsch an, leer. Natürlich ist es kindisch einen Film nicht zu mögen, weil er nicht wie das Buch ist, auf dem er basiert – besonders wenn ich mit diesem eine Hassliebe verbinde – aber es schwebte immer vor meinen Auge und lenkte Vadim … vll auch nur mich von der wunderbaren Jane Fonda ab, von Michel Piccoli und Peter McEnery … und zurück bliebt ein belebter schöner Film mit einem tollen Ende, der mein Herz irgendwie verfehlte.

Erotische Tempelfeste in Japan
(???, BRD? 196?) [35mm]

???

Leider kann ich mich fast gar nicht mehr an diesen Kulturkurzfilm erinnern, der die Freude des ottonormalen Deutschen spiegelt, wenn er erfährt, dass Penisse in Japan kultisch verehrt werden.

Nikutai joyû nikki / Ungezähmte Erotik
(Yamamoto Shin’ya, J 1968) [35mm]

(ok)

Eingeschlafen bei langen Fahrten durch eine japanische Großstadtnacht. Einiges Tolles gesehen. Vieles was mir nichts sagen wollte. Aber eben noch mehr verschlafen. Der Erotik-Begriff der 60er Jahre wurde während dieses Kongresses aber auf faszinierende Weise ausgeleuchtet. UNGEZÄHMTE EROTIK und QUELLEN DER EROTIK und überall Gewalt und Vergewaltigung. Dieses Wort hat scheinbar einen langen Weg hinter sich.

New York City Inferno / Cock Tales
(Jacques Scandelari, F 1978) [VHS]

radioaktiv

Herber Sex. Viel herber Hardcoresex. Dazu kaum Dialog und romantische Briefe zwischen den Szenen. Alles spielt in New York, wo ein Franzose seinen Liebhaber sucht, der das Village nicht mehr verlassen möchte. Die heruntergekommen Straßen, der Dampf aus den Gullideckeln und der repetitiv laufende Soundtrack, der fast nur aus frühen Village People Songs besteht, geben NEW YORK CITY INFERNO aber einen wunderbaren Groove. Mein Fuß wippte, weil er quasi auch den schönen René Weller auf der Tanzfläche sah, und ich war etwas neidisch, nicht mit einem Walkman durch eben diese Straßen laufen zu können. Und gerade als ich vergessen hatte, dass dieser Film ein Inferno im Namen hatte, brach es los. Eine audiovisuelle Dampfwalze, die ich bis jetzt nicht verarbeitet habe. Wuff. Fleisch.

Geheime Lüste blutjunger Mädchen
(Jürgen Enz, BRD 1978) [35mm]

fantastisch

Der bestmögliche Abschluss. Leider die letzten Minuten verpasst, weil mein Zug gen Heimat um 5Uhr ging. Was ich aber sah gehörte zu dem Schönsten was Enz je gemacht hat. Angst vor Sex und unerfüllte Lust mal als Märchen, in dem alles Schön ist.

Sonnabend 04.01.

Jeunesse perdue / Der Perser und die Schwedin
(Akramzadeh, S/GB 1961) [35mm] 2

großartig +

Beim erneuten Sehen ist mir erst aufgefallen, wie oft der Film Pause macht. Wie er Tänzer und Tänzerinnen Platz gibt und mit riesigen Fugen die Handlung zusammenhält. Und gerade hier liegt auch das Tückische in diesem Großreich des Fragmentarischen. Gerade dadurch atmet er, weil kein Korsett ihm den Atem nimmt. Wenn also recht früh der sinnlichste aller möglichen Flamencotänzer wenig geschickt inszeniert wird, wie er auf dem Boden trampelt, dann bringt das wahrscheinlich niemanden voran, aber wir haben die Möglichkeit eine Welt zu erkunden, von der uns niemand vorschreibt, wie wir sie zu sehen haben. Wir entdecken sie, wie die Macher sie auch erst entdecken. Ein naives Monument faszinierter Freiheit.

Cover Girls / Cover Girls – die ganz teuren Mädchen
(José Bénazéraf, I/F 1964) [35mm]

fantastisch

Es ist ein bißchen wie am Meer oder vor einem Feuer zu sitzen und die Gedanken schlendern zu lassen. Oder zu träumen und viel Aufregendes zu erleben. Später einmal können wir uns meist nur an Fetzen erinnern. Das Gefühl aber bleibt. Ich glaube nicht, dass ich eine kohärente Geschichte auf der Leinwand erlebte. Aus irgendeinem Grund schien mir der Träger dieses Traumes eine mittelalte Frau vor einem Kamin zu sein. Aber wer weiß. Weder kann ich mich rühmen in ihren Vorstellungen Spannendes entdeckt zu haben. Noch will mir klar sein, was da mit mir passierte. Aber es war beruhigend und wunderschön. Die Bilder, die Dialoge, die Motive, die Obsessionen, der Kitsch, das neben einander Stehende, dass einen freien Blick gewährt, dass mehr entfacht, als es selbst ist. Vll wirklich einfach nur schön.

Farbige Liebelei
(Kurt Baum, BRD 1956) [35mm]

gut

Erstaunlich vorurteilsfreier Kulturfilm, der eine Heirat in einem afrikanischen Stamm nachzeichnet. Ein bißchen wie die Disney Tierfilme vll, aber ich bin mir sicher Kurt Baum hätte das auch in der Form mit seinen westdeutschen Mitmenschen gemacht … falls er es geschafft hätte, eine so fröhlichen, menschlichen Perspektive auf all die Tristesse zu finden.

Otto Lara Rezende ou… Bonitinha, Mas Ordinária / Quellen der Erotik
(J.P. de Carvalho, BR 1963) [35mm]

radioaktiv

Rudolf Lubowskis Synchronisation taucht diese Vergewaltigungsseifenoper wohl noch mehr in den verständnisvollen Schmier. Vll war sein Tun auch der Versuch ein Zitatebuch der Unfassbarkeit zusammenzustellen, in der jeder möglichen Form von Schmierigkeit, die ein Mann einer Frau sagen kann, noch die Krone aufgesetzt werden soll. Wir können ihm gratulieren, er war erfolgreich.

Die Liebesquelle
(Ernst Hofbauer, BRD 1966) [DVD]

gut +

Langsam setze zu später Stunde die Müdigkeit ein. Ich weiß noch, ich hatte viel Spaß mit dem Film. Meine Erinnerungen bringen aber nur Einstellungen von Menschen hervor, die sich hinter dem Wasserstrahl einer pissenden Kinderstatue befinden. … und wie Eddie Ahrendt sich nach einem Schluck aus der Liebesquelle von einem pedantischen Duckmäuser in einen Frauenschwarm verwandelt. Ein unterschätzter Schauspieler, er, der dies alleine Danks seiner Mimik darstellt.

Anatomie des Liebesaktes
(Hermann Schnell, BRD 1971) [35mm]

uff +

Der Moment dieses Kongress war wohl, als ich nach diesem Film am Pissbecken stand, das Leben langsam in meine Glieder fuhr, nachdem die ANATOMIE DES LIEBESAKTES sehr gut gemeint auf die Technik des zwischenmenschlichen Körperflüssigkeitenaustausches bestand und repetitiv gemächlich und seehr deutlich erzählte, wie der Penis wo in den möglichen Stellungen stecke und was er stimuliere, auf dass auch die Frau ihren Spass habe – dabei aber Körperflüssigkeiten, Geschlechter, Gefühle und Leben nicht nur vermissen lies, sondern all das in mir ausdörrte – und Alex K. sich nun ebenfalls zum Erleichtern neben mich stellte und sagte: „Ich stecke meinen Penis über das Pissbecken und stimuliere die Urinsteine.“ Wäre ich etwas mehr am Leben gewesen, hätte ich auch gelacht. So war es der Defibrillator, der nötig war.

Freitag 03.01.

Le vampire de Düsseldorf / Der Mann, der Peter Kürten hieß
(Robert Hossein, F 1965) [dvd, OmeU]

großartig +

Robert Hossein spielt Peter Kürten als ob Jerry Lewis eine Kreuzung aus Chaplins Tramp und Schrecks Nosferatu erschaffen möchte. Der Effekt stimmt, er ist maximalst unangenehm. Der Sarg seines Körpers ist der Sarg seines Geistes. Ein Mensch, ein Krampf, der sich in Messerstichen löst. So schlicht psychologisiert, wie das alles scheint, ist es aber nicht, weil Hossein nie referiert, was diesen Vampiren eigentlich antreibt. Nie wird klar, was er will … außer in der Nähe seiner geliebte Tänzerin zu sein. Aber auch was er von dieser will, die er wie eine Motte das Licht umkreist, wird nicht klar. Nur in einer Szene gegen Ende, als er wie aus dem Nichts eine Notiz an die Polizei schreibt und von seiner Verachtung ihr gegenüber kündet, da erfahren wir das erst Mal, dass ihm überhaupt bewusst ist, was er da macht. Ein wandelndes Rätsel, dessen Schrecken vor allem in dem fehlden Drang zum Verstecken liegt. Er mordet und kümmert sich nicht um die Gesellschaft, die vor ihm zittert, ihn aber trotz fehlender Dezenz nicht findet. Diese ist eben ehe außer Tritt geraten. Nazis marodieren durch die Straßen, sicher ist eh niemand mehr. Aber vor allem ist da Peter Kürten, der nichts Falsches an seinen Taten erkennen lässt, der wie ein kalter Hauch in einen eindringt, so dass ich danach an einer U-Bahn-Station in Nürnberg auf die Bahn wartend rastlos umher ging, weil ich nicht neben den anwesenden Frauen stehen konnte, ohne mich wirklich schäbig und (fälschlicherweise?) ertappt zu fühlen.

Les filles sèment le vent / Die Ernte der sündigen Mädchen
(Louis Soulanes, F 1961) [35mm]

großartig +

Der Schweiß, der den geschundenen Körpern bei der Ernte in der Sonne herunterläuft. Der Frust der Enge der Unterkunft wie des Geistes. Der Überdruss ob der Großmäuler, die entweder alles für einen machen oder sich verzehren, aber trotzig wie kleine Hunde reagieren. Die Lust einmal etwas zu erleben … Liebe oder einen Fick. Die Ernüchterung durch die begrenzten Möglichkeiten. Fleisch, Körper, Flüssigkeiten und alles was dem im Weg steht. Intrigen und Rache. Die Ernte der sündigen Mädchen.

Barbara
(Walter Burns, USA 1970) [35mm]

verstrahlt

Nur ein Fragment des Ganzen. 40 der wohl 90 Minuten. Ein Pärchen treibt es am Strand. Als sie fertig sind, kommt ein Mann hinzu und zwingt sie zu ihrem Glück. Die Grenzen zwischen den Körpern und Sexualitäten verschwimmen. Und dazu hören wir Straßenbefragungen über Sex. So fängt es an. Es folgen Reden von Kennedy zu mehr Sex. Ein Mann, der doggy style etwas zu wörtlich nimmt, aber wenigstens nicht den Hund malträtiert. Und und und. Und dann hört es unvermittelt auf. Walter Burns will nicht viel, sondern alles. Den ganzen Status Quo menschlicher Sexualität künstlerisch beleuchten und den Zuschauer rütteln und erwecken. So scheint es zumindest mir. Es geht alles schief. Am Ende ist das Faszinosum nicht der Sex, sondern dieser Film, der mich an GOOD TIMES, WONDERFUL TIMES erinnerte und an die Internationale Essener Songtage, wo diskutiert wurde, ob weiter diskutiert werden solle oder auch mal eine Band spielen dürfte. Aber eben nicht nur ein wundervolles Dokument seiner Zeit, sondern auch seines unverschämten Willens zur Kunst, der tatsächlich naive, unschuldige Bilder mit seinen Tonspuren ob des Ballastes in den mannigfaltigen Kurven des Themas immer wieder entgleisen lässt.

La philosophie dans le boudoir / Das Paradies
(Jacques Scandelari, F 1971) [35mm]

(verstrahlt)

Nach dem in BARBARA die Müdigkeit sich erstmals meldete, schlug sie hier erstmals wirklich zu. Ein buntes Karussell umkreiste meine Wachphasen, in dem DAS PARADIES gar nicht so paradiesisch schien. Sehr brav herrscht ein weißer, heteronormativer Mann in einer Machowelt, die nicht ansatzweise so aufgeschlossen war, wie sie sagte. Die auch nicht die Freuden aus dem Garten der Lüste bereithielt. Unter dem Schangel wartete viel Tristesse, wie meinem zunehmend vernebelten Geist schien. Ein Film wiederum, in dem sich eine Frau mit Fischen, Aalen und Tintenfischen im Bett aalt, kann aber einfach auch nicht schlecht sein. Was nun?

Skaterdater
(Noel Black, USA 1966) [35mm, OF]

großartig

Ein kleiner, kurzer Film über Sommer, Jugend, Sonnenschein, über Coolness in der Pubertät und die erste Liebe. Mit SKATERDATER liege ich gerne unter einem Baum.

It’s All for Sale / Mysterien der Pornographie
(Alexander Maxwell, USA 1969) [35mm]

großartig

Einiges Verschlafen, aber was ich sah, war wunderbar. Ein Sexologe begibt sich uneigennützig in die Unterwelt urbaner Sexwelten. D.i. Swinger Clubs, Massagesalons, Fotoshootings usw. usf, die er mit seiner in einer kleinen Tasche versteckten Kamera aufnimmt, die er ganz nonchalant im Zimmer platziert. Die Aufnahmen sind so statisch, wie sie voller Freude sind. Voller Freude darüber, dass dem unbeleckten Zuschauer Unglaubliches, Fantastisches vorführt wird, dass direkt vor seiner Haustür hinter den Gardinen lauern kann. Voll Freude, dass alles nur Täuschung ist, die ganz unschuldig seine Figuren platziert, welche den Millionen Spannern auf der anderen Seite der Leinwand ihre Körper so bieten, dass es keck ist, aber nicht explizit. Nein, nein, ihr wisst nicht, dass wir da sind. Mit einem zauberhaften Schnitt, der ganz realistisch uns nur das Wichtigste zeigt und uns ganz nebenbei sagt, dass es da noch soviel mehr gibt. Voll Freude, dass hier Wissenschaft und Feldforschung betrieben wird, wie es nur Kinder können, kurz bevor sie losprusten müssen. Es gibt viel zu lernen, also warum nicht auch mal dem Doktor mit seinem Projektor glauben, der nur an uns denkt und sich dabei strahlt.

Die Klosterschülerinnen
(Eberhard Schröder, BRD/F 1972) [35mm]

(großartig )

(Ich war mit Schlafdefizit angereist und dem zahlte ich zunehmend Tribut. Beim Schlaf während MYSTERIEN DER PORNOGRAPHIE verlegen und neben den fallenden Augen nun auch mit einer schmerzende Schulter ausgestattet. Wahrscheinlich hätte ich den Film gemocht, wenn ich nicht entweder schlief oder mich wand.)

Donnerstag 02.01.

Timecop
(Peter Hyams, USA 1994) [blu-ray, OmU]

gut

Bergige weiße Männer, die vokuhilate Samoanerprolls spielen, sollte es mehr geben. Aber was war denn in den Actionsequenzen los?

Mittwoch 01.01.

Vampire’s Kiss / Vampire’s Kiss – Ein beißendes Vergnügen
(Robert Bierman, USA 1988) [DVD, OmU]

großartig +

Nicolas Cage hätte seinen Oscar schon viel früher bekommen müssen. Er fügt sich in die Geschichte von der Liebe eines Yuppies zu Krankheit, Verfall und Lüsternheit, eines Yuppies, der sich in einer Mischung aus Selbstverliebtheit und -verachtung entscheidet, dass er ein Vampir sein muss, dass er Strafe verdient hat und die Nemesis der holden Weiblichkeit ist. Hysterisch überschätzt er sich in jeder Hinsicht und bekommt von seinem Umfeld, von der Welt recht … bis er in einer wunderschönen Tour de force untergeht. Und niemand anders als Cage hätte diesem wunderbaren Wahnsinn sein Gesicht besser verleihen können. Niemand anderes könnte so präsent in diese wunderschönen Bilder einer verlorenen Welt springen und alles an sich reißen, dass es beim Zusehen weh tut. Ein Meister, der vll nachts aufsteht um auf die Asche der Dezenz zu pissen, der aber dort hingelangt, wo Schönheit und Zurückhaltung verpuffen.

Und ewig singen die Wälder
(Paul May, A 1959) [DVD]

großartig

Als der Spiegel zersprang, alles im Feuer aufging und Gert Fröbe in die Kamera lachte, als wollte er Bette Davis in Sachen rasendem, narzistischem Hass Konkurrenz machen, dann verendet auch ein tief verankerter Glauben in mir, lange angelernt, dass im Heimatfilm immer alles schön und harmonisch sei … in der Handlung und im Aussehen. UND EWIG SINGEN DIE WÄLDER verschlingt seine Figuren. Liebe und Hass sind hier so blind, wie Justita sein sollte. Reflektieren ist hier das Merkmal von den größten Trüblingen, die sich rechtzeitig in Sicherheit bringen und aus dem Film verschwinden … wenn auch manche zur Rettung der Moral zurückkommen und die Hoffnung nicht ganz sterben lassen müssen. Unter der Haut der restlichen Menschen schwelt aber ein Großbrand, von dem sie keine Ahnung haben und deshalb in ihrer unbefleckten Qual nur Holz nachwerfen. Sie wollen sich und andere vll in kalten, realen wie sozialen Gemäuern gefangenhalten, so dass der schlußendliche Ausbruch erschreckend, monumental wie traurig wird. Egal wieviel Hoffnung hinten noch nachgeschoben wird, verheerend.

The Fugitive / Auf der Flucht
(Andrew Davis, USA 1993) [blu-ray, OmU] 7

großartig

Mit zehn bis zwölf habe ich scheinbar langsam begonnen Berichterstattungen über Filme wahrgenommen. Oscar, kostenlose Zeitschriften in Kinos und so weiter. Verzerrt und mit naiven Erwartungen glaubte ich viel einfach vom Fleck weg und in meinem Kopf bauten sich DER LETZTE MOHIKANER und AUF DER FLUCHT als Überwerke auf, die einen wegblasen müssen und nichts anderem in ihrer Wirkung gleichen. Warum es gerade die waren, kann ich nicht nachvollziehen, nur schwache Erinnerungen an Tommy Lee Joney in Fernsehschnipseln und an Daniel Day-Lewis in einem dieser dünnen Heftchen von mieser Qualität, die damals untrennbar mit Kinovorhallen verbunden waren … als ich sie jedenfalls jeweils sah, war ich sehr enttäuscht. Es waren nur Filme, wie andere auch. Nach AUF DER FLUCHT mag ich wohl an IST DAS ALLES? von den Ärzten gedacht haben. Ich war jung. Ich habe ihn immer mal wieder gesehen, weil er ja ganz nett war und er irgendwie noch etwas Vesonderes durch die übermenschlichen Fantasien hatte, die ich mit ihm verband. Doch die patenten, betörenden Wort hier und hier haben Andrew Davis im Allgemeinen und AUF DER FLUCHT im Besonderen wieder auf den Schirm gebracht und als no nonsense Geschichte von erdigen Menschen ist er großartig und entwickelt eine Sogkraft, die er nie hatte als ich ein Mammutwerk erwartete. Elegant treibt er seine Figuren voran, lässt ihnen Raum sich nicht abzuhetzen, legt ihnen Worte in den Mund um sie zu lieben und ist doch einfach nur on point. Eine wunderbare Entdeckung, die ein lange ausstehendes Versprechen einlöst.

3 Antworten zu “STB Robert 2014”

  1. Alex on Januar 17th, 2014 at 00:04

    Sehr schöne Kongresseindrücke. 😉 Hattest du den Vampir von Düsseldorf vorher noch am selben Tag gesehen? :O

  2. Robert on Januar 17th, 2014 at 11:16

    Ich habe von meinem Mitbewohner ein Netbook geliehen und ihn in der Bahn auf dem Weg zum Kongress geschaut. Christoph hat mich auch gleich zu Recht wegen den unmöglichen Bedingungen gerügt, aber das fahrend, konstant bewegende, hat auch zum Film gepasst. Aber er sollte wirklich mehr Platz zum Genuß haben, als in dieser prall gefüllten Fußgängerzone, die sich ICE nennt. Meist lese ich immer auf den Wegen zum Kongress, aber das geht auch mal.

  3. Sano Cestnik on Juni 23rd, 2014 at 07:00

    Ja,ja, mal wieder fleißig am Lesen in deinem Sehtagebuch.

    FLORA ON THE SAND war aber auch ein Delirium aus depressiv-erhabenen Momenten. Würde ich gerne nochmal sehen. Wie auch überhaupt alle Ko Nakahira-Filme dort. Freue mich schon wahnsinnig auf die nächsten Gelegenheiten weiteren Nakahira-Filmvorführungen beiwohnen zu können, und habe nach einem Gespräch mit einer Bekannten von mir auch die Zusage bekommen, dass sie mir eventuell ein paar seiner Filme auf DVD aus Japan mitbringt. Auch ohne Untertitel ein verlockendes Angebot.

    THAT GUY AND I hat mich übrigens, parallel zu deinen Assoziationen, stark an japanische „Familienfilme“ der 50er erinnert, als deren bewusste Parodie mir der gesamte Film angelegt zu sein schien, was natürlich ein doppeltes Vergnügen war: Biedere Farbfilm-Ästhetik und Atmosphäre der damaligen Zeit und deren permanente Subversion. Ich habe vermutlich während dem ganzen Film ein schmieriges Dauergrinsen im Gesicht gehabt.

    Um die bisherigen Shaw-Brothers-Veröffentlichungen auf Blu-Ray habe ich einen großen Bogen gemacht. Was die Shaw Brothers-Rechteverwalter da bereits Anfang der 2000er für die DVDs zurchtgeschustert hatten war schon äußerst unschön, bei den Blu-rays erscheint es jetzt als das visuelle Grauen. Aber vielleicht gibt es bald Abhilfe, zumindest was das Aussehen des Bildes angeht: http://www.schnittberichte.com/news.php?ID=7367 – mit den verschlimmbesserten Tonspuren und den zahlreichen Einzelbildentfernungen werden wir aber wohl vorerst noch lange Leben müssen…
    Auf dem nächsten Kongress gibt es dann zumindest einen Chang von 35mm – wenn auch nur in Deustch und (wie oft üblich) stark um Handlungsszenen gekürzt.

    Ja, DIE HEXE UND DER ZAUBERER ist wahrlich ein großartiger Film. Bei deinen Ausführungen musste ich mich wieder an ein Bild des Schreckens erinnern, als ich als dreijähriger Knirps mitansehen musste, wie sich mein bester Freund, damals 5, mit übereifer und fehlendem Geschick, unter großer Anfeuerung seines Vaters, mit einer großen Handsäge abmühte. Dass dabei keine Gliedmaßen verloren gingen, erscheint mir auch heute noch wie ein Wunder. Aber früh übt sich…

    Und danke für den Bild-Link im Puffball-Text. 😯 … So eine Pflanze möchte ich jetzt auch sofort haben. 😀