Berlinale 2010: Zwischenstand
Andreas
Die Tendenz meiner diesjährigen Berlinale-Auswahl geht eindeutig in Richtung alter Filme. Nachdem ich letztes Jahr fast nur auf der 70mm-Retro rumhing, hatte ich mir für diese Berlinale eigentlich vorgenommen, vor allem neue Filme zu sehen. Beim genaueren Blick auf das Programm erübrigte sich dieses Vorhaben dann aber schnell. Auch wenn man der Retro, der Hommage und auch dem Forum-Special mit gutem Recht vorwerfen kann, eine nicht allzu originelle und auch nicht allzu entdeckungsreiche Auswahl aus der Festival-Historie anzubieten, sondern sich zu weiten Teilen eher auf Kanonisches zu konzentrieren, so findet sich angesichts der schieren Quantität an alten Filmen darunter dennoch so manche seltener gezeigte Perle und es ist nebenbei auch eine gute Gelegenheit, den ein oder anderen noch nicht gesehenen Klassiker nachzuholen. Zumal, wenn sich das Angebot an neuen Filmen mal wieder sehr durchwachsen präsentiert und zu weiten Teilen eher wie ein Minenfeld erscheint, bei dem das Risiko eines üblen Fehltritts wohl deutlich höher als die Chance einer unerwarteten Entdeckung ist. So zumindest der zunächst nur oberflächliche Eindruck, der sich beim Gespräch mit anderen Festivalbesuchern und beim gelegentlichen kurzen Blick ins Netz allerdings zu bestätigen scheint, denn unter den Leuten, die vor allem (oder sogar ausschließlich) neue Filme sehen, scheint kaum jemand dabei zu sein, der mit seiner Ausbeute auch nur halbwegs zufrieden ist (Extrembeispiel: Neil Young im Notebook von The Auteurs, der sich bislang offenbar regelrecht durchs Festival quält). Insofern ist es wohl nicht die schlechteste Idee, sich dann im Zweifelsfall lieber für einen eher selten (zumal im Kino) zu sehenden alten Film statt für einen abschreckend klingenden neuen Film zu entscheiden. Natürlich ist man auch bei den alten Filmen nicht vor Fehlentritten gefeit, aber insgesamt doch bei weitem sicherer und vor allem zufriedener unterwegs, auch wenn es ein bisschen bedauerlich ist, dass man sich mit einer solchen Vorgehensweise dann doch etwas um die Möglichkeit bringt, unverhoffte neue Entdeckungen zu machen. Aber der Preis dafür (in Form von ärgerlichen Fehltritten) erscheint mir dieses Jahr einfach zu hoch, vor allem das Programm der Sektion Panorama präsentiert sich 2010 zumindest auf dem Papier durchwachsener denn je (vom Wettbewerb mal ganz zu schweigen, zumal dort einiges auch schon bald regulär im Kino zu sehen ist), und auch weite Teile des Forums lassen echte Vielfalt und Überraschungen vermissen. Insofern beschränkt sich meine Ausbeute an neuen Filmen dieses Mal wohl auf nur eine Handvoll ausgewählter Sachen (und einige Filme, die ich eigentlich sehr gerne gesehen hätte, habe ich dann kurzfristig doch aussortiert, im Falle von Schanelec, Arslan oder Scheffner wegen des ohnehin baldigen Kinostarts, wodurch zumindest eine Sichtungsmöglichkeit im kommunalen Kino des Vertrauens garantiert ist, oder im Falle von Graf, auf den ich mich eigentlich sehr freue, aber keine Lust auf eine dann doch eher Kino-unwürdige DigiBeta-Projektion habe und mir den Zehnteiler dann lieber bei der baldigen TV-Ausstrahlung ansehe), wobei sich durch die Dominanz der alten Filme dann auch ein bisschen erübrigt, hier irgendwelche zeitnahen „Live“-Berichte zu posten, zumal das durch eingeschränkten Internetzugang sowie Zeit- und Motivationsmangel sowieso mal wieder schwierig geworden wären. Zumindest ein kurzer Zwischenstand der bislang – eben auch dank der vielen und überwiegend sehr guten alten Filme – sehr zufriedenstellenden Ausbeute mit den vorläufigen Höhe- und Tiefpunkten in knapp gehaltener Listenform bietet sich jedoch an. Der sieht dann nach 6 von 10 Tagen (den ersten Donnerstag, wo außer den Eröffnungsfilmen nichts zu sehen ist, zähle ich nicht wirklich dazu) ungefähr so aus:
Gesehene Filme: 29 (in 27 Screenings)
davon: 20 alte Filme, 9 neue Filme
Alte Filme
Favoriten (Auswahl): Dust in the Wind, Rio das Mortes, Il Cristo Proibito
Enttäuschung: The Tales of Hoffmann
Gurken: Central Station, Genealogies d’un crime
Neue Filme
Favoriten: Double Tide, Caterpillar, La Pivellina
Enttäuschung: Eastern Drift
Gurken: Waste Land, Vihir – The Well
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Sano
Dieses Jahr wollte ich nach langer Zeit wieder die Angewohnheit, aktuell von einem Festival zu berichten, aufnehmen. Das letzte Mal ist inzwischen schon 4 Jahre her – passenderweise die Berlinale 2006. Filmtagebuch, jeden Abend ein kurzer Fließtext zu (allen) Erlebnissen. Da ich es aber mal wieder nicht auf die Reihe bekommen habe mein Programm rechtzeitig zum Festivalbeginn fertigzustellen, musste ich bis vorgestern (da ist es mir dann doch gelungen) Abends noch stundenlang daran werkeln. Filmtagebuch gibts also rückblickend nach der Berlinale (erster Tag ist schon geschrieben, die Hälfte einer Filmkritik ebenso). An dieser Stelle aber zumindest eine kleine Rückschau der besherigen 7 Festivaltage. Da in den ersten zwei Tagen wesentlich weniger Filme liefen, ist diese Zwischenbilanz vielleicht auch eine Art Halbzeit. Endstand gibts am Ende natürlich auch. Kurz anzumerken wäre aber an dieser Stelle auf jeden Fall noch, dass die Zwischenbilanz bisher äußerst positiv ausfällt. Fast nur tolle Filme nach 6 Tagen Filmmarathon hatte ich bisher nur selten (und bei der Berlinale schon mal gar nicht), und das Erfreulichste dabei ist, dass ich nach einigen leidvollen Jahren wohl endlich meinen schmerzlich vermissten Riecher für neue Filme wiedererlangt habe. Wenn es bei mir nach dem Ausspruch einer Besucherin ginge, deren nüchternes Fazit lautete, dass es wohl im Schnitt bei acht gesehenen Filmen einen sehenswerten gäbe, hätte ich das Filmeschauen auf der Berlinale schon längst aufgegeben.
Gesehene Filme: 29 (in 25 Screenings)
Neues: 11
Sehenswert: 11
Uninteressant: 0
Bester Film: Der Räuber
Benjamin Heisenberg Österreich, Deutschland 2009
Altes: 18
Sehenswert: 16
Uninteressant: 2
Bester Film: Lian lian feng chen „Dust in the Wind“
Hou Hsiao-hsien Taiwan 1986
Na, bei solchen lauwarmen Rückmeldungen (zumindest die neuen Filme betreffend) bin ich nicht mehr ganz so frustriert, dass ich dieses Jahr nicht mitkommen konnte denn auch ich hätte mich vor allem auf neue Filme konzentriert (bzw. es versucht) nachdem ich so erschütternd wenig gesehen habe letztes Jahr (und ich es inzwischen ja nicht mehr ganz so attraktiv finde, bekannten Klassiker nur um der Kinosichtung willen nachzujagen sofern es sich nicht um ausgesprochene persönliche Kultobjekte handelt).
Eigentlich hatte ich ja insgeheim auch gehofft dass ihr es vielleicht doch so macht wie Thomas Groh und zahlreiche andere agile und beruflich schreibende Cinemenschen: Mit Laptop von Kino zu Kino und direkt von dort oder aus umliegenden Cafes einige beeilte Worte, wenn zwischen zwei Filmen eine Lücke entsteht. Aber so wie ich euch kenne, habt ihr alle Hände voll zu tun, auch ja mindestens sechs Filme pro Tag zu sehen.^^
@ Andi: Sehr schön, Ruiz und Salles bei den Gurken. Da gehören sie auch hin!
Ich hätte die beiden Filme wahrscheinlich von vornherein gemieden. Inwiefern die Hoffmann-Geschichten enttäuscht haben, musst du mir dann bei Gelegenheit auch nochmal erzählen. Hast du außer BLACK NARCISSUS vorher noch andere Powell / Pressburger-Filme gesehen?
@Andi: „Central do Brasil“ bei den Gurken – das tut weh, ich mochte den seinerzeit sehr und habe seither meine Meinung auch gar nicht so gravierend geändert. Komisch, daß wir gerade bei brasilianischen Filmen auf keinen grünen Zweig kommen, denn bei „City of God“ war’s ja damals genau umgekehrt, den hätte ich nun wieder zu den Gurken gerechnet. Trotzdem schade…
Ich hoffe, Deine Heimreise ist soweit angenehm verlaufen?