STB Sano 2012

Vorläufig geschlossen

Da ich seit einem Jahr kein Sehtagebuch auf Eskalierende Träume mehr geführt habe, werde ich erst einmal vergleichsweise spartanisch beginnen und vermutlich auch nicht immer alle gesehenen Filme auflisten. Ein paar wiedergefundene ältere Filmkommentare (oder Entwürfe) die für mein STB gedacht waren habe ich auch noch hochgeladen.

Meine alten Sehtagebücher: 2011, 2010.


Legende:
/wiederholt gesehen/
auf Filmmaterial gesehen – (70mm, 35mm, 16mm, 8mm, u.ä.)
ausgesuchte Verlinkung
Filme die mich besonders beglückt haben

Die Auflistung erfolgt soweit verfügbar bzw. notwendig nach:
Originaltitel in lateinischer Transkription  „deutscher Titel“  [Anmerkungen]
Regie  Jahr der Fertigstellung  Produktionsland.


 

November

 

Skyfall
Sam Mendes  2012  GB, USA

So, nun auch gesehen. Meinen neunten Bond im Kino. In chronologischer Reihenfolge. Gut, an die beiden Timothy Dalton-Bonds kann ich mich als Filmerlebnisse kaum erinnern. Ich war noch zu klein. Waren wohl meine ersten Kinogänge überhaupt. Wie auch immer, ich danke meinen Eltern, dass sie mich da reingeschleppt haben. Die Bondbegeisterung brach dann bei mir mit 6 oder 7 Jahren so richtig los, und ich glaube von 8 bis 10 habe ich jeden bis dahin entstandenen Bondfilm mehrmals geguckt. Danach noch Goldeneye im Kino genossen, und das war dann das letzte große (und erste bewusste) Kinoerlebnis mit James Bond. Denn damals musste man befürchten, dass die Reihe nach sechsjähriger Abstinenz hätte eingestellt werden können. Gottseidank ist das dann nicht passiert. Auch wenn die späteren Bonds für mich vergleichsweise wenig Anlass zur Freude boten.
Aber zurück zu Skyfall. Erst einmal: Dies ist eindeutig der schwächste der bisherigen 3 Bonds mit Daniel Craig. Was nicht viel heißt, den ansehbar ist er dennoch. Und die anderen 2 sind für mich auch nicht um ein vielfaches gelungener. Das Überraschende jedoch: Daniel Craig ist mit diesem Film endlich doch noch zu einem wahren Bonddarsteller mutiert. Was er verändert hat, bleibt wohl sein Geheimnis. Doch in Skyfall spielt er nicht nur Bond, sondern verkörpert ihn. Und ich würde sogar soweit gehen und sagen, er ist in diesem Film genauso gut wie Connery, Lazenby, Moore oder Dalton (Brosnan war es ja leider nie vergönnt Bond wirklich verkörpern, für sich entwerfen zu dürfen – ein Verlust, wenn man bedenkt welch einen großartig klamaukigen Derwisch er hätte abgeben können). Was fehlt ist die Regie. Sam Mendes ist halt nur guter Durchschnitt. Und mit Action kann er gar nichts anfangen. Niente. Die Eröffnungssequenz ist blamabel. Zwar nicht so schrecklich wie die von Casino Royale (die wohl schlimmste Actionszene aller bisherigen Bonds), und man muss Mendes zugute halten, dass der neue Bond wieder vollständig bodenständig wird (und wir später dann im Hochhaus auch eine ziemlich großartige Kampfszene (zum Glück für Mendes ohne viele Schnitte auskommend) genießen dürfen), oder jedenfalls so bodenständig wie das bei Bond halt möglich ist (denn in Teilen scheitert der Film kläglich an dem Versuch Bond wirklich zu erden, und aus einer Comic- und Witzfigur einen Menschen konstruieren zu wollen (und auch noch mit politischem Bewusstsein… bitte, bitte, in Zukunft vermeiden). Aber dennoch ist die Eröffnungssequenz von Skyfall nie auch nur annähernd so eigenständig und innovativ, wie das Marc Forster in der Eröffnungssequenz von Quantom of Solace gelungen war. Mendes fährt zwar das Michael Baysche Schnittgewitter von „Solace“ um ein vielfaches zurück, doch hatte der Schnitt bei Forster zumindest in den Actionszenen ein nachvollziehbares (und meiner Meinung nach im Endeffekt auch äußerst gelungenes) Konzept. Mendes hätte die Action dann doch lieber sein lassen sollen. Aber naja, die Regisseure konnten sich in den letzten 2 Jahrzehnten nur selten wehren, geschweige denn durchsetzen. Nur Lee Tamahori ist das wohl teilweise geglückt. Doch sein Meta-Trashfest wollte kaum einer so richtig goutieren.
Wie auch immer, Bond bräuchte nun endlich mal einen guten Regisseur. Forster war wohl ein Schritt in die richtige Richtung. Aber auch die zweite Option, die mit Martin Campbells wiederholtem Engagement für Casino Royale aufblitzte wäre denkens- und dankenswert: Endlich wieder einem Regisseur über mehrere Filme der Reihe die kreativen Zügel in die Hand zu legen. Mal sehen was die Zukunft bringt. Ein Bond von Tarantino oder Ritchie wäre jedenfalls für mich ein Traum. Abschließend noch eine Bemerkung: Die Begeisterung die sich (auch in Kritikerzirkeln) um Skyfall zusammengebraut hat, ist mir ein vollkommenes Rätsel. Konnte ich eine starke Zuneigung zu Casino Royale noch nachvollziehen (wenn auch leider nicht teilen), so kratze ich mir hier am Kopf und bin tatsächlich völlig ratlos. Ich erinnere mich an kaum einen Film der letzten Zeit, auf den die Bezeichnung „guter Durchschnitt“ (natürlich mit der Betonung auf gut) dermaßen gepasst hätte. Da muss mir bei Gelegenheit mal jemand erklären, was so interessant an Skyfall sein könnte, dass der Film Glücksgefühle oder gar Begeisterungsstürme auszulösen im Stande wäre. Ganz ehrlich. Bin wirklich interessiert und höre gerne zu. Momentan bleibt mir nur der Trost, dass es auch einen nächsten Bond geben wird. Mit Daniel Craig. Ich hätte nie gedacht dass ich das jemals sagen würde: Aber einen besseren Darsteller für diese Agentenrolle kann ich mir zur Zeit nicht vorstellen.
Ach ja: Den Film leider auf 35mm gesehen. Was sehr schade ist, da ich mich sehr auf den digitalen Look gefreut hatte, und die blassen Farben der Filmkopie nichts hermachen. Digitale Filme von 35mm vorzuführen: ein Unding.

 

Ningen no joken  „Barfuß durch die Hölle – 1. Teil“
Masaki Kobayashi  1959  Japan

Japaner sind Arschlöcher und Idioten. Die Chinesen auch. Und überhaupt jeder in diesem Film. Am besten beides zugleich. Krieg ist scheiße. Das lernen wir auch noch. Und dieser Film ist idiotisch. Wenn ich aus dem Fenster sehe, sehe ich all das. Wir Menschen sind Arschlöcher und Idioten. Das ist klar. Der Himmel ist blau, das Wasser ist nass. Also wozu dieser Film? Ein Lehrstück für die Japaner nach dem Krieg? Ein Film, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen? Belehrungen braucht keiner. Und der, der nur Belehrungen annimmt, lernt von selbst nie etwas. Ein Film bei dem man die Drehbuchseiten rascheln hört wie in kaum einem anderen, den ich dieses jahr gesehen habe. Ihr meint billige Actionfilme seien unlogisch? Die sind gar nichts im Vergleich zu „Barfuß durch die Hölle – 1. Teil“! (Beispiele erspare ich hier gnädigerweise). Man könnte meinen, das sei alles Konzept. Indem der Film und die Handlungen seiner Protagonisten zu keiner Minute vorne wie hinten irgendeinen Sinn machen, indem einfach alles inkonsequent ist, formal wie inhaltlich, könnte es hier ja um eine existenzielle Bebilderung des menschlichen Chaos gehen. Aber wenn es das ist, was der Film bebildert – denn bebildert wird ständig irgendetwas, entstehen tut hier von alleine nichts – dann ist das so armselig konstruiert, dass man glatt glauben müsste, Arschlöcher und Idioten zu sein, wären die einzigen Fähigkeiten des Menschen. Und das menschliche Potential wäre somit, diese beiden Talente ins Unermessliche steigern zu können. Na gut,das klingt jetzt ein wenig unfair. Am Ende wird ja noch eingelenkt, und der Zug des Humanismus eingefangen. Aber das muss eben so sein, weil es weiter geht, weil ja noch ein zweiter Teil folgt (Der Film hat auch eines der erbärmlichsten Cliffhanger-Enden in der Geschichte der Filmtrilogien. Da können in Sachen Einfallslosigkeit nur noch die „Herr der Ringe“ Filmenden von Peter Jackson mithalten) . Denn folgende Perspektive hat der Film schließlich auf sich selbst: Eine voller Selbstmitleid, und falscher Gefühlsduselei. Vielleicht habe ich etwas übersehen, und „Barfuß durch die Hölle – 1. Teil“ ist eigentlich eine Satire auf lächerliche humanistische Kunstversuche. Kunst als Mittel zum Zweck. Und wie armselig so etwas zwangsläufig enden muss. Aber ich bin kein großer Freund der Satire. Und diese ist in ihrer völligen Konstruiertheit (nichts wirkt in irgendeiner Weise authentisch) entweder unfassbar brillant, oder unfassbar dämlich. Liest man diesen Film als eine brillante Art der Filmindustrie den ganz großen Stinkefinger zu zeigen, indem man die am einfachsten zu fassende Tatsache – das man nämlich nichts zu sagen hat – mit riesigem Aufwand in ein Leinwandepos transformiert, und also in etwa die Variante eines 1 Millionen Dollar Kugelschreibers produziert, dann ist den Machern alles, aber auch alles, aufs großartigste Gelungen. Was ich jedoch eher vermute (und dieser Sichtweise – man möge mir verzeihen – konnte ich mich während des gesamten Films einfach nicht entledigen), ist der halbwegs ehrliche Versuch eines, für einen imaginierten, halbwegs interessierten Zuschauer, halbwegs zumutbaren Films über die reale Vergangenheit, der wegen seiner Halbherzigkeit in allen Belangen scheitert. Eine Selbstbespiegelung ad infinitum. Mit den Regeln und dem Ausgang von vornherein klar. Also ein Film den die Welt nicht braucht. Und in seiner Anbiederung auch noch ziemlich widerwärtig. Gottseidank hat Kobayashi auch noch andere Filme gedreht… Man lernt schließlich aus Fehlern. Möchte man zumindest meinen – aber wenn ich ganz fieß bin, behaupte ich jetzt auch, dass der Film zeigt, dass der Mensch aus seinen Fehlern nie lernen wird, ja dass es ihm sogar unmöglich ist, dies zu leisten. Ja, aber warum nur, fragt sich der Zuschauer vielleicht? Ja, aber das liegt doch auf der Hand: Das ist die (aufgepasst!) CONDITIO HUMANA. Aha.
Da müsste man doch dann aber vielleicht mit dem Menschen brechen? Also den Menschen abschaffen? „Den Menschen“? Ja gerne, bitte sofort. Dann muss ich auch nicht mehr solche Filme sehen. Und wir können wieder  zu Individuen übergehen. Und ihren Verstrickungen in gesellschaftliche Strukturen. Und so weiter. Das übliche halt, der Alltag. Und Belehrungen kann man sich dann sparen. Denn „Den Menschen“ braucht kein Mensch.

 

Brandmale
George Moorse  1982  BRD

Nach meiner letzten Kinobegegnung mit George Moorse durch seinen Film Der Findling (1967), erwartete ich bei Brandmale ebenfalls eine abstrakt-intensive Mischung aus Michelangelo Antonioni und Jean-Marie Straub. Doch was sich dann auf der Leinwand offenbarte, war etwas völlig Anderes. Kalt. Kühl. Seele, Oberfäche. Aus der Unterwelt der Gefühle lautet der Untertitel dieses seltenen Films von Regievirtuose Moorse. Wie so viele ausländische Filmemacher die in Deutschalnd gearbeitet haben, ist auch er heutzutage weitgehend vergessen. Wir werden hineingeworfen in ein sich anbahnendes Beziehungsgeflecht aus dem Gila von Weitershausen und Anne Bennent am meisten hervorstechen. Zwischen ihnen steht Hub Martin (auch er hat laut einschlägigen Internetdatenbanken viel zu wenige Filme gedreht: Ein herber Verlust für das Kino). Zwischen dem was man nicht haben möchte und dem was man nicht haben kann. Der Andere als Katastrophe. Liebe als Unzumutbarkeit. Die beiden Frauen heben den Mann auf. Das Doppelgängermotiv (vielleicht hätte er am Ende des Film einfach aus der Geschichte verschwinden können). Und was düster begann, löst sich in Wohlgefallen auf. Der Film ist wie der kleine Bruder von Dominik Grafs Das zweite Gesicht. Ein bisschen Zulawski, ein bisschen Tangerine Dream, ein bisschen Heimatfilm, und ein bisschen unbeholfen. Und im gleichen Jahr entstand auch noch Eckhart Schmidts Der Fan. Was für Filme! Ganz Westdeutschland muss eine Eiszeit der Gefühle durchlebt haben. Der deutsche Film der frühen 80er Jahre. Wenn ich an ihn denke, läuft es mir Eiskalt den Rücken hinab, und ich will alle halbvergessenen Filme dieser Zeit sofort sehen.

 

in side out
George Moorse  1964  BRD

Farben, Muster, Schnitte. Ein Rausch. Ein Lehrfilm über die Montage. So habe ich mir ein Kino der Attraktionen immer gewünscht. Schnitt auf Schnitt auf Schnitt, gewaltig rasend, aber gleichzeitig klar und durchsichtig wie ein Stück Seidenpapier. Irgendwann sog ich ich die Texturen wahnsinnig glücklich nur noch in mich auf. Angedeutet sind hier in konzentrierter Form die unbegrenzten Möglichkeiten des Kinos. Die dümmsten Banalitäten treffen auf die größtmögliche Virtuosität. Ein Traum von einem Film. Was soll man danach eigentlich noch drehen?

 

Mädchen für die Mambo-Bar
Wolfgang Glück  1959  BRD

Ende der 50er im westdeutschen Kino. Düstere und dekadente Filme. Das Totenschiff, Menschen im Netz, Der Tiger von Eschnapur, Liebe kann wie Gift sein, Ein Toter hing im Netz. Und nun auch: Mädchen für die Mambo-Bar. Ein barocker Reigen. Sieghardt Rupp und Kai Fischer. Und Rolf Olsen (der Pate des deutschen Exploitationkinos?). Magisch ist das alles. Vor allem Kai Fischer. Wie sie am Ende im Drogenrausch versucht wie das Phantom der Oper die weibliche Konkurrentin auszuschalten, nur um selbst in den Tod zu stürzen (ich hätte sie gerne aufgefangen). Das ist der atmosphärische Höhepunkt des Films, den zuvor eine herausragend choreografierte Bühnensequenz einleitete, und in dem während einer gefühlten Dauerschleife von Dalidas Am Tag als der Regen kam alle ausgelegten Genrestränge aufs wunderbarste zusammenfinden. Die herrlich verschlungene Kriminalhandlung tut ihr übriges, um diesen Schlagerfilm weit über den Durchschnitt vergleichbarer Problemfilme zu heben. Olaf Möller schrieb dazu: „Poesie freischwebender Genrebestandteilchen“. Regisseur Wolfgang Glück ist für mich die Entdeckung! Ich muss jetzt unbedingt mehr von ihm sehen.

 


Wie kommt ein so reizendes Mädchen zu diesem Gewerbe?

[deutsche Sprachfassung / gekürzt]
Will Tremper  1969  BRD

Allein die ersten 30 Minuten sind mit das Beste, was ich dieses Jahr überhaupt zu sehen bekam. Danach wird es leider teilweise arg klamottig und auch ein bisschen zäh. Aber dafür bekommt man dann spät im Film Klaus Kinski in einer seltenen komödiantischen Rolle präsentiert, wunderbar zwischen Ernst und Klamauk oszillierend. Und Hauptdarstellerin Barbara Benton ist mühelos in der Lage den gesamten Film nur durch ihre Leinwandpräsenz zu tragen. Vielleicht hätte man um die beiden den gesamten Film stricken sollen. Schade, dass Klaus damals nicht 10 Jahre jünger war. Der letzte Film von Will Tremper: EINE TRAGÖDIE!!! Ich glaube die Sexszene auf dem Motorrad wird sich mir für immer als einer der ikonischen Momente der Filmgeschichte in die Netzhaut gebrannt haben.
KORREKTUR: Wie ich gerade erfahren habe, handelte es sich bei der von mir gesehenen Fassung um eine um ca. 15 bis 20 Minuten gekürzte Fassung die von dem Verleih unter neuem Titel (Mir hat es immer Spaß gemacht) noch einmal ins Kino gebracht wurde, nachdem der Film bei der Erstauswertung wohl sagenhaft gefloppt ist. Das erklärt vielleicht den etwas zähen und schleppenden Mittelteil/Schluss, da vermutlich kein Klamauk, sondern die üblichen „nicht handlungsrelevanten“ Szenen der Schere zum Opfer fielen. Nicht auszudenken, was für ein verstrahltes Meisterwerk die ungekürzte Fassung präsentieren könnte.

 

Naked Angels  „Nackt auf hartem Sattel“  [gekürzte Fassung / deutsche Synchro]
Bruce D. Clark  1969  USA

Vielleicht der schönste Bikerfilm der je gedreht wurde? Er beinhaltet die ganzen Klischees des Genres und ist wie Run, Angel, Run! von Jack Starrett ebenfalls eine Fluchtbewegung aus dem Bikerleben in eine ungewisse (aber bessere?) Zukunft. Hier ist aber alles auf das Wesentliche konzentriert: Kamera und Montage – Landschaft und Musik. Und eine Charakterstudie des Protagonisten, die in ihrer Beiläufigkeit schmerzlich präzise Zustandsbeschreibungen eines gebrochenen Individuums liefert, und seine inneren Vorgänge durch pointierte Handlungsvignetten geschickt nach Außen kehrt. Neben der zentralen Sexszene des Films (atemberaubend), sticht vor allem die in ihrer stillen Präzision brillante Begegnung mit einem abgehalfterten Tankwart in der Wüste aus der Masse von berauschenden Sequenzen hervor. Ein letzter Wendepunkt vor der endgültigen Abrechnung. Ich hätte Kameramann Robert Eberlein bereits nach 15 Minuten Film am liebsten einen Oscar in die Hand gedrückt. Musik von Jack Simmons.

 

Red Sundown  „Auf der Spur des Todes“
Jack Arnold  1956  USA

Die Zärtlichkeit von Jack Arnold. Der Film erreicht nicht die Intimität und Verwundbarkeit meines zuletzt gesehenen Westerns Ringo del Nebraska, des kammerspielartigen Meisterwerks von Antonio Román (und angeblich auch Mario Bava), ist aber in seiner Sensibilität ein gewohnter Blick in das Innere von Genrefiguren die durch die Inszenierung immer ine eine Realität eingebunden sind, welche das Außergewöhnliche durch die Betonung des Gewöhnlichen für den Zuschauer schmerzlich nachvollziehbar macht. Nach dem nihilistischen Liebesmärchen Revenge of the Creature (1955), einer vorzüglichen King Kong Paraphrase, ist Red Sundown ein weiterer Höhepunkt in Arnolds Schaffen.
Und Grant Williams hätte mehr Hauptrollen spielen sollen. Zum Beispiel in einem Sirkschen Melodram an der Seite von Martha Hyer.

 

/Großstadtmelodie/
Wolfgang Liebeneiner  1943  Deutschland

Einen Lieblingsfilm endlich im Kino von 35mm zu sehen: Fast so schön wie die erste Begegnung. Ich habe ein wenig geweint. Hilde Krahl ist großartig.
Ehemänner filmen ihre Ehefrauen. Da müsste jemand mal ein ganzjähriges Kinoprogramm zusammenstellen.
Mein leider nicht so toller Text für die deutsche Reihe.

 

Seisaku no tsuma  „La femme de Seisaku“
Yasuzô Masumura  1965  Japan

Einsamkeit. Liebe. Leidenschaft. Wahnsinn. Wille.
Dieser Film ist alles, was an Masumura so toll ist. Beinahe ein Destillat.
Whoknows schrieb 2010 bereits ein paar Worte zu diesem traumhaft schönen Film.

 

Älteres

 

/Der Skorpion/
Domink Graf  1997  Deutschland

Ein Film von Dominik Graf.

 

Beneath the Planet of the Apes  „Rückkehr zum Planet der Affen“
Ted Post  1969  USA

Oh my God. … You Maniacs! You blew it up! Ah, damn you!
God damn you all to hell!

 

Farfale  „Schmetterlinge“  [falsches Bildformat]
??  1907  Italien

Tanzende Asiaten. Ein Herrscher. Eine Frau mit Flügeln, die wie ein Schmuckstück ausgestellt und behütet wird. Sie muss in einem Käfig leben, doch eines Tages wird sie befreit. Ihr Befreier muss dafür jedoch büßen. Ihm, der ebenfalls Flügel hat, werden sie abgeschnitten und er stirbt daran. Der ehemalige Herrscher über die geflügelte Frau wird daraufhin jedoch – in einem beinahe experimentell wirkenden Albtraum aus Farben – von zahlreichen Tänzerinnen gequält. Spärlich eingesetzte doch intensiv-grelle und abwechslungsreich verschwimmende Primärfarben sind in dieser kurzen Erzählung dabei die heimlichen Stars. Die Musik kann man sich bei stiller Betrachtung wunderbar selbst ausmalen. Vielleicht eine Art Vorgänger der „Silly Symphonies“ der 30er? Auf jeden Fall ein Fragment eines vielleicht längeren Films und dank eifriger Restauratoren heute wieder in historisch angenäherter Weise erlebbar. Lebendige Filmgeschichte 100 Jahre später. So einfach und so subtil, so direkt und berauschend konnten Filme eben schon immer sein.

 

Run, Angel, Run!  „Gehetzt“  [Open Matte]
Jack Starrett  1969  USA

Die Splitscreen-Technik die in den 60ern beliebt wurde und seitdem aus unerfindlichen Gründen (mit wenigen Ausnahmen: Man denke z.B. an die wunderbare Nutzung durch Mike Figgis) leider aus der Mode gekommen ist, wird hier am Anfang des Films in einer Verfolguns- und Fluchtsequenz großartig eingesetzt – und war für mich sogar kreativer und einfallsreicher umgesetzt als im ein Jahr zuvor gedrehten Studiofilm von Norman Jewison The Thomas Crown Affair. Run, Angel, Run! wirkt wie ein waschechter Independentfilm, mit vielen Sachen die noch krumm und schief sind, und an die Leidenschaft des Amateurs erinnern, der Dinge auch mal gerne ausprobiert. Ein Film voller Ecken und Kanten, wie ein ungeschliffener Rohdiamant. Die Entsprechung von Produktion und Umsetzung, von Struktur und Inhalt, gelingt daher aufs vorbildlichste. Der Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit der Figuren ist auf Dauer ebenso utopisch wie der gleiche Wunsch der Filmkünstler, deren Zwiespalt es nach dieser filmischen Parabel ist, sich dafür möglichst viel Geld als Ausgangspunkt zu schaffen. Die Hauptfigur Angel verrät seine Bikerkollegen indem er sie zum Gegenstand einer Zeitungsreportage macht für die er 10 000 Dollar kassiert, die er sich im Laufe des Films aber erst besorgen muss, denn die ehemaligen Gangmitglieder schwören auf Rache und sind nun hinter ihm her. Jack Starret macht in der nichtdiegetischen Produktionsrealität nicht viel Anderes, wenn er die Biker ebenfalls zum Gegenstand seiner (Enthüllungs)Geschichte macht, mit der er nach vielen persönlichen Opfern und Entbehrungen möglichst viel Geld verdienen will. Am Ende zählt dann, in bester amerikanischer Manier, der Versuch, etwas eigenes Geschaffen zu haben. Diese Spiegelungen zwischen der Produktion und dem Inhalt, die sich auf Themen wie Außenseitertum, Geld, Freiheit, Ausbeutung, Macht und Erfolg beziehen, sind für den Bikerfilm an sich charakteristisch, werden hier jedoch auf exemplarische Art nachvollzogen. Der Film hat aber auch noch zahlreiche andere Qualitäten, und kann ebenso wie ein klassischer Western behandelt werden. Der einsame Held, der sich nicht an eine Frau und an einen Ort binden lassen möchte. Sein Motorrad ist das Pferd, und er hat eine dunkle Vergangenheit aus der er sich nun lösen möchte, indem er die Gelegenheit bekommt Farmer und von einer Vaterfigur in ein neues Leben eingeführt zu werden. Zuvor muss er aber noch mit seiner ehemaligen kriminellen Bande fertig werden, die er für Geld verraten hatte bzw. mit der er die Beute eines Alleingangs nicht teilen wollte. Der finale Showdown wird dann auch mit dem Gewehr gelöst, etc. pp. Die gesamte Handlung ließe sich eins zu eins in den Wilden Westen verlegen, gewinnt aber durch ihre Situierung in der Gegenwart der Entstehungszeit des Films an Authentizität und Tiefe. Wie im damals einsetzenden Spätwestern, wirken die Figuren nämlich bereits wie überholte Relikte vergangener Zeiten und enttäuschter Sehnsüchte und Wünsche. Ein typischer post-68er Film, dessen nihilistischer Grundtenor am Umgang mit den Frauenfiguren am frappierendsten deutlich wird. Und Allem voran handelt es sich hier – wie auch bei vielen anderen Bikerfilmen – um eine Poesie des Proletarischen.

Der Film ist auf DVD in der ersten Box der Rocker & Biker Kollektion von MIG erhältlich, wobei ich in diesem wie in den meisten Fällen von einer Erstsichtung mit deutscher Tonspur abrate, deren Qualitäten, wie bei zahlreichen Filmen dieser Zeit, woanders liegen (Stichwort: Künstlerische Freiheit à la Rainer Brandt). Und mit dem VLC-Player kann man dann zum Beispiel auch noch das Bild auf das vermutlich intendierte 1.85: 1 Breitbildformat maskieren.

2 Antworten zu “STB Sano 2012”

  1. Christoph on November 22nd, 2012 at 15:09

    Ich sagte es dir ja bereits privat, aber gerne auch noch einmal hier: deine neuen Kommentare finde ich wunderbar, sie gefallen mir noch deutlich besser als jene in deinem „alten“ Sehtagebuch von 2011, irgendetwas hast du diesmal anders gemacht (und dass du es lustlos gemacht hast, wie du sagst, das glaube ich dir nicht). Besonders die Kommentare zu unseren Gelsenkirchener und Kölner Kinoerlebnissen transportieren so treffend den begleitenden Entdeckungszauber, dass sofort alles wieder abgerufen wird – vor allem das Staunen über die ersten Minuten von MIR HAT ES IMMER SPASS GEMACHT.

  2. Manfred Polak on November 22nd, 2012 at 16:54

    Ehemänner filmen ihre Ehefrauen. Da müsste jemand mal ein ganzjähriges Kinoprogramm zusammenstellen.

    Da wird man z.B. in Japan fündig. Kaneto Shindo/Nobuko Otowa, Masahiro Shinoda/Shima Iwashita, Yoshishige Yoshida/Mariko Okada haben jeweils einen Haufen miteinander gedreht.

    FARFALE

    Ich glaube nicht, dass das ein Teil eines längeren Films ist. Er erinnert deutlich an die französischen Pathécolor-Filme aus derselben Zeit von Regiseuren wie Ferdinand Zecca, Segundo de Chomon oder Gaston Velle (findet man alle auf YouTube). Insbesondere hat er mich, auch in der moralischen Botschaft, an LA PEINE DU TALION erinnert.