100 Deutsche Lieblingsfilme #52: Blutiger Freitag (1972)



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Exploitationfilm und Satire zugleich. Ein Heist-Movie ohnegleichen. Einer der besten deutschen Gangsterfilme. Und vielleicht der Film, der Rolf Olsen seinen Platz im Film-Himmel garantiert.
Es war mein erster Olsen, und ich bekam eine leicht verzerrte Sichtweise auf sein Werk und auf die Filme, die ich noch zu sehen bekäme. Nachdem die Enttäuschung darüber, dass sich kein zweiter Blutiger Freitag darunter befinden würde abgeklungen war, kehrte ich dankbar zu der Tatsache zurück, dass Rolf Olsen, Regisseur der tollen Reeperbahnfilme, immer noch der Schöpfer von Blutiger Freitag ist. Und mir ist bewusst, dass ich seinem wahrscheinlich größten Triumph mit diesem Text kaum gerecht werde. Ich kapituliere also hiermit vor einem der schönsten deutschen Gangsterfilme. Nicht ganz kampflos, versteht sich.

Der Schwerverbrecher Heinz Klett (Raimund Harmstorf) wird von seinem Kumpel Luigi (Gianni Macchia) aus dem Justizpalast befreit. Zusammen mit Luigis Freundin Heidi (Christine Böhm) planen sie einen letzten großen Coup. Heidis Bruder Christian (Amadeus August), ein Fahnenflüchtiger, gesellt sich dazu. Und so entwickelt sich, was ein routinemäßiger Banküberfall werden sollte, zu einem brutalen Geiseldrama und einem Fiasko für alle Beteiligten.

Olsen verzichtet auf jede Romantik, jede Verklärung eines Banküberfalls. Er macht seine Protagonisten nicht zu Helden des Klassenkampfes, sondern zu dessen Verlierern. Mögen Heinz Klett und seine Komplizen noch so sehr über die „Bonzen“, über die Verhältnisse schimpfen, sie haben auch nur ihren eigenen Vorteil im Blick. Und dennoch sind sie und ihre Motive nachvollziehbar, menschlich. All die anderen Figuren bilden die graue Armee des Alltags. Sie sind Statisten ihres eigenen Lebens, die in Verblendung, stiller Verzweiflung oder blinder Autoritätshörigkeit ihre Rolle in der Gesellschaft spielen. Die Geiseln in der Bank sind ein gelungen skizzierter Querschnitt des deutschen Miefs. Olsen muss nicht mehr tun, als ihnen einen einzigen Satz in den Mund zu legen, um sie treffend zu charakterisieren. Überhaupt sind Olsens Skizzen meist treffsicherer, als so manche Abhandlung.

Olsen entkleidet sie alle, die Armen wie die Reichen, die Verzweifelten und die Angepassten, die Strippenzieher und die Puppen, und wirft sie durcheinander in diesem schillernden, actiongeladenen Genrecocktail. Harmstorf ist dabei das Herzstück des Films. Er ist der Einzige, der nicht kleinbeigibt, nicht in Panik gerät, sondern immer bei sich ist. Ein wildes Tier, aber auch ein Profi, der selbst in Angesicht all der Dinge, die schieflaufen, die Fassung behält. Als würde er sich zuhause fühlen im Chaos, genauso wie sein Regisseur, der Österreicher, der sich zuhause gefühlt hat in St. Pauli, bei den Gangstern, bei den Huren, bei den „einfachen“ Leuten, und vor allem: im Genrekino.

In seiner in Stein gemeißelten Maskulinität erinnert Harmstorf übrigens an den anderen großen Bankräuber des deutschen Films, Götz Georges Probek in Die Katze, dem Dominik Graf eine ebenso übermenschliche Dimension verleiht. Harmstorfs Heinz Klett funktioniert ähnlich, jedoch ist er ein ganz anderer Charakter. Er ist der Trieb, der nach ungebändigtem Sein drängt. Er ist der Harlekin, der sich einen perversen Spaß daraus macht, die Maske der Zivilisation zu zerreißen, in den darunterliegenden Abgrund zu blicken und uns alle mit hineinzuziehen.

Safarow schreibt

Blutiger Freitag – BRD, Italien 1972 – 92 Minuten – Regie: Rolf Olsen – Produktion: Karl Spiehs – Drehbuch: Rolf Olsen – Kamera: Franz Xaver Lederle – Musik: Francesco De Masi – Darsteller: Raimund Harmstorf, Amadeus August, Gianni Macchia, Christine Böhm, Ernst. H. Hilbich, Gila von Weitershausen, Daniela Giordano, Walter Buschhoff, Renate Roland, Horst Naumann

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, April 21st, 2015 in den Kategorien Blog, Blogautoren, Deutsche Lieblingsfilme, Filmbesprechungen, Sven Safarow veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

2 Antworten zu “100 Deutsche Lieblingsfilme #52: Blutiger Freitag (1972)”

  1. Ghijath Naddaf on April 24th, 2015 at 12:44

    Freue mich auf die Subkultur Blu-Ray.
    Gerüchten zufolge soll ja Das Gasthaus der Grausamen Puppen auch kommen.

  2. Ghijath Naddaf on April 24th, 2015 at 15:59

    Das Rasthaus der grausamen Puppen.

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