100 Deutsche Lieblingsfilme #16: Ein Walzer für Dich (1934)
In einem Fantasiestaat tritt ein Tenor die Nachfolge als Herrscher an, während die bisherige Thronfolgerin abgesetzt wird, weil sie eine Frau ist. Es folgen ein paar kleinere Verstrickungen und Geschlechterrangeleien, bis schlussendlich das erwartete Happy-End eintritt. Bei so einem Thema kommen mir unverzüglich Vergleiche zu Lubitschs musikalischen Komödien der frühen 30er. Aber im Gegensatz zu Lubitch, bleibt bei Georg Zoch alles Skizze. Dem Präzisen tritt das Fahrige gegenüber, dem ausgeklügelten Humor kleine kabarettistische Späße. Und die Handlung wird mit einer Beiläufigkeit abgespult, dass jedem Drehbuchautor die Haare zu Berge stünden. Genau das macht aber den enormen Reiz dieses Kleinods aus. Viele Szenen scheinen improvisiert, oft wurde wohl auf eine wiederholte Aufnahme einer nicht vollständig gelungenen Szene verzichtet, und man hat das Gefühl den Schauspielern noch im Probenprozess zuzusehen. Insgesamt erweist sich die Zusammenführung von vier völlig unterschiedlichen Charakteren und deren unausweichliche Auflösung in zwei Liebespaare als Glücksgriff. Nichts passt so richtig zusammen in diesem Film, aber es spielt einfach keine Rolle. Neben der teilweise experimentierfreudigen Kameraführung und dem mäandernden Plot, sind es vor allem die Schauspieler die sich nach belieben austoben dürfen.
Ursprünglich war Ein Walzer für Dich – wie es auch der Titel bereits nahelegt – wohl um den damals erfolgreichen Sänger Louis Graveure konzipiert, der im Film immer wieder auf amüsante Weise schauspielerisch überfordert wirkt, sich aber vor allem durch seine zahlreichen Gesangseinlagen dennoch überzeugend über die Runden zu retten weiß. Heinz Rühmann und Theo Lingen sind heutzutage wahrscheinlich noch die bekannten Namen aus diesem Film. Wer mir jedoch mehr imponiert hat als diese zwei Herren, waren die beiden Hauptdarstellerinnen Camilla Horn und Maria Sazarina. Horn besitzt genuine schauspielerische Qualitäten, die sich in manchen Szenen tatsächlich entfalten können, während Sazarina durch ihre Unbekümmertheit und zwei großartige Tanzeinlagen zu überzeugen weiß, und durch ihre nonchalante Präsenz (so widersprüchlich es auf den ersten Blick auch erscheinen mag) so etwas wie den nötigen Ruhepol im ungezwungenen Durcheinander der filmischen Konstruktion bildet.
Im Grunde kann man Ein Walzer für Dich als Vorgänger der späteren Schlagerfilme die in Westdeutschland in den 60ern und 70ern so populär wurden betrachten. Was ihn jedoch von diesen unterscheidet, ist seine genuine Verspieltheit und das scheinbar damals noch vorhandene Interesse an der Musik, welches wohl mit der Neuheit des Tonfilms zusammenhing. Vieles erinnert auch einerseits an die ausgestellte Künstlichkeit mancher amerikanischer Musicals der frühen 30er (siehe z.B. Ray Enrights Dames), andererseits an die beginnende Screwball-Comedy gekoppelt mit den freizügigen Geschlechterdarstellungen vor der Durchsetzung des Hays-Codes. Das eine so „undeutsche“ und beiläufig anarchische Aufeinanderfolge von Sketchen und Musiknummern als Film verpackt noch 1934 die Zensurstellen der Nazis passieren konnte, spricht für die ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten der Filmkunst.
Die Fassung die ich sehen konnte, war leider nur 78 Minuten lang, und entsprach wohl der 1954 wiederaufgeführten Version mit dem Titel Hilfe, ich bin Minister. Was genau fehlt, konnte ich nicht herausfinden, jedoch vermute ich, dass es sich vor allem um Filmrisse und schlecht erhaltenes Material handeln könnte, da die für die DVD abgetastete Kopie erhebliche Qualitätsschwankungen aufzuweisen hat. Eine zusätzliche Möglichkeit wäre das Fehlen der vollständigen Tonspur, bzw. ihre zu starke Beschädigung, da deren Restaurierung Anfang der 50er für einen Kinoneustart zu aufwendig gewesen sein muss.
Ein Walzer für Dich – Deutschland 1934 – 94 Minuten – Regie: Georg Zoch – Drehbuch: Hans H. Zerlett, Georg Zoch – Produktion: Vahayn Badal – Kamera: Willy Winterstein – Musik: Will Meisel – Liedtexte: Hans H. Zerlett – Schnitt: Alwin Elling – Bauten: Erich Czerwonsky – Darsteller: Louis Graveure, Heinz Rühmann, Camilla Horn, Maria Sazarina, Theo Lingen, Fritz Odemar, Adele Sandrock
[…] “Dem Präzisen tritt das Fahrige Gegenüber, dem ausgeklügelten Humor kleine kabarettistische Späße. Und die Handlung wird mit einer Beiläufigkeit abgespult, dass jedem Drehbuchautor die Haare zu berge stünden. Genau das macht aber den enormen Reiz dieses Kleinods aus. Viele Szenen scheinen improvisiert, oft wurde wohl auf eine wiederholte Aufnahme einer nicht vollständig gelungenen Szene verzichtet, und man hat das Gefühl den Schauspielern noch im Probenprozess zuzusehen.”, schreibt Sano Cestnik in “Eskalierende Träume”. […]