Filmfest München 2010: Fazit – Kurzbewertungen und Listen

Schon bei der vorletzten Berlinale hatten wir eigentlich geplant, abschließend eine Wertungs-Übersicht aller von ET-Autoren gesehenen Filme zu erstellen, was damals und auch sonst seither (wie so vieles) dann aber doch bei jeder Gelegenheit aufs Neue im Sande verlief. Beim diesjährigen Münchner Filmfest, bei dem wir zu dritt wohl letztlich rund ein Drittel des über 200 Filme umfassenden Programms abgedeckt haben, klappt es nun aber doch endlich mal. Genauere Anmerkungen zu einzelnen Filmen folgen demnächst vielleicht noch in gesonderten Beiträgen, hier soll es zunächst nur um ein nicht weiter erläutertes Fazit in Form von Wertungen und Listen gehen.

Anmerkung: das 10er Wertungssystem wird von allen drei Bewertern in der Verteilung recht unterschiedlich ausgelegt (die 6 drückt beim Einen womöglich eine ähnliche Wertschätzung wie die 7 eines Anderen aus etc.) und ist insofern natürlich nur bedingt vergleichbar, sondern jeweils vor allem im Kontext der jeweiligen Auslegung zu sehen. Und wie sich von selbst verstehen sollte, ist das alles natürlich auch nicht in Stein gemeißelt.

Abkürzungen:
() = unter Vorbehalt (wegen ungünstigen Sichtungsumständen bzw. starker Müdigkeit)
* = bereits gesehen gehabt (und beim Filmfest nicht nochmal gesehen)
** = wiederholt gesehen

Filmtitel (gemäß Filmfest-Ankündigung)Alexander P.AndreasChristoph
36 VUES DU PIC SAINT LOUP
(Jacques Rivette)
78*8
ACCIDENT
(Cheang Pou-Soi)
7.5*9
AMER
(Hélène Cattet, Bruno Forzani)
6.589
DIE AUTOBIOGRAFIE DES NICOLAE CEAUSESCU
(Andrei Ujica)
98.59.5
BELAIR
(Bruno Safadi, Noa Bressane)
7
BERGBLUT
(Philipp J. Pamer)
1
CAFÉ NOIR
(Jung Sung-Il)
(5)
CARLOS
(Olivier Assayas)
9.510
COPIE CONFORME
(Abbas Kiarostami)
43
THE DARK HOUSE
(Wojtek Smarzowski)
3
DES HOMMES ET DES DIEUX
(Xavier Beauvois)
6.58
DEUX DE LA VAGUE
(Emmanuel Laurent)
7
DEV. D
(Anurag Kashyap)
68.5
THE DOUBLE HOUR
(Giuseppe Capotondi)
7
DRAQUILA – ITALY TREMBLES
(Sabina Guzzanti)
6.5
UN DÍA MENOS
(Dariela Ludlow)
7
EIGHTEEN
(Jang Kun-jae)
77.5
THE FOUR TIMES
(MIchelangelo Frammartino)
67.5
GREETINGS FROM THE WOODS
(Mikel Cee Karlsson)
3.5
HOTEL ATLÂNTICO
(Suzana Amaral)
4.5
I TRAVEL BECAUSE I HAVE TO, I COME BACK BECAUSE I LOVE YOU
(Marcelo Gomes, Karim Aïnouz)
7
I WISH I KNEW
(Jia Zhang-Ke)
6.5
ILLÉGAL
(Olivier Masset-Depasse)
3(3)
IN THE WOODS
(Angelos Frantzis)
6910
JE SUIS HEUREUX QUE MA MÈRE SOIT VIVANTE
(Claude & Nathan Miller)
969.5
LOS JÓVENES MUERTOS
(Leandro Listorti)
78.59
KHARGOSH
(Paresh Kamdar)
5.53.5
DER LETZTE ANGESTELLTE
(Alexander Adolph)
6.57
DAS LETZTE SCHWEIGEN
(Baran Bo Odar)
5.56.5
LIFE DURING WARTIME
(Todd Solondz)
4.5
LIKE YOU KNOW IT ALL
(Hong Sang-soo)
8*7.5
LITTLE BABY JESUS OF FLANDR
(Gust Van den Berghe)
5
LOLA
(Brillante Mendoza)
7*
LSD: LOVE, SEX AUR DHOKHA
(Dibakar Banejee)
5.55
MR. NICE
(Bernard Rose)
68
MUNDANE HISTORY
(Anocha Suwichakornpong)
76.5
MY SON, MY SON, WHAT HAVE YE DONE?
(Werner Herzog)
6.568.5
PAJU
(Park Chan-ok)
7.58.5
PERSÉCUTION
(Patrice Chéreau)
6.55
THE PORTUGUESE NUN
(Eugène Green)
49.54
POSSESSED
(Yong-Joo Lee)
6
DIE PRINZESSIN VON MONTPENSIER
(Bertrand Tavernier)
9.5
REDLAND
(Asiel Norton)
668.5
LE REFUGE
(Francois Ozon)
6.5
THE ROAD
(John Hillcoat)
7
SHIT YEAR
(Cam Archer)
7
THE STRANGER’S LAND
(Xavier Marrades)
7
TE CREÍS LA MÁS LINDA… (PERO ERÍS LA MÁS PUTA)
(José Manuel Sandoval)
8
TETRO
(Francis Ford Coppola)
7.579
TODOS VÓS SODES CAPITÁNS
(Oliver Laxe)
8
TRANSIT
(Philipp Leinemann)
6
UNCLE BOONMEE WHO CAN RECALL HIS PAST LIVES
(Apichatpong Wheerasethakul)
4.593.5
UNTER DIR DIE STADT
(Christoph Hochhäusler)
379
VALHALLA RISING
(Nicolas Winding Refn)
6.569.5
DER WANDERER
(Avishai Sivan)
7
WHITE MATERIAL
(Claire Denis)
7.57.5
A WHITE NIGHT
(Masahiro Kobayashi)
24.5
WOMAN ON FIRE LOOKS FOR WATER
(Ming Jin Woo)
8
ZAPPING-ALIEN@MOZART-BALLS
(Vitus Zeplichal)
2
***
Ältere Filme, erstmals gesehen:
DER BALL
(Ulrich Seidl)
7.5
BRÜDER LASST UNS LUSTIG SEIN
(Ulrich Seidl)
7.5
DER BUSENFREUND
(Ulrich Seidl)
67
COPACABANA MON AMOUR
(Rogério Sganzerla)
9.510
EINSVIERZIG
(Ulrich Seidl)
7
GOOD NEWS: VON KOLPORTEUREN, TOTEN HUNDEN UND ANDEREN WIENERN
(Ulrich Seidl)
5
ICH WILL DOCH NUR, DASS IHR MICH LIEBT
(Rainer Werner Fassbinder)
8.5
DIE LETZTEN MÄNNER
(Ulrich Seidl)
8.5
LOOK 84
(Ulrich Seidl)
7.5
DER WIND WIRD UNS TRAGEN
(Abbas Kiarostami)
(5)
ZUR LAGE: ÖSTERREICH IN SECHS KAPITELN
(Ulrich Seidl, Michael Glawogger, Barbara Albert, Michael Sturminger)
8
***
Unsere inoffiziellen Eröffnungs- und Abschlussfilme in Münchner Kinos abseits des Festivals:
THE HILLS HAVE EYES
(Wes Craven)
88**9
JAGDSZENEN AUS NIEDERBAYERN
(Peter Fleischmann)
9.58.59

Und im Folgenden in Listenform…

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Vorschau Filmfest München: SHIT YEAR (Cam Archer)



SHIT YEAR ist ein Film des amerikanischen Independentregisseurs Cam Archer, sein zweiter Spielfilm nach dem von Gus van Sant produzierten WILD TIGERS I HAVE KNOWN, der 2006 seine Premiere auf dem Sundance Festival feierte. Seitdem entwickelte der Film sich zu einem kleinen Independent-(Festival-)Hit, der im Juni 2008 von Salzgeber sogar einen kleinen deutschen Kinostart und eine anschließende DVD-Veröffentlichung spendiert bekam. Näheres zu TIGERS hier und hier, einen ersten Eindruck vermittelt auch der Trailer:



SHIT YEAR (zu dem es leider noch keinen Trailer gibt) scheint noch einmal ein ganzes Stück experimenteller geworden zu sein. Der Film wurde auf 16mm und in Schwarz-Weiß gedreht und handelt, so liest man, von einer erfolgreichen Schauspielerin, die ihre Karierre aufgibt und sich in ihre Haus in die Berge zurückzieht – und in der dortigen Isolation feststellt, dass sie mit ihrer Schauspiellaufbahn auch sich selbst aufgegeben hat.

Oder wie Archer selbst es im Interview mit dem „Filmmaker Magazine“ äußert:

„After making Wild Tigers I Have Known, the first [movie], I started to feel disenchanted by the creative process. I started thinking, what would it be like if I stopped making art. How would that affect my identity? Would I now mean something else? Do I define my work, or does my work define me? Could I exist without it? What I am getting out of it any more? I started to feel that it was losing the thrill that it once had [for me]. I had been obsessed, and I was starting to feel burdened, and that was shitty. I knew I didn’t want to make a movie about a filmmaker [to explore these ideas], but an actress seemed more interesting to me — someone who is already stepping into other identities and removing themselves from themselves. And then I thought, what if that actress is retiring?“ (…) Mehr

Die Hauptrolle in SHIT YEAR spielt Ellen Barkin („played to perfection“ – Variety), die in Deutschland leider nicht so bekannt ist wie in den USA – am Ehesten kennt man sie vielleicht noch aus THE BIG EASY (aber auch aus Solondz‘ PALINDROMES, aus Hills JOHNNY HANDSOME, aus Jarmuschs DOWN BY LAW). Auch mit Blick auf ihre eigene Karriere eine sicher interssante Besetzung.

Jay Weissberg schwärmt in „Variety“ weiter vor allem über die Kameraarbeit:

„Together with d.p. Aaron Platt, he’s [Cam Archer] created a world of striking images that combine elements from such black-and-white photographic masters as Garry Winogrand and Ansel Adams.“

Insgesamt scheint SHIT YEAR in Cannes durchaus gemischt aufgenommen worden zu sein (siehe z.B. Eric Kohn bei Indiewire), es gibt sogar Berichte, dass während den Vorstellungen nicht wenige den Saal verlassen hätten (was in Cannes ja eigentlich nie ein schlechtes Zeichen ist). Für mich klingt SHIT YEAR zunächst aber nach einer sehr spannenden Kombination aus formalem Experimentierwillen und sehr persönlich-reflektivem Inhalt – genug um mir den Film anzusehen.

Links:
SHIT YEAR beim Filmfest München
Ellen Barkin-Porträt der „New York Times“ (von 1993)