Cannes aus der Ferne #1


Cannes, dritter Tag, was bisher aus der Berichterstattung hängen geblieben ist:

– Am Interessantesten im Market: Jean-Claude Van Dammes zweiter Film als Regisseur THE EAGLE PATH (der nicht sein Debüt ist, wie Jordan Mintzer von Variety behauptet, das war THE QUEST). Mintzer zerreißt den Film in der Luft, aber was er über die freudianische Montage und van Dammes Versuche sich als europäischer Auteur à la Godard zu gerieren schreibt, klingt ultraspannend. Den Trailer gibt es auch schon, könnte in der Tat experimentelles Actionkino zwischen Trash und Avantgarde werden.

– Was das Autorenkino angeht wäre auch MARTI, DUPA CRACIUN (TUESDAY, AFTER CHRISTMAS) von Radu Muntean zu nennen, der in Un Certain Regard läuft. Für Besucher des diesjährigen Filmfests München vielleicht besonders interessant, da schon Munteans Vorgängerfilm BOOGIE in München 2008 im Internationalen Programm gezeigt wurde (der seinerzeit in Cannes in der Quinzaine des Réalisateurs lief). Und da sich letztes Jahr ein verstärkter Fokus auf Rumänien in München ausmachen ließ (mit, ich glaube, drei oder vier Filmen), besteht eventuell berechtigte Hoffnung TUESDAY, AFTER CHRISTMAS dieses Jahr auch auf dem Filmfest sehen zu können.

Steven Zeitchik von der L.A. Times ist der Film jedenfalls Anlass darüber zu spekulieren, ob es in Rumänien illegal sei, schlechte Filme zu drehen. Barbara Schweizerhof von epd Film hat ihn als ihren Lieblingsfilm der ersten anderthalb Tage in Cannes entdeckt. Und auch Variety zeigt sich angetan. Einig scheinen sich alle in ihrer Begeisterung über Munteans reduzierten, minimalistischen Stil (aber eben doch „distinctly stylized“ wie Zeitchik schreibt) zu sein, der sich ganz auf seine Figuren konzentriert.

– Von den Wettbewerbsfilmen finde ich CHONGQING BLUES von Wang Xiaoshuai am Interessantesten. Die Tatsache, dass hier wie in CHUNGKING EXPRESS von Wong Kar-Wai die Stadt CHONGQING als schmerzlich-melancholischer Sehnsuchtsort im Mittelpunkt zu stehen scheint, genügt mir, um mich auf den Film zu freuen. Die Presseschau, die David Hudson bei Mubi (vormals The Auteurs) zusammenfasst, klingt auch vielversprechend.