STB Robert 2025 I

„Und dieses Bild trug das quälend Eintönige an sich, das alle jene Eindrücke kennzeichnet, die tagtäglich so und so oft wie Hausierer die Schwelle unserer Wahrnehmung überschreiten, und rief in mir weder Neugierde noch Überraschung hervor.“ (Der Golem)

„Das Rationale (d.h. das vom Verstand Aufzulösende) ist fast immer das nicht Wesentliche und eigentlich ein Schleier, der die Gestalt verhüllt. Soweit aber eine Seele einen Leib braucht, – es ist ja gar nichts dagegen zu sagen – muß der Künstler seine Mittel zu Darstellung aus der rationalen Welt herausgreifen. Dort, wo er selbst noch nicht zur Klarheit, oder eigentlich zur Ganzheit durchdrungen, wird das Rationale das künstlerisch Unbewußte überwuchern.“ (Gustav Mahler)

„Mais le sombre indigo des nuits d’été
Est la caresse consolante à nos yeux dépités
… Lilas frais et mauves pervers
Rhododendrons où les phalènes vont se pâmer
… Orangés calmes des couchants d’automne
Orangés tristes des feuilles tombées
… Voici le bleu mystique des soirs.“
(Le Poème des couleurs)


Wertung: Ich kann nichts mit Zahlen zur Bewertung anfangen. Deshalb gibt es hier ein prosaisches System. Eine Skala ist mit der Qual verbunden, Filme in eine lineare Ordnung zu quetschen. Deshalb hat die Wertung zumindest eine Y-Struktur für freieres Atmen. Die Einstufungen radioaktiv und verstrahlt reflektieren, dass ein Film in seiner eigenwilligen Qualität es einem nicht einfach macht, ihn einfach zu genießen. Wertungen in Klammern verweisen auf das ein oder andere Nickerchen beim Schauen.

Legende: Ist im Grunde selbsterklärend. Wenn hinter der eckigen Klammer eine Zahl steht, dann gibt sie die Anzahl der Sichtungen wieder. Je höher die Zahl, desto mehr ist sie geschätzt. Da ich mit Fernsehen und Kino aufgewachsen bin, wo nur gekennzeichnet wurde, wenn ein Film nicht in deutscher Sprache lief, tue ich das schändlicherweise auch. (OmU=Originalfassung mit Untertiteln, OmeU=Originalfassung mit englischen Untertiteln, OF=Originalfassung, EF= englischsynchronisierte Fassung, OZmeU=Originalzwischentitel mit englischen Untertitel) Hinzu kommen die Zeichen ł, wenn der Film gekürzt war, und ≠, wenn ich mitbekommen haben sollte, dass das Format nicht hinhaute. Ein kleines K hinter einem Titel bezeichnet einen Kurzfilm (bis 15 Minuten), während ein kleines M einen mittellangen Film (16 bis 60 Minuten) kennzeichnet.


Vorangegangene Sehtagebücher:
2012/II | 2013/I | 2013/II | 2014/I | 2014/II | 2015/I | 2015/II | 2016/I | 2016/II | 2017/I | 2017/II | 2018/I | 2018/II | 2019/I | 2019/II | 2020/I | 2020/II | 2021/I | 2021/II | 2022/I | 2022/II | 2023/I | 2023/II | 2024/I | 2024/II

April
Donnerstag 24.04.

Stützen der Gesellschaft
(Detlef Sierck, D 1935) [blu-ray]

großartig

Mittwoch 23.04.

The Black Dahlia
(Brian De Palma, USA/F/D 2006) [blu-ray, OF] 2

ok +

Dienstag 22.04.

Amer
(Hélène Cattet, Bruno Forzani, B/F 2009) [blu-ray, OmU] 2

großartig

Cattet-Forzani-Kurzfilm-Collection
(Hélène Cattet, Bruno Forzani, B 2001-2004) [blu-ray, OmU]

tba.

Catharsis (2001) – nichtssagend
Chambre jaune (2002) – ok +
L’étrange portrait de la dame en jaune (2004) – ok
La fin de notre amour (2003) – gut
*****

Montag 21.04.

Appointment with Death / Rendezvous mit einer Leiche
(Michael Winner, USA/UK/ISR 1988) [DVD] 2

großartig

Schulmädchen-Report 12. Teil: Wenn das die Mammi wüßte
(Walter Boos, BRD 1978) [digital]

gut

Sonntag 20.04.

Astérix et Cléopâtre / Asterix und Kleopatra
(René Goscinny, Albert Uderzo, F/B 1968) [blu-ray] 8

großartig

Only Angels Have Wings / S.O.S. Feuer an Bord
(Howard Hawks, USA 1939) [blu-ray, OF]

fantastisch

Sonnabend 19.04.

Man’s Favorite Sport? / Ein Goldfisch an der Leine
(Howard Hawks, USA 1964) [blu-ray, OF] 4

großartig

Freitag 18.04.

O Brother, Where Art Thou?
(Joel Coen, USA 2000) [DVD] 7

großartig

Snow White and the Seven Dwarfs / Schneewittchen und die sieben Zwerge
(David Hand, USA 1937) [blu-ray] 4

gut

La Femme infidèle / Die untreue Frau
(Claude Chabrol, F/I 1969) [DVD, OmU] 2

großartig

Donnerstag 17.04.

Humain, trop humain / Menschliches, Allzumenschliches
(Louis Malle, René Vautier, F 1974) [blu-ray, OmU]

großartig

Mittwoch 16.04.

Tarzan and the Huntress / Tarzan wird gejagt
(Kurt Neumann, USA 1947) [DVD, OF]

ok

Sinners / Blood & Sinners
(Ryan Coogler, USA 2025) [DCP]

ok

Dienstag 15.04.

Drei Männer im Schnee
(Kurt Hoffmann, A 1955) [blu-ray]

großartig

Sonntag 13.04.

Murder by Death / Eine Leiche zum Dessert
(Robert Moore, USA 1976) [DVD] 6

gut +

Casualties of War / Die Verdammten des Krieges extended cut
(Brian De Palma, USA 1989) [blu-ray, OF] 2

gut +

Sonnabend 12.04.

3 x Ehe m
(Detlef Sierck, D 1935) [blu-ray]

gut

El Dorado
(Howard Hawks, USA 1966) [blu-ray, OF]

großartig +

Rio Lobo
(Howard Hawks, USA 1970) [blu-ray, OmeU]

großartig

Der eingebildete Kranke m
(Detlef Sierck, D 1935) [blu-ray]

ok +

His Girl Friday / Sein Mädchen für besondere Fälle
(Howard Hawks, USA 1940) [blu-ray, OmeU] 2

großartig

Freitag 11.04.

L’Étrange Couleur des larmes de ton corps / Der Tod weint rote Tränen
(Bruno Forzani, Hélène Cattet, B/F/L 2013) [blu-ray, OmU]

gut +

Acht Stunden sind kein Tag (Episode 5) Irmgard und Rolf
(Rainer Werner Fassbinder, BRD 1972) [blu-ray]

großartig +

Τοπίο στην ομίχλη / Landschaft im Nebel
(Theo Angelopoulos, GR/F/I 1988) [DVD, OmU]

ok

Zwei Windhunde m
(Detlef Sierck, D 1934) [blu-ray]

großartig

Donnerstag 10.04.

Acht Stunden sind kein Tag (Episode 4) Harald und Monika
(Rainer Werner Fassbinder, BRD 1972) [blu-ray]

fantastisch

Eine Komödie verliebter Heiratswilliger, denen ein Panoptikum fürchterlicher, dysfunktionaler oder gerade etwas schwieriger Ehen und Beziehungen vorgesetzt wird – selbst Sanftmut-MVP Gregor (Werner Finck) muss für dieses Vorhaben ungehalten sein. Am Ende findet aber sogar Kurt Raabes Vampirkleinbürger sein Herz.

Wunderschöner
(Karoline Herfurth, D 2025) [DCP]

großartig

Mittwoch 09.04.

Acht Stunden sind kein Tag (Episode 3) Franz und Ernst
(Rainer Werner Fassbinder, BRD 1972) [blu-ray]

großartig +

Etwas weniger ist los als in den vorherigen Folgen, etwas zu sehr wird sich auf die Beschwörung des Arbeiterklassenethos und von Zusammenhalt konzentriert. Aber wenn Franz (Wolfgang Schenck) sich im Suff um Kopf und Kragen redet, Oma eine neue Oma besorgt, mit der ihr Schwiegersohn (Wolfrid Lier) nach ihrem Auszug zanken kann, wenn Rüdiger (Herb Andress) nach seinem Verrat im Regen steht, dann kann sich eigentlich nicht beschwert werden, dass dies keine abermalige Sause wäre.

The Last Showgirl
(Gia Coppola, USA 2024) [DCP, OmU]

gut +

Rauschige Bilder, die gerade zu Beginn ein wenig zu nah sind – wenn Pamela Anderson und Jamie Lee Curtis im Verhältnis zu ihrer Umwelt, zu Las Vegas, zu einer Welt von Glamour- und Jugendwahn stehen und wenn sie aus dieser herausstechen, ist der Film am besten und am gelöstesten.
Erzählt wird eine Form von Drogendrama. Shelly (Anderson) hat als Showgirl nämlich einen Platz gefunden, an dem sie sich mag und wohlfühlt. Im zunehmenden Alter und als gescheiterte Mutter wird sie aber nun von allen Seiten bedrängt anzuerkennen, dass der Traum aus ist, dass es ihre Droge nicht mehr für sie gibt. Dass ihr Traum schon immer verrottet war. Über die Laufzeit kämpft sie – mit derselben sanften, hohen Stimme wie Marilyn Monroe, die keinen Argwohn wecken möchte, mit Verhaspelungen, die sie als völlig ungefährlich inszenieren, als nie erwachsen gewordene Egoistin. Der Film zerreißt sie nach und nach, aber nicht, weil er ihr ihre Fehler vorrechnen möchte, sondern mit ihren Schwachpunkten in ihrem Don Quichote-Kampf um Weiterleben ihres Traums durch eine glitzernde Welte gleiten lässt, die sie nicht mehr haben möchte.
Persönliche Anmerkung: Kiernan Shipkas Rolle hätte ruhig größer sein dürfen.

Dienstag 08.04.

Acht Stunden sind kein Tag (Episode 2) Oma und Gregor
(Rainer Werner Fassbinder, BRD 1972) [blu-ray]

fantastisch

Ein Pendel zwischen sozialem Horror, alberner Komödie, tiefer Kummer und kleinem Glück. Vom Italo-Western-Striptease mit Liebeskummer zur Demo, bei der eine Horde Kindergartenkinder die Gänge einer Stadtverwaltung von oben bis unten anmalen, bis hin zu zwei Rentnern, die sich eine Aufgabe suchen und beschwingt durch die Straßen Kölns hüpfen. Und wie gesagt, hinter dem fröhlichsten Moment lauern stets die trostlosen Gefühle, nur wartet auch hinter den bitteren Moment der heitere Widerstand – es ist die Utopie der Serie.

Ο Μελισσοκόμος / Der Bienenzüchter
(Theo Angelopoulos, GR/F/I 1986) [DVD, OmU]

gut +

Marcelo Mastroianni spielt Spyros, einen Miesepeter, der nicht erst gefragt werden muss, welche Laus ihm über die Leber gelaufen ist, weil ihn sichtlich alles nervt. Es ist Frühling, die Kinder sind aus dem Haus, das Vatersein ist abgewickelt – also kann er auch seine Frau hinter sich lassen. Die Blumen blühen, seine Bienen müssen zu ihnen gebracht werden – also bricht er in ein Roadmovie auf. Nur ist es stets diesig, die Sonne bricht nie durch, seine Bienenvölker sterben nach und nach, er fährt sie nur hin und her, stellt sie ab, genießt nichts am Vorgang – er tut seine Pflicht als einer der letzten seiner Art. Nirgends will sich Freiheit/Befreiung oder der Weg, der ein Ziel ist, einstellen. Schnee, Regen und Wind, verlorene Kindheiten, die Dreistigkeit der Jugend, die unverschämterweise voller Lebenswille ist: Spyros steckt im Alter fest und ist verloren in einer Gegenwart, die ihn nicht braucht, die kein dritter Frühling sein will.
Unterwegs liest er eine junge Frau (Nadia Mourouzi) auf. Vom Alter könnte sie seine Tochter sein, weshalb lange nicht klar ist, ob er ihn eine Ersatztochter gefunden hat oder ob sie die unheimlichen Gefühle in ihm weckt – oder dubioser Weise beides zusammen. Aber Mastroianni wurden nicht umsonst gecastet. Blut, Sex und Popmusik dringen jedenfalls mit ihr in den Film. Diese bringen aber kein Leben, sondern potenzieren Frust und Kummer des alten Mannes.
Ich muss gestehen, dass ich mich auf einen Bienenzüchter gefreut hatte, aber ich wurde wie Spyros enttäuscht. Stattdessen bekam ich ein fast schon klassisches US-amerikanisches Roadmovie – nur mit den Mitteln Angelopouloses. Der Film ist tief traurig, er schießt die Botschaft aber auch aus allen Rohren. Gleich die erste Einstellung zeigt einen Tisch, ein trostloses Testament einer unterbrochenen Party, die durch den Regen nach innen fliehen musste. Dazu klimpert ein Klavier extradiegetisch traurige vor sich hin. Doppelt und dreifach wird die Schwermut unterstrichen. Bei aller Schönheit und Wahrheit des Ganzen, bei allen garstigen Ausbrüchen, peinlichen Begebenheiten und Überspannung bis ins Absurde ist es mir doch zu sehr ein Trauerkloß.

Montag 07.04.

Acht Stunden sind kein Tag (Episode 1) Jochen und Marion
(Rainer Werner Fassbinder, BRD 1972) [blu-ray]

fantastisch

Schon der Auftakt – der Loriot-Sketch der Geburtsfeier einer Oma (Luise Ullrich – Star Hochbaums VORSTADTVARIETÉ und Ophüls‘ LIEBELEI), in dem Kinder geschlagen werden – fühlt sich wie der Schlag in die Fresse Fernsehdeutschlands an. Mit gammligen von Praunheim-John-Waters-Kitsch, beschwingtem Jux, fröhlichen Sympathen, bitteren menschlichen Abgründen, sozialem Terror über die zwischenmenschliche Kälte in Deutschland und didaktischer Erklärung des Klassenkampfs ist dies quasi die Sesamstraße für das Proletariat. Die Anzahl der menschlichen Bestien (Kurt Raab als düsterer Graf von Zahl, Irm Hermann, Herb Andress) ist zwar gering, aber durch die Fabriken, Ämter und tristen Restaurants, in denen sich alles selig gesoffen wird, durch das Festsitzen in einer gesellschaftlichen und inszenatorischen Stasis ist der Strom von Trauer und Verbitterung noch unter den fröhlichsten Abschnitten der Erzählung enorm.

Schulmädchen-Report 8. Teil: Was Eltern nie erfahren dürfen
(Ernst Hofbauer, BRD 1974) [digital, ≠]

ok +

Wie kann daraus schlau geworden werden? Einerseits ist es der entspannteste der bisherigen Report-Filme, die ich bisher sah, der kaum an fiesem Kram interessiert ist, der vll. sogar sowas wie sexpositiv gegenüber und für junge Frauen ist, andererseits steht er aber auch eher auf der drögen Seite der Dinge, bei dem es schon bemerkenswert ist, wenn ein Spanner mal sehenswert in einen See geworfen wird.

Sonntag 06.04.

La Flor
(Mariano Llinás, ARG 2018) [blu-ray, OmU]

großartig +

Ein Film, sechs Geschichten (mit den jeweils gleichen vier Schauspielerinnen in den unterschiedlichen Hauptrollen – oder auch nicht), eine Handvoll Genre, vierzehn Stunden und fünfunddreißig Minuten Laufzeit (inklusive Gebrauchsanweisungen, die uns Llinás von der Bank eines Rastplatzes aus gibt, mit Musik choreographierten Pausen und einem monumental langen Abspann).
1. Im Horrorfilm nimmt jemand die Augen einer Mumie an sich. Eine Katze und eine Frau agieren nach Kontakt mit dieser wie besessen – wenn sie nicht schlafen, toben sie und stellen eine Lebensgefahr für ihr Umfeld dar. Um Zuständigkeit wird gestritten und mit der eigenen Position im sozialen bzw. beruflichen Gefüge gerungen. Immer wieder bestimmen Unschärfe und Schärfeverlagerung die Bilder, oder wir sehen zwar Leute, die etwas Grauenerregendes oder Entscheidendes anschauen, nur bekommen wir den Gegenschnitt nicht, der zeigt, was sie sehen. Unser Blick ist wie der der Mumie limitiert.
2. Die Telenovela im Musikermilieu – Llinás meint fälschlicherweise, er reiche uns ein Musical – erzählt von einem zerbrochenen Schlagerduo und ihren unterschiedlichen Perspektiven auf ihre gegenseitige Liebe. Es ist die Geschichte eines Endes, dass nicht möglich ist. Erstmals wird hier das Motiv der Liebe als Kampf um Sieg und Niederlage eingeführt, und solange noch eine Rechnung offen ist, geht es eben weiter. Bzw. geht es um Gift als Antriebsmotor, das Gift der Leidenschaft oder das eines Skorpions, das in einem okkulten Subplot zur Verjüngung eingesetzt werden kann. Die Bilder werden dabei noch mehr eingeengt, da die etwas mehr als zwei Stunden der Episode größtenteils aus Schuss und Gegenschuss bestehen. Trotz divergierender Sichten auf die Vergangenheit herrscht dadurch Klaustrophobie.
3. Der Agententhriller bildet mit über fünf Stunden Laufzeit den quantitativ größten Teil. Eins der Highlights von LA FLOR ist, wenn Llinás nach ca. 80 Minuten wieder an seiner Raststätte sitzt und uns sagt, dass das noch nicht die Pause ist, uns vorrechnet, wie lange es noch dauert, und uns Glück wünscht. Nach diesem kleinen Insert beginnt das Procedural des Kidnappens eines gekidnappten Wissenschaftlers auszufransen. Immer mehr gewinnt nun der poetische Offenkommentar an Bedeutung und verwandelt mit den Hintergrundgeschichte der vier Agentinnen das Geschehen in ein Bilderbuch des Vergangenen. Die Bilder unterlegen nurmehr das Wort – soweit die mannigfaltige der Realität der Bilder von einem kargen Zeichensystem wie der Sprache dominiert werden kann. Eine widerständige, ruhige, karge Gegenwart wird so durch eine blumige Vergangenheit (mit rumpeligen Kostümen) überschrieben. Die Bilder – Llinás spielt exzessiv mit Unschärfen, Farben und den Kamerablenden – fransen dabei ebenso aus wie die Erzählung. Zentrales Thema ist der Verrat an Land und Auftraggebern … und ob auszumachen ist, wann er einsetzt.
4. Das Meta-Drama über einen Filmregisseur, der seine vier Hauptdarstellerinnen nicht mehr erträgt und deshalb loszieht, um Bäume zu filmen, enthält ein Essay über die Möglichkeiten Bäume zu filmen und einen Baummonster- und Hexenfilm, bis es schließlich im Mysterythriller mündet. Nach der Mumie, dem Partner und der Vergangenheit, die abgehängt werden sollen, aber nicht abstreifbar sind, ist es nun das eigene Konzept, das einen gefangen hält, obwohl der Druck kaum noch auszuhalten ist – diese Episode endet nach zwölf Stunden und ca. vierzig Minuten der gesamten Laufzeit. Der Regisseur verrät sich derweilen selbst und gibt anderen dafür die Schuld. Alles ist am zerfallen, was geschehen sein wird ein Mysterium. Und Bäume, obwohl fest und mehr oder weniger statisch, sind die größten Verräter, weil sie sich nicht so filmen lassen, wie sie auf das Auge des Betrachters wirken.
5. Das Remake von Renoirs unfertigen PARTIE DE CAMPAGNE spielt sich ohne Vergewaltigung und Ton ab – nur die Sequenz, die Flugzeuge am Himmel zeigt, während unten auf der Erde miteinander geschlafen wird, ist mit Tonfetzen des Originals unterlegt. Alles ist klar, auch wenn uns über die Bilder hinausgehende Informationen vorenthalten werden.
6. Ein Stummfilmfragment, das alles abschließt. Vier Frauen entkommen nach Jahren der Gefangenschaft in die Freiheit/die Wüste und verraten sich.
Nachdem die Zeltplane von der Kamera entfernt wird, die für die verschwommene, pseudoaltersbedingte Textur der Bilder der letzten Episode sorgte, sehen wir, wie das Filmteam das Ende ihrer Anstrengungen feiert, das Equipment zusammenpackt und sich jemand unter den Sternenhimmel setzt. Dabei wird in einer endlos scheinenden Einstellung der Abspann gezeigt. Und für uns bleibt nach diesem Film über das Ende des Kinos und wie mit ihm weiter umgegangen wird, die Frage, wer hier wen verrät. Wir das Kino? (Ich sage mal: die Perspektive eines Menschen mit einem gesunden Verhältnis zum Medium Film.) Oder das Kino uns? (Godards Perspektive.)

Sonnabend 05.04.

Pretty Woman
(Garry Marshall, USA 1990) [DVD, OmeU]

großartig

Offenbart sich in HOW TO MARRY A MILLIONAIRE der Mentsh, wenn dieser den Drang aufgibt, einen Eindruck von elitärer Klasse zu erwecken, und stattdessen der Lust nachgibt, einfach mal einen Burger im Diner zu essen. Im Gegensatz dazu offenbart es sich hier, sobald dieser die emotionale Kraft einer Oper erkennt. Die Prostituierte Vivien Ward (Julia Roberts) eignet sich mit dem Operngenuss aber nicht deren gehobene kulturelle Klasse an, sondern geht in der Schönheit der Fiktion auf.
Ursprünglich war das Drehbuch von PRETTY WOMAN wohl ein hartes Drama, Marshalls endgültiger Film erzählt aber ein Märchen. Der Millionär Edward (Richard Gere) liest Vivien zufällig auf dem Straßenstrich auf und will sie eigentlich nur für ein paar Tage als Begleitung während seines Aufenthalts in L.A. engagieren. Die erste Stufe des Märchens stellt das zeitlich begrenzte Ende der Armut dar. Mit seiner Kreditkarte kann sie sich neu einkleiden, während sie in einer riesigen Suite eines Luxushotels wohnt. Die zweite Stufe schwingt auch schon von Beginn an mit: Beide verlieben sich, und er wird als Ritter auf einer weißen Limousine reiten, um sie aus ihrer Aschenputtel-Wirklichkeit zu befreien.
Gleichzeitig erlebt der Räuberkapitalist Edward eine Wandlung. Vivien lässt durch ihre Schönheit, Ungezwungenheit und natürlichen Klasse Menschlichkeit in ihm keimen. Edwards Kompagnon, der Anwalt Stuckey (Jason Alexander), ist der Gegenpol dazu. Er verkörpert den Nihilimus Edwards, der nur Reichtum und Erfolg auf Kosten anderer anerkennt. Während sich Vivien märchenhaft ihre Realität entledigt, nennt Stuckey sie weiterhin nachdrücklich eine Prostituierte und behandelt sie auch so. Er ist der Agent einer obszönen Wirklichkeit, der Wahrheit, die das Märchen wegzuätzen droht.
Über diese beiden Pole – etwas, das zu schön ist, um wahr zu sein*, und ein niederträchtiges Missachten alles Schönen und Richtigen als Fiktion –, zwischen denen Edward aufgespannt und die ihn zeitweise zu zerreißen droht, funktioniert die Dramaturgie einer selbstreflexiven, schmalzigen Romanze. Seinen größten Spaß hat und macht der Film aber, wenn er verspielt und dann doch noch düster Prostitution und (Turbo-)Kapitalismus gleichsetzt. In den Aufmotz- und Einkaufszenen erniedrigt sich ein Verkäufer gnadenlos, wenn ihm nur möglichst viel Geld versprochen wird. Ein Verkäufer der Sorte, die in Leuten ohne Vermögen kaum mehr als Lumpenproletariat sehen. An allen Ecken verkaufen sich Leute oder ziehen mit ihrem/für Geld andere über den Tisch. Und gerade diese Dimension macht das Märchen nötig, weil dieser Abgrund nur mit einem Zuckerüberzug erträglich ist.
Nicht weniger gruselig ist, wie sehr dieser Film als Reaction-Shots-Massaker inszeniert ist. Leute drehen sich andauernd um, schauen Vivien et al nach und drücken ihre Zustimmung, Abneigung, Entsetzen aus. Nichts ist in dieser Welt wichtiger als die eigene Wirkung. Vivien und ihre Freundin spielen mitunter aus Trotz die Fratze, die andere in ihnen sehen und provozieren, so entkommen sie der ewigen Bewertung aber gerade nicht. Und überhaupt ist es sowieso besser einen Hotelmanager selig grinsen zu lassen, als nicht anerkannt zu sein. Auch hier: lieber das Märchen als die Realität der Unangepasstheit.
*****
* Wie sehr dies ein Märchen ist, zeigte sich ja unmittelbar nach dem Erfolg des Films und wie schäbig die Presse daraufhin mit Julia Roberts umging, die ja auch nur so erfrischend war wie ihre Vivien.

Sleeping with the Enemy / Der Feind in meinem Bett
(Joseph Ruben, USA 1991) [stream, OmeU]

gut

Das böse Erwachen aus dem Märchen, das ein Jahr zuvor noch PRETTY WOMAN (für Julia Roberts Figur) war. Hector Berlioz’ SYMPHONIE FANTASIQUE, eingesetzt als wäre es ein Imitat des Themas von CAPE FEAR und nicht das Original, verwandelt das Nahen des Märchenprinzen zu einem Akt des Terrors.
In der Mitte wird das Leben in einer US-amerikanischen Kleinstadt als seliger Traum genossen. Laura (Julia Roberts) ist vor ihrem sie schlagenden, einsperrenden und terrorisierenden Ehemann (Patrick Bergin) geflohen, und schon als sie in ihren neuen Wohnort einfährt, zeigt dieser sich als sonnenbeschienenes Versprechen von Heil. Sie betritt einen Traum, nachdem der Alptraum überstanden ist. Nach den brutalistischen Designs in Schwarz und Grau folgen Holz, Wildwuchs, Natur und gedeckte Farben, eine strahlende Normalität.
Erst als sie sich erneut verliebt, kehrt der Alptraum langsam wieder. SLEEPING WITH THE ENEMY ist nämlich nicht die Geschichte der Flucht vor einem Mann, sondern die Gefahr, dass sich jeder Mann als Psychopath offenbaren kann. Ihre neue Flamme (Kevin Anderson) bringt eben nicht nur parallel den Mann wieder, der seiner totgeglaubten Frau auf die Spur kommt, sondern ist selbst nie Teil eines selenruhigen Traums, sondern ein Unsicherheitsfaktor.
Diese Dopplung der Männer und auch die Szene, in der der Traum mittels Tanzes und artifiziellem Sternenhimmel in einer Theaterszenerie noch zauberhafter wird als PRETTY WOMAN mit seinem weißen Ritter auf weißer Limousine, sind sehr toll. Aber während Marshalls Film fast platzt, sitzt Rubens Film die Fratze des Bösen (eines besitzergreifenden Ehemanns) und den Gegensatz von Traum und Alptraum ein bisschen zu sehr aus.

Das Mädchen vom Moorhof
(Detlef Sierck, D 1935) [blu-ray]

fantastisch

Zwei Happy Ends bieten sich am Ende offensiv an, eins bitterer als das andere. Kurz davor müssen ein Vater und Sohn durch die Blumenbögen einer doch noch gecancelten Heirat laufen und werden der gesellschaftlichen Peinlichkeit ihrer schweren Entscheidung nochmal feierlich ausgesetzt. Sierck zeigt hier schon die Giftigkeit seiner großen Melodramen der 1950er Jahre. Gleichzeitig ist er gleich noch witziger als in APRIL, APRIL! Es ist der Sonnenaufgang des Douglas Sirk.
Wie bei Antonioni gibt es bereits tote Zeit, und den Silent Bob-Stick von Kevin Smith weiß Sierck auch und vor allem besser zu verwenden. Ein ungemein moderner Film also auch – der mit seinen Rauchschwaden und düster-spaßigen Dorftrottel-Propheten die Dunkelromantik des Althergebrachten aber nicht fahren lässt.
Sehr schön: Ellen Frank als Verlobte, die zu ihrer Rolle passend wie ein High Society-Schickse aussieht, die jemand in Bauernkleider gezwängt hat.

Το βλέμμα του Οδυσσέα / Der Blick des Odysseus
(Theo Angelopoulos, GR/F 1995) [DVD, OmU]

gut

Als ich mich im Anschluss meiner ersten DEAD MAN-Sichtung anfing ernsthafter mit Filmen auseinanderzusetzen, kam DER BLICK DES ODYSSEUS im Fernsehen. Harvey Keitel spielte mit, die TV Spielfilm ließ ihn ziemlich gut erscheinen, also nahm ich ihn auf. Nach fast der Hälfte des Films machte ich aus – kurz bevor eine meterhohe Leninstatue liegend verschifft wird –, die Langeweile wollte einfach nicht fruchtbar erscheinen. Aus heutiger Sicht war es vll. nicht die schlechteste Entscheidung, weil diese erste Hälfte die deutlich bessere ist und ich das Kommende vll. noch ermüdender gefunden hätte. Aber wer weiß, vll. hätte mir das Folgende damals dann sogar noch besser gefallen.
In der ersten Hälfte schwebt die Kamera jedenfalls durch Gesellschaft, Geschichte und persönliche Obsessionen, also durch Menschenmengen, Erinnerungen und Träume … ohne die Übergänge allzu deutlich zu machen. Das Ergebnis ist ein Film über einen multidimensionalen Abschied – vom Leben, von Nationen, von einem Zeitalter, vom Kino, deren Ende sich ankündigt. Kälte, Eis, Regen und Nebel sind die Marker von Isolation. Warum also die Fenster des Taxis hochdrehen, wenn draußen der Schneesturm wütet.
Das Ende zeigt Sarajevo mitten im Krieg und schafft mit diesem eine Vision gesellschaftlicher Apokalypse. Der Tanz im Nebel – als unwirkliche Möglichkeit des Glücks – und der Tod im Nebel – als nur zu reale Möglichkeit eines baldigen Endes, mit dem dann weitergelebt werden muss – ineinander übergehen.
Dazwischen reist Keitel durch das ehemalige Jugoslawien in einen immer spürbareren Krieg hinein. Die Gesellschaft verschwindet, er ist auf sich zurückgeworfen. Selbst das Schweben lässt nach. Zurück bleibt die verlorene Geschichte eines Einzelnen, der nach Unschuld sucht. Die vielschichtige Melancholie fällt in sich zusammen. Alte Männer trauern hier über den Zustand der Welt, und diese eine wenig interessante Trauer wird so sehr überhöht, dass neben ihr nichts mehr bestand hat.

Laissez bronzer les cadavres / Leichen unter brennender Sonne
(Hélène Cattet, Bruno Forzani, B/F 2017) [blu-ray, OmU]

großartig

Als Neu! 1973 ihr zweites Album aufnahmen, ging ihnen das Geld aus. Die B-Seite des Albums besteht deshalb aus zwei Liedern, die immer wieder aber in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und unterschiedliche manipuliert abgespielt werden. In einer noch jungen Remix-Kultur war es ein damals umstrittenes, aber bis heute faszinierendes, toll anzuhörendes Experiment.
In zweierlei Hinsicht machen Cattet und Forzani das Gleiche. Erstens nehmen sie bekannte Stilticks des italienischen Kinos der 1960er und 1970er Jahre und machen diese zum zentralen Ausdrucksmittel ihrer Filme. Die Musik, die Einstellungen, die nur Augenpaare zeigen, die Reißzooms, die drückende Sonne: immer und immer wieder werden die audiovisuellen Klischees eines Genres aneinandergereiht, während das Erzählerische darüber verwaist. Zweitens verfilmen sie hier ein Hard-Boiled-Krimi von Jean-Pierre Bastid, den sie in ewige Wiederholungen zerstückeln, die das Gleiche aus immer noch einer anderen Perspektive zeigen. Auch nicht, weil es für die Erzählung wichtig wäre. Stattdessen zerreißt sich das Einfache und Karge und wird eine Abfolge von Remixen seiner selbst.
Das Ergebnis ist – anders als bei Neu! – eine nervliche Überbelastung, eine konstante Extremsituation und ein Mosaik aus Sinneseindrücken. Eine Mischung aus einem Nervenzusammenbruch und einer drückenden, von allen Ecken wiederkehrende Begierde. Der Film eines Feststeckens (in sich).

Freitag 04.04.

How to Marry a Millionaire / Wie angelt man sich einen Millionär
(Jean Negulesco, USA 1953) [blu-ray, OF] 2

großartig

Drei Frauen wollen reich heiraten, und ihr ergaunertes Luxusappartement leert und füllt sich entsprechend der zu- und abnehmenden Hoffnung auf Erfolg mit schicken Möbeln. Am Ende siegt die Liebe, sobald jemand gefunden ist, der genauso wenig Durchblick hat wie man selbst, sobald jemand so viele Baumstämme in der Hose hat wie im von ihm beförsterten Wald, so dass sogar Eis und Schnee gegen Sonne und Strand als Ziel ausgetauscht werden, und man am Ende gelernt hat zu lieben, was man am Anfang zum kotzen fand, oder sobald eben mit knirschenden Zähnen akzeptiert ist, dass Selbsthass und Verleumdung von der eigenen profanen Seele nicht glücklich machen wird. Eine wunderschöne, schön unrund getimte Cinemascope-Komödie.

Schulmädchen-Report 4. Teil: Was Eltern oft verzweifeln läßt
(Ernst Hofbauer, BRD 1972) [digital, ł]

verstrahlt

Auf die Horrorshow des dritten Teils folgt die Rolle Rückwärts und ein gesetzterer Teil. Gleichzeitig verengt sich das Konzept noch mehr. Weder werden Straßeninterviews eingebunden, noch wird betont, dass dies wahre Geschichten seien, aus denen Schlüsse gezogen werden müssten. Was jedoch bis zum Schluss gleichbleiben dürfte: die armen, von ihren Schülerinnen bedrohten Lehrer.
Drei der Episoden:
1. Ein von deutschen Eltern adoptierte afrikanische Schülerin wird von einem Haufen Schülerinnen in einen Keller gelockt, wo sie von drei Jungs vergewaltigt wird. Ihr Freund (Sascha Hehn) kommt ihr zur Hilfe, doch der Off-Kommentar wird lakonisch anmerken, dass auch er sie nach Monaten der Schikane von außen verlässt. Vor allem wird zu der Episode psychologisch erklärt, wieso die Schülerinnen und Schüler so auf sie reagieren – die Jungs sind sexuell neugierig, die Mädchen deshalb eifersüchtig. Die Eltern sollen also nicht enttäuscht sein und verteufeln. Es ist noch bitterer und hoffnungsloser als der soziale Terror von KATZELMACHER.
2. Ausnahmsweise darf Rinaldo Talamonti einen Sexprotz mit was dahinter spielen. Drei neugierige junge Frauen verführen ihn und fliehen irgendwann, weil er unersättlich ist und sie von so viel Befriedigung übermannt sind.
3. Zwei Entjungferungen werden gegenübergestellt – de Sades Duo von Justine und Juliette in klein. Eine fängt eben an, rumzumachen, eine (Ingrid Steeger) macht es aus Liebe. Die eine ist unrettbar seelisch verloren, die andere wird glücklich, weil ihre Bedürfnisse der Moral der bürgerlichen Gesellschaft entsprechen. So sehr die gute Laune hochgehalten wird, so bedrückend ist es eben doch immer.

Donnerstag 03.04.

Hundra / Warrior Queen
(Matt Cimber, I/USA/E 1983) [DVD]

gut

Ein Schlachtenoper – theatralische Musik zelebriert unzählige Zeitlupen – bildet den Auftakt. Barbaren fallen in ein Dorf von Kriegerinnen ein, das sich von allen Vertretern des männlichen Geschlechts zurückgezogen hat. Für die Fortpflanzung wird in die Welt gezogen; männliche Babys werden weggegeben. Die Frauen werden diese Schlacht verlieren, zu keiner Sekunde lässt die Inszenierung einen Zweifel, doch sie verkaufen ihre Haut teuer. Eine Kriegerin penetriert einen Vergewaltiger mit dem Speer, der ihr in die Brust steckt, und nimmt ihn so mit in den Tod. Das Finale wendet diese Tragik in einen Triumph – die Musik ist nicht so dominant, die Zeitlupen bleiben aber. Eine Kriegerin tötet dabei die männlichen Machthaber eines der vielen Orte männlicher Dominanz, und mehrere (Sex-)Sklavinnen werfen ihre Ketten ab.
Zwischen diesen beiden Entscheidungen im Kampf der Geschlechter – Frauen sind sämtlich an einzelne Männer oder männliche Machtstrukturen versklavt, bis weit in den Film grunzen die Männer nur, um sich zu artikulieren – gibt es kaum Zeitlupen und doch scheint der Film hier wie im Treibsand festzustecken. Ein paar offene Konflikte gibt es, meist ist dies aber eine Fish-Out-of-Water-Komödie, in der eine Barbarin lernen muss, ihr Aussehen an gängige Standards anzupassen, damit auch jemand mit ihr schlafen will, während sie gleichzeitig ihren Kampfgeist dadurch nicht verlieren darf. Nur scheint sich aber niemand klar zu machen, wie absurd das alles ist – mal abgesehen von dem einen Angriff eines Braveheart-Zwergen in der Steppe, der völlig losgelöst vom Film höchst seltsam bleibt –, weshalb dieser Abenteuerfilm weder in Lust, Laune und Albernheit aufgeht, noch seine Welt mit vollem Ernst seine Blüten entfalten lässt. Viel zu oft gibt er sich mit seinen Aufhängern zufrieden.

Mittwoch 02.04.

Another German Tank Story
(Jannis Alexander Kiefer, D 2024) [stream]

ok

Wunderschöne ostdeutsche Tristesse in einem tristen Film. Mehr dazu beim Perlentaucher.

Dienstag 01.04.

April, April!
(Detlef Sierck, D 1935) [blu-ray]

gut

Sirk ist sichtlich ein Lubitsch, Geschwindigkeit ist nicht sein Ding. Die Leute, die hier im ihrem eigenen Saft kochen, werden von ihm so auch nicht bedrängt und ihr Leid wird nur wenig forciert. Entsprechend gibt es einiges, was für den Film spricht – das Gesicht des Prinzen von Holsten-Böhlau (Albrecht Schoenhals) sieht jugendlich und frisch aus, bis er lächelt und es überall Falten schlägt –, und diverse leider liegengelassenen Möglichkeiten – die beiden Initiatoren des Aprilscherzes sind die vll. launigsten Charaktere und doch recht bald aus dem Film verschwunden. Aber ein Film, der Demokratie dort erkennt, wo der Adel mit dem gemeinen Volk Bockwurst isst, während der neureiche Aufsteiger Kaviar mit den Lügen der eigenen Gewichtigkeit spiest, der kann einfach nie und nimmer nicht gut sein.

März
Montag 31.03.

La Morsure / Meine letzte Nacht mit einem Vampir
(Romain de Saint-Blanquat, F 2023) [stream, OmU]

fantastisch

Das mit der Yound Adult Version eines Jean Rollin Films in meinem Text für critic.de habe ich eiskalt bei Pavao V. geklaut. Es ist einfach zu treffend.

Sonntag 30.03.

Death on the Nile / Tod auf dem Nil
(John Guillermin, UK 1978) [DVD] 7

fantastisch

Bis zum Mord ist es eines der großen Meisterwerke der Filmgeschichte, danach ist es nur noch ein sensationeller Film. Und Lotti Z. (9 Jahre) wusste bei DAS BÖSE UNTER DER SONNE nicht mehr, wer die Mörder waren. Hier war es ganz anders. Auf alle heftigen Szenen zeigte sie sich vorbereitet und kündigte sie an. Von Beginn weg, philosophierte sie darüber, was die Mörder tun und tun werden, welches Spiel sie und der Film mit uns treiben. Die Bilder hatten sich sichtlich eingebrannt. Welcher der beiden Filme zumindest der eindrücklichere Film ist, war mehr als deutlich.

Ein Mädchen namens Willow
(Mike Marzuk, A/D 2025) [DCP]

ok +

Alles zum Themenkomplex Willow lernt den Wald kennen ist supi: Staunen, Entspannen und Abhängen. Alles was über ihre auf sich zurückgeworfene Erfahrung hinausgeht – sie (Ava Petsch) lernt, dass sie eine Hexe ist, sie muss aber drei Mithexen finden, um ihre Potentiale zu entfalten; sie muss den Wald vor Investoren retten – ist abgehetzt und wie ein Fremdkörper in ihrem selbstgenügsamen Naturgenuss. Für jede weitere Hexe interessiert sich der Film jedenfalls immer weniger, und Lotti (Mary Tölle), die vierte Hexe, wird nur noch pflichtschuldig untergebracht. Und die beiden Investoren Geier & Geier (Melika Foroutan & Michael Ostrowski) dürfen ihr Potential als schmierige Bösewichte auch erst im überdrehten Finale entfalten.
Im Roman ist Grimmoor ein Buch, dass in seine Seite schreibt, um zu kommunizieren. Dass es im Film etwas filmischer sein muss, kann ich verstehen. Dass Max Giermann seinen Grimmoor als in Pappmaché gewickeltes Heinz Erhardt-Imitat spielt, musste aber nicht sein.

Schulmädchen-Report 3. Teil: Was Eltern nicht mal ahnen
(Ernst Hofbauer, Walter Boos, BRD 1972) [digital]

tba.

Suchten die ersten beiden Teile nach Ausgleich und betrieben ein schelmisches Spiel, will der dritte Teil höher, weiter, krasser hinaus. Um relevant zu bleiben und sich nicht zu wiederholen, scheint das Ziel, bisher Verschwiegenes auszuleuchten. Kleine Juxe oder Lolita-Träumereien – die Angst vor subjektiv sexualisierten jungen Frauen – bilden nun die Minderheit, während der edgy Kram dominiert. Inzest, Mädchenhandel, Vergewaltigungen, Triebtäter oder Doktorspiele mit Lehrern oder 10-jährigen Cousins: entweder liegt der Horror in der dargebotenen Unschuld oder in der grimmigen Inszenierung. Erst der Abschluss des Ganzen setzt auf die Versöhnung (mit dem Zuschauer) und bietet etwas Romantik.
Die Umfragen und Kontextualisierungen sind zwar so launig wie zuvor, sie rücken aber bereits an den Rand … und sind alsbald kein Teil der Reporte mehr.

Sonnabend 29.03.

Evil Under the Sun / Das Böse unter der Sonne
(Guy Hamilton, UK 1982) [DVD] 11

fantastisch

Lotti Z. (9 Jahre) wollte mal wieder einen Hercule Poirot-Film sehen, also hatten wir tags zuvor mal einen Zeh in die Serie mit David Suchet gehalten. Die Folge mundete ihr aber nicht so, vor allem entsprach Suchet zu wenig dem, was sie an Poirot mochte. Also schlug sie vor, dass wir doch die Filme mit Ustinov nochmal schauen könnten, zugucken, wie er ständig Indizien groß in die Kamera hält, wie um den Zuschauer zu foppen – Du wirst deren Wichtigkeit trotzdem nicht erkennen, ha! –, oder wie er nur mit den Unterschenkeln im Wasser schwimmt, um sich mit den Normalsterblichen, soweit es ihm möglich ist, gemein zu machen. Lotti war beim Filmschauen glücklich, und ich war stolz, dass sie Qualität zu erkennen weiß.

Bus Stop
(Joshua Logan, USA 1956) [blu-ray, OF]

gut

Die erste Hälfte zeigt einen jungen Mann, der umgeben von Cowboys auf einer Farm aufwuchs. Von Frauen hat er keine Ahnung, nun möchte er sich aber eine anschaffen und geht in die große Stadt – wo er einen Engel so erlegen möchte, wie es mit Rindern erlernt hat, mit Lasso und Wucht. Don Murray spielt dabei einen quasi-Incel auf Steroiden, der Film ist folglich die grelle Komödie eines irrsinnigen Testosteronbündels, der sich für einen Gentleman und die Welt in Atem hält.
Die zweite Hälfte wandelt sich dann aber langsam in ein theatrales Liebesdrama, in dem er gezähmt wird und lernt, die Realität und die Bedürfnisse anderer anzuerkennen. Für Cherie (Marilyn Monroe) und auch sein restliches Umfeld ist das natürlich mehr als wünschenswert, für den Film bedeutet es ein klar umrissenes Siechen gen Ende.
Am spannendsten ist aber, wie Marilyn Monroe zurechtgemacht wurde. Sie steckt nämlich unter einer dermaßen dicken Pudermaske, dass sie zuweilen so bleich wie Donald Sutherland in CASANOVA aussieht. Nicht das Bombshell-Pin-Up wird betont, wenn sie ungesund und fehlgeleitet aussieht. Zudem singt sie in ihrer tacky Bühnenshow ausgestellt rumpelig – gerade deshalb ist es auch eines der Highlights abseits der Urschreie Murrays. Während nun eine Komödie über sie hereinbricht, weist ihre Selbstzerstörung in ihrer artifiziellen Heruntergekommensein schon Richtung eines New-Hollywood-Seelendramas. Und so sehr die Mechanik des Theaterstücks sie zu retten sucht, so bleibt doch der Puder und die erschreckende Fahlheit ihres Gesichts bis zum Ende eindrücklich bestehen.

Freitag 28.03.

Pieseň o sivom holubovi / The Song of the Grey Pigeon
(Stanislav Barabáš, CS 1961) [DVD, OmeU]

gut

Zu Beginn wird einer Taube ein Flügel gebrochen – ein Junge beschießt sie mit einer Schleuder. Am Ende fliegt sie wieder los – ein anderer Junge hatte sie gepflegt. Dazwischen zieht die Ostfront über die Slowakei dahin. Nazideutschland verliert zunehmend an Grund und irgendwann ist es verschwunden. Doch die Episoden des Films, die diesen langsamen, steinigen Weg der Befreiung von Nazikollaborateuren und der Wehrmacht nachzeichnen, wird uns aus der Perspektive von Kindern präsentiert. Und so hoffnungsvoll das Symbol der Taube auch ist, so naiv* die Perspektiven oft sind, so schlafwandlerisch bewegt sich der Film darauf zu, dass die Unschuld stirbt, dass Trauma und Mienenfelder als Erbe bestehen bleiben werden.
Immer wieder findet es dabei schöne Bilder, in denen Tristesse und Anmut zusammenfallen – der reißende Bach in einer idyllischen Natur, an dem ein Wandertag entlangführt, das vor den Pflug gespannte Pferd im Schnee, die als heilige drei Könige verkleideten Kinder, die für sadistische Soldaten tanzen müssen –, meist wird aber nur funktionell die Dramaturgie der zeitlichen und seelischen Veränderung erarbeitet … die von Beginn weg mehr oder weniger klar ist.
*****
Wobei naiv tatsächlich heißt: der erwachsene Blick auf den naiven Blick der Kinder auf die Komplexität des Ganzen, der offenbart, dass es vll. nie ganz so komplex war, wie es schien.

Agatha Christie’s Poirot (Episode 1) The Adventure of the Clapham Cook
(Edward Bennett, UK 1989) [stream]

ok

Musik und Ausstattung versuchen Nostalgie zu erzeugen – wieso ein Rennrad in einer Außenszene die Ausstaffierung des Vergangenen bricht, habe ich mir noch nicht ganz erschließen können. Und David Suchet versucht uns als Poirot, als kauziger, ein wenig eingebildeter, aber grundsympathischer Onkel einzufangen. Vll. ist mein Problem mit der Folge deshalb, dass auch noch die Leiche und die zwischenmenschlichen Animositäten an den Rand geschoben werden, dass es schon viel, viel zu heimelig wird.

Der neue Schulmädchen-Report 2. Teil: Was Eltern den Schlaf raubt
(Ernst Hofbauer, BRD 1971) [digital, ł, ≠]

verstrahlt

Ein Physiklehrer wird von seinen sexualisierten Schülerinnen in den Tod getrieben. Vergewaltiger machen ihre Opfer mit Heroin gefügig. Das Pendel schwingt aus und zeigt uns die Gewalt, die Tragik und den Schmutz, den die neue sexuelle Offenheit mit sich bringe. Da sind aber auch die Eltern, die sich zwar aufregen, die sich aber eingestehen, dass sie früher im Grunde auch nicht anders waren. Das Pendel schwingt also auch zurück und versucht eine ruhige Perspektive zu gewinnen, dass vll. doch ein wenig Hyperventilieren bei den zugrunde liegenden Diskursen zu finden ist.
Zwischen Hysterie und Versöhnung, zwischen albernen Chosen und bitterer Raserei, zwischen Warnung und Verständnis geht es hin und her, weshalb der zweite Teil auch wie ein Versuch scheint, zwischen den Generationen zu vermitteln. Den jungen Leuten soll ihr Platz gelassen werden, die Bedenken sollen aber zur Geltung kommen.
Vor allem ist es aber ein Film der Frauenkörper – die ja exponentiell öfter zu sehen sind als nackte Männer. Klar ist es Voyeurismus und männlicher Blick, aber eben auch das Portrait der Macht, die von diesen Körpern auf die Männer auszugehen scheint. Macht, die die Männer im direkten Gegenzug entmachtet. Die Ausstellung der Körper erzeugt deshalb gerade das Portrait der Männer, die sie anschauen. Die Frauen sind das Mittel, um ihre Verfassung sichtbar zu machen.

Donnerstag 27.03.

Beau Travail / Der Fremdenlegionär
(Claire Denis, F 1999) [stream, OmU]

fantastisch

Für ein paar Tage besuchen wir die Fremdenlegion. Da die Soldaten eigentlich nie einen Einsatz haben, sehen wir sie bspweise bügeln und Wäsche aufhängen. Ein wenig bekommen wir also etwas wie einen Film über eine Klassenfahrt oder anderes Abhängen. Mehr als den Haushalt zu besorgen, üben die Männer jedoch für die kommenden Schlachten, für den Krieg. Sie stählen und disziplinieren ihren Körper wie sie mit den Hausarbeiten ihren Alltag disziplinieren.
Handlungsort ist größtenteils eine karge, steinige Wüste, die das azurne Blau des Wassers aus Meeren und Flüssen abzuweisen scheint. Denis zeigt immer wieder Küsten et al, deren Fels wie ein Panzer die Frische des Nass abwehren. Auch die diversen Discoaufenthalte zeigen uns Frauen aus Distanz, Frauen dort trüben. Zwar wird von der Suche nach heterosexuellem Sex gesprochen, er wird aber nie wirklich Teil der gezeigten Realität. Das Weiche, Auflösende wird beständig abgewehrt.
Stattdessen zeigt der Film einen Fetisch – aus der Perspektive Galoups (Denis Lavant), der auch das Voice Over sprechen darf: Männerkörper. Harte, felsige Männerkörper. Eine ihrer Übungen sieht aus, als ob sie üben, sich zu umarmen. Immer wieder fallen sie sich mit nackten Oberkörpern in die Arme, aber fest, mit Nachdruck, als ob das die einzige Form von Zärtlichkeit ist, die ihre stählernen Panzer noch zulassen.
Die eingeblendeten Titel erinnern an Jean-Luc Godard, Michel Subor spielt zudem Bruno Forestier und darf mehr als dreißig Jahre später nochmal seine Rolle aus dessen LE PETIT SOLDAT aufgreifen. Aber dies ist kein Essay über Männlichkeit, jedenfalls nicht offensiv und schon gar kein godardsches. Stattdessen geht der Film in wunderschönen, begehrlichen Eindrücken auf und erzählt melancholisch von diesen Ganzkörpererektionen, die alles außer Bitterkeit auf Distanz halten.

Dienstag 25.03.

Schulmädchen-Report: Was Eltern nicht für möglich halten
(Ernst Hofbauer, BRD 1970) [digital, ł]

verstrahlt

Der erste Teil ist tatsächlich auch das Dokument einer Zeitenwende. Der Film schaut nämlich nicht auf Schulmädchen, sondern auf einen Generationenkonflikt, der durch aufbrechende Moralvorstellungen entsteht. Neben den jungen Frauen geht es eben auch, wenn nicht sogar mehr um die Eltern, die es nicht für möglich halten, dass ihre Werte und Vorstellungen von Sexualität und Moral vll. fehlgeleitet sein könnten.
Die Rahmenhandlung geht den Muff in den Köpfen der Elterngeneration direkt an, die Straßenbefragungen suchen nach unterstützender Empirie. In der offenen Suche nach Wahrheit werden gleich noch Tabus und Altersgrenzen hinterfragt. Nur stehen diesem ausgestellten Ernst Spielszenen entgegen, in der die ganze Hysterie in grelle Karikaturen überführt wird. Wenn Kolben pumpen, Pferde ficken und schwallender Matsch zwei Liebende in einen riesigen Cumshot taucht, dann scheint zumindest Seriosität nicht die Wahl der Mittel.
Junge Frauen wachsen jedenfalls laut Film heran, die den armen Männern das Leben schwer machen werden, während die sie gleichzeitig zunehmend wie Freiwild behandeln dürften. Meistens läuft es hier noch auf ersteres hinaus. Dabei sind die jungen Frauen aber weder Opfer, noch Täter, sondern selbstbestimmte Wesen, die über sich selbst entscheiden und sich nicht mehr unbedingt verstecken wollen. Es ist erstaunlich, gerade beim Ruf der Reihe.
Die Bitterkeit der in den direkt folgenden Teilen immer zentraler wird, ist hier aber auch schon eingewoben. Nur ist sie noch ein kurzer Moment, in dem ein Schulmädchen davon erzählt, eine Vergewaltigung abgewendet zu haben. Die Bilder der Rückblende sprechen aber eine ganz andere Sprache. Gerade hier, im Schmerz, fehlt die Hysterie aber völlig. Auch dies spricht für diesen ersten Teil.
Und am Ende führt sich dann noch die Rahmenhandlung ad absurdum. Der Elternrat, der über einen Fall von Unzucht zur Schulzeit zu Gericht sitzt und nach etlichen Beispielen, was Psychologen heute wissen, dass Sexualität in der Jugend eine Suche ist, kein Vergehen, und was Schulmädchen inzwischen alles als normal empfinden, zum Freispruch gelangen, kommt raus, dass der Psychologe ein abgekartetes Spiel betrieb und die urteilten zwar weiterhin Bedenken haben, aber nicht als unmodern gelten wollten. Es könnte das Motto des Films sein: Mit diesem abgekarteten Spiel will der Film selbst nicht als unmodern gelten, wie auch die porträtierten Jungen und Mädchen vll. auch nur ihre Abgeklärtheit spielen.

Sonntag 23.03.

Snow White / Schneewittchen
(Marc Webb, USA 2025) [DCP]

ok

In der Besetzung und Bedeutungsaufladung der beiden Hauptfiguren ist dies eine gelungene Neuinterpretation dessen, was denn Schönheit – bzw. im englischen Fairness – bedeutet. Darüber hinaus wird aber nicht sehr viel geboten. Der Wald war 1937 etwa noch einer der Hauptdarsteller, jetzt sieht er beliebig aus und bleibt strikt eine nett ausgeleuchtete Bühne. Expressive Schönheit wird durch die Optik eines ARD-Degeto-Märchens ausgetauscht. Schönheit bleibt hier ein beschränkt bearbeitetes Feld.
Vor allem ist der Film aber überladen, weil er es allen recht machen möchte. Schneewittchen ist beispielsweise nicht mehr Vollzeiterzieherin der Zwerge und hat Bedeutung über Küche und Herd hinaus. Nur werden die Zwerge dadurch Randfiguren, wenn nicht gar fast völlig überflüssig, und doch werden sie mitgeschleppt, weil sie doch dazugehören. Darüber hinaus sind sie zu computergenerierten Fabelwesen geworden, um Kleinwüchsige von diesen Märchenklischees zu trennen. Damit Letztere dadurch aber nicht unsichtbar gemacht werden und darf ein Kleinwüchsiger in einer Räuberbande mitspielen. Und damit es nicht nach Almosen aussieht, muss ihm natürlich auch noch eine halbwegs wichtige Rolle angedichtet werden. Es ist aller Ehren wert, aber uninspiriert umgesetzt, weshalb alles mit Kram vollgestellt ist.

Sonnabend 22.03.

Dead Man
(Jim Jarmusch, USA 1995) [DVD, OF] 4

großartig +

Die Erstausstrahlung von Jarmuschs Film hatte ich mir wegen Neil Youngs Beteiligung und dem bei Viva 2 gesehenen Musikvideo zum Soundtrack aufgenommen. Die zwei Stunden des Films waren am nächsten Tag die längsten zwei Stunden meines bisherigen Lebens – THE UNTOUCHABLES war bis dahin für mich anspruchsvolles Kino gewesen. Ich war aber dermaßen fasziniert, dass ich mich danach zunehmend ernsthafter mit Filmen auseinandersetzte.
In den frühen 2000ern kam in einem Kino bei mir um die Ecke eine Jim Jarmusch Retro und ich dürfte mir alle seine Filme bisher nur im Fernsehen gesehenen Filme nochmal angeschaut haben. Sicher bin ich mir aber nur bei DEAD MAN, da diese Vorstellung für mich sowas wie ein religiöse Erfahrung war. Ich huldigte den Bildern, der Atmosphäre, den Witzen. Nach zwei völlig versunkenen Stunden trat ich mit wackligen Knien wieder in die normale Realität.
Danach habe ich ihn nie nochmal geschaut. Mit jedem neuen Film war ich zunehmend von Jim Jarmusch enttäuscht und auch die Wiedersehen mit Filmen wie NIGHT ON EARTH verliefen nicht so berauschend. Halbbewusst wollte ich mir vll. die Erinnerung an das Kinoerlebnis nicht zerstören. Nun habe ich mich mit ein paar (alten) Freunden zum Filmschauen verabredet, eine schlug DEAD MAN vor und so kam es jetzt doch zum Wiedersehen.
Es war – wie zu erwarten – nicht die religiöse Erfahrung von damals. Schon allein, weil ich ihn mit Augen schaute, die prüften, ob ich damals irrte, als ich dem Film huldigte. Ich konnte aber auch vielmehr einordnen. Mir war bewusst, wann Jarmusch seinen typischen skurrilen Sachen macht, wann der Film deutlich bei APOKALYPSE NOW abkupferte. Vor über zwanzig Jahren hatte ich Iggy Pop erkannt. Crispin Glover, Michael Wincott, Billy Bob Thornton oder selbst Robert Mitchum hätten mir deutlich weniger gesagt, wenn ich sie denn erkannt hätte. Robby Müllers Kameraarbeit erschien mir nicht mehr wie die Definition von Schönheit. Und dass Johnny Depps William Blake von einem Magic Indian begleitet und geleitet wird, hätte ich damals auch nicht gewusst. Es war nicht mehr diese große, schöne Einheit, sondern ein Film unter vielen mit so seinen Macken.
Früher faszinierte mich der Film auch zunehmend, je länger er andauerte, je mehr er – Blake und der Film – in seiner Erfahrung aufging. Sehr schön finde ich immer noch die Schwarzblenden und das damit einhergehende Aufwachen und Einschlafen in dieser scheinbar überwältigenden Traumwelt des Sterbens. Nun finde ich gerade die Exposition am besten, wo er in eine neue, andere Welt überwechselt und noch keine Anbindung an sie gefunden hat. Als er noch ein Außenseiter ist, der vor einem Buch mit sieben Siegeln steht. Hier sieht gibt es auch vermehr die Momente, wo die Tricks artifizielle und nach Méliès aussehen, wie der künstliche Sternenhimmel und die unechten, wunderschönen Rauchschwaden aus den Schornsteinen.
Das Problem ist aber, dass dies kein normaler Film für mich ist. Wohl nie mehr sein wird. Ob ich es will oder nicht, gehört er mehr zu mir als Filme, die ich heute vll. viel gelungener und aufregender finde. Irgendwie kann ich ihn deshalb nur noch relativ zu früher betrachten. Aber es gäbe schlimmere Filme für einen solchen Status.

Jugendliche
(Peter Patzak, Walter Kindler, A 1972) [DVD]

großartig

Sechs Jugendliche aus sechs Bundesländern* und unterschiedlichen Klassen haben alle die gleichen Probleme mit den Eltern, die das Leben der nächsten Generation zu bestimmen/ersticken suchen. Die Männer sollen ihre Haare kürzen. Die Frauen sich nicht rumtreiben – eine wird sogar jede Nacht weggesperrt. Macht was Soldes! Wobei dieses zuweilen etwas zufällig ausgesucht scheint: Mathematik statt politischem Engagement. In direkten, kaum stilisierten Schwarzweißbildern herrscht die Trunst vergilbter Lebenswelten.
*****
* Manchmal verstand ich problemlos, was gesprochen wurde, manchmal eher weniger. Ich nehme an, dass es mit diesen örtlichen Verschiebungen zusammenhing.

Freitag 21.03.

Harley Davidson and the Marlboro Man / Harley Davidson und der Marlboro-Mann
(Simon Wincer, USA 1991) [stream, OF]

ok +

Schon die Exposition besteht nur aus melancholischen Besserwissermachos, die uns beweisen dürfen, wie cool und draufgängerisch sie sind. Alles Drumherum arbeitet ihnen zu. Leider sind die Zuarbeiten so mittel und die Figuren von Mickey Rourke und Don Johnson lediglich die Aufwärmung ihrer Star Persona, dass es sich erstaunlich schnell abnutzt. Sabrina Z. kam gegen Ende, setzte sich und der Film brachte sie umgehend zum Lachen. Ich kannte es da bereits auswendig und freute mich für sie, dass es bei ihr noch frisch wirkte.

I Like Movies
(Chandler Levack, CA 2022) [stream, OmU]

gut

Ich hatte einen Indiefilm wie vom frühen Kevin Smith erwartet. In seinen besten Momenten ist es das aber gerade nicht. Mehr dazu bei critic.de.

Donnerstag 20.03.

Exit… nur keine Panik
(Franz Novotny, A 1980) [DVD]

großartig

Beim Schauen des zweiten Teils während des auswärtigen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos hatte ich mir vorgestellt, dass der erste Teil sicherlich kohärenter gewesen sein muss – sollte er doch ein riesiger Erfolg gewesen sein. Aber nichts dergleichen. Es ist das gleiche Chaos aus Schmäh, impulsivem Handeln und Anstürmen gegen den Verliererblues. Nur steht neben Hanno Pöschl dieses Mal nicht Helmut Berger (der andere), sondern Paulus Manker. Statt einem laufenden Schluck Wasser besitzt Plachinger hier die gleichen toxischen Potentiale wie Kirchhoff (Pöschl). Folglich ist der erste Teil noch roher, mehr Punk und Rotze gegen Anstand und Macht, die mit viel weniger Melancholie eingefangen wird. Dieser jugendlichere der beiden Filme fühlt sich deshalb auch weniger wie ein Flucht an, sondern wie ein Treibenlassen mit Druck unterm Kessel.

Mittwoch 19.03.

La Chimera
(Alice Rohrwacher, F/I/CH 2023) [stream, OmU]

großartig

Mit der Zeit verliert alles seinen Glanz, doch irgendwann, mit der Dauer, kommt der Wert zurück. Als archäologischer Fund wird noch das Profanste etwas Besonderes. Rohrwacher erzählt nun von einer Gruppe, die von diesem Wert der Zeit leben, von Grabräubern, die Raubbau an der Vergangenheit betreiben, statt sich nach vorne zu wenden. Kinder sind in dieser Welt folglich fast Gespenster – unsichtbare Potentiale, die sich in den Fugen der porträtierten Realität verstecken.
In der Mitte der archäologischen Glückritter findet sich Wünschelrutenwunderkind Arthur (Josh O’Connor), der nicht mehr ganz so jung ist, für sein Alter ziemlich verbraucht aussieht und dessen schäbiger Leinenanzug an seinen fettigen Körper herumflattert. Sein Müffeln ist ihm jederzeit anzusehen – die Witze über seine stinkenden Socken zu Beginn braucht es eigentlich gar nicht. Genau diese Speckigkeit ist das Zentrum des Films, der sich kaum für die Dramaturgie einer Geschichte interessiert, in der sich Arthur am Ende symbolisch wäscht und einen Blick in Richtung Zukunft riskiert. Wichtiger sind Rohrwacher die Texturen des Alters und der Zeit. Alte Musik, Fresken, tausende Jahre alte Gräber, vergilbte Villen, verfallene Lauben, surreale Erinnerungen einer verfolgenden Vergangenheit und Isabella Rossellini rahmen das Schlenderns Arthur durch die Zeit. Die Hilflosigkeit dieser Rückwärtsgewandtheit scheint eigentlich ganz schnuggelig.
*****
Apropos heruntergekommene Typen: Seit letzten Mittwoch war ich wieder auf Arbeit, weil Sitzen viel angenehmer als Liegen war. Freitag folgte dann die Nachfolgewurzelbehandlung, die immer noch eine Entzündung vorfand. Weil die diversen Formen von Kopfschmerz nicht nachlassen wollten, weil der Druck nasennah unter der Wange zunahm, weil die Gerüche des Nasenschnoderns, der wohl aus den Nebenhöhlen kam, besorgniserregend war, bin ich zum normalen Arzt. Folge waren zwei Tage Krankschreibung und der Tipp mit Nasenspray die Nebenhöhlen ständig freizuhalten – und mit den Schmerzmitteln nicht so zu geizen, es war schließlich eine Wurzelbehandlung. Vor allem die freie Nase führte zu schneller Besserung. Ich wusste bisher nur, dass es Teufelszeug ist, dass die Schleimhäute zerstört. Da die Heilung sich aber noch zog, verfluchte ich diese Wundermittel nun, weil es so gut half, jedoch nur eine Woche am Stück angewendet werden darf. Wenigstens war schon seit gestern unter der Wirkung von Ibus und Nasenspray auf der Couch liegen und Film gucken wieder eine angenehme Sache.

Hour of the Gun / Die fünf Geächteten
(John Sturges, USA 1967) [stream, OF]

großartig

Der Osten – Kapitalismus in Form ziviler, bürgerlicher Ordnung – steht wie eine dunkle Wolkenwand am Horizont. Er kündet vom Ende des Westens, jeder im Film sieht es heraufziehen.
Großgrundbesitzer Ike Clanton (Robert Ryan) ist ein gesetzter, grauer Mann, der keinen Sinn für Unfug mehr besitzt. Die Weite des Westens ist für ihn die Weite des Gesetzes – wie er es für sich auslegen, bestimmen und umsetzen kann. Über Leichen geht er, um für die neue Ordnung gewappnet zu sein. Er braucht Macht und Einfluss, um seine Position in Zukunft halten zu können und nicht unterzugehen.
Spieler Doc Holliday (Jason Robards) ist ein Zyniker, ein Gentleman Joker, der dem Kommenden ins Gesicht lacht. Auch er ist ergraut, aber dabei kein bisschen weise. Lieber lässt er sich von seinem Feuer – seiner Tuberkulose – verzehren, als sich einer Ordnung unterzuordnen.
Wyatt Earp (James Garner) steht zwischen diesen beiden. Er ist ein Idealist, der erkennen muss, dass Fortschritt Widerspruch bedeutet, dass Gesetze und aufrechte Bürger auch nur auf ihre Weise ihren Vorteil wahren. Sein Haar ist noch schwarz, er ist ein Klumpen von einem Mann, der als Mensch gewordenes Pokerface kaum zu lesen ist – falls da überhaupt Innerlichkeit besteht – und der in seiner Trägheit seinen Weg nicht so schnell ändern kann.
Dies ist nicht der Film von einem dieser drei, sondern einer Welt, die sich für die Zukunft bereitmacht. In Schlaglichtern wie Gerichtsverhandlungen, Rachefeldzügen, dem Sammeln von Verbündeten, in kleinen Handlungen, zur Solidierung der eigenen Position, bringt sie sich in Stellung und guckt, was am Ende auf sie wartet.
Es startet mit der Schießerei am O.K. Corral – mit dem Sturges GUNFIGHT AT THE O.K. CORRAL endete, weshalb dies eine völlig verdrehte, freie Fortsetzung sein könnte. Danach folgt Passivität. Virgil (Frank Converse) und Morgan Earp (Sam Melville) werden nacheinander getötet, während Wyatt auf Gesetz und Ordnung vertrauend dasitzt. James Garner ist bis weit in den Film hinein kaum eine handelnde Figur. Nur zuletzt offenbart sich sein makabrer, zynischer Rachefeldzug, von dem aus es kein Weg zurück gibt. Auf die Gegenwart wartet nur der Tod in der Zukunft.

Tombstone
(George P. Cosmatos, USA 1993) [stream, OF]

großartig

Wyatt Earp (Kurt Russell) ist unentschlossen. Eigentlich möchte er seriös werden, sich eine geregelte Existenz aufbauen, ein reicher Biedermann werden, aber sein Umfeld und seine Triebe drängen ihn zu idealistischer Gangsterjagd, Ehebruch und Schießereien. Doc Holliday (Val Kilmer) ist ein todessehnsüchtiger Feuerteufel, der mit diebischer Freude und sehr viel Eleganz seinen verschlungenen Lüsten nachgibt. Hier der Mann, für den Erotik eine keusch bekleidete Frau auf einer im Studio künstlich gebauten Blumenwiese bedeutet, dort der Mann, der alles zu etwas Erotischem macht. Hier ein seriöser Schauspieler, da einer der vor Lust und Exaltation regelrecht brennt.
Dieser Western, dieser Film der Schnurrbärte, dem es um die Zivilisierung des Westens geht, um die Eindämmung der Regellosigkeit und der Macht des Stärkeren, wird von diesem Paar angetrieben, dass mit dem Verhältnis zu dieser rationellen Ordnung hadert … und ist selbst zwischen diesem zerbrochen. Hier das kultivierte Epos einer Familie und ihres Zerbrechens, das symptomatisch für eine Ära steht, dort Blitz und Donner, Kitsch, Lust und Laune, wild eingebaute Argumente über die Existenz Gottes, fehlende Zurückhaltung.
Was zum Problem wird, sobald Earp seine Brüder verloren hat und zum Racheengel anwächst, der von Kugeln nicht getroffen werden kann – über den sich seine Mitmenschen wundern, dass er nicht über Wasser laufen kann. Zwei Montagen mit Feuerschwert bringen die Abrechnung. Der Film, der zwischen Herrn in schwarzen Mänteln und Frauen in hellen Kleidern, zwischen Relevanz und dem Ausschluss von dieser, der zwischen Dualitäten aufgespannt war, fällt mit sich zusammen und ist nur noch eins … die Spannung fällt ab.

Gunfight at the O.K. Corral / Zwei rechnen ab
(John Sturges, USA 1967) [stream, OF]

gut +

Die Gegenüberstellung zweier Arten zu lieben. In der einen Liebe wird für den anderen alles gegeben, in der anderen gibt es Grenzen dafür, was jemand bereit ist zu tun – bzw. führen Obsessionen gleich zur gegenseitigen Zerstörung. Die erste Liebe ist die zwischen Wyatt Earp (Burt Lancaster, hier ein erstaunlich steifer Beamter) und Doc Holliday (Kirk Douglas, der als Wrack doch noch Drive in seine Figur bekommt), die Liebe zwischen Männern. Die andere ist die zu ihren Frauen, für die sie ihre Männlichkeit aufgeben müssten, so wie sie sie verstehen – als Gang zu Schießereien, in denen Leute zwischen den Pferden, kraftvollen Tieren, die ihnen ein Versteck bieten, nicht zu erkennen sind und wo leider gemacht werden muss, was gemacht werden muss.

Sex-Träume-Report
(Walter Boos, BRD 1973) [DVD, ≠]

gut

Der Ablauf ist immer der gleiche: erst erzählt uns ein Passant – fast durchgängig sind es Männer, klar – von einem ihrer Sexträume, den sie haben, worauf die Realität folgt, in der sich der Traum in irgendeiner Form erfüllt (hat). Nur sind die Träume viel schöner inszeniert, bunter, verspielter, opulenter, während die Realität, egal wie divergent die Umstände sind, immer nur das gleiche Gehoppel bereithält. Traumerfüllung ist, so entsteht kein Zweifel, ein schlimmer Biedermann.

Dienstag 18.03.

The Electric State
(Joe Russo, Anthony Russo, USA 2025) [stream, OF]

uff

Jedes Auftreten von Emotionalität ist hier, in diesem Abenteuer, in dem jemand den Tod des geliebten Bruders verwinden muss, entweder schlussendlich eine Pointe oder ein Plot Devise. Während der Film also seiner Hauptfigur klarzumachen versucht, wie gesund es ist, sich seinen Gefühlen zu stellen, traut er es sich zu keinem Zeitpunkt. Stattdessen Meme auf Meme. Und das ist das mit Abstand traurigste des Films.
Umsäumt wird dies mit einem politischen Gleichnis, dass nirgendwo anecken will und so großangelegt ist, wie es auch nichtssagend bleibt … und das Jason Alexander viel zu früh aus dem Film entlässt.

Madame Web
(S.J. Clarkson, USA 2024) [stream, OF]

gut

Die Bebilderung meines komplett irrealen Wunschtraums: mit einem Schild die Brocken eines brennenden, explodierenden Feuerwerklagers – d.i. der ganze Schmerz der Jugend – vom eigenen Kind abhalten. Sicherlich nichts was sich umsetzen lässt, wohl auch nichts, was wünschswert ist, aber doch ein schöner Gedanke … und auch ein überraschend bescheidener, schöner Film mit fast durchweg sympathischen Figuren.

Der Ostfriesen-Report: „O mei, haben die Ostfriesen Riesen!“
(Walter Boos, BRD 1973) [DVD, ≠]

ok +

Wie der VERTRETER-REPORT ist dies kein Report mehr. Obendrauf ist DER OSTFRIESEN-REPORT auch kein Omnibusfilm aus verschiedenen kurzen Geschichten/Sketchen aus verschiedenen Lebenswelten. Stattdessen gibt es eine Geschichte, in der die immer gleichen Figuren in die immer gleichen Situationen geraten – zwei Stripclubbetreiber aus München suchen in Ostfriesland nach neuen Attraktionen (und etwas Spaß ohne die Verlobte). Vll. fängt es so zumindest den Stand der Report-Filme als Ganzes ein: Änderung ist nur noch oberflächlich. Und vll. ist dies sogar die Essenz, den die Reihe erreicht hat, wenn Hofbauer und moralische Debatten wegfallen.
Die nachgespielten Ostfriesenwitze, die erbärmlichen Männer, die an Frauen leiden, weil diese im Leben und im Bett Ansprüche stellen, und die tragischen Frauen, die in der Liebe zu solchen Männern gefangen sind, wenn sie sich nicht selbstbestimmt für die Lust mit wechselnden Partnern entscheiden: zuweilen steckt doch noch Faszinierendes in dieser spielfilmlangen Erstarrungserscheinung, in der Lachen ein Akt der Verzweiflung ist – als flehentlicher Zwang der Protagonisten, uns zum Mitlachen zu bewegen.

Montag 17.03.

Paul’s Experience m
(Michael Greive, NL 2012) [blu-ray, OmU]

ok

Ein Experiment: ein 50-minütiger Film, der von einem professionellen Team gedreht wird, und einer, dessen Einzelteile von unterschiedlichen Teams einer Internetcommunity gedreht wurden. Beide basieren auf einem Drehbuch, dessen erste Minuten von einer Drehbuchautorin vorgegeben wurden, wie es weitergeht, wird stufenweise aus den Ideen der Community zusammengesetzt. TRICKED ist der Teil, der vom professionellen Team unter der Regie von Paul Verhoeven gedreht wurde. Und wahrscheinlich wurde auf der blu-ray die kurze Doku über die Erfahrung aus Sicht des Regisseurs vorangestellt, weil dieser Schaffungsprozess im fertigen Produkt kein bisschen zu erkennen ist.
Verhoeven nennt den Prozess immer wieder abenteuerlich und spannend. Es endet aber damit, dass er einen kohärenten Film mit einer runden Dramaturgie haben möchte, dass er den Prozess zu beschneiden und unter Kontrolle zu bringen versucht. Wodurch ein Dokument entsteht, dass kaum den Vorgang aus Schreiben und Drehen sowie dessen Zusammenspiel eingefangen bekommt, dafür aber einen Mann, der darum kämpft das Spannende und Abenteuerliche einzufangen – sein Sieg ist dem kommenden Film anzusehen. Und das ist nicht nur nicht viel, sondern irgendwie auch traurig … gerade bei Verhoeven.
Dafür habe ich aber gelernt, wie sein Name eigentlich ausgesprochen wird. Ich kannte bisher nur die englische Aussprache, nun werde ich ihn immer richtig aussprechen: Verhuufe(n).

Steekspel / Tricked m
(Paul Verhoeven, NL 2012) [blu-ray, OmU]

gut

Dem Cadavre Exquis TRIANGLE kann viel vorgeworfen werden, aber wenigstens ist in diesem das zugrundeliegende Experiment – ein Filmteam unter Tsui Hark drehte eine halbstündige Exposition, eines unter Ringo Lam drehte den halbstündigen Hauptteil und eines unter Johnnie To drehte den halbstündigen Abschluss, Vorgaben wie ein fertiges Drehbuch gab es nicht – zu jeder Zeit anzusehen. Hier sind weder verschiedene Autoren, Handschriften oder gar Brüche zwischen Einzelteilen spürbar. Alles ist wie aus einem Guss. Das Spannende fällt so weg und übrig bleibt eine nette schwarze Komödie über Betrug und strategisches Handeln als Lebensinhalt. Zumindest Verhoevens Lust am Schmier kommt durchweg zu Geltung.

Sonntag 16.03.

Harry Potter and the Prisoner of Azkaban / Harry Potter und der Gefangene von Askaban
(Alfonso Cuarón, UK/USA 2004) [blu-ray] 4

großartig

Die Ironie des Films liegt darin, dass es um Horrorhäuser, peitschende Weiden, seelensaugende Gruselkutten, entflohene Wahnsinnige, unerträgliche Realitäten, Werwölfe und kaum kontrollierbar Tiere geht – also um Marker einer Realität, in der Harry Eltern unumkehrbar tot sind, in der betont wird, dass sich damit abgefunden werden muss, in der sich einige der Grauen als ein zukünftiges Glück offenbaren –, und dann besteht der halbe Film aus einer Zeitreise, mit der schnell mal ein Mann und ein Tier vorm Tod gerettet werden. Die Bitterkeit dieses meist fröhlichen Abenteuerfilms wird dadurch nur größer.
Ansonsten: Gary Oldman reitet auf einem Hypogreif mit zwei jungen Zauberschülern fröhlich über eine Zauberschule – es sieht aus, als wäre es für ihn die am schwierigsten zu spielende Szene in seiner langen Karriere gewesen.

Liebe zwischen Tür und Angel – Vertreterinnen-Report
(Ralf Gregan, BRD 1973) [DVD, ł]

gut

Das Namensanhängsel Report ist schon 1973 nur noch ein Wort ohne Inhalt. Hier gibt es nur eine Ansammlung sexueller Anekdoten, die zu keinem sonst wie behaupteten Erkenntnisgewinn führen. Und Gregan mag sichtlich Sex, also dehnt er das Gehopse – eine freudlos freudige Repräsentation von Sex ohne Sinn für Erotik – aus und dünnt den Rest aus. Sich räkelnde Körper bestimmen große Teile des Films.
Und trotzdem: die frivole Musik zur Öffnung eines Slips; der Vertreter, der sich in einen Teppich einrollt, um sich vorm vermeintlich heimkommenden Ehemann zu verstecken, aber nun die Füße des nächsten wahllosen Beischläfers ins Gesicht bekommt, ohne sich bewegen zu können – Männer werden austauschbar; die Seance und die Vertreterversammlungen, bei denen alte Säcke junges Fleisch beurteilen und genießen; die Kamera, die den Lautsprecher eines Grammophons penetriert, während daneben die junge Frau mit dem auf den Dachboden abgeschleppten Vertreter schläft – gerade dieses ganze Drumherum ums Gehopse ist so kreativ, absurd, erschreckend, dass es traurig ist, wie schwunglos die Abarbeitung an der Lust ansonsten ist.

Sonnabend 15.03.

Tarzan and the Leopard Woman / Tarzan und das Leopardenweib
(Kurt Neumann, USA 1946) [DVD]

gut

Ein weiterer Schritt innerhalb der rasanten Globalisierung von Tarzans Welt. Lebte er früher fast unerreichbar, abgeschlossen auf einem Plateau, kommen inzwischen die Leute nicht nur regelmäßig vorbei, auch scheinen die arabischen und indischen* Landstriche, die er besucht, gleich ums Eck zu liegen.
Gegen diese Globalisierung kämpfen nun Leopardenmenschennazis, ein okkult-faschistisch organisierter Stamm, der gegen Verwestlichung, Zivilisation und Ausbeutung kämpft. Einerseits ist dem Film nämlich anzusehen, dass Hollywood ein paar Jahre Antinazipropaganda in den Knochen stecken – so sehr scheinen diese fiktiven Afrikaner Nazis zu sein, dass ihnen nur SS-Uniformen und Armbinden fehlen. Andererseits präsentiert er eine Vision, wie sich in diesem Hollywood undankbare Bewohner der künftig so genannten Dritten Welt vorgestellt werden, die die Gaben des Fortschritts nicht anerkennen – als Abenteuerfilm. Es erreicht zwar nie dessen Glorie – hier werden sich nur Leopardenfelle umgeworfen und Krallen an die Hände gesteckt –, aber hier kann doch schon das Aufziehen des Monuments INDIANA JONES UND DER TEMPEL DES TODES gesehen werden, der sich im antiimperialen Kampf um Unabhängigkeit nur die wahnhaften Bestrebungen zu kategorischen Rückschritt in okkulte Manie erkennt.
Aber all das ist auch irgendwie egal, denn endlich ist es soweit: Cheetah ist nicht mehr nur der Schlingel, der die Show an sich reißt, sondern die offizielle Heldin des Films, die Tarzan und alle anderen rettet.
*****
* Auf sie wird anscheinend zurückgegriffen, weil die Bilder, die bisher für das riesige Afrika gefunden wurden, mit Dschungel und Kolonialposten erschöpft sind. Entweder also ein mittels Fantastik gemachter Kommentar über das Zusammenrücken der Welt im Laufe des 20. Jahrhundert oder: Hauptsache Exotik.

Waterworld
(Kevin Reynolds, USA 1995) [blu-ray, OF] 4

großartig

Die chaotische schwarze Endzeitkomödie über einen eingefleischten Junggesellen, der gegen seinen Willen eine Familie bekommt und diese schikaniert. Der nichts als Verachtung für diese Eindringlinge in seiner perfekt geölten Maschine täglicher Abläufe hat. Der Film beginnt unmittelbar damit, wie der Mariner (Kevin Costner) in ein Glas pisst, den Urin durch eine Vorrichtung laufen lässt, unten gefiltertes Wasser erhält und es umgehend wieder trinkt. Er ist autark, er ist ein Fels, er ist eine Insel.
Sonnige, blaue Weite bestimmt den Film. Doch überall, wo Menschen in dieser überschwemmten Welt noch Fuß fassen können, herrschen Rost, Schrott, Schimmel und Verfall vor. Das Idealwetter scheint auf sich raufende, hinterhältige Typen, die nur an sich denken und Frauen als Befriedigungsware wahrnehmen – Helen (Jeanne Tripplehorn) scheint es verinnerlicht zu haben. Die ganze Welt ist also sowas wie eine riesige heruntergekommene Männer-WG. Und Dennis Hopper spielt den perfekten Anführer dieser Welt, einen Prä- bzw. Post-Trump-Politiker, der alles in sein Mikro ruft, was ihm Resonanz und Privilegien zu versprechen scheint.
Natürlich geht es darum, dass der Mariner sich nicht nur mit Frau und Kind arrangiert, sondern gleich auch noch Dryland (zumindest) findet, einen festen Grund zwischenmenschlicher Gemeinschaft. Und weil die Welt der Egomänner so übermächtig ist, begeht er Massenmord an den schlimmsten von ihnen und damit an den Fesseln, die ihn in seinem alten Leben zurückhalten.

Freitag 14.03.

Guilty Bystander
(Joseph Lerner, USA 1950) [stream, OF]

großartig

Schweiß, Alkohol, Schmutz und Schimmel: eine Lebenswelt im Zerfall.
Zuerst wird die Welt ausgeweitet. Eine Frau (Faye Emerson) will einen Detektiv (Zachary Scott) sprechen. Sie ist seine Ex-Frau, der gemeinsame Sohn wurde entführt. Von Schreibtisch zu Schreibtisch führt die Suche des Ex-Cops. Hinter diesen, auf sowas wie Thronplacebos findet er seltsame, fragile Formen von Autorität. Oder er trifft auf Barhockern Existenzen, die genauso verschüttet sind wie seine. Wo er auch hinkommt, überall nagt es an ihm, an den Personen, an der schäbigen Realität.
Die Suche nach dem Kind ist für den Alkoholiker, der seine Karriere und sein Selbstbild verloren hat, aber auch eine Suche nach sich selbst. Je mehr er in die Welt da draußen gelangt, desto deutlicher wird, dass seine Probleme immer schon zu Hause ihren Ursprung hatten. Weshalb der Film zu einer Reinigung der eigenen Umstände mit Schwert und Feuer wird, um einen gebrochenen Mann völlig verstrahlt wieder ins Paradies gelangen zu lassen, in eine saubere, generische Welt, die vll. auch schon wieder nur mit Alkohol ertragbar ist.

Donnerstag 13.03.

Chaos: The Manson Murders / Chaos: Die Manson-Morde
(Errol Morris, USA 2025) [stream, OF]

ätzend

Sprechend ist zum Bsp., wenn Tom O‘Neill, einer der Talking Heads im Film und Autor der Vorlage, einen zentralen Moment erklärt, der die Manson Family ins Fadenkreuz der Ermittlungen brachte. Susan Atkins hatte gegenüber ihren Mitinsassen im Gefängnis von den Tate-LaBianca-Morden geprallt. Diese gaben es weiter, und so fand die Polizei die richtige Fährte der seit Monaten gesuchten Mörder. Nur meint O’Neill, dass die Insassen dort nicht zufällig waren, sondern eingeschleust wurden, um die Inszenierung der den Behörden bereits bekannten Täter zu starten. In einem Nebensatz erwähnt er, dass die Insassen wie Atkins Semiprostituierte gewesen seien und deshalb perfekte Gesprächspartner abgaben. Nun fragt Errol Morris aber nicht nach, wie er auf die Idee kommt, dass jemand eingeschleust wurde, oder was der Plan dahinter sei, sondern möchte wissen, was Semiprostitution sein könnte. Und so ignoriert seine Doku jede Möglichkeit einer Vertiefung, sondern fliegt unzusammenhängend durch etwas, das am ehesten eine schlechte Satire auf Verschwörungstheorien ist. Mehr dazu bei critic.de.

Dienstag 11.03.

La Vie d’Adèle – Chapitres 1 et 2 / Blau ist eine warme Farbe
(Abdellatif Kechiche, F/B/E 2013) [stream, OmU]

gut

Ellipsen schlucken alte Freunde, Schulabschlüsse, Wohnungssuchen, fast alles also, was das Verhältnis zwischen Adèle (Adèle Exarchopoulos) und Emma (Léa Seydoux) nicht direkt betrifft. Drei Jahre werden mitunter fast ohne filmische Repräsentation übersprungen. Es jagt voran und es bleibt nur das Entscheidende der erblühenden und gelebten Liebe, ihres Fehlens, der Risse im Glück.
Diese Liebe ist für Adèle alles und basiert größtenteils auf Körperlichkeit. Was auf der einen Seite heißt, dass Adèle zu Beginn zwar ein reiches Schul- und Familienleben hat, später aber höchstens noch ihren Job abseits der Beziehung zu haben scheint. Und selbst die Affäre mit einem Kollegen scheint nur Reaktion auf die Probleme in der Beziehung zu sein und das Gefühl ungenügend zu sein. Schnell und ohne große Kontextualisierung lässt der Film erst das Umfeld verschwinden und lässt seine Protagonistin dann brutal in der Leere zurück, die sie sich schuf.
Andererseits die Körperlichkeit, der Kechiche enormen Platz lässt. Sie drückt sich halbwegs subtil durch einen enormen Arschfetisch in den Bildern aus, aber auch weit weniger subtil durch lange, genüssliche Sexszenen, in denen Adèle und Emma von all den inszenatorisch nachdrücklich betonten sozialen Unsicherheiten befreit scheinen und einfach sie selbst sein können. Die Lust an der Lust teilen sich so die Figuren wie der Film.
Seltsam ist nur teilweise das Licht. An einer Stelle machen sich die beiden Kerzen im Schlafzimmer an, um Atmosphäre zu haben … und doch werden sie von Scheinwerfern mit kaltem Weißlicht von der Seite beschienen. Ihre Schatten werden förmlich an die Wand gepresst. Und mit diesem Licht wird indirekt vor allem die Filmcrew außerhalb des Bildes sichtbar, aber eben auch der Zuschauer als Voyeur spürbar. Es wirkt, als solle auch der Moment ihrer Kommunion durch das Bewusstsein unserer Blicke befleckt werden.
Überhaupt die Kameraarbeit: sehr oft werden soziale Situationen in wackligen Nahaufnahmen eingefangen, als solle den Gesichtern und damit den Gefühlen nahgekommen werden oder sich ein Eingesperrtsein kundtun. Beides funktioniert nicht, die Nähe ist schlicht sinnlos und am ehesten Ausdruck der Wichtigtuerei eines Films, der schon sehr schön ist, zu oft aber nach zu großem Geltungsbewusstsein hinter der Kamera aussieht. Und auch die epische Laufzeit von drei Stunden tut dem flüchtigen Ansatz nur bedingt gut.

Fast X
(Louis Leterrier, USA 2023) [stream, OF]

gut +

Die nachhaltige SAW- und MCU-Werdung stört ein ansonsten wunderbares Zerstörungsfest. Aber mit Momoas bemühten Camp hatte ich auch meine Probleme, doch Lukas F. hat mich hier dann doch eines besseren belehrt. Wenn der Abschluss der Geschichte dann endlich kommt, werde ich es nochmal versuchen und es vll. alles etwas anders sehen.

There’s No Business Like Show Business / Rhythmus im Blut
(Walter Lang, USA 1954) [blu-ray, OF]

gut

Es gibt nur den Hauch einer Handlung, dafür viele reichhaltige Revue-Auftritte mit durchgedrehten Kostümen und endlosen Versuchen, der Realität zu entkommen. Die Cinemascopebilder bleiben dabei meist auf Distanz und beobachten ohne Schnitt. Ein Film als Bühne von Können und campiger Selbstentwürfe.

Rosso sangue / Absurd
(Joe D’Amato, I 1981) [blu-ray, EF] 2

großartig

Es beginnt mit zwei Leuten, die nacheinander auf die Kamera zulaufen. D’Amato verliert keine Zeit, seine Interessen zu erreichen. Später wird aber vor allem mit dem Auto durch die Nacht gefahren. Statt selbst in Bewegung zu sein, wird sich sitzend treiben gelassen. Nur suchen die Fahrenden ohne Fährte nach einem genetisch manipulierten Übermenschen (George Eastman als psychopathischer Wolverine). Statt willenlosem Tragenlassen, also eine Bewegung zum Horror hin. Passivität (sitzen und feststecken) und Aktion (suchen und sich wehren) sind wie in einem Alptraum unlösbar verschmolzen.
D’Amato spielt zudem noch mehr mit dem Gegensatz aus Weite und Enge. Die geräumige, sonnige Landschaft von ANTROPOPHAGUS wird durch die Nacht in einer Kleinstadt ersetzt, durch eine endlose Weite, die doch erdrückend ist. Und in dieser schleicht ein Boogeyman, der ungreifbare Ahnung bleibt, bis er zupackt. Der dramaturgisch zwei Kindern umkreist, bis er endlich an ihrem Haus ankommt, eine traumatische Erfahrung zufügt und sie infiziert. Blutig und bildgewaltig stellt D’Amato heraus, dass der Wahnsinn bei ihm keinen Außen, kein Entkommen kennt. Endlos liegt er um uns, ewig bereit sich aus dem Nichts zu verdichten, zu zupacken und alle Unschuld zu korrumpieren.

Montag 10.03.

Horizon: An American Saga – Chapter 1 / Horizon
(Kevin Costner, USA 2024) [stream, OF]

nichtssagend

Das Leitmotiv des Films sind Leute, die sich ein Werbeprospekt für Horizon anschauen. Für einen fruchtbaren Landstrich, der nur auf Siedler warten soll. Wir wissen aber, dass die bisherigen Siedlungswellen alle von den Apachen, die ihr Land nicht aufgeben wollen, massakriert wurden. Und doch kommen immer neue Siedler, die auf den Horizont schauen und sich von diesem etwas Besseres als ihr Hier und Jetzt versprechen. Die am Horizont eine blühende, freie, prosperierende Zukunft sehen. Symbolisch wird die Geschichte der USA auf einen Platz konzentriert und der amerikanische Traum als Blick auf den Horizont zusammengefasst, der Leute antreibt, die wie eine Pflugschar durch den Kontinent jagen und dabei Fortschritt bringen, aber auch Tod und Verderben nicht zu knapp.
Gezeigt werden uns diverse Perspektiven von Siedlern, die schon da sind, und Siedlern, die kommen. Von Militärs, die ausbaden müssen, dass der Strom nie endet und zwangsläufig in Blut enden wird. Von Apachen, die die kommende Bewegung der Verdrängung deutlich spüren und zwischen Akzeptanz und Gegenwehr zerrissen sind. Von Cowboys, die einfach nur durchs Land wandern und so ruhig wie möglich überleben wollen, und von Frauen, die von Machoclans wie Dinge behandelt werden. Es gibt rudimentäre chinesische und noch rudimentärere afroamerikanische Perspektiven, als wolle Costner sein Land und den Mythos seiner Gründung aus allen möglichen Blickwinkeln einfangen.
Nur fühlt sich das Ergebnis – zumindest beim ersten Teil – nicht wie ein wuseliges Portrait vieler Perspektiven an, sondern wie eine didaktische Aufarbeitung des Westens. Die Möglichkeiten, die die Zukunft dem Land bringt, werden in vielsagenden Dialogen und Monologen aufgesagt, damit jeder versteht. Wo John Ford meist nur eine Geschichte erzählte und darauf vertraute, dass der Zuschauer den Mythos und das Drumherum einzuordnen weiß – oder sich einfach nicht dafür interessierte, was der Zuschauer mitnimmt und was nicht –, da fühlt es sich hier an, als solle dieses durchaus fordsche Projekt alles aus zu buchstabieren.
Einige der Geschichten sind interessant (Costners Roadmovie mit der Prostituierten am meisten), oft fühlt sich das Geschehen wie eine Wiederkehr tausendfach gesehener Tropen an. Und überhaupt wirkt es wie das vorbereitende, aber an sich nicht wichtige Hinwirken auf etwas Späteres. Mal sehen, was die kommenden Teile also bringen.
Eine Nebenbemerkung: die Militärs reden von indigenious und aboriginal people, die am Rand auftauchenden Schwarzen werden nie ausgegrenzt, verfolgt oder ähnliches. Es ist so absolut, dass der Eindruck entsteht, dass es keinen Rassismus zu der Zeit gäbe. Gerade bei der umfassenden Perspektive, nach der Costner zu streben scheint, wirkt es doch wie eine unlautere Schönfärberei.

The Zero Theorem
(Terry Gilliam, UK/F/ROM 2013) [stream, OF]

ok

Während und nach meiner Krankheit um das vorletzte Februar Wochenende herum hatte sich Schnodder in meiner Nebenhöhle angesammelt. Dieser hatte schließlich Ende letzter Woche per Entzündung an einer meiner Zahnwurzeln dazu geführt, dass die Nerven des entsprechenden Zahns langsam abstarben. Tags zuvor hatte ich nun eine Wurzelbehandlung beim zahnärztlichen Notdienst. Meine rechte Gesichtshälfte fühlte sich dieser Tage dementsprechend an, als hätte mir ein Boxer einen Schlag verpasst. Schlafen konnte ich auch nicht so gut.
Was uns also zu THE ZERO THEOREM führt. Mehrmals bin ich den Umständen geschuldet eingeschlafen, und mein größtes Problem mit dem Film ist, dass ich nicht das Gefühl hatte, dass mir etwas fehlte. Die Gegenüberstellung von grauer, lustfeindlicher Askese und buntem Kommerzialismus, von Glauben und Nihilismus – allesamt werden als Sackgassen dargestellt –, ist einfach so offensichtlich und nutzt die immer gleichen Mittel, um immer wieder das immer Gleiche zu artikulieren. Alles läuft auf ein Bonmot hinaus, wonach Qohen (Christoph Waltz) gerade sein Leben verschwendete, weil er an einen tieferen Sinn in ihm glaubte, und der Film ruht sich auf dieser einen Sentenz aus. Vll. ist mein Problem auch, dass das Digitale nicht zu Gilliam zu passen scheint, weil seine Welt dadurch nicht mehr mit Leidenschaft erstellt wirkt, sondern wie von der Stange erstanden.

ピストルオペラ / Pistol Opera
(Suzuki Seijun, J 2001) [DVD, OmeU] 2

nichtssagend

BRANDED TO KILL im DER GESCHMACK DES GRANATAPFEL-Modus, oder: ein Kino der Posen, das es nicht mal bei seiner zumindest vorhandenen Schönheit – der eine Pluspunkt, den der Film besitzt – belassen kann, sondern am Ende noch eine Meditation über den Kriegstrieb der Menschheit gewesen sein muss. Suzuki hat ja immer gesagt, dass er eben machte, was ihm Spaß bereitete. Nur wirkt gerade hier alles wie Geste und nicht wie Lust.
*****
Auch hier bin ich wegen der bei THE ZERO THEOREM genannten Gründe immer mal eingeschlafen. Während ich es dort bedauerte, muss ich gestehen, dass ich hier froh war, da ich es so schneller hinter mir hatte. Für einen Kurzfilm wäre diese Abfolge von poetischen Einstellungen wirklich toll. Für zwei Stunden empfand ich es als Tortur.

Antropophagus / Der Menschenfresser
(Joe D’Amato, I 1980) [blu-ray, OmeU] 2

großartig +

Weil ich vier Tage zuvor hier und da eingenickt war, wollte ich etwaige Lücken schließen. Zwar konnte ich feststellen, dass ich von den entscheidenden Geschehnissen fast nichts verpasst hatte. Umso mehr aber von einem Film, dessen Hauptaugenmerk auf laufenden Menschen liegt. Sie laufen durch eine leere, vormoderne Stadt, über einen Friedhof, durch Wald und Wiese, durch mit Skeletten befüllten Höhlen, durch klaustrophobische Häuser, hinter deren Spiegeln das Grauen versteckt wird. Oder sie fahren Boot und Seilbahn, Hauptsache ist, dass es ohne Hektik irgendwohin geht. Entspannung und paranoider Fatalismus, weil hinter jeder erreichten Ecke der Rachen des Wahnsinns zu vermuten ist, gehen so Hand in Hand.
*****
Das Bild der blu-ray war eigentlich ziemlich schön, nur lagen die Farben womöglich ein wenig daneben. Die Hautfarbe scheint mir oft etwas zu rot, während die Tage sonnig zu sein scheinen, aber eben diesig aussehen. Die Figuren tragen stets Pullover oder andere ein wenig wärmere Sachen, es könnte also vll. stimmen. Die starken Schatten sprechen aber eine andere Sprache. Gern würde ich mal eine 35mm-Kopie sehen oder wenigstens eine DVD, die von einer solchen gezogen wurde. Alternativ wäre es natürlich schön, wenn der Quatsch mit den Negativ-Scans aufhört und sich nicht mit solchen Fragen herumgeschlagen werden müsste.

Sonntag 09.03.

Astérix chez les Bretons / Asterix bei den Briten
(Pino Van Lamsweerde, F/DK 1986) [blu-ray] 10

großartig

Im Comic treffen Asterix, Obelix und Teefax bei Ankunft in Londinium auf eine Menschentraube, die vier Pilzköpfe euphorisch umringt. Zwanzig Jahre später ist der Gag natürlich veraltet, aber wenigstens Duran Duran oder so hätten doch gefeiert werden können, statt es einfach nur zu streichen. Ich hadere.

About My Father / Und dann kam Dad
(Laura Terruso, USA 2023) [stream, OF]

gut

Wie THE BIG SICK ist dies das Dokument des Aufeinanderprallens zweier Familien/Lebenswelten. Laura Terrusos Film sieht deutlich schicker aus und ist auch viel straffer konzipiert, was aber eben kein Vorteil ist, weil er auch gleich viel formatiger wirkt. Teilweise funktioniert er sensationell (das Tennismatch), oft wirkt er etwas zu routiniert abgespult. Sebastian Maniscalco ist durchaus in der Lage den Film alleine zu tragen, aber zu oft wirkt es, als hebe er sich dabei einen Bruch. Am schönsten ist aber die irritierende Vertrautheit zwischen den beiden Polen des Films: Robert de Niro spielt einen grummligen, unflätigen Arbeiter, dem Funktionieren und Funktionalität über alles geht; Brett Dier spielt einen dysfunktionalen Wokey, der in einer realitätsfernen Blase totaler Absicherung dahin existiert und keinen Druck verträgt; beide müssten sich wie Hund und Katze angehen, aber sie umkreisen sich in gleichzeitiger Faszination und Ekel.

Sonnabend 08.03.

The Big Sick
(Michael Showalter, USA 2017) [stream, OF]

großartig

Vll. ist es nicht der am schönsten fotografierte Film, nicht der mit der straffsten Dramaturgie, nicht der aufregendste oder kreativste, aber die Charaktere haben genug Herzblut und Eigenleben für zwei Filme, und das ist sehr viel wert. Und ganz so trist ist es formell auch nicht, da diese RomCom weitgehend ohne die Frau der Paarbeziehung abläuft, die im Koma liegt, sondern eine Annäherung zwischen Stand-Up-Comedian Kumail Nanjiani (Kumail Nanjiani) und seinen fast Schwiegereltern (Holly Hunter & Ray Romano) nachzeichnet.

Benny & Joon
(Jeremiah S. Chechik, USA 1993) [stream, OmeU]

gut

Verrückte sind die besseren Normalos, scheint die Botschaft auf den ersten Blick zu sein. Aber im Grunde geht es nicht um die Spannung zwischen Verrückten und geistig Gesunden, sondern um Verrückte, die ihr Leben halbwegs geregelt bekommen – bspweise: Automechaniker Benny (Aidan Quinn), der mit Freunden regelmäßig um kuriose Einsätze pokert oder Angst vor zu viel Nähe von Frauen hat und deshalb die hilfsbedürftige Schwester vorschiebt, um möglichst schnell einen Abflug machen zu können –, und solche, denen dies verwehrt ist – bspweise: Joon (Mary Stuart Masterson) und Sam (Johnny Depp), zwei Künstler.
Der sentimentale Film über die Verrücktheit des Menschseins ist selbst leider nur bedingt seltsam oder eigenwillig. Zu sehr ordnet er für die Dramaturgie, zu sehr sind die Charaktere lediglich Funktionen, zu viel ist Formel. Lieber ist er nett, als bemerkenswert.

Freitag 07.03.

The SpongeBob SquarePants Movie / Der SpongeBob Schwammkopf Film
(Stephen Hillenburg, USA 2004) [DVD] 4

großartig

Das Finale gleicht einem Hair-Metal-Powerballaden-Musikvideo, in dem Spongebob in mondänen Stiefeln, Zaubererumhang und -mütze per Gitarrensolo die Bewohner Bikini Bottoms von Gedankenkontrolleimern auf ihren Köpfen befreit … und Lotti Z. (9 Jahre) sprang auf und rief mehrfach aufgewühlt: Das ist einfach nur lächerlich!. Als schließlich der Abspann lief, konnte sie kaum aufhören zu bemerken, dass das gerade so ein Blödsinn war. Alleine dafür hatte sich der Film gelohnt, als ich sie aber fragte, ob ihr der Film denn gefallen hatte, meinte sie nur: klar, und ich war glücklich.

Köln 75
(Ido Fluk, D/B/PL 2025) [stream]

gut

Jazz isn’t dead, it just smells funny. Frank Zappas Bonmot soll durchaus angegangen und die Frische des Jazz in den 1970ern bewiesen werden, mehr noch wird aber der komische Geruch bestätigt. Mehr dazu auf critic.de.

Donnerstag 06.03.

Antropophagus / Der Menschenfresser
(Joe D’Amato, I 1980) [blu-ray, OmeU]

großartig

Trauma führt zu Wahnsinn, dieser transzendiert die Realität und schafft ein monströses Superwesen: Der ungeheure Mörder dieses Slashers ist nicht einfach nur ein Grauen aus dem Schatten unseres Bewusstseins, sondern die Materialisation der Gefahr überzuschnappen, weil die Wirklichkeit zu schlimm war. Ein Mann (George Eastman) lauert überall, ist unsterblich und reißt uns die Gedärme raus, um sie vor uns zu essen. Er ist ein Übergeschnappter, aber auch der auf uns lauernde Wahnsinn selbst.
Von ihm bedroht werden Freunde, die ein Paradies genießen wollen. Sie fühlen sich wegen ihres Glücks vll. dermaßen privilegiert, dass ihr schlechtes Gewissen sie meucheln möchte. Vll. ist auch einfach ihre Leben zu schön, um wahr zu sein. Zusammen ergibt es jedenfalls die gammelige Version eines Hitchcock-Thrillers, die anders als Chabrols teilweise auch sensationell gammligen Hitchcock-Hommagen nicht nach Reichtum strebt, sondern nur an einem dumpfen, sich materialisierenden Abgrund interessiert ist, der unnachgiebig Schönheit zerstören möchte.

Mittwoch 05.03.

The Birds / Die Vögel
(Alfred Hitchcock, USA 1963) [blu-ray, OF] 5

fantastisch

Bei meiner ersten Begegnung gegen Ende meiner Jugend stellte der Film für mich eine Geduldsprobe dar, da es endlos zu dauern schien, bis kam, was mich interessierte: die Vögel, die Orchestrierung ihrer Angriffe, die von ihnen zerhackten Opfer, der Horror. An diesem Aspekt des Films fasziniert mich Inzwischen auch noch, wie vehement Hitchcock sie als Bullys inszeniert, wie animalische Straßengangs, die unbescholtene Passanten belästigen und schon mit ihrer Anwesenheit bedrohen.
Noch besser gefällt mir im gesetzten Alter einerseits, wie mit der Naturkatastrophe umgegangen wird, dass Vögel die Menschheit anzugreifen scheinen. Im Film stehen überall die möglichen Erklärungsansätzen herum, sie werden aber nicht aufgegriffen. Begehren die Vögel gegen die allgegenwärtigen Käfige auf, in die sie – zumindest die attraktiven – gesperrt werden? Haben sie auf magische Weise ein Klassenbewusstsein entwickelt und kämpfen nun gegen die ihnen hilflos unterlegene Menschheit – um die Herrschaft, um Gerechtigkeit? Muss vll. einfach nur Melanie (Tippi Hedren), die Frau, die sichtlich im Zentrum der Angriffe steht, geopfert werden … oder ist das nur vorrationale Lynchjustiz gegen jemanden, der nur zufällig gegen den Strommast schlug, als die Energieversorgung ausfiel? Sichtlich hat Hitchcock Lust die Paranoia seiner Zuschauer zu füttern, nicht aber sie abzubauen.
Andererseits mag ich jetzt umso mehr, was mir damals am meisten eine Qual war: das ödipale Liebes- und Eifersuchtsdrama, der Balztanz zwischen den Geschlechtern mit all seinen Stellvertreterkriegen, dieser unterirdische Strom aus Sex, (unbewusster) Missgunst und frotzelnden Spielchen. Früher musste ich da durch, um zum Horror zu kommen, jetzt sind die Vogelattacken eher Spannungsabbau, der von diesem verbiestert brodelnden Vulkan erlöst.
Auf jeden Fall ist so viel los, soviel zu sehen, so viele Genre gleichzeitig, dass es eine Freude ist.

Dienstag 04.03.

Schlüsselloch-Report
(Walter Boos, BRD 1973) [DVD, ł]

ok

Eine Tante und ihre jugendlichen Töchter fallen nacheinander über den jugendlichen Neffen her, ein Frau geht für ihren Freund anschaffen, dass er sich sein Studium finanzieren kann, ein Pseudogesundheitsinspektor untersucht Frauen unter der Campingplatzdusche, uswusf.: Oft gleicht dieser heruntergekommene, ein bisschen wahllose Ramschladen – Thema sind Beobachtung und Beobachte, die sich unbeobachtet fühlen sein, aber meist ist dieser Teil der Handlung kaum der Rede wert – einem bebilderten Altherrenwitz. Gleichzeitig, im Guten wie im Bösen, versucht er nie zu moralisieren, weshalb ihm das Reißerische, das die meisten Themen begleitet, völlig abgeht. Das Präsentierte ist nicht zwangsläufig haltbar, die ständige sexuelle Belästigung ist wohl auch happig, aber wenigstens versucht er nicht blind zu skandalisieren.*
Als historisches und soziales Dokument und Beweisstück ist es zumindest spannend und besser als als Erotikkomödie, die mehr bemüht als beschwingt ist. Etwas nächtliches Geländerrutschen hier, etwas Entspannung durch fehlend Pointierung da, vor allem aber ein Klumpen (schwieriger) guter Laune, die einen auszuzelt.
*****
* Ich habe eine gekürzte Fassung gesehen. Offenbar endet eine ganz luftige Episode tatsächlich noch mit einer Vergewaltigung, die womöglich dadurch zustande kommt, dass eine Freundin für ihren Freund, der lernen muss, Taxi fährt. Vll. sieht es mit der Szene anders aus.

Montag 03.03.

Here
(Robert Zemeckis, USA/CA 2024) [stream, OmeU]

großartig +

Das Konzept ist klar. Mit einer Ausnahme sehen wir die komplette Laufzeit des Films genau eine Perspektive auf einen Ort zu verschiedenen Zeiten. Der Ort und unsere Sicht sind also maximal dingfest gemacht, die Zeit andererseits ist fast völlig von der Leine gelassen – dramaturgisch bedingt schweben wir selbstredend nicht wahllos und irrlichternd durch die Äonen, sondern verfolgen die Geschichte einer Ehe über mehrere Jahrzehnte, angereichert mit anderen Leben an diesem Ort (Wilde Zwanziger, Indianer, Dinosaurier uswusf.). Raum und Zeit sind in ihrem Freiheitsgrad also grundlegend entgegengesetzt.
Die räumliche Limitierung spürt Margaret (Robin Wright) am nachdrücklichsten. Um den Schulabschluss herum lernt sie Richard (Tom Hanks) kennen und lieben. Schnell wird sie schwanger, keiner von beiden hat Geld oder einen Job. Also ziehen sie bei Richards Eltern ein, auf deren Wohnzimmer uns Blick festgelegt ist. Aber auch als Richard einen Job nachgeht, reichen nie die Mittel, dass sie ausziehen und sich ein eigenes Heim suchen. Oder mehr noch: Richard lässt alle Wünsche Margrets in die Richtung versanden, weil ein Auszug für ihn lebensweltliche und finanzielle Unsicherheit zu bedeuten scheinen. Für Margret werden Haus und Ehe also zunehmend zum Gefängnis. Immer schwerer erträglich ist es ihr.
Im Umkehrschluss könnte das bedeuten, dass die zeitliche Freiheit Richard entspricht, der die räumliche Limitierung nicht als solche zu empfinden scheint. Dass er eben die bestaunenswerten Veränderungen der Zeit wahrzunehmen weiß. Dass der Ort für ihn keine Einengung ist, da er die Dinge im Fluss erlebt. Aber genau das ist es nicht. Er hat seine Malerei für den Broterwerb aufgegeben, sein Leben ist ein einziges du musst. Ihm scheinen die Limitierungen, die er verdrängt, aber doch nur allzu deutlich spürt, nichts auszumachen, weil das Hier und Jetzt für ihn alternativlos zu sein scheint. Ein Blick über den Tellerrand, und er könnte die Ruinen seiner Träume erkennen, die er einem hohlen Funktionieren als Vater und Ernährer und damit dem Scheitern seiner Ehe geopfert hat.
Für wen fliegen also die Kolibris, verlieben sich zwei Indianer, streitet der Sohn Benjamin Franklins die Ideale seines Vaters ab? Wieso bekommen wir die unterschiedlichen Alltäglichkeiten diverser Zeitalter zu sehen. Einerseits weil wage darin die Erkenntnis mitschwingt, dass die Oberfläche sich zwar ändert, dass darin aber etwas Universelles und Zeitloses zu erkennen ist. Dass sich Leute lieben und ihr Glück finden, dass die Dinge kompliziert sind/werden.
Viel zentraler zeigt uns der Film jedoch diese Wunder und lockert sein Drama mit ihnen auf, damit nicht sofort zu spüren ist, was für eine bittere, gemeine, klaustrophobische Geschichte hier tatsächlich erzählt wird, die erst durch Demenz, Verdrängung oder Nostalgie als eine glückliche verstanden werden kann. Bzw. etwas positiver gestimmt: Gerade der Abstand von der unmittelbaren Zeitlichkeit besitzt die Kraft, das Glück unter der Patina des alltäglichen Stresses deutlicher hervortreten zu lassen.

27.02. – 02.03.
3. auswärtiger Filmkongress des Hofbauer-Kommandos

Sonntag 02.03.

Catherine et Cie / Catherine & Co.
(Michel Boisrond, F/I 1975) [35mm]

großartig +

Mehrmals wird angetäuscht, dass Catherine (Jane Birkin) doch noch ihre (vor allem monetäre) Unabhängigkeit für die Liebe (und die Moral) aufgibt. Aber die immer wieder durchbrechende Utopie des Films ist, dass sie nicht vor den moralischen Anforderungen ihres geliebten François (Patrick Dewaere) nach Monogamie einknickt. Dieser zarte, leichte Film über Polyamorie besitzt die Kraft eines aufwühlenden Melodramas, versteht sich aber als sentimentale Komödie, als Ansammlung von glücklichen Impressionen … die halt gewaltige Dramen in sich bergen. Seine Stärke liegt darin, dass er keine Punkte beweisen muss, sondern einfach nur wie ein Stehaufmännchen nicht von seiner prekären Position ablässt, die er mal feiert, mal wie den Ort eines tragischen Pyrrhus-Sieges aussehen lässt.

Die Blonde da oben k
(Jane Seitz, BRD 1974) [35mm]

großartig

Ein schmieriger Hausmeister – wenige Bilder reichen, um seinen tristen Alltag zu zeichnen, in dem Hoffnung weitestgehend verloren scheint – arbeitet sich unter einem ausgedachten Vorwand in die Wohnung einer jungen, alleinerziehenden (?) Frau ein, … weil er bei ihr denkt, auch seinen Besen in den Müll reinpressen zu dürfen. Sie lasse ja eh jeden ran, meint er. Im Endeffekt verbringt er mehr Zeit in der Wohnung damit, an den O.B.s zu schnüffeln und ein Kissen zu kuscheln, der Horror ist aber so potent, wie die Symbolik bei aller Subtilität ultraräudig ist. Leider der einzige Film von Cutterin Jane Seitz.

Mäander – Erotik ohne Worte
(Walter Vogel, A 1971) [35mm]

nichtssagend

Der Film zeigt einen von weiblicher Sexualität verunsicherten Mann zwischen zwei Frauen, die nur eine ist. Die gute Sexualität, die ihn nicht bedroht, kompartmentalisiert er in die blonde Version der Frau, die schlechte, die Abenteuer mit anderen nahelegt und die nicht auf ihn fixiert ist, in die schwarzhaarige. Symbolisch wir das Luder am Ende getötet, damit er daraufhin in Kommunion mit einer gutartigen Schwarzhaarigen zusammen sein kann.
Dieser psychologische Durchbruch stellt sich im Film als ewiger, symbolischer Tanz durch schummriges Geschehen dar. Als Schmier für den gehobenen Psychotherapeuten, der zum Wichsen ins Kunstmuseum geht. Es ist LOST HIGHWAY und EYES WIDE SHUT als surreale Therapiesitzung, bei der nackte Frauenkörper mit viel kunstwilliger Anstrengung zu etwas Gutem und Wichtigen geworden sind, das ohne Scham angeschaut werden kann. Sex ist dabei lediglich ein Objekt, dessen Begierde als einem nicht zugehörig erlebt wird.

Sonnabend 01.03.

Massacre pour une orgie / Mädchenhandel lohnt sich nicht
(Jean-Pierre Bastid, L 1966) [35mm]

verstrahlt +

Mein Beitrag zum Sammeltext bei critic.de über die vielen bizarren Filme des verlängerten Wochenendes handelt von diesem von seiner deutschen Synchronisation torpedierten Film.

Exit II – Verklärte Nacht
(Franz Novotny, A 1995) [35mm]

großartig

Der Eiserne Vorhang ist gefallen. Vor den Toren Wiens eröffnen sich die Möglichkeiten, um etwas aus sich zu machen und Gewinne einzustreichen. Es ist eine Zeit des Aufbruchs … für die Skrupellosen, die langgenug an Mammon denken können, statt ihren Begierden hemmungslos hinterherzurennen. Kirchhoff (Hanno Pöschl, ultra) zieht es zu sehr zu den Frauen, Plachinger (Helmut Berger, der andere, mega) hat nicht genug Durchsetzungskraft. Und weil sie nicht für diese Welt der schmierigen Gewinner gemacht sind, fliehen sie vor den Geldeintreibern auf ihren Fersen … bis ihr Leben zum Roadmovie geworden ist, zu einer existentialistischen Flucht vor Sinn und Gesellschaft.
Der eine ist fleischige Hybris, der andere schwitzende Auflösung. Zunehmend ignorieren sie das, was um sie herum los ist. Sie pfropfen jeder Situation, in der sie landen, das eigene Drama auf, das eigene Chaos – so wie die Welt ihnen ihr Ungenügen durchgehend unter die Nase reibt. Bis alles zerbrochen oder in Flammen aufgegangen ist. … aber mit Wille zum Stil. Weshalb diese trübe, miefige Eskalation seinen ganz eigenen Glamour findet.

Anyone But My Husband
(Roberta Findlay, USA 1975) [35mm, OF]

großartig

Ein Psychologe – mit einer enormen, enormen Kleenex-Packung – rät einer frustrierten Ehefrau fremdzugehen und sich auszuprobieren, um sich zu finden und so vll. ihre Ehe zu retten. Es folgt eine Anthologie von Möglichkeiten Sex zu haben, die jeweils mit einem distinkten Musikstil verbunden werden. Die Musik vertieft so noch das sexuelle Verständnis der unterschiedlichen Praktiken. Das Peitschen verbindet sich mit ziehenden Streichern wie bei Alfred Schnittke, der Kuschelsex mit einem Poetiker zwischen Blumen mit romantischer Musik (Rachmaninows 2. Klavierkonzert). Zu eher Renaissance-artigen Klängen wird gefistet, zum Deep Throat schweben wir mit Strauss AN DER SCHÖNEN BLAUEN DONAU, während die Orgie von der Synthesizer-Version von Renaissance-Musik wie bei Francesco Zappa begleitet wird. Eine Nummernrevue, die aber auch ein Garten der Lüste ist.

Hot Child in the City / Dancing in the City
(John Florea, USA 1987) [VHS, ≠]

verstrahlt

Die Dunkelheit des Films ist teilweise vollkommen – nur einelne Punkte oder eine Linie Licht heben sich vom Schwarz ab. In ihr scheint vor allem männliche Identität austauschbar. Ronn Moss spielt mit, und ich war mir nie sicher, ob er es ist, wer der drei oder vier Männer er sein könnte, oder ob alle einfach ein wenig nach ihm aussehen. Ich war ein wenig schläfrig, aber das war, glaube ich, nicht der Hauptgrund, dass mir immer noch unklar ist, welche Rolle er gespielt hat. Irgendwo in der Dunkelheit waren da eben, drei oder vier kantige Gesichter mit breiten Körpern, einer ein Mörder, einer ein Held, einer ein androgyner Möchtergernrockstar, aber wer was ist, wird gnadenlos auf Bildebene verschleiert.
Der Soundtrack enthält Billy Idol (EYES WITHOUT A FACE & FLASH FOR FANTASY), Lou Reed (WALK ON THE WILD SIDE) oder FUN BOYS THREE (OUR LIPS ARE SEALED). Es hört sich also nach Budget an, aber zum Glück sah es nie danach aus.

Februar
Freitag 28.02.

In Frankfurt sind die Nächte heiss
(Rolf Olsen, A 1966) [35mm, ł]

gut

Ehe ohne Geld ist eine Krankheit.
JUNGFRAU AUS ZWEITER HAND in Hochglanz. Die Polizisten rücken in den Hintergrund und sind weit weniger räudig. Dafür gibt es mehr Action, mehr blumiges Geschehen wie der Krieg zwischen Prostituierten, die quasi per Drive-by Torten aufeinander werfen. Aber gleichzeitig ist es auch ein wenig beliebiger. Diese Kolportagegeschichte möchte geil einen Abgrund zeichnen, in dem alles verdorben ist. Dieser Abgrund ist aber eben nie so verstrahlt und ruchlos wie in Olsens ein Jahr später entstandenem WENN ES NACHT WIRD AUF DER REEPERBAHN. Die Krimistruktur ist vll. unpassend, weil hier eh niemand mehr zu retten ist. Vll. fehlt aber einfach nur die ein Jahr später so effektiv eingestezte Farbe, damit diese bunte Party mehr gewirkt hätte.

Sometime Sweet Susan
(Fred Donaldson, USA 1975) [35mm, OmswedU]

fantastisch

Die Musik besteht zuvorderst aus leicht psychedelischen Folkpop, der fast den gesamten Film in ein Idyll verwandelt. Unterlegt ist er mit trauter Zweisamkeit, Zeitlupen, Sonne und genossenen Nachmittagen mit Picknicks und Frisbee. Diese ausgebreitete verträumte Harmonie ist aber nur da, damit es eine enorme Fallhöhe gibt. Schnitte, Schreie und plötzlich hereinbrechende klaustrophobische Stille lassen immer wieder Horror einbrechen.
Susan (Shawn Harris) befindet sich in einer Anstalt und reagiert erst im Laufe des Films auf Versuche, mit ihr in Kontakt zu treten. Ob sie nur katatonisch dasitzt oder zunehmend besser mit Arzt (Harry Reems – mir schien es dieses Mal, dass er sich ein wenig wie Kevin Costner anhörte und dass seine Figur auch zu diesem gepasst hätte) und Schwester interagiert, wie verfolgt scheint sie von Träumen von Geborgenheit, die mit Bildern und der Musik ihre Realität überschreiben. Lange ist nicht klar, ob sie sich darin hoffnungsvoll verkrallt oder ob sie ein Schmerz sind, der sie nicht loslässt.
Konterkariert wird ihr Sein mit der Ehe des Arztes (Jennifer Jordan spielt die Frau) und dessen Beziehung zum Chef der Anstalt. Stets ist er Teil von Interaktionen voller Ironie und gegenseitigem Verständnis. Jede leichte Schatten einer Ehekrise endet in Sex und gegenseitigen Genuss, jeder Konflikt wird mit Spaß und reziprokem Vertrauen geführt. Wie zum Hohn steht Susans Ringen eine grundlegende Verspieltheit entgegen.
Überhaupt ist es ein Film der Gegenüberstellungen: Musik und Stille, karge Innenräume und sonniger Garten, Idyll und Horror, Schuld und Unschuld. Es ist der Film einer tiefgreifenden Persönlichkeitsspaltung. Vor allem ist der erste und einzige Cumshot dieses lyrisch, dunkelromantischen Hardcorepornos bei einer Vergewaltigung zu sehen – bei der Jamie Gillis, tags zuvor noch ein verspielter Chipmunk, die Aura des Teufels persönlich verströmt. Das eine löst das andere aber nicht ab, vielmehr fließt alles ineinander und verschmilzt … was das unnachgiebige Gefühl nach sich zieht, dass diese Wolke sieben, auf der wir beim Gucken sitzen, von rostigen Nägeln durchzogen ist.

La Red / Brandung der Leidenschaft
(Emilio Fernández, MEX 1953) [35mm]

großartig +

Die fast stumme, über Blicke erzählte Dreiecksliebesgeschichte kommt vor allem in schmierigen Zweideutigkeiten voll zu sich. Wie soll es auch anders sein: Die Sonne brennt heiß, der Strand ist weich, kühl, klebrig und der Sand klebt je nach Person, die in ihn fällt, ein bisschen anders an ihm. Meeresrauschen kommt hier einem subtilen, unablässigen Fieber gleich. Der Höhepunkt ist eine Sequenz, die damit beginnt, dass eine Frau Schwämme bearbeitet, wobei es aussieht, als masturbiere die außerhalb der Kamera befindliche Hand einen Penis. Worauf der ihr gegenüberstehende Mann, der beste Freund ihres Mannes, seinen Kolben mit nackten, verschwitzten Oberkörper ein ums andere Mal in eine Mahlschüssel stößt. Sie schaut sich dies inzwischen vor ihm ausgestreckt an – mit einer aufgeschlagenen Kokosnuss im Schoß, deren Loch aufreizend zwischen ihren Hüften prangt. Danach trinken die beiden den Saft aus der Nuss, bzw. lassen sie ihn über ihre Körper laufen. Der Mann der Frau schaut es von einer Düne aus sich an und in einer vielsagenden Doppelbelichtung brandet das Meer eruptiv über ihn – d.i. seine Gefühle, ob der brandenden Leidenschaft zwischen den beiden anderen.

Dir muss er ja nicht gefallen m
(Franz Stepan, BRD 1979) [35mm]

gut

Ein FWU-Lehrfilm, in dem ein Mädchen seine eigenen Erfahrungen macht und dem Zuschauer beweist, dass sich ihre Mutter umsonst sorgen macht. Sie kann nämlich selbst auf sich aufpassen und lässt den geliebten Achim, der nur in ihre Hose will, schlussendlich doch abblitzen. Dies ist nämlich ein Film, der Jugendlichen propagiert, dass Sex ohne Liebe für Frauen ein Abgrund ist, in den nur Flittchen fallen. (Das Flittchen des Films ist übrigens die spätere DERRICK-Psychologin Marion Kracht.) Vll. ist es aber doch viel zärtlicher. Unsere Hauptfigur wird am Ende nämlich nicht in ein beispielhaftes Schicksal gezwungen. Statt sie mit dem nächsten, sauberen Jungen ins Happy End zu schicken, hört es einfach auf, sobald sie für sich steht und jede Bindung an andere Menschen nur noch eine Option ist, die in ihrer Hand liegt.

הדיבר ה-11 / Wovon die Frauen träumen – Der Orgasmologe
(Shlomo Suriano, ISR/BRD 1975) [35mm]

ok +

Der Schwank eines Mannes, der beim Versuch in der nachbarschaftlichen Fußballmannschaft in Tel Aviv aufgenommen zu werden, lernt wie Frauen richtig befriedigt werden. Diese rennen ihm dann auch bald wegen seines neuen Könnens die Bude ein. Befriedigung heißt dabei, dass unsere Hauptfigur Durchhaltevermögen erlangt. Er rechnet sich beim Sex durch das Zehn mal Zehn und kann so seine Ejakulation bis zu vier Stunden hinauszögern. Was wiederrum für den Film bedeutet, dass auch er erzählerische Lust als Hinauszögern versteht. Jedes bisschen Geschehen gleicht einem Stellungskrieg, dem Meter für Meter an verklemmten Gags bitter und unter schweren Verlusten entrissen werden muss. Entbehrungsreiche Verspieltheit ist das Ergebnis.
Mittendrin taucht in der deutschen Version völlig unmotiviert eine Hardcoreszene auf, der jegliche Anbindung an den restlichen Film fehlt. Vll. wollte jemand, dass doch mal etwas schnell und dreckig zur Sache kommt.

Donnerstag 27.02.

Blonde Ambition
(John & Lem Amero, USA 1981) [35mm, OmswedU]

großartig

Zwei Tänzerinnen gehen von der Provinz in die große Stadt und kämpfen dort gegen eine ausbeuterische, betrügerische Realität. Vor allem wehren sie sich damit, dass sie jeden sich bietenden Genuss mitnehmen. Dabei gibt es nicht allzu viel Sex, dafür dass dies ein Hardcoreporno ist, dafür Lust an filmischer Spielerei: Parallelmontagenwitze, verwilderte MGM-Musicaleinlagen, neon-rot-grün bestrahlte Gesichter vor schwarzem Hintergrund, Jamie Gillis als mondäner Regisseur, das Finale in einer Dragbar mit unzähligen Village People uswusf.

Jungfrau aus zweiter Hand
(Ákos Ráthonyi, BRD 1967) [16mm, ≠]

verstrahlt

Auf der Suche nach einem Prostituiertenmörder wird in Rückblenden ein Sittendrama erzählt. Das eigentliche Augenmerk liegt aber auf der Räudigkeit der Polizei, die Verdächtige, Zeugen und sich gegenseitig mit derben Sprüchen malträtieren, die Leberkäse essen und auf einfachste Zusammenhänge gestoßen werden. In der profanen, niederdrückenden Welt, die die Allgegenwart dieser Polizisten erzeugt, gibt es nur ein Anzeichen von Glamour, ein paar Frauenfüße in goldenen Pumps, mit denen vor unseren Augen lockend und hypnotisierend hin und her gewedelt wird.

Mittwoch 26.02.

The Morning After / Der Morgen danach
(Sidney Lumet, USA 1986) [digital, OmeU]

gut

Am Ende wird ein Dialog vom Beginn – also relativ – wiederholt. Er zeigt an, dass die beiden Sprechenden sich erkannt haben und nun zu ihren Gefühlen stehen. Er wird zur großen romantischen Geste, die dem Happy End die Krone aufsetzt … nur funktioniert sie nicht. Bestenfalls ist dieser emotionale Call Back bemüht. Was einerseits gegen das Drehbuch eines Thrillers spricht, der hier grobschlächtig eine Romanze behauptet, die nie da war, und der alles, was er an originellen optischen und erzählerischen Einfällen hat, nie unter einen Hut bekommt und fast durchgängig ein seltsam lauer Flickenteppich ist. Andererseits reiht es sich in die durchgehende Verlorenheit der Protagonisten ein, die nie einen Anschluss in ihren Lebenswelten gefunden haben, die mehr schlecht als recht Rollen spielen und große Szenen performen, mit denen sie die Leere und Unsicherheit überspielen, die bis in die Knochen in ihnen steckt.

Montag 24.02.

Frühreifen-Report
(Ernst Hofbauer, BRD 1973) [DVD] 2

tba.

Oft ist es eine beschwingte Verhohnepipelung sexueller Hysterie, heuchelnder Kinderziehung und schmieriger, übergriffiger Typen, und die als perfektes Erziehungsmodell präsentierte Manipulation in ein konservativstes Liebesverständnis ist auch sehr launig. Zwischendrin, die Frau, die ihren Mann zum Missbrauch an der für einen solchen Film viel zu jung aussehenden Stieftochter anstiftet, ist nur noch düster … und da bin ich vll. doch zu zart besaitet für.

Sonntag 23.02.

The Lone Ranger
(Gore Verbinski, USA 2013) [stream, OmeU]

gut

Sicherlich, Straight Man Armie Hammer ist ohne Funny Man Johnny Depp verloren und der Film trübt auch gleich vorm Finale ein, wenn Depp verschwindet und der Plot arg hölzern vorangetrieben wird. Sicherlich, das Morricone-Pastiche Hans Zimmers ist etwas aufdringlich und vor allem unpassend, da Verbinski doch gerade auf einen Fordschen Western abzielt und erstaunlich nah drankommt. Ich hatte nicht viele Erwartungen und vll. gerade deshalb überrascht, wie viel Spaß ich hatte und wie gut die Mischung aus Mythenbildung und -dekonstruktion ist.

Lehrmädchen-Report
(Ernst Hofbauer, BRD 1972) [DVD] 2

gut

Der Report aus dem Off erzählt immer wieder etwas darüber, dass Mädchen heute früher reif seien, dass ihnen mehr Freiheiten gegeben werden und sie von den Eltern nicht die richtigen Werte vermittelt bekommen würden. Ein Schwank nach dem anderen zeigt aber nur ein Problem, dass nämlich schmierige Typen ankommen und erwarten, dass sie Sex bekommen, weil sie durch sie erregt sind. Selbst in der garstigen ersten Geschichte mit der Vergewaltigung, die scheinbar das Mädchen herausbeschworen hat, ist dieser offene Widerspruch eklatant. Kein Wunder also, wenn sich die Frauen in den Reports immer wieder in die Arme von Elisabeth Volkmann retten.

Sonnabend 22.02.

Notting Hill
(Roger Michell, UK 1999) [stream] 2

großartig

Reiseführerhändler Hugh Grant sitzt mit Superstar Julia Roberts im Kino. Weil er seine Brille nicht finden konnte, hat er eine Taucherbrille in seiner Stärke auf. Auf den ersten Blick ist es absurd, weil sie eigentlich etwas tragen müsste, dass ihre Identität verschleiert, damit sie in Ruhe gelassen bleiben können. Eigentlich ist auch sie die Außerirdische, die aus seinem Leben hinaussticht – auch wenn es hier genau anders herum aussieht. Aber sie ist eben diejenige, die Kontrolle über ihr Aussehen hat und diese auch behalten möchte, während er kein Problem hat mit einer Taucherbrille ins Kino geht. Er ist der Teil von ihr, den sie vor der Öffentlichkeit verschleiern möchte, weshalb er nicht offen dasitzen kann.

La Bête / The Beast
(Bertrand Bonello, CA/F 2023) [stream, OmeU]

großartig

Die erste Stunde konzentriert sich der Film größtenteils auf die tragische Liebesgeschichte ca. zehn Jahre vor dem ersten Weltkrieg. Léa Seydoux und George MacKay laufen durch ein stickiges, grobschlächtig symbolisches Kostümdrama und reden. Die folgenden anderthalb Stunden spielen vermehrt in der Gegenwart. Haussitterin Léa Seydoux wird vom frisch startenden Incelserienmörder George MacKay verfolgt, der in Internetvideos seinen Hass auf Frauen manifestiert. Erzählt wird es als David-Lynch-Pastige mit etwas Brian de Palma reingemischt, als digitalen Zusammenbruch einer analogen Realität – nach und nach werden nicht nur die Sinnzusammenhänge gekappt, sondern auch die Bilder durch Clitches verwaschen. Zusammengehalten wird es durch die Zukunft, in der MacKay und Seydoux ihre DNA und ihr Unterbewusstsein von eben diesen beiden Vergangenheiten säubern lassen wollen, damit sie in der durchrationalisierten Welt nicht mehr mit Gefühlen belastet sind, dass sie leere Puppen sind, die eine Chance auf einen Aufstieg haben. Aber vll. ist ihre Liebe ja größer… Drei Ausprägungen von Gefühlskälte porträtiert Bonello so in drei Formen von Horror. Und das ist alles ziemlich toll, nur bin ich mir nicht sicher, ob die erste Stunde mit ihrer folternden, zähen bürgerlichen Aufgeräumtheit so brutal öde hat sein müssen.

Freitag 21.02.

Harry Potter and the Chamber of Secrets / Harry Potter und die Kammer des Schreckens
(Chris Columbus, UK/USA/D 2002) [blu-ray/stream] 3

ok +

Gerade nachdem ich einen Tag vorher TIME BANDITS gesehen habe, ist es doch ein wenig erschreckend, wie generisch Columbus diesen Hort an Staunen und Fantastik inszeniert. Vll. wirkte sich der Frust, dass mitten im Film das blu-ray-Laufwerk den Kontakt zum Rechner verlor und nicht zur Wiedererkennung bewegt werden konnte, etwas negativ aus den Genuss aus.

The Magnificent Seven Ride! / Der Todesritt der glorreichen Sieben
(George McCowan, USA 1972) [stream, OmeU]

nichtssagend

Von den epischen Weiten der ersten drei Teile ist nichts mehr übrig. Auch verstummt das Philosophieren über richtige Lebensweisen. Zurück bleibt Lee Van Cleef in TV-Western-Optik, der mit schäbigen Mitstreitern ein Dorf voller Frauen verteidigt. Die lokalen Männer sind schon massakriert. Die Frauen wurden bereits gruppenvergewaltigt. Die Banditen sind zur Wiederholung ihrer Tat bereits im Anmarsch. Dies ist kein schöner Film, sondern einer über tragische Fehleinschätzungen, über eine unangenehme Welt, über herbe Männer, die mit ihren herben Entscheidungen leben müssen und herbe Späße machen. Was für mich tatsächlich hätte funktionieren können, wären die Frauen nicht durchgängig die Gelackmeierten, auf deren Kosten/Körpern Tragik, Spaß und herbe männliche Höhen ziemlich lustlos erbaut würden.

Donnerstag 20.02.

Time Bandits
(Terry Gilliam, UK 1981) [blu-ray] 4

großartig

Wie bei JABBERWOCKY ist noch Gilliams Monty Python-Vergangenheit spürbar. Michael Palin war schließlich auch Drehbuchautor, und neben den absurden pythonesken Witzen hat auch John Cleese als Robin Hood einen Auftritt. Trotz der sichtlichen Anbindung an die Vergangenheit findet Gilliam hier aber endgültig seine Stimme als Regisseur und Autor.
Was auch heißt, dass die Patchwork-Märchen-Fantastik ein wenig auseinanderfällt. Hier die Miniaturen absurder Versionen berühmter Persönlichkeiten – Napoleon, der Probleme mit seiner Größe hat, Robin Hood, der Probleme damit hat, Verbrecher zu sein, doppeln die kleinwüchsigen Zeitbanditen – dann etwas Märchen und schließlich ein ausgedehntes Finale in einer Legounterweltruine. Überhaupt geht es natürlich um Gott und die ganze Welt sowie die Absurdität der Moderne, die nicht weniger absurd ist als die Vergangenheit, sondern nur auf eine andere Art. Einerseits ist der Film zu lang für das Wenige, was er erzählen möchte. Andererseits ist er doch viel zu kurz für das weite Feld, dass er anreißt, für die inhärente Epik. Und damit ist er vll. doch die beste Version seiner selbst, ein Epos aus dem Kinderzimmer.
Im Zentrum steht der Ausflug zu Agamemnon (Sean Connery), bei dem der von seinen Eltern ignorierte Kevin (Craig Warnock) ein Heim findet, dass seinen Träumen von Ritterlichkeit und Exotik gleichkommt, während alles drumherum nur verschiedenen Abstufungen von Lächerlichkeit entspricht. Dass er von dort entführt wird und sein kleines abenteuerliches Leben leben muss und nicht im Traum verweilen, ist die bittere Pille des Films. Am Ende ist zwar alles kaputt und doch … seltsam und fantastisch ist diese Welt der Außenseiter, die, wenn sie Glück haben, doch ihr Leben lang vom Zwinkern eines Sean Connerys zehren können.

Guns of the Magnificent Seven / Die Rache der glorreichen Sieben
(Paul Wendkos, USA 1969) [stream, OmeU]

ok

Zu keiner Zeit ist dies so öde wie zuweilen der Vorgänger. Zu keiner Zeit erreicht es aber auch dessen Highlights. Ganz beständig wird von Anfang bis Ende das Niveau gehalten, und das ist ganz gut. Die homoerotische Bromance kommt leider erst im Tod zu sich und die Mexikanische Revolution entfaltet nur ihre sadistischen, verzweifelten Potentiale. So gibt es vor allem markige Männer in netten Situationen.

Mittwoch 19.02.

Return of the Seven / Die Rückkehr der glorreichen Sieben
(Burt Kennedy, USA/E 1966) [stream, OmeU]

ok

Yul Brunner brühtet mit schwarzer Kleidung in schwarzer Nacht und sieht wie ein Todesengel aus. Das schummrige Rot in einem Gefängnistrack wirkt zudem, als brenne das Höllenfeuer unter diesem. Die kleinen Plansequenzen allenthalben sind ziemlich elegant. Der Film ist schon sehr schön anzusehen – Kamera: Paul Vogel.
Das Drehbuch Larry Cohens recycelt währenddessen weite Teile des Vorgängers, weshalb dies zuweilen eher wie ein Remake wirkt. Aber gerade dort, wo sich beide Filme am ähnlichsten sind, macht Cohen etwas ganz Eigenes daraus. Der mehr oder weniger direkt übernommene Monolog des Dorfältesten über die Charakteristik der Bauern legt hier bspweise plötzlich nahe, dass der Großgrundbesitzer, der alle Bauern enttäuscht von seinem Leben auslöschen wolle, für Hitler steht, und die Bauern, die es gewohnt sind verfolgt und getötet zu werden, die sich aber in einem geeinten Dorf zum besseren gegenseitigen Schutz zusammenfinden, für die Shoa und die Gründung Israels.
Aber dieser Film eines Mannes, der die Welt in Brand stecken möchte, und sieben Lebensmüder, die sich ihm ehrvoll in den Weg stellen, seltsam schwerfällig. Als interessiere sich Kennedy für öde Dialoge und die uninteressantesten Aspekte des Drehbuchs. Der Cast ist teilweise toll – Warren Oates, Claude Akins, Emilio Fernández –, größtenteils nichtssagend. Gerade Robert Fuller als Ersatz für Steve McQueen ist bar jedem Charisma. Die Potentiale sind jedenfalls nicht zu übersehen, aber arg unterentwickelt.

Dienstag 18.02.

Takeshis’
(Kitano Takeshi, J 2005) [blu-ray, OmU]

großartig +

Matsch der Identität: aus den immer gleichen Figuren und Situationen wird mittels Dopplungen, assoziativer, realitätsvergessener Montage und Kombination ein zunehmend surreales Absurditätenkabinett gemacht. Oder: Beat Takeshi kann nicht glauben, an welchen Punkt er in seinem Leben angekommen ist und bewirft dieses sein lächerliches Ich stoisch mit Torten aus allen möglichen 12 Dimensionen. Mit dabei: die Überblendung von einem DJ, der an seinen Turntables scratcht und Händen, die die selben Bewegungen an Frauenbrüsten ausführen.

Montag 17.02.

Mädchen, die nach München kommen
(Walter Boos, BRD 1972) [DVD, ł]

ok

Bei weitem hat es nicht die optische Verspieltheit von LIEBE IN DREI DIMENSIONEN, dafür sind die Episoden etwas beschwingter. Aber es ist seltsam, dass Boos sichtlich der größere Schmutzfink als Hofbauer ist, der sich nicht an den Frauenkörpern sattsehen kann, … und doch scheint es wie ein Film von Leue und für solche, die erstmals Brüste sehen und nicht wissen, was mit ihnen (inszenatorisch) angestellt werden soll. Deshalb wird dauernd an ihnen überkompensierend rumgestupst. Als spielten aufgedrehte Kinder mit Luftballons.

Sonntag 16.02.

Tarzan and the Amazons / Tarzan und die Amazonen
(Kurt Neumann, USA 1945) [DVD, teilw. OmeU]

ok

Verschlossen in einem gigantischen Bergmassiv findet sich ein Amazonendorf, deren Götter gebieten alle Eindringlinge und Ausreißer umzubringen. Die lokalen Männer sind in Bergwerken weggeschlossen und müssen Gold abbauen. Eine Ausgangssituation mit der einiges angestellt hätte werden können. Hier wird sich aber auf die Heimkehr Janes konzentriert, und auf nachgiebige Priesterinnen, die, weil sie sich nicht ans Gesetz halten, die weißen Teufel in ihr Heim lassen.

Liebe in drei Dimensionen
(Walter Boos, BRD 1973) [DVD, ≠, ł]

ok

Ein paar schlafe Episoden von Menschen, die ihre Lockerheit unterstreichen, und von Leuten, die auf diese treffen. Immer wieder faszinierend: mit Konstantin Wecker. Es ist ein bisschen traurig, dass der Film ansonsten nicht ansatzweise so beschwingt ist, wie die zu erahnende 3D-Glorie voller wunderbarer Ideen, die fast alle Filme des Post-AVATAR-3D locker in die Tasche steckt.

Sonnabend 15.02.

Le Feu follet / Das Irrlicht
(Louis Malle, F 1963) [blu-ray, OmU]

großartig +

Das bittere, statt das süße Leben. Ein trockener Alkoholiker (Maurice Ronet) trifft alte Freunde, ohne den Rausch ist der alte Schwung aber dahin. Mal sitzen die Leut emit guten Vorsätzen ihre gemeinsame Zeit ab, mal ist alles einfach nur dysfunktional. Die Schönheit der verkannteten Schwarzweißbilder ist aber nur zum niederknien. Abstrakte neodepressionistische Hochkultur-Trunst.

Freitag 14.02.

Verbrannte Erde
(Thomas Arslan, D 2024) [stream]

fantastisch

Ein Professional (Mišel Matičević) erledigt seine Heist-Jobs Handgriff für Handgriff sehr gewissenhaft. Ein anderer (Alexander Fehling) versucht ihn ebenso gewissenhaft Handgriff für Handgriff über den Tisch zu ziehen. Eine weitere (Marie Leuenberger) fährt gewissenhaft Autos durch die Nacht. Ein Caspar David Friedrich soll geraubt werden, Lösegeld erpresst, und immer müssen alle den anderen einen Schritt voraussein. Das Wetter in Berlin in durchgängig klamm und kalt – wie die Beziehungen zwischen den Menschen. Aber die Konzentration auf die Handgriffe in der Paranoia, zwischen Folter und Misstrauen sind von wärmender Schönheit.

Donnerstag 13.02.

Broken Rage
(Kitano Takeshi, J/USA 2024) [stream, OmeU]

großartig

Ohne mich vorher irgendwie zu informieren, habe ich den Film gestartet und dachte, dass ich einen ganz normalen Takeshi-Kitano-Yakuza-Film schaue und nicht dass ein Beat-Takeshi-Inferno ab Mitte des Films auf mich wartet. Mehr dazu bei critic.de.

Mittwoch 12.02.

Schüler-Report – Junge! Junge! Was die Mädchen alles von uns wollen!
(Eberhard Schröder, BRD 1971) [DVD] 3

großartig

Immer wieder nackte Männerkörper; die Ultrakunst der amourösen Schnitt für Schnitt Annäherung einer Mutter (Elisabeth Volkmann) mit dem Freund ihres Sohns; Sascha Hehn kann eine Operndiva, die eine Nummer vor dem Auftritt braucht, nicht befriedigen; Kinder erfahren den Grund des Frusts ihres Vaters, dass er nämlich ein schmieriger Sack ist, der in den Discos bei den jungen Frauen abblitzt: es geht zwar nur selten einmal um das Thema, das der Titel verspricht, die sieben Episoden, in denen ausnahmsweise mal doch oft die Jungs im Zentrum stehen, ist aber doch verständnisvoll, bei aller Derbheit zärtlich, die Sketche verlaufen sich auch eher, als dass sie auf den großen Bumms aus wären. Tatsächlich einmal einfach schön.

Montag 10.02.

Hundreds of Beavers
(Mike Cheslik, USA 2022) [digital, OmeU]

großartig

Lukas F. machte mich in einer Unterhaltung bzgl. meines Perlentauchertexts darauf aufmerksam, dass THE SECRET OF MONKEY ISLAND, DAY OF THE TENTACLE uswusf. im Internet inzwischen als Browserspiele zu finden sind. Lotti Z. (9 Jahre) wird demnächst mit etwas Hochkultur Bekanntschaft machen.

04.02. – 08.02.
International Film Festival Rotterdam
Sonnabend 08.02.

Suçuarana
(Clarissa Campolina, Sérgio Borges, BR 2024) [stream, OmeU]

ok

Bei critic.de gibt es einen Text zum diesjährigen IFFR. Kurze Einschätzungen aller Filme finden sich dort.

Freitag 07.02.

Holy Electricity
(Tato Kotetishvili, GE/NL 2024) [stream, OmeU]

ok +

みーんな、宇宙人 / We Are Aliens
(Ugana Ken’ichi, J 2024) [stream, OmeU]

uff

Donnerstag 06.02.

గామి / Gaami
(Vidyadhar Kagita, IND 2024) [stream, OmeU]

gut

失明 / Blind Love
(Julian Chou, TW 2025) [stream, OmeU]

gut

Mittwoch 05.02.

Im Haus meiner Eltern
(Tim Ellrich, D 2025) [stream, OmeU]

ok

Gowok: Kamasutra Jawa / Gowok: Javanese Kamasutra
(Hanung Bramantyo, IDN 2025) [stream, OmeU]

großartig

Dienstag 04.02.

次元を超える / Transcending Dimensions
(Toyoda Toshiaki, J 2025) [stream, OmeU]

gut

An Errand
(Dominic Bekaert, PH 2024) [stream, OmeU]

großartig

Montag 03.02.

The Brutalist
(Brady Corbet, USA/UK 2024) [DCP, OmU]

gut

Die erste Hälfte ist ruhig, andeutend, statt auserzählend, selbstsicher. Das Thema wird verfehlt, der Film aber schön. Die zweite Hälfte ist stellt seine Baumaterialien unmissverständlich aus und ist dementsprechend plump, überdefiniert und -deutlich – eine tatsächliche Vergewaltigung steht für eine ästhetische ein –, brutal. Das Thema passt, nur der Film ist etwas oll.

Sonntag 02.02.

Die drei ??? und der Karpatenhund
(Tim Dünschede, D 2025) [DCP]

nichtssagend

Eines Diebstahls verdächtig: eine Schlangenfrau, ein schlafwandelnder Druffi, ein gutmütiger Bastler, Else Kling im Quadrat, eine kellernde Schauspielerin, ein rauchender Börsenmakler, ein schwuler Kunsthändler, ein Internettroll. Leider konzentriert sich der Film aber mehr auf die Dynamik zwischen den drei Fragezeichen – weiterhin kein Fan, schon gar nicht in dieser Iteration –, einen hauchdünnen Fall oder den Aufbau eines Franchises, das bei schnell alternden Darstellern so nie zustande kommen wird, statt mal mehr mit diesen Ensemble anzustellen.

Sonnabend 01.02.

The Wrong Trousers / Wallace & Gromit – Die Techno-Hose m
(Nick Park, UK 1993) [blu-ray] 3

großartig

Einen Haufen überdrehter Neunjähriger haben wir Pizza in die Hand gedrückt und vor eine Leinwand gesetzt, auf der ein Pinguin mit stechenden Knopfaugen die Technik eines Technikversessenen gegen ihn richtet und ihn als Werkzeug zu Terror und Diebstahl missbraucht. Bis auf die zwangsläufigen Lacher und Anmerkungen hier und da herrschte plötzlich gespannte Ruhe. Nach einer halben Stunde andächtigem Guckens, nach einer Pause für die Älteren ging es dann nahtlos weiter mit der übersteuerten Aufregung … und doch, dreißig Minuten war der Zauber von Film zu sehen.

Gentlemen Prefer Blondes / Blondinen bevorzugt
(Howard Hawks, USA 1953) [blu-ray, OF] 2

großartig +

The Gold-Digger-Film to end all Gold-Digger-Films. Zwei Frauen. Die eine: spitzbezungt, konfrontativ, Glamour nur als Werkzeug nutzend, schwarze Haare, Jane Russell. Die andere: sanfte Stimme, sanfte Kurven, anschmiegsam in (fast) jedem Sinne, Diamanten versessen, blond, Marilyn Monroe. Beide sind sie gewitzt und selbstbestimmt. Die eine zeigt, dass nicht alle Frauen Gold Digger sind. Die andere wird in einer Brandrede verteidigt, dass sie gute Gründe hat, ein Gold Digger zu sein, dass sie ihre Versessenheit auf Reichtum nicht zum schlechten Mensch macht, sondern nur die Werte der bourgeoisen, kapitalistischen Gesellschaft achtet – nicht umsonst wird der Film vor Gericht angelangen, weil hier über das Gerichtsetzen über Frauen zu Gericht gesessen wird … der Film der Verteidiger der Frauen gegen Doppelstandards.
Aber Gold Digger hin, Justitia her, Hawks macht dieses glitzernd bunte Musical, dass in der Mitte plötzlich keine Musiknummer mehr hat, nicht um glitzernde Oberflächen zu zeigen und dann zu argumentieren, dass hinter diese geschaut werden muss. Vielmehr ist sein Film Lust gesteuert, ein Buffet aus Farben, Handlungswust und beschwingter Genießen-und-genießen-lassen-Mentalität.

Januar
Freitag 31.01.

Tarzan’s Desert Mystery / Tarzan, Bezwinger der Wüste
(Wilhelm Thiele, USA 1943) [DVD, OF]

gut

Der zweite RKO-Tarzan-Film vertieft noch den Graben zu den MGM-Filmen. Was heißt, dass der frühere Tarzan-Schrei wieder nicht verwendet wird und die immer gleichen, immer freudstrahlenden Unterwasserszenen ausbleiben. Mehr noch geht Tarzan wieder auf Wanderschaft und verlässt seinen Dschungel. Aber nicht nach New York geht er dieses Mal, sondern in ein arabisches Land aus einer nur minimal moderneren Tausendundeiner Nacht im Griff von weißen, korrumpierenden Geschäftsmännern – wobei ein pseudoarabischer Prinz sterben muss, weil er und eine weiße Glücksritterin ein perfektes Paar ergeben würden. Kurz: Tarzan verteidigt wieder die Unschuld in einem zwielichtig lockerleichten Unterhaltungsfilm, und das Minus der wenig überzeugenden und zu seltenen Cheeta-Momente wird dadurch ausgeglichen, dass die Kannibalen fehlen und der Film dafür zum knuffig getricksten Monsterfilm mit Riesenspinnen und -echsen gemacht wurde.

Humanoids from the Deep / Das Grauen aus der Tiefe
(Barbara Peeters, Jimmy T. Murakami, USA 1980) [stream, OF]

großartig

In diesem straighten Monsterfilm, in dem durch Wissenschaft und Umweltverschmutzung verursachte Unterwassermutanten mit Riesengehirnen über eine Kleinstadt herfallen, in dem fremde Wesen auftauchen, um die heimischen Frauen zu vergewaltigen und sich mit ihnen fortzupflanzen, in dem Männer ihre Zivilität schnell fahren lassen und sie unter den Blicken konsternierter Frauen zu sich raufenden Primaten verwandeln, in diesem xenophoben, nur leicht ramschigen H.P. Lovecraft-Gaudi gibt es eine sichtlich zusätzlich gedrehte Szene, die, außer den Monstern, keine Anbindung an den Rest des Films hat. Darin wird sehr offensichtlich das Ausfahren eines erigierten Penis im Angesicht einer sich entkleidenden Frau symbolisch durch eine Bauchrednerpuppe ersetzt, die einem Beutel entsteigt. Es ist ein Fremdkörper und doch des Pudels Kern des Films: Der Penis ist das Alter-Ego des Mannes, das kein Mensch ist sondern Humanoid.

Donnerstag 30.01.

Paddington in Peru
(Dougal Wilson, UK/USA/J/F 2024) [DCP]

gut

Ich mag den dritten Paddington-Film, aber er hat doch ein großes Problem, nämlich seine Vorgänger, die eigentlich alles viel besser machen als er. Mehr dazu bei critic.de.

Mittwoch 29.01.

Blink Twice
(Zoë Kravitz, USA 2024) [stream, OF]

gut

Nach dem Auftakt wird es schnell zum zerstückelten, schwammigen Abhängfilm in einer tropischen, luxuriösen Villa. Am Ende geht dieses nie wirkliche Paradies mit sehr viel Lust an Gore in Flammen auf. Theoretisch ergeben die beiden Einzelteile einen wunderbaren Film, als Ganzes geht es aber irgendwie doch nicht auf. Das Scharnier zwischen den beiden – der Twist – ist weder sonderlich interessant, noch überraschend. Das Foreshadowing ist teilweise sensationell, teilweise plump und öde – Channing Tatum unnatürlich gebleachte Zähne zu verpassen, damit sofort zu sehen ist, dass mit ihm etwas nicht stimmt, ist so eine aufdringliche Entscheidung. Der schönen metoo-Drastik in Sätzen, Erkenntnissen und Gewalt mit einem mega Schauspielensemble steht entgegen, dass ständig zu spüren ist, wie sehr die Macher die Potenz ihrer einen Idee überschätzen. So lag es knapp neben etwas richtig Tollem.

Dienstag 28.01.

Der neue heiße Report: Was Männer nicht für möglich halten
(Ernst Hofbauer, BRD 1971) [DVD, ≠] 2

verstrahlt

Eine feministische Brandschrift, die brutal, grotesk, geschmacklos und nachdrücklich vorführt, dass Frauen, die nach der Ehe in ihren Wohnungen weggesperrt werden, nur zu Leid auf allen Seiten führen. Ein Knüppel in Filmform.

Montag 27.01.

Juror #2
(Clint Eastwood, USA 2024) [DCP, OmU]

großartig

Der Status von DIE ZWÖLF GESCHWORENEN als Meisterwerk ist mir bisher ein Rätsel. Das Gerichtsdrama hat fest im Auge, was geschehen soll und spult diesen schnell durchschauten Plan dann expressiv und überraschungsarm ab. Elf Juroren sind von der Schuld eines Angeklagten überzeugt, nur einer hat Bedenken. Nach und nach zieht dieser Einzelne aber alle anderen auf seine Seite – bis es zum einstimmigen Unschuldsspruch kommt. Er lässt alle erkennen, dass ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilt werden sollte, dass die Dinge oft etwas kompliziert liegen, als es scheint, dass sie mit genauer Beobachtung und Deduktion zu durchdringen sind und dass sich von Befangenheit gelöst werden muss. Reibungslos fällt alles an seinen Platz und ergibt ein perfektes Bild ohne Probleme. Aufklärung und Wissen lösen alle Ambivalenzen und Widersprüche auf … und diese simplen Heilversprechen haben mich bei meiner bisher einzigen Sichtung ziemlich genervt.
JUROR #2 nimmt dieses Konzept nun und zertrümmert es – nachhaltig wie lakonisch. Bei ihm gibt es keine Lösung. Alle sind befangen, wenn sie nicht sogar ganz offensiv eine Agenda verfolgen. Eine Möglichkeit, aus dieser Voreingenommenheit heraus in eine objektive Perspektive zu treten, gibt es schlicht nicht. Andere werden entmenschlicht, wenn es der Erhaltung des eigenen Selbst und die der eigenen Position erleichtert oder überhaupt erst ermöglicht. Leute lügen, weil sie denken das Richtige zu tun. Die Rückblenden widersprechen sich. Wahrheit und Gerechtigkeit sind so schon schwammig, sie auf einen Nenner zu bringen, ist geradezu unmöglich.
Gleichzeitig ist der Film aber kein Abgesang auf Wahrheit, Gerechtigkeit und die juristischen Institutionen. Ihr Wegfallen ist alles andere als eine Lösung der Probleme, sondern deren Potenzierung. Ohne all das Hin und Her im Film, in der Jury, in der Welt um die Verhandlung wäre wahrscheinlich außer dem Anklagten niemand aufgefallen, dass er vll. nicht schuldig sein könnte. Im Grunde bekommen wir die Dramatisierung von Churchills Bonmot vorgeführt: Demokratie ist die schlechteste Staatsform – mit Ausnahme aller anderen. Weshalb Eastwoods Film vor allem das Portrait eines Landes in Aufruhr ist, das den Widerspruch zwischen Individuum und Institution nicht mehr auszuhalten scheint … vll. aber auch doch.
Die Spannung des Films liegt in seiner ruhig protokollierenden Form und seinem emotionalen und intellektuellen Ballast. Zwischen klarer Sachlichkeit und dem Orkan, den diese impliziert. Und erst die letzte Einstellung offenbart – wenn sie uns mit dem bisher Gesehenen und Gehörten alleine lässt und uns in den Juryraum sperrt, um eine Entscheidung zu finden – wie aufgeladen das alles war. Das Konzept wird so zwar wieder nur für ein neues ausgetauscht, auch JUROR #2 ist ein zielgerichteter Themenfilm – wann und wie Justitia zu sehen ist, und wie ein Licht aus- und sofort wieder eingeschaltet wird, oder eben nicht, erzählt von den Leuten im Film, ist vor allem aber Werkzeug, um die argumentativen Seiten des Films mit Munition zu versorgen –, aber anders als DIE ZWÖLF GESCHWORENEN gibt er einem weder eine Lösung vor, noch versucht er abschließend zu sein. Er entscheidet sich für hypnotische Einfachheit, die aufwühlende Gebrochenheit nach sich zieht.

Sonntag 26.01.

The Seven Year Itch / Das verflixte 7. Jahr
(Billy Wilder, USA 1955) [blu-ray, OF] 2

ok

Irgendwo steckt ein schön trister Film hier drin, der wie ein zweischneidiges Schwert genutzt werden könnte. Auf der einen Seite ein Film über Machos, die freizügige Frauenkörper und die Hitze als Ausrede ihrer Verfehlungen nutzen – vor allem dass sie in unbefriedigenden Ehen festsitzen, aber fern des Heims und der Ehefrau doch Macker sein wollen. Auf der anderen Seite ein zivilisierter Neurotiker, der mit der bürgerlichen Moral der Ehe ernstmachen möchte, sich aber von einer Sexbombe – Marilyn Monroe spielt ihre unbewusste Verführerin so übertrieben, dass eine ätzende Karikatur dessen entsteht, was in diesem Film und seiner Welt als attraktiv gilt, nämlich ein Körper mit einem seelenlosen, gespenstischen Lächeln – in eine psychische Auflösung manövriert sieht. In den 100 Minuten des Films herrscht aber eine erstaunliche/erschreckende Gefälligkeit, die eine Geschichte, die höchstens 50 Minuten trägt, endlos breittritt und vor allem in einem sich ironisch selbstvergewissernden Ton zulabert. Wären die Cinemascope-Bilder nicht so schön und der Kurzauftritt des Psychologen nicht so gut, dieser dröge Film, der sich aus unerfindlichen Gründen für beschwingt hält und all seine Potentiale verkennt, es würde einen brutal auszuzeln. Oder anders: Billy Wilder und ich kommen mal wieder nicht zusammen.

Sonnabend 25.01.

Tarzan Triumphs / Tarzan und die Nazis
(Wilhelm Thiele, USA 1943) [DVD, teilw. OF] 2

ok +

Mit dem Wechsel von MGM zu RKO geht sofort einiges verloren. Der Tarzan-Ruf ist sichtlich nicht mehr das klangliche Meisterwerk der vorherigen Filme, das Weissmüller Stimme so modulierte, dass etwas rauskam, das sich vorwärts und rückwärts gespielt gleich anhört. Die Kamera bleibt stets über dem Wasser, wenn Tarzan schwimmt, wie auch sonst alles deutlich kostengünstiger und weniger auf Glamour bedacht aussieht. Haushaltsgimmicks gibt es ebenso wenig, wie auch Maureen O’Sullivan und ihre Figur Jane abwesend bleiben. Und überhaupt wird Tarzan vom Kämpfer gegen Feuerwaffen zu deren Verteiler, weil dies eine Parabel ist, die den Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg propagiert. Die Nazis fallen in den Dschungel ein und Isolationist Tarzan muss lernen, dass er den Expansionismus Deutschlands nicht ignorieren kann, weil sie dann auch vor seiner Haustür landen werden. Die Klammer aus einer simplen, schönen Höhenangstszene und einem Ende, in dem das Wort Nazi von Tarzan alsbald als Schimpfwort popularisiert wird und bei dem der Generalstab in Berlin Cheetas Gebrabbel über Funk mit ihrem Führer verwechseln, ist durchaus schön. Der Rest eher gut gemeint.

Freitag 24.01.

中南海保鑣 / The Bodyguard from Beijing
(Corey Yuen, HK 1994) [blu-ray, OmeU]

großartig

Den Auftakt bildet ein hochoktanes Action-Set-Piece, in dem ein Botschafter von einer Handvoll Bodyguards – im Endeffekt aber nur von dem von Jet Li gespielten – gegen ein Meer aus Assassinen verteidigt werden muss. Es handelt sich, wie sich herausstellen wird, aber nur um eine Übung … wie bei Sammo Hungs HEART OF THE DRAGON, nur, dass der Auftakt dann tatsächlich im Film nachhallt und weniger willkürlich erscheint. Was der Titel schon andeutet, wird also von der ersten Minute unterstrichen: THE BODYGUARD FROM BEIJING ist ein typisch dreistes Hongkong-Plagiat von BODYGUARD, nur, dass sich weniger auf die Romanze konzentriert wird als auf die Action.
Und die Action, wenn auch die Zeugin eines Mordes in einem Kaufhaus gegen ein Meer aus Attentätern verteidigt werden muss, wenn final eine Schießerei in Dunkelheit stattfindet, gegen Gegner und Gasvergiftung gekämpft wird und Jalousien zu Waffen umfunktioniert werden, ist sichtlich Corey Yuens Steckenpferd und ein Genuss. Aber ansonsten ist es vll. der aufregungsärmste seiner Filme. Die Pedanterie, mit der Jet Lis Bodyguard seine unwillige Klientin absichert, besitzt in seiner Mischung aus hypnotischen Prozedural-Fluss und Verwöhntes-Gör-wird-mit-Common-Sense-genervt-Komödie – inkl. Cops, die lieber auf Pferde wetten, als ihre Arbeit zu tun, und einem wunderbaren Tristkind, dass auf alptraumhafte Weise lernt, dass es keine gute Idee ist, Pistolen als Spielzeug zu benutzen – eigentlich alles für ein weiteres Meisterwerk. Aber die Romanze will irgendwie nicht aufgehen – sie, die zu Beschützende, scheint nur ein neues Spielzeug gefunden zu haben, während er, der Bodyguard, seine Komplexe mit ihr lösen zu wollen scheint. Die sich ergebende dröge, höchstens psychoanalytisch interessante Romantik macht leider umso deutlicher wie hölzern der Film doch streckenweise ist.
Vll. ist der Grund, dass sich alles ein wenig ausgebremst anfühlt, auch ein anderer. Vll. hat auch kurz vor der Rückgabe Hongkongs an den großen, kommunistischen Bruder einfach niemand das nötige Herzblut für diese Geschichte eines chinesischen Beschützers vom Festland, dessen Härte vom chaotischen Konsumentenlandei aufgeweicht wird und zu dessen aufopferungsvollen Beschützer er wird. Vll. war das einfach schon damals eine zu abwegige Verklärung der sich abzeichnenden Zukunft.

Donnerstag 23.01.

Tarzan’s New York Adventure / Tarzans Abenteuer in New York
(Richard Thorpe, USA 1942) [DVD, OF]

gut

Hot Take: Tarzans Abenteuer bilden lediglich eine Struktur, die Cheetas Sketche zusammenhalten. Es verdeutlicht sich in New York, wo ausnahmsweise Tarzan auch mal für die Show sorgen darf. Johnny Weissmüller wird in einen Anzug gequetscht und vor einen Richter geführt und ist plötzlich mehr ist als ein paar Muskeln mit markanten Schrei. Er flieht vor der Polizei, springt dafür durch das Fenster eines Hochhauses und kämpft sich unbeholfen durch die Betonwüste. Das Abenteuer scheint dabei ungestört weiterzugehen. Im Augenwinkel des Geschehens machen die gespenstische Ruhe auf der Tonspur und das unbeholfene Hangeln am Abgrund aus der spaßigen Fisch-aus-de-Wasser-Geschichte aber ein bedrückendes Seelendrama.

Mittwoch 22.01.

Erotik im Beruf – Was jeder Personalchef gern verschweigt
(Ernst Hofbauer, BRD 1971) [DVD, ≠, ł] 2

radioaktiv

Dies ist kein Werk der Schönheit, sondern eines der Wahrheit, der hässlichen, brutalen Wahrheit. Diverse Interviews legen Authentizität nahe, aber sind sie der Marker dafür, dass es nicht um Wirklichkeit geht, sondern um Vorstellungen. Perverse Imaginationen des Untergangs des Abendlandes durch Sex, durch Gastarbeiter, durch Lesben mit ihrem Sexdrive, der nur Leere hinterlässt, durch Schwule, die die Normalen täuschen, durch junge Frauen, die die armen, hilflosen Männer mit ihren übermächtigen Trieben verführen und in Fallen locken. Die auch thematisierte allgegenwärtige, sexuelle Übergriffigkeit der Männer: nur ein Scherz, mit dem halt in dieser übersexualisierten Welt zu leben ist. Und das Perverseste ist, wie Hofbauer gerade zu Beginn diese verbreiteten Vorstellungen zu fröhlichen, entlarvenden Karikaturen verdichtet, im Laufe des Filmes das Leichte zunehmend fahren lässt und uns einen Betonklumpen ans Bein bindet, der uns in den Abgrund reißt. DEUTSCHLAND – EIN WINTERMÄRCHEN des 20. Jahrhunderts.

Dienstag 21.01.

Non ho sonno / Sleepless
(Dario Argento, I 2001) [DVD, OF]

gut

Immer wieder habe ich cineastischen Diskussionen beigewohnt, die sich leidenschaftlich und uneinsichtig darüber informierten, wo denn nun Argentos Schwächephase angefangen hat. Von den frühen Achtzigern bis zu den späten Neunzigern, von sie hat nie angefangen bis er war nie gut reichte es immer wieder. Ungesehen hatte ich nun auf SLEEPLESS als Auftakt des Vernachlässigbaren getippt … und als der Film mit dem Alptraum einer Prostituierten auf der Flucht vor einer realitätslosen Entität durch einen gespenstischen Zug sensationell begann, mit einem aufregenden Spiel damit, wer denn hier die Hauptfigur sein wird, dachte ich, dass ich mich mal wieder getäuscht hatte – von PHENOMENA oder THE STENDHAL SYNDROME war ich ja schon enttäuscht worden, bei denen ich ähnliches erwartet hatte und eklatant falsch lag. Aber leider erlahmt SLEEPLESS dann doch noch zum schnarchigen Krimi, der lediglich ein trüber Schatten des Auftakts ist. Wahrscheinlich habe ich jetzt eine Position gefunden, die ich vertreten würde.

Montag 20.01.

Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn
(Rolf Olsen, BRD 1967) [DVD] 2

verstrahlt

Ein schlagfertiger Bild-Reporter (Erik Schumann) deckt auf: Was bei den Reichen hinter vorgehaltener Hand geschieht, was die Jugend mit ihren neuen Möglichkeiten aber ohne Verantwortungsgefühl anstellt, die allgemeine Korruption der Gesellschaft. Und Olsen macht es zur grellen realitätsvergessenen Sause menschlicher Abgründe und unangenehm jovialer Cops und Reporter. Es ist ein bisschen wie mit dem LSD im Film. Es ist einfach ein Schlagwort, dass allgemein für Drogen einsteht und dessen einzige Folge ist, dass junge, unerfahrene Frauen damit willig gemacht werden können. Der Film nimmt Dinge, die in der Realität tatsächlich vorkommenden, nutzt sie aber nur um mit ihnen das Niveau einer Bildschlagzeile noch mehr zur Karikatur zu machen. Am Ende hängt Prä-Harry Fritz Wepper selbstmordbereit an einem Schornstein und nur der Überredungsschmelz eines Kleinkindes (der Unschuld) kann ihn retten. Es ist totaler Wahnsinn … aber eben auch ein effektiver metoo-Film lange vor metoo. Ob jung oder alt, ob Lustgreis oder Halbstarker, die meisten Männer dieses Films sehen junge Frauen lediglich als Freiwild, bei denen problemlos zugegriffen werden kann. Und das nutzt der Film auch als seinen größten Horror.

Sonntag 19.01.

博徒外人部隊 / Sympathy for the Underdog
(Fukasaku Kinji, J 1971) [blu-ray, OmeU]

großartig

Yakuza Masuo (Tsuruta Koji) wird nach zehn Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Nicht die alten Mitstreiter empfangen ihn, sondern das Herbstlaub einer verlassenen Straße. Sein Clan wurde von hintertückischen Konkurrenten zerstört. Also zieht er los, um sich zu Rächen und den alten Clan wiederauferstehen zu lassen … sollte man meinen. Macht er aber nicht. Er sammelt fünf ehemalige Weggefährten und einem angeschossenen ehemaligen Widersacher um sich, geht mit ihnen nach Okinawa und baut in der Provinz ein neues Imperium auf … sollte man meinen. Das geschieht auch irgendwie, aber seine neue Organisation besteht fast nur aus Familienvätern und grünen Abenteurer, sie wächst bei Machtgewinn auch nie an. Ihre Bewährungschance ist die eines Schneeball in der Hölle, nach und nach sterben auch alle. Vor allem erkennt Masuo aber, dass er nur bedingt der Underdog der Geschichte ist.
Corporate Japan breitet sich in Form der Yakuza aus. Für Masuo ist Yokohama, sein Startpunkt, eine Geisterwelt voll Spinnenweben und Trümmern. Für die, die triumphiert haben, glatte Räume geschäftlicher Beziehungen. Der Wechsel nach Okinawa bringt Nouvelle Vague Straßenkameras und FRENCH CONNECTION-Direktheit. Unmittelbar und nachhaltig kommt Leben in die Bude. Und doch vergeht es wieder, die Dinge wollen einfach nicht einfach sein. Denn Japaner erscheinen wie ignorante Unterdrücker in ihrer quasi Kolonie. Die Koreaner sind auch hier Ausgegrenzte, gegen die die Handvoll Yakuza, die einfach nur das alte, regellose Nachkriegsjapan vermissen, wie Schnösel wirken. Der größte Hemmstein Masuos ist, dass er die Trauer und Melancholie seiner neuen Heimat spürt und auf sich einwirken lässt, weshalb sein/der Plot nicht so wirklich aufgehen möchte.
Fukasaku deutet ständig einen gängigen Yakuza-Film an, in dem wir immer schon lange vorher wissen, was geschehen wird. Nur kommt dann alles irgendwie doch anders. Der Stil ist noch nicht so wild wie spätestens ab BATTLES WITHOUT HONOR AND HUMANITY. Es kommt dem Film zugute, dass er noch nicht rast, sondern im Schritttempo entgleist. Denn so kommt das Gefühl, dass etwas nicht ganz stimmt, nur langsam zu Bewusstsein.
Kurz: Der Film ist hochgradig generisch und doch ebenso hochgradig seltsam. Bspweise Masuo: er ist der typische Yakuza-Obermacker, nichts bringt ihn aus der Ruhe, die festverankerte Sonnenbrille ist Prinzip. Stets ist er Herr der Situation … im Geschäft und mit den Frauen. Aber das Gefälle zwischen seiner in sich ruhender Kontrolle und einem überdrehten Umfeld erscheint zuweilen absurd überzogen. Mitten im Film liegt er im Bett, seine Geliebten kommt zu ihm. Die Kamera zeigt es von oben, und wir sehen wie er wie erfroren daliegt und sich nicht rührt. Tragisch und komisch ist dieser Mann, der hilflos im Habacht seines Körpers gefangen ist. Ist er ein Held, eine Witzfigur, ein Bündel Elend unter einer harten Front, alles auf einmal?
Tristesse und Schönheit, Muff und aufregende Lebendigkeit wechseln sich jedenfalls beständig ab. Figuren tauchen auf und sind ganz anders, werden ganz anders verwendet als gedacht. Was wie ein Sieg scheint entpuppt sich als Niederlage. Sackengassen allenthalben. Dass Erwartungen grundsätzlich untergraben werden, führt auch dazu, dass das an THE WILD BUNCH angelehnte Ende ein wenig verpufft, aber die ganzen unbestimmten Situationen, der fehlende Payoff, die flüchtigen Beziehungen, ohne dramaturgischen Sinn, sie entwinden sich einfacher Zuschreibungen und hallen noch lange nach. Aus einigen Brüchen mit den Genreregeln erwächst ungemeine Freiheit.

Sonnabend 18.01.

となりのトトロ / Mein Nachbar Totoro
(Miyazaki Hayao, J 1988) [blu-ray] 4

fantastisch +

Eine der plastischsten Erinnerung meiner Kindheit ist ein Blick eine Häuserschlucht entlang. Es war Nacht, dicker Nebel herrschte, und die Telefonzelle am Ende der Gasse war ins orangene Licht einer Straßenlaterne, in eine Mischung eine durch die Luftfeuchte fast greifbare Halo getaucht. Nebel und Nacht wollten die Telefonzelle schlucken und doch strahlte sie mir verschwommen entgegen. Ich war fast den ganzen Tag unterwegs gewesen, entkräftet, müde. Wäre im nächsten Moment der Teufel wie in DER MEISTER UND MAGARITA um die Ecke gekommen, wäre ein Fisch durch die Luft geschwommen oder hätten sich Agenten in Trechcoats eine Schießerei geliefert, hätte es mich nicht überrascht. Wir standen an der Ecke und meine Eltern verabschiedeten sich, glaube ich, und ich starrte die Gasse entlang, in der nichts geschah und die doch nach Abenteuer aussah, nach symbolischer Überhöhung, nach dem Potential, was die blanke Realität bereithalten könnte. Diese Atmosphäre hat Miyazaki zu einem Film gemacht.

River of No Return / Fluss ohne Wiederkehr
(Otto Preminger, USA 1954) [blu-ray, OF] 2

großartig +

Am Ende von ein paar kleinen, feinen Plansequenzen steht Robert Mitchum mitten in einer Goldgräberstadt. Hinter ihm kommt eine Kutsche ins Bild gefahren, direkt aus einer Furt. Der Wagen hebt sich am Ufer etwas auf, kurz scheint es, als könnte die Kutsche überschlagen, aber lediglich eine der geschniegelten Frauen auf ihr fällt zur Seite aus dem Wagen und in den Matsch. Der Film hat kaum angefangen, und wir haben bereits gesehen: Otto Preminger ist nicht der Netteste gegenüber Frauen, aber er kann Kino.

Freitag 17.01.

3 Days to Kill
(McG, USA/F 2014) [stream, OF]

ok +

Kevin Costner spielt einen CIA-Agenten, der einen legendären Auftragskiller aus dem Weg bringen soll. Der dazugehörige Film ist ein sentimentales Familiendrama, bei dem er sich wieder mit seiner entfremdeten Tochter versöhnen möchte, eine Komödie, weil seine Tochter immer wieder anruft, wenn er gerade Leute durch die Gegend prügelt oder foltert oder sich gerade darauf vorbereitet – die Pointe fast immer, aber meist effektiv: die Trennung der beiden Ebenen seines Lebens geht wieder nicht auf, aber dieses Mal macht er das Beste daraus und erhebt seine Opfer zu Komplizen bei der Zurückeroberung seiner Tochter –, der Film ist aber auch ein rumpliger Actionfilm, bei dem Costner immer wieder in surrealen Zwischenwelten Befehle von Amber Heard bekommt. Drehbuch: Luc Besson. Alles das zusammen sollte klarmachen, dass es nicht unattraktiv ist, aber durchgängig auch nicht einfach zu genießen/erdulden.

Tarzan’s Secret Treasure / Tarzans geheimer Schatz
(Richard Thorpe, USA 1941) [DVD, OF]

gut

Die Zutaten sind inzwischen institutionalisiert. Wie immer gibt es:
– mind. eine Badeszene mit prachtvollen Unterwasseraufnahmen, Tieren und ohne Lust daran, die Geschichte voranzutreiben
– moderne Annehmlichkeit, die mit den Mitteln des Dschungels nachgeahmt werden, vgl. der Familie Feuerstein
– der Widerstreit der beschaulichen, unberührten Idylle mit wilden, blutrünstigen Kannibalen auf der einen und weißen Eindringlingen auf der anderen Seite, die Waffen, Gier und Ausbeutung (von Mensch und Tier) als zivilisatorisches Gut mit sich bringen, also die Verteidigung einer best of both worlds Idylle gegen die schlechten Eigenschaften von Vormoderne (atavistische, irrationale Brutalität) und Moderne (rationalisierte Gier und Zerstörung)
– Albernheiten mit Cheeta und inzwischen auch Boy, die mittels Trickaufnahmen kleine Cartoon-artige Abenteuer erleben
– nur Sex und Erotik werden zunehmend ausgeklammert bzw. sind nicht mehr vorhanden
Und das Schöne an TARZAN’S SECRET TREASURE ist, dass er möglichst viel aus seinen Schauwerten herausholt, dass die erste halbe Stunde des Films damit geflutet wird und der Plot sich nur langsam und widerstrebend aus diesen herausschält. Wieder wird etwas mit bösen Weißen erzählt, die dieses Mal Gold finden und gegen die die entzivilisierten, d.i. entgifteten Naturburschen Tarzan und Jane sich wehren. Aber auch das wird dann mit Fieber und Comic Relief vollgestellt, dass die erzählerische Eintönigkeit der Plots dieser Filme nie auslaugend werden kann.

Mittwoch 15.01.

The Highwaymen
(John Lee Hancock, USA 2019) [stream, OmeU]

ok

Die angenehme Perspektive ist, dass dies eine ausgedehnte Wiederbegegnung mit Kevin Costner* und Woody Harrelson ist, ein Film über zwei Körper, die die in der Jugend verinnerlichten Handgriffe im Alter in ausgelaugten Bildern neu lernen müssen. Die dominantere und weniger angenehme ist, dass Hancock die Kamera immer wieder an armen Leuten vorbeischwenken und über die Verteidigung von Werten schwadronieren lässt, dass er ungelenk eine getragene, schwermütige Bedeutsamkeit beschwört, die durchgängig ziemlich hässlich aussieht.
*****
* Was dazu führte, dass Auftakt eines Texts zu Ehren von Kevin Costners 70. Geburtstags bei critic.de mit dieser Perspektive beginnt.

Dienstag 14.01.

No Way Out / No Way Out – Es gibt kein Zurück
(Roger Donaldson, USA 1987) [stream, OmeU] 2

fantastisch

Kevin Costner als Abenteurer einer Lieber zweier trashtalkender, cocky, abgeklärter Kontrollfreaks, die ihre Fassade füreinander aufgeben, in einer kinky, dampfigen Romanze im ersten Teil des Films. Und als in die Enge getriebener Tiger, der endlos durch sein Revier hetzt, um doch noch den Strohhalm finden zu lassen, der den Weg aus der Falle bringt, in welcher er Jagd auf sich selbst machen muss, in einem straffen, kinetischen Procedural-Thriller. Mehr noch ist NO WAY OUT aber ein zutiefst deprimierender Film, weil es hier, mitten im Kalten Krieg niemanden gibt, zu der Vertrauen verdient, der eine Utopie bietet. Überall, in jeder Person findet sich Korruption, Verrat, Terror, (Selbst-)Betrug, wahnhafte Ideologie oder todbringende Obsession. Weder auf den Makro-, noch den Mikorebenen dieser Gesellschaft gibt es einen Sicherheit versprechenden Hafen. Den Twist am Ende fand ich beim ersten Mal etwa doof, nun muss ich mir eingestehen, dass gerade er jede Hoffnung wie Hohn erscheinen lässt. Ein Partyfilm also, der feiert, weil eh nichts zu retten ist.

Montag 13.01.

Bull Durham / Annies Männer
(Ron Shelton, USA 1988) [stream, OmeU] 3

fantastisch

Mir ist dieses Mal das Offensichtliche aufgefallen. Dass nämlich DIE INDIANER VON CLEVELAND eine Parodie von BULL DURHAM ist … oder ein etwas albernerer Trittbrettfahrer. Da ich aber den ein Jahr später veröffentlichten Film in meinem Leben, in meiner Jugend deutlich häufiger gesehen habe, ist er in meiner Wahrnehmung der originale Text. Und zumindest in meiner Vorstellung gibt es deshalb das Genie, dass gesehen hat, dass eine tragisch-sentimentale Liebesgeschichte über zwei Dickköpfe, die denken, dass sie ihr Leben für sich passend entworfen haben und die ihre Liebe und die Anforderungen des anderen als Anmaßungen verstehen, in DIE INDIANER VON CLEVELAND eingewoben bei nur ein wenig mehr Ernst, ein Meisterwerk ergibt.

Sonntag 12.01.

Into the Night / Kopfüber in die Nacht
(John Landis, USA 1985) [blu-ray, OF]

gut +

Ed (Jeff Goldblum) kann, weil sein Leben unendlich langweilig ist, nicht mehr schlafen. Als er seine Frau beim Fremdgehen erwischt, bricht er ziellos auf. Bzw. er wird zum Schlafwandler, der eine ausgedehnte, abenteuerliche Verwischung von Realität und Traum erlebt. Selbst wenn keine Nacht ist, scheint er doch im Zwielicht eines Phantasiegespinsts. Absurde Dinge geschehen, absurde Bösewichte verfolgen ihn, beklemmende Dinge geschehen, beklemmende Bösewichte verfolgen ihn. Diana (Michelle Pfeiffer) braucht ihn, er braucht Diana. Was alles auf dem Papier super ist. Einzelne Momente sind super. Die Grundstimmung ist super. Aber dass der Regisseur John Landis heißt, sorgt dafür, dass es doch völlig zum Comic und SNL-Sketch wird und die Schatten sehr flach bleiben, dass es fader bleibt, als der Film einem durchgehend verspricht.

Sonnabend 11.01.

Fast Times at Ridgemont High / Ich glaub’, ich steh’ im Wald
(Amy Heckerling, USA 1982) [blu-ray, OF] 2

großartig +

Heckerlings Film stammt aus dem gleichen Jahr wie PORKY’S. Beide ähneln sich durchaus, unterscheiden sich aber auch eklatant. Bob Clarkes Film zeigt eben kaum erträgliche, entlarvende Innenansicht seiner männlichen Hauptfiguren und einer Gesellschaft, die sich beklemmend allumfassend aus Hackordnungen aufbaut, während FATS TIMES Innenansichten beider Geschlechter bietet, Mitgefühl, aber auch mehrere Perspektiven auf männliche Unsicherheit und seine zuweilen unheimlichen Folgen. Bei Heckerling ist aber vor allem alles witziger, verspielter, kreativer und unendlich wärmer.

Ich war zuhause, aber…
(Angela Schanelec, D/SRB 2019) [blu-ray] 2

fantastisch

Maren Eggerts Verlorenheit – emotional, sprachlich, familiär und gesellschaftlich – ist erschreckend, einfühlsam und vor allem witzig bis albern. Vor näheren Analysen schrecke ich aber zurück, weil ich fürchte, was ich dabei alles über mich herausfinde … so weit weg ist es nämlich leider nicht. Zumindest bis auf die Lehrerzimmerszene und ich habe auch noch kein Kind des Hauses verwiesen. So weit ist es mit mir noch nicht.

Tarzan Finds a Son! / Tarzan und sein Sohn
(Richard Thorpe, USA 1939) [DVD, OF]

ok

Der Hays Code und seine Konsequenten: Weil es im Dschungel keinen Priester gibt, dürfen Tarzan und Jane keinen Sex haben. Wenn sie also ein Kind bekommen sollen, muss ein Flugzeug abstürzen, das Baby überleben und die Eltern sterben – aber nicht durch den Unfall, sondern durch Kannibalen, die sie verschleppen. Und so ist die Moral geschützt.
Ansonsten Schwimmen, durch den Urwald schwingen und eine Geschichte über gute und böse Weiße, die es zu Tarzan verschlägt und eine Variation dessen erleben, was es zu diesem Zeitpunkt in diesen Filmen zu erleben gibt. Leider mit Breitseite zu letzterem, dem Uninteressantesten des Rezepts.

Freitag 10.01.

Unfaithful / Untreu
(Adrian Lyne, USA/D/CH 2002) [stream, OmU]

gut

Richard Gere spielt den perfekten Ehemann. Seine Figur ist erfolgreicher Geschäftsmann, fürsorglicher Vater, witzig, umsorgend. Und er sieht eben wie Richard Gere aus. Im Angesicht einer Affäre seiner Frau offenbart sich aber, dass er marktwirtschaftliche Besitzansprüche hegt, dass unter seiner sauberen Oberfläche Abgründe lauern. Gere spielt gerade die unklaren Bruchpunkte zwischen Idyll und zwischenmenschlicher Hölle sensationell creepy. Es wird teilweise zur gemeinen Abrechnung mit der bürgerlichen Ehe, auch wenn zuweilen die wirklich hundsgemeinen Absprungstellen doch etwas umschifft und aufgeweicht werden. Aber unweigerlich sind sie da. Es handelt sich ja auch um das Remake eines Chabrol-Films.
Aber im Grunde ist das weniger überraschend als effektiv. Viel faszinierender sind die Akzentuierungen bei den zwei Sphären der Erzählung. Diane Lanes Ehefrau reißt eben nicht aus einer frustrierenden Ehe aus, sondern aus einer harmonischen. Aus einer perkten Langweile stolpert sie in ein Abenteuer. Weshalb zu Hause eine warme Realität herrscht, während die Affäre ein irrealer, artifizieller Zirkus ohne Gefühle ist. Lyne macht aus Orkanen, Appartments, die fast vollständig aus Büchern bestehen aufgesetzte Musicalnummern, die wie eine Werbepause innerhalb der Ehewirken. Weder sind sie emotional irgendwie verankert, noch finden sie ansatzweise die Bilder und die Atmosphäre geschlechtlicher Begierde (wie in Lynes 8 1/2 WOCHEN). Selbst wenn es eine Chemie zwischen Lane und Olivier Martinez geben würde, wären sie seltsam ungreifbar.
Dass die Frau ein verbotenes, gefährliches, anrüchiges Abenteuer sucht, ist so vielweniger logisch entwickelt. Es funktioniert also nicht als Entschuldigung. Sie macht es einfach, weil sie es kann. Nicht das ihre Ehe eine bestenfalls psychosexuell ambivalente Falle ist, ist das Verwirrende und Verblüffende des Films, sondern diese – ungewollte oder vll. doch gewollte – Demontage, dass es eine Erklärung für eine Affäre braucht.

Donnerstag 09.01.

Nosferatu
(Robert Eggers, USA 2024) [DCP, OmU]

nichtssagend

Ziemlich weit in den Film rein fragt Professor von Franz (Willem Dafoe) überschwänglich, wer irgendwelchen Alkohol, ich weiß nicht mehr welchen, haben möchte. Und ich wollte ganz dringend und genoss, dass mal jemand Spaß am und im Film hatte. Davor und danach nämlich: behäbiges Schreiten durch selbstbesoffenen Ernst, wodurch alles, was da an Pestilenz und sexueller Hysterie vorhanden ist, in einen hochtrabend designten Glassarg, in einen unerfreulichen Tod gezogen wird. Am Ende opferte sich Ellen (Lily-Rose Depp) und hielt Graf Orlok (Bill Skarsgård) wie so oft wie gehabt bei sich bis zum Sonnenaufgang im Bett auf, sie erträgt seinen entstellten, halbverwesten, breiigen, klumpigen Körper. Und ich fühlte erstmals richtig mit: Nur noch das Aushalten und dann ist es endlich vorbei.

Mittwoch 08.01.

Sue / Sue – Eine Frau in New York
(Amos Kollek, USA 1997) [digital, EF]

großartig

Der Stil eines warmen, flüchtigen Indiefilms, wie er vll. von Wayne Wang stammen könnte, wird trefflich emuliert. Der Film besteht aus flüchtigen Begegnungen. Oft sprechen sich unbekannte Leute auf der Straße und in Bars an. Sie erleben kleine besondere Momente miteinander. Nur minimal folgt es einer Dramaturgie, eher ist es ein Mosaik. Die Musik ist mit Jazz angehauter Pop. Doch in dieser zeitgemäßen Gefälligkeit steckt eine Figur, wie aus einem John Cassevetes-Film.
Sue (Anna Thomson) erträgt es nicht allein zu sein. Sie muss raus aus ihrem Apartment, auf der Suche nach flüchtigen Begegnungen, flüchtigen Gesprächen, flüchtigem Sex. Sie sucht einen Job, um ihre Mietschulden bezahlen zu können. Sie lügt über ihren Lebenslauf. Flüchtige bleiben aber auch die Begegnungen mit der Arbeitswelt. Sobald die Beziehungen aber so etwas wie Nähe entwickeln, kommt wieder der Fluchtinstinkt. Sue ist das Auge des eisigen Sturms ihrer Persönlichkeit, der sie umschließt, festsetzt, erodiert. Alles an ihr – vor allem die körperliche Präsenz Anna Thomsons, irgendwo zwischen Schönheit und Verbrauchtheit, Sicherheit und Auflösung – ist ungreifbar … und eignet sich deshalb nicht, um sie aus der Scheiße zu ziehen. Aus diesem Fiebertraum eines Feststeckens, der alles unternimmt, um wie ein laues Lüftchen zu wirken.
Faszinierend ist aber auch Matthew Powers, der als Ben wie der junge Bruder Mickey Rourkes wirkt. Wie die mildere, umgänglichere Version, aber kaum weniger explosiv.

Dienstag 07.01.

Veni Vidi Vici
(Juliane Niemann, Daniel Hoesl, A 2024) [stream, OmeU]

uff

Nach wenigen Minuten ist klar, wie der Hase läuft und dass der Film verhindern möchte, dass irgendwie Luft an das sofort verstandene kommt. Mehr dazu beim perlentaucher.

Montag 06.01.

Le pistole non discutono / Die letzten Zwei vom Rio Bravo
(Mario Caiano, I/E/BRD 1964) [DVD, EF]

gut

Der große Bruder von FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR – beide wurden back-to-back gedreht, wobei der hier mehr Budget abbekam, in Erwartung, dass ein Rod-Cameron-Film eher Erfolg haben würde –, der aber nur noch eine Fußnote in der Filmgeschichte ist. Und das Problem ist ziemlich einfach auszumachen: Horst Frank, der den schwarzgekleideten Billy Clayton spielt ist der viel interessantere Charakter als Rod Camerons Haupfigur, stirbt aber völlig unnütz nach einer Stunde. Ihm ist das Titellied gewidmet, er ist ein charismatischer Sadist, den sein tragisches Ende mit Feuer in seinen blauen Augen jagt. Er ist völlig in schwarz gekleidet, teilweise in Leder. Bei seinem ersten Auftritt ist sein blondes Haar unter seinen schwarzen Hut gestopft, damit er nicht zu hell erscheint, womit er aber auch etwas dümmlich aussieht – trotzdem scheint die Fetischfigur schon hier durch. Rod Cameron wirkt hingegen wie James Garner als netter, schon leicht verbrauchter Opa. Auch er trägt überwiegend schwarz. Nur ein weißes Hemd erhellt ihn etwas. Auch er entwickelt hier und da eine sadistische Ader und ist obsessiv in seiner Gangsterjagd – er bricht direkt von seiner Heirat in die Wüste auf. Er ist so kein Held in schimmernder Rüstung, kein onkliger Strahlemann, keine wirklich ambivalente Figur. Er ist alles ein wenig, aber vor allem ein alter Mann verloren in der Wüste. Und leider passt das auch als Beschreibung für den Film.

Sonntag 05.01.

Back to the Future Part III / Zurück in die Zukunft III
(Robert Zemeckis, USA 1990) [stream] 8

gut

Mitte der Neunziger hatte ich den Eindruck, dass dies als Höhepunkt der Reihe galt. Als Rückkehr zur Form und Vollendung der Formel. Aus heutiger Sicht kommt mir das eher erträumt vor, als dass es diese Stimmen wirklich gab – außerhalb von Promotionsveranstaltungen in Fernsehen. Heute ist es vll. der schlüssige Abschluss des Konzepts – nach der leichten zeitlichen Verschiebung einer gleichartigen Lebenswelt folgte der Schritt in die Zukunft und nun eben viel weiter in die Vergangenheit. Dazu gibt es einige charmante Witze über die Unterschiede in der Wahrnehmung, darüber, was es heißt Clint Eastwood in einem Western zu heißen und wieder viele Spiele mit Dopplungen und Spiegelungen, die Unterschiede wie Gemeinsamkeiten betonen. Im Ganzen ist der Film aber deutlich weniger verspielt, inspiriert und schmierig als das Original. Als Studie über Fortsetzungen, wie das Gleiche nochmal aufbereiten, aber anders, ist es schon sehr schön, aber vor allem: ein netter Nachklapp.

Sonnabend 04.01.

Murder Most Foul / Vier Frauen und ein Mord
(George Pollock, UK 1964) [DVD] 2

gut +

Miss Marple (Margaret Rutherford) wird Teil einer Schauspieltruppe und ihr Fall und die Personen bieten reichlich Schmierentheater. Aber da es als Komödie angelegt ist, hätte ich doch gerne mehr, viel mehr Schmierentheater gehabt.

The Holdovers
(Alexander Payne, USA 2023) [blu-ray, OmeU] 2

großartig

Die Horrorvision eines Lehrers, der Leuten, die sich für nichts interessieren, von seinem Lieblingsthema erzählen darf/muss. Es frustriert ihn, logisch, und er wird zum Alkoholiker. Obendrauf hat er noch eine Krankheit, durch die er starken, fischigen Körpergeruch ausdünstet. Er ist Kafkas Käfer in moderner, er ist irgendwann in der Vergangenheit zum Brückentroll verwandelt aufgewacht. Dazu noch ein junger Mann, der weggeschoben wird, und deshalb gegen alles und jeden rebelliert. Beide finden einander und finden kurz Halt an sich. Und doch muss der Film analog gedrehte Wärme vortäuschen und Wärme aus Nostalgie gewinnen, weil sonst alles von Beginn weg erfroren wäre, so kalt ist es.

Freitag 03.01.

Back to the Future Part II / Zurück in die Zukunft II
(Robert Zemeckis, USA 1989) [stream] 6

gut

Seine verqueren Visionen unserer Gegenwart, der damaligen Zukunft, wird mit jedem Jahr besser, aber auch Biff-Trump und all die Verdoppelungen stellen den ersten Teil problemlos in den Schatten, aber er verliert etwas an Schwung und Humor, wenn er sich in der Zeit hin und her bewegt. Wie bei jedem „normalen“ Menschen war dies früher mein Lieblingsteil, aber zunehmend ist schwer zu übersehen, wieviel trister er über die gesamte Laufzeit gesehen ist.

Little Children
(Todd Field, USA 2006) [DVD, OF]

gut +

Sarah (Kate Winslet) ist als Mutter und Frau eines Mannes, der lieber im Arbeitszimmer mit Schlüpfer auf dem Kopf – im Internet von Erotik-Fotomodell Slutty Kay bestellt – masturbiert, frustriert. Brad (Patrick Wilson) kommt zeitgleich ganz gut damit klar, Hausmann zu sein. Nur würde er dazu lieber jugendliche Aufregung erleben und nicht mit einer Frau (Jennifer Connelly) zusammenleben, die von ihm verlangt erwachsen zu sein. Die beiden starten eine Affäre, bewegen sich zunehmend auf ein eskalierendes Melodrama zu, da sich die gerümpften Nasen in ihrem bürgerlichen Vorort in Stellung bringen, während sie selbst erkennen müssen, dass nur eine Flucht ihnen das geben kann, was sie wollen.
Und eigentlich ist alles daran super. Die langsame Herzverengung bei gleichzeitigem Erleben einer Utopie (sexueller) Erfüllung ist witzig, deprimierend, schmierig und fast schon hundsgemein. Gerade Jennifer Connelly spielt ihre erfolgreiche Traumfrau sensationell als unnahbaren Übermenschen, mit dem die Ehe zu jeder Minute wie ein Gefängnis wirkt. Oder Kate Winslet, als Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht, aber doch eine unpassende Randfigur in ihrem Umfeld ist, weil sie sich erlaubt, diese breit machen zu wollen, ist unfassbar gut. Der Film dazu ist locker und konzentriert, flüchtig und pointiert. Und vor allem ist seine Kunst nie steril, sondern albern und schweinisch.
Es könnte alles so schön sein, wären da nicht die Subplots um den Sexstraftäter und den Ex-Polizisten, der ihn terrorisiert, sobald etwas in seinem Leben nicht so läuft, wie er will. Es gibt unzählige Nebenfiguren, wie Sarahs Ehemann, die einfach nur auftauchen, solange sie etwas beitragen, um doch wieder spurlos aus dem Film zu verschwinden. Gerade diese beiden werden aber mitgeschleppt und ins Finale eingewoben. Ihre Parallelität zum Ehemelodrama, ihre Katharsis ist hölzern wie unnötig. Sie ziehen den Film Richtung HAPPINESS und verleihen allem die Atmosphäre eines bedeutsamen Kaleidoskops, das Gefühle mit großen Gesten erzwingen möchte. Es ist der Klotz am Bein, der verhindert, dass der legere Film mit seinen Flügeln abheben kann.

Donnerstag 02.01.

Murder at the Gallop / Der Wachsblumenstrauß
(George Pollock, UK 1963) [DVD] 3

gut +

Margaret Rutherford und Stringer Davis tanzen den Twist, während Robert Morley von Miss Marple geritten werden … geheiratet werden möchte.

Queer
(Luca Guadagnino, USA/I 2024) [DCP, OmU]

großartig +

Auf der Suche nach der Emotionalität bei Burroughs und andere Cut-Uppern, die in dieser Verfilmung zum zentralen Punkt geworden ist und die ich bisher so nicht wahrgenommen hatte, habe ich angefangen mal wieder Kathy Acker zu lesen und neue Bücher von Burroughs bestellt. Schon eine Leistung des Films. Mehr dazu bei critic.de.

Mittwoch 01.01.

Loups-Garous / Die Werwölfe von Düsterwald
(François Uzan, F 2024) [stream] 2

nichtssagend

Leider reichen die paar gelungenen Musikeinlagen und Frauenrechtlerinnen-sind-im-Mittelalter-Hexen-Witze beim zweiten Mal nicht mehr aus, um darüber hinwegzutäuschen, dass dies wirklich kaum etwas zu bieten hat.

Back to the Future / Zurück in die Zukunft
(Robert Zemeckis, USA 1985) [stream] 5

großartig

Crispin Glover ist der heimliche MVP, der creepy Gegenpol zum Sonnenschein Michael J. Fox. Die Schmierigkeit, mit der er denkt, Frauen begegnen zu müssen, ist sensationell unangenehm gespielt. Und vielleicht ist sein Fehlen die Ursache für den kommenden Abfall der Trilogie.
Den Film interessieren derweil zeitliche Unterschiede – wie sehr lediglich 30 Jahre die Welt verändert haben. Wenn ich ihn heute mit meiner Tochter schaue, dann sind schon die 1980er Jahre eine irreale Traumwelt, die einiger Erklärungen bedarf. Die 1950er Jahre sind gleich ein unverständliches, mittelalterliches Abstraktum bzgl. ihrer Kultur, Technik und moralischen Codes.

等待黎明 / Hong Kong 1941
(Leong Po-Chih, HK 1984) [DVD, OmeU]

großartig

Hak-keung (Alex Man) betrachtet seine Verlobte Yuk-nam (Cecilia Yip) heimlich. Sie ist neben ihm eingeschlafen, während eigentlich sie liebevoll über ihn und seine Wunden wachen möchte. Der kommende Schnitt fällt mit einer aufschlagenden Tür ins Haus. Kim-fei (Chow Yun-fat) tritt ein, Yuk-nam wacht auf, und beide schauen sich nun ihrerseits heimlich an. In der Begegnung der beiden Blicke über den schlafenden Hak-keung hinweg – wir sind nämlich in der Zeit vorausgesprungen, wo er wieder weggetreten selig im Traum ewiger Liebe gefangen ist – liegt Verlangen und Traurigkeit.
Durchgängig wird die tragische Liebesgeschichte der drei über solch kondensierte Momente erzählt, in denen lediglich Blicke Gefühle kommunizieren. Eingefügt sind sie in nostalgische Erinnerungen an den Sommer einer wunderbaren Freundschaft. Kompliziert wird diese Freundschaft durch den Verrat der Liebe und einen zweiten, parallelen Verrat: Nachdem Hongkong durch Japan im Zweiten Weltkrieg erobert wird, dient sich Kim-fei den faschistischen Herrenmenschen an – wenn auch nur, um insgeheim gegen sie zu arbeiten. Sentimentale Schönheit und melodramatische Daumenschrauben sorgen so für ein intensives Hin und Her.
Der tatsächliche Übermensch ist dabei Chow Yun-fat – er ist ein Lächeln, das jederzeit Herr der Lage ist. Er steigt in die Welt der Menschen hinab und macht den anderen ihre Fehlbar- und Verletzlichkeit brutal spürbar, weil er sie nicht zu besitzen scheint.