STB Robert 2022 I
„So sehr verblüfft sie diesen Gecken […], daß er vor dem tiefen Wallen in eine beschauliche Benommenheit zu verfallen scheint, ein Träumer am Meeresrand. […] Worauf ihn eine goldene Klinge der Wonne vom Geschröt bis hinauf zum Herzen entzweischneidet, was dieser Tage ein längerer Weg ist.“ (Mason & Dixon)
Wertung: Ich kann nichts mit Zahlen zur Bewertung anfangen. Deshalb gibt es hier ein prosaisches System. Eine Skala ist mit der Qual verbunden, Filme in eine lineare Ordnung zu quetschen. Deshalb hat die Wertung zumindest eine Y-Struktur für freieres Atmen. Die Einstufungen radioaktiv und verstrahlt reflektieren, dass ein Film in seiner eigenwilligen Qualität es einem nicht einfach macht, ihn einfach zu genießen. Wertungen in Klammern verweisen auf das ein oder andere Nickerchen beim Schauen.
Legende: Ist im Grunde selbsterklärend. Wenn hinter der eckigen Klammer eine Zahl steht, dann gibt sie die Anzahl der Sichtungen wieder. Je höher die Zahl, desto mehr ist sie geschätzt. Da ich mit Fernsehen und Kino aufgewachsen bin, wo nur gekennzeichnet wird, wenn ein Film nicht in deutscher Sprache läuft, tue ich das schändlicherweise auch. (OmU=Originalfassung mit Untertiteln, OmeU=Originalfassung mit englischen Untertiteln, OF=Originalfassung, EF= englischsynchronisierte Fassung, OZmeU=Originalzwischentitel mit englischen Untertitel) Hinzu kommen die Zeichen ł, wenn der Film gekürzt war, und ≠, wenn ich mitbekommen haben sollte, dass das Format nicht hinhaute. Ein kleines K hinter einem Titel bezeichnet einen Kurzfilm (bis 20 Minuten), während ein kleines M einen mittellangen Film (21 bis 60 Minuten) kennzeichnet.
Vorangegangene Sehtagebücher:
2012/II | 2013/I | 2013/II | 2014/I | 2014/II | 2015/I | 2015/II | 2016/I | 2016/II | 2017/I | 2017/II | 2018/I | 2018/II | 2019/I | 2019/II | 2020/I | 2020/II | 2021/I | 2021/II
to be continued … und zwar hier
Juni
24.06-03.07.: Il cinema ritrovato
Donnerstag 30.06.
fantastisch –
Dreimal stehen sich zwei Opponenten gegenüber. Normale Samurai treffen dabei auf den Erfinder eines unorthodoxen, unbesiegbaren Stils. Die ersten beiden Duelle enden ohne Kampf. Eine Montage von mehreren Perspektiven auf die Schwerter oder nur Einzelteile derselben, von Schweiß auf der Stirn und des Kehlkopfs des herkömmlichen Samurais und vom Stand der beiden Kontrahenten reichen, um den Eindruck zu vermitteln, dass beide im Kopf den Kampf austragen und die Unterlegenen keinen Weg finden, ihre Niederlage abzuwenden. Nur im letzten Duell wird es tatsächlich zum Kampf kommen. Der unorthodoxe Assassine lässt es aber auch nur zum Schlag kommen, damit der Stock in seiner Hand vom Gegner höchst selbst angespitzt wird. Der Stil, das Unbesiegbare wird so nie gezeigt und bleibt ein Mysterium.
Elliptisch jagt SWORD-CUT (leider eher als DESTINY’S SON bekannt) durch die Jahre. Die gezeigten Momente der Gegenwart sind Schlaglichter aus Stil und Bewusstheit, aus Schmerz und Schönheit. Nichts Beiläufiges gibt es, sondern nur eine intensive Wahrnehmung der Gegenwart. Das Ergebnis ist eine Meditation über Unbesiegbarkeit und über Außenseiter. Eine Meditation, in der über den Boden gleitende Füße oder das Labyrinth eines leeren Hauses voller unzähliger Türen die Leere und Verlorenheit in den Leuten mit einer grenzenlosen, schmerzhaften Schönheit auffüllen.
gut –
Die etwas orientierungslose Version von WRITTEN ON THE WIND. Vor allem hätte Barbara Stanwycks Starren mehr Platz erhalten sollen. Sie hätte nicht nur der Fels sein dürfen, der zwei Männern (Garry Cooper & Anthony Quinn) den Ausweg versperrt. Ebenso ist das Pumpen des Bohrturms auf der Tonspur sensationell, das unablässig, langsam und stetig den Sex und das nagende Gefühl der Unzufriedenheit in die Luft legt und das Barbara Stanwyck die Nerven raubt. Das ständige Eindringen einer Banditengang aber gab mir gar nichts und stand dem Ausbau des in Ansätzen sehr schönen, irren Melodramas im Weg. In diesem Actionkram verdeutlichte sich höchstens, dass dieser Stoff eines Frauenfilms auf Teufel komm raus zum Männerfilm gemacht werden sollte. Seine Potentiale verkannte er damit.
ok
Während ich BOAT PEOPLE, WRITTEN ON THE WIND und LA RÈGLE DU JEU bewusst ausgesucht hatte, weil ich sie eh mal wieder sehen und meine Eindrücke auffrischen wollte, und während die drei ausgewählten jugoslawischen Filme freudige Überraschungen eines Wiedersehens waren, wurde mir nach wenigen Minuten von I WAS AN ADVENTURESS klar, dass ich ihn schonmal – wahrscheinlich bei der Berlinale – gesehen hatte. Nur war ebenso schnell klar, dass es keine schöne Wiederbegegnung werden sollte, da das zu Sehende meinen dumpfen Erinnerungen eines netten Films entsprach, an Stelle dessen sich vielleicht etwas Anderes mehr gelohnt hätte. Dies ist durchaus ein schönes Vehikel des Duos von Strohheim/Lorre, in allen anderen Belangen hält es aber kaum etwas bereit.
fantastisch –
Prätention und Schmierentheater, Ernst und schmerbäuchiger Witz, Drastik und Nichtigkeit, Symbolik und Direktheit, arm und reich, Determinierte und Orientierungslose: Renoir baut ein Narrenschiff, das alle umarmen möchte und doch zwischen den Stühlen steht. Das zeigen möchte, dass wir uns alle gleichen und dass Europa sich auf ein großes Grab zubewegt. Theaterstadl und große Kunst, was kann es besseres geben?
nichtssagend
Ein gefälliger Kostümball, bei dem es die ganze Zeit um Sex geht, der aber maximale Keuschheit anstrebt. Ein Film gewordener gefällig verschämter Altherrenwitz, für den Louis Jourdan eine Frisur aufgesetzt bekam, die einem Verbrechen gleicht.
gut
Erzählt wird von einem Heist. Ein Vater entflieht einem Zug Richtung Konzentrationslager. Zurück in Zagreb muss er aber noch sein Kind aus den Klauen der Nazis befreien, bevor er sich davonstehlen kann. Körperlich muss er es aus einem Waisenhaus/einer Militärschule entwenden, geistig muss er den Safe der geistigen Indoktrination öffnen. Es ist ein Film, der ganz für sein Ende lebt, in dem ein Vater sein Kind auf einer weiten, schutzlosen Wiese vor Nazis verstecken muss, die auf Motorrädern mit MGs im Beifahrersitz hinter ihnen her rasen. Hier wird der Film zum bestmöglichen fatalistischen Suspensekino.
Ein außerirdisch anmutendes Treppenhaus zu Beginn ließ mich aber vorher schon vermuten, dass ich auch JENSEITS DER STRASSE schon gesehen hatte – vermutlich bei der tollen Filmreihe European Sixties bei der 3Sat im Laufe von 10 Monaten 60 Filme zum Thema gezeigt hatte.
Mittwoch 29.06.
fantastisch –
Bei critic.de gibt es wie üblich eine Textsammlung, bei der diverse Besucher des Il cinema ritrovato über ihre Erfahrungen erzählen. Ich habe mich dort über von Bolvárys Film ausgelassen.
ok
Eine Schmierenkomödie über eine Schmierentheatertruppe. Darin gibt es ein Franco Nero-Imitat, das sich sichtlich in Aussehen, Schauspiel und Figurenzeichnung an Franco Nero orientiert, der erst in drei Jahren bei seinem ersten Film mitspielen und erst in sechs Jahren mit DJANGO seinen Durchbruch feiern wird. Eine hellsichtige Leistung.
gut
Zwei Castingentscheidungen sind hier so offensichtlich und eindimensional, dass sie mich den ganzen Film über nicht losließen. Tala Birell wurde sichtlich als Schwester von Raskolnikov (Peter Lorre) besetzt, weil sie etwas nach Marlene Dietrich aussah. Von Sternberg versucht ihr die gleiche Beleuchtung anheimfallen zu lassen und einen Ersatz für seinen Star zu erhalten, der gerade mit ihm gebrochen hatte. Aber ihre Rolle, ihre Performance und ihr Aussehen bleiben blass. Am Ende wirkt es wie ein leidenschaftsloser Versuch, an den niemand zu glauben scheint.
Peter Lorre selbst wird so oft von hinten gefilmt, wie er über seine rechte Schulter guckt, dass dort nur noch das weiße M fehlt, um die Anspielung an M zu vollenden. Lorre soll eben wieder der Verfolgte, der sich verfolgt Fühlende sein. Dieser spielt eindrucksvoller gegen diese Limitierung an, kann aber auch nur bedingt mehr aus diesem etwas blutleeren Film herausholen.
Einziger Gewinner ist Edward Arnold, der eine frühe Version von Colombo gibt und im Film immer wieder mit Nervenspielchen Highlights setzen darf, mit seiner Körperlichkeit, wegen der er unterschätzt wird und an der alle Versuche sich wegzuwinden scheitern.
gut
Dieser Film leistet einen weiteren Beweis dafür, dass Japan eines der besten Kinolandschaften der Welt besitzt. Während Jean-Pierre Léaud einen Tag zuvor mit Schuhen wiederholt über sein Bett gelaufen war, während in unzähligen Hollywoodfilmen sich Leute mit Schuhen auf Sofas und Betten legen, da rennt hier eine Frau emotional mitgenommen auf die Straße. So außer sich war sie, dass sie vergaß ihre Schuhe anzuziehen. Als sie ins Haus zurückkehrt und gleich im Flur zusammenbricht, da kommt ihre Schwester, um sie zu trösten. Und Teil des Tröstens ist, dass sie ihr beiläufig gleich die dreckig gewordenen Socken auszieht.
fantastisch –
THE RAID spielt weit weg vom sich gerade vollziehenden US-amerikanischen Bürgerkrieg, irgendwo an der kanadischen Grenze – in einem Dorf, das trotz seiner überschaubaren Größe drei oder vier Banken beherbergt, schließlich sind wir im kapitalistischen Norden. Doch ist dieses kriegsferne Idyll das Biotop in dem der Film die Zerrissenheit der Nation in konzentrierter Form sichtbar zu machen versucht. Auf der kanadischen Seite der Grenze hat sich ein Bataillon von entflohenen Kriegsgefangenen gesammelt. Diese Südstaatler kundschaften das Dorf in den Nordstaaten aus und planen einen Überfall. Der Norden soll da getroffen werden, wo es ihn wehtut: beim Geld.
Melodrama, Heistfilm und Western werden zu einem nervenaufreibenden Cocktail vermischt. Der Anführer der Südstaatenoperation (Van Heflin) wird sich in der kleinen Stadt verlieben und sich doch nicht von seinem Auftrag lösen können. Der Sohn der entsprechenden Frau wird in ihm einen Ersatzvater finden und ihn doch als Spion entlarven. Von Schmerz und Alkohol Enthemmte (Lee Marvin) und symbolisch Entmännlichte werden immer wieder Benzin in die Eskalation schütten. Das Dorf wird in Flammen aufgehen, weil die Menschen darin innerlich zerfressen sind und weil sie nur einen Krieg zwischen zwei Teilen der USA wahrnehmen, damit nur die eigenen Gefühle und die der eigenen Volkgruppe … weil sie die Frage nach der Humanität und Moralität der legalen Versklavung von Menschen mit Scheuklappen ignorieren. Mit kleinen Stichen werden aus verschiedenen Richtungen unüberwindbare Widersprüche aufgebaut, um am Ende in den Tränen eines Kindes den Schmerz der Situation melodramatisch zu verfestigen.
Mit Liebe und Verlust wird diese Falle gebaut, in der die Leute sich martern werden. Am effektivsten sind in THE RAID aber nicht die großen Mechanismen, sondern ein Schaufenster. Darin wird eine Auktion angekündigt, in der Kriegsbeute aus den Südstaaten versteigert wird. Säbel, Flaggen und andere Devotionalien der Siege über den Feind. Für die einen ist es Grund für Stolz, für die inkognito arbeitenden Südstaatler ein Hohn. Immer wieder landet der Film beiläufig dort und wird die Auktion zu einem symbolischen Kampf werden lassen. Aber schon die Banalität, mit der mit einem Fenster Dominanz ausgestellt wird, ist Ausdruck, dass nicht die großen Dinge an den Feuern und den Tränen schuld sein werden, sondern die Beiläufigkeit der Entmenschlichung der anderen. Die Filme Hugo Fregoneses sind bevölkert von Leuten in Gefängnissen. Das Gefängnis hier ist nicht das Kriegsgefangenenlager des Beginns, sondern die Köpfe der Leute.
fantastisch
Wenn ich diesen Film das nächste Mal schaue, stelle ich Karaffen mit Eistee und Wasser bereit. Die Massen an Whiskey und Wasser, die hier getrunken werden, machen ungemein Durst.
Dienstag 28.06.
großartig –
Immer wieder scheint sich ein Drama anzubahnen, aber es verwirklicht sich nicht. Nicht die wiederholt erwähnten finanziellen Probleme führen zu entscheidenden Momenten, nicht der kurzangebundene Besuch eines Pressevertreters, dessen Auftreten einen Verriss und damit ausbleibendes Publikum in Aussicht stellt, noch die lokale bürokratische Maschinerie, die nach Korruption schreit und Steine im Weg anzudeuten scheinen. Von den expressiven Momenten abgesehen, in denen Zirkusartisten in die Kamera erzählen, dass sie müde und am Ende sind, weil das Leben im Zirkus sie auslaugt, gibt es stattdessen fast durchgängig Impressionen … von Blättern im Wind, von Zirkusnummern, vom Schminken.
THAMPU verweilt vornehmlich in einer unentschiedenen Gegenwart. Eine, die noch dazu nicht von einem klaren erzählerischen Motiv angetrieben wird. Über das Leben eines Zirkusartisten wissen wir nach dem Film auch nicht mehr. Zwischen der Klammer von An- und Abfahrt, in der wir Leute in ihren überfüllten Wagen wegnicken sehen – ein Leben außerhalb der Existenz als Darsteller wird den Figuren/Leuten nicht gelassen, Zirkus und Leere, mehr gibt es nicht –, gibt es schlicht nur Zirkus nahe Dinge zu sehen.
Am Ende treten Trommler als Teil eines religiösen Ritus auf. Während bei den Zirkusnummern das Publikum und deren leuchtende Augen immer gezeigt wurde, bleiben hier ausschließlich die Tamboure im Bild. Das Religiöse ist in sich zurückgezogen. Der Zirkus aber, das ist Leben für die anderen.
großartig
What a fucking movie.
(mir unbekannter Sitznachbar direkt nach dem Ende)
Immer wieder – fast gebetsmühlenartig – bestehen die zum Tode verurteilten Ausbrecher des Films darauf, nur überleben zu wollen. Verrückt seien sie, weil sie um ihr Leben kämpfen müssen. Gleichzeitig sind sie – und vor allem Edward G. Robinsons völlig cartoonhaft überzogener Gangsterboss – nicht nur bereit jeden Mord zu begehen, der ihr Leben einfacher macht. Mal ist es einfach die fehlende innere Hürde, einen Abzug zu drücken, mal sind es Gier und Lust, die sie immer und immer wieder zu Mördern machen.
Die adrenalingetränkte Meditation über die Todesstrafe stellt so Psychopathen einem Justizvollzug mit Polizeiapparat anbei, der durch Gewalt, Ignoranz und moralische Überheblichkeit angetrieben wird. Weniger einen Teufelskreis darstellend scheint es dem Film mit seinen Gangstern, die auf ihr Recht zu Leben bestehen und es trotzdem überall nehmen, um einen Versuch zu gehen, auszuloten, wie weit Mitgefühl gehen kann, wie übersteuert Edward G. Robinson gezeichnet werden kann, bis der Elektrische Stuhl doch nicht mehr so ganz falsch scheint.
Eine der ersten Einstellungen teilt sich BLACK TUESDAY mit MY SIX CONVICTS, wo sie am Ende platziert wurde. Die Kamerafahrt weg von einem Gefängnis. Nicht nur deshalb erscheinen beide Filme wie zwei Seiten einer Medaille. Wo die Insassen in dem einen Film einen Tick zu schnell ihre Menschlichkeit zugesprochen bekommen, da wird es einem hier nicht so einfach mit seinem menschlichen Mitgefühl gemacht und stattdessen ein lustvoller, stylischer Wahnsinn geboten, der einem nur allzu gern vermittelt, dass es einem vll. mehr Spaß macht dies zu sehen, als moralisch gut sein sollte.
Schauplatz: Ein karges Gefängnis und ein Lagerhaus. Statt soziale Welten voller mehrdimensionaler Eigenschaften bekommen wir lebensfeindliche Nichtwelten gezeigt, in denen blankliegenden Nerven noch deutlicher zu sehen sind.
großartig –
Während eines Luftangriffs rennt Ruth (Dušica Žegarac) durch die Straßen und schaukelt schließlich auf einem Spielplatz. Sie genießt es, die Welt für sich zu haben. Dass niemand auf der Straße sie an die Wand drängt oder sie zwingt die Schuhe des Gegenübers zu putzen – weil sie Jüdin während des zweiten Weltkriegs in Zagreb ist. Sie schaukelt und im Hintergrund breiten sich zunehmend die Wolken eines Brandes aus. Ihre kindliche Freude trotz einer Welt in Flammen, einfach nur, weil sie von ihren Mitmenschen befreit ist, wirft ein sehr sprechendes Bild auf ihre Umwelt.
Eigentlich ist Ivo (Boris Dvornik) die Hauptfigur von DEVETI KRUG, der Ruth heiratet, um sie vor der Deportation zu retten, der sich erst damit arrangieren muss und sich doch in sie verliebt. Durch einzelne Momente finden sich aber immer wieder die punktuellen Hinweise, dass dem Film vll. eher Ruth am Herz liegt. Dass sie und ihre Weltwahrnehmung indirekt im Mittelpunkt stehen. Sie lebt in einer Stadt, die sie nicht akzeptiert, wo noch die nettesten Menschen sie am Ende nur dulden, und wird in einem Film dargestellt, der nicht der ihre ist.
Seinen Titel trägt DEVETI KRUG aber wegen dem KZ, in dem Ivo Ruth suchen wird. Von einem ihm bekannten Nazi – einem verqueren Vergil – wird er in die dortige teuflische Komödie hinabgeführt. Auch wenn der Film nur vier Kreise der Hölle vorführt, beschwört er doch kurzzeitig dantische Szenarien, wenn es darum geht, zu verstehen, was in Konzentrationslagern vor sich ging … und verfehlt vll. damit genau das Banale des dortigen Sadismus. Ein Alptraum aus Nebel und Urängsten wird erschaffen, der eigentlich nur der Phantasie eines Mannes auf der Suche nach seiner verlorenen Frau entsprungen sein kann. Am Ende scheint es eben unmöglich Ruths Perspektive überhaupt noch darstellbar zu machen.
Randbemerkung: Dies ist ein Film der Treppen. Ständig wird diese hoch- und runtergegangen.
fantastisch –
Simple Einstellungen von Gesichtern, Körpern und Leuten im Verhältnis zueinander machen LA MAMAN ET LA PUTAIN aus. Darin wird sehr lange Zeit die Jean-Pierre-Léaud-Labershow etabliert. Wie ein Gewehrfeuer fabuliert, improvisiert und staffiert er wirre Ideen aus. Bonmots werden zu riesigen Salons, in denen er sich und seine Mitmenschen empfängt und deren Prunk im krassen Gegensatz zu den kargen Orten des Geschehens stehen. Ebenso omnipräsent sind die Chansons und klassischen Musikstücke oder die Buch- und Plattencover, als gehe es darum feuilletonistische Tipps ans Volk zu bringen. Eine riesige, unterhaltsame Blase pusten Léaud als Alexandre und LA MAMAN ET LA PUTAIN auf, nur damit die (scheinbare) Hauptfigur sich nicht seinen Gefühlen stellen muss, damit die Konsequenzen seiner Handlungen keinen Platz in seinem Bewusstsein oder im Film finden.
Im Laufe der etwas weniger als vier Stunden des Films – irgendwo mittig im unförmigen Übermaß – dreht sich das Blatt aber. Seine Dreiecksgeschichte nimmt immer mehr Platz ein, also seine Beziehung zu Marie (Bernadette Lafont), bei der er wohnt, die sich um ihn kümmert, und seiner aktuellen neuen Flamme Veronika (Françoise Lebrun), mit der seinen Drang nach romantischen Abenteuern auslebt. Mit anderen Worten schält sich so etwas wie eine Handlung heraus, wo vorher nur Situationen waren. Und Veronika schwingt sich langsam aber bestimmt zum Subjekt des Films auf. Sie soll und will sich nicht damit begnügen das Opfer der Lawine seiner Spitzfindigkeiten zu sein. Der Alkohol fließt zusehends, die (misslichen) Kopulationsversuche nehmen zu. Alexandre, der seine Geliebte mit zu Marie nach Hause mitbringt und der trotzdem regelmäßig vor Eifersucht ausrastet, wenn diese sich mit einem anderen Mann trifft, wird von Veronika zusehends mit Monologen über ihre Gefühlslage an die Wand gepresst.
Das Genre des Mann und Frau laufen und reden über ihre Beziehung-Films wird hier zum megalomanen Sturm menschlicher Unzulänglichkeit voll Gockelei und Nabelschauen. Es wird zur Komödie umgeformt, in der ein kleines selbstverliebtes Kind irgendwann nur noch eingeschnappt in der Ecke sitzt und von der emotionalen Realität von Menschen, die ihm nah sind, für die er sich aber trotzdem nie interessierte, überrollt wird. Und damit ist es irgendwo auch ein sehr inspirierter, völlig grenzenloser Haufen Dung, der auf das Frühwerk Godards fallen gelassen wird.
großartig
Ein japanischer, prokommunistischer Fotograf (George Lam) entdeckt, dass hinter dem böhmischen Dorf des Postbürgerkriegsvietnams Tod und Zerstörung für jeden herrscht, der der auf Ausschluss beruhende Normideologie nicht entspricht. Ann Huis bittere Abrechnung ist dabei ganz der 14-jährigen Cam Neung (Season Ma) verschrieben. Zwischen Erwachsenen, die entweder keine Identität besitzen oder diese verstecken/in Alkohol ertränken, ist sie ein menschlicher Leuchtturm. Sie ist wütend, traurig oder lächelt, sie darf ihre Emotionen auf der Leinwand ausleben. Sie ist der Gegenpunkt zur bornierten Lebensverneinung, die der Film in Vietnam findet, das Licht zum Schatten, der Puls zwischen den Leichenbergen.
Montag 27.06.
großartig –
Mittels der Kraft eines Idols, dass das Schicksal von drei Fremden lenkt, wird davon erzählt, dass sich keinen Idolen und Krücken unterworfen werden sollte. Sonst sind wir deren – in THREE STRANGERS sadistischen – Launen ausgeliefert. Jerome K. Arbutny (Sydney Greenstreet) unterwirft sich der Macht von Geld und Ansehen. Crystal Shackleford (Geraldine Fitzgerald) der Liebe. Johnny West (Peter Lorre) dem Alkohol. So bekommen wir das Drama eines Betrügers, ein von Obsession, Intrigen und Mord bestimmtes Melodrama und einen fatalistischen Gangster- und Gerichtsfilm. Verbunden werden sie durch einen Lottoschein, den die drei unter den Glücksbann einer chinesischen Gottheit – dem Idol des Films – gestellt haben.
Das Ergebnis ist etwas disparat. Sydney Greenstreets betrügerischer Vermögensberater wäre gern ein Scrooge-artiger Snob. Er bedient sich aber der Entscheidungen und Verhaltensweisen eines kleinen Straßenganoven. Sein Drama ist solide darin, Erwartungen zu entsprechen. Erst gegen Ende steuert sein Teil der Geschichte auf eine eindrückliche Kumulation von Wahnsinn hin. Geraldine Fitzgerald spielt ihre irre Bitch dagegen sagenhaft, nur bekommt sie kaum etwas mehr als 08/15-Geschehen, das kaum Platz erhält.
Aber dann ist da eben noch Peter Lorre als apathischer Säufer kurz vorm Stadium eines Buddhas. Seine Figur und sein Spiel zeigen ihn auf einem, wenn nicht dem Höhepunkt des Lorre-Seins. Er ist das Herz des Films. Seine lakonische Ader dekonstruiert und erfüllt sensationell die sensationalistische, noir-angetriebene Aufrichtigkeitspropaganda. Als besoffener Heiliger lacht er, lässt lachen und ist dann doch wieder ein Idol des in sich Ruhens.
gut +
Für einen Film, in dem Leute ohne Pause aufeinander einreden und sich gegenseitig nicht ausreden lassen, in dem niemand dem anderen zuhört, ist SCHADE, DASS DU EINE KANAILE BIST gar nicht schlecht. Blasetti bietet vor allem seinen Schauspielern eine Bühne und diese nutzen sie. Loren überzeugt als Dauerfeuerredetalent und Mastroianni ist erschreckend überzeugend als idealistischer Simpel, der immer am Aufbrausen ist, weil er schon wieder hereingelegt wurde und nichts daraus lernt. Am besten ist aber Vittorio de Sica auf dem Höhepunkt seiner Silberfuchsigkeit (Jenny J.), der mich wahrscheinlich davon überzeugen könnte, dass die Dampfplauderkomödie das beste Genre von allen sei.
verstrahlt +
Der Film entstand nach einer Vorlage von Schriftsteller, erfolglosem Putschisten und Kendokämpfer Yukio Mishima, der damit vll. sowas wie eine Wunschbiographie vorlegte. Ein Kendo-Fechter (Raizō Ichikawa) möchte die Sonne (Japan) sein und ein stoisches, asketisches Leben führen, das voll und ganz auf Kendo ausgerichtet ist. Er möchte zu einer Essenz vordringen und nur Kraft sein. Und Mishima schreibt der Geschichte ein, dass diese nach ihm modellierte Figur Bewunderung, Neid und Missgunst hervorruft. Leiden möchte er in Form dieser Figur, einen Märtyrertod sterben und beweint werden … sowie irgendwie auf verquere Weise mit seiner Niederlage, mit der Niederlage der Sonne, auch Japans Niederlage im Zweiten Weltkrieg beweint sehen.
Misumis Film ist ruhig, hochgradig künstlich und statisch. In kurzen Momenten wird aus dem Leben dieser Sonne erzählt, von Schweißperlen auf Körpern, vom Jünger, der vor dem Mysterium seines Helden steht und scheitert, von repetitiven Bewegungen, in denen Sex und Weiche aus dem Körper exorziert werden soll. Dem irgendwie immer zärtlichen Faschismus Mishimas, der bei ihm stets wie eine Rüstung wirkt, die wegen der eigenen Verletzlichkeit angezogen wurde, steht damit ein Film entgegen, der erst im Finale mit der Intention seines Drehbuchautors eins wird. Davor stehen kurze, ungläubige, traurige, mitfühlende Blicke auf diese sadomasochistische Härte.
Nach dem Film überlegte ich, wie ich zu KEN und seinem Verhältnis zum Faschismus stehe, wie ich damit umgehe … als zwei Männer drei oder vier Reihen hinter mit sich darüber lustig machten, dass die Figuren (fast allesamt Männer) am Ende von KEN (exaltiert) geweint hatten. Wodurch ich irgendwie sofort mehr mit dem Film sympathisierte.
tba.
Studie I: Uppvaknandet (1952) [DCP] – gut –
Studie II: Hallucinationer (1952) [DCP] – großartig –
Studie III (1953) [DCP] – ok
Ansikten i skugga / Faces in the Shadow (1956) [DCP] – ok +
Ingenting ovanligt / Nothing Unusual (1957) [35mm] – gut
*****
1. Ein Mann gurgelt diabolisch und eine Frau ist nackt, es ist bedeutsam. 2. Gesichter, Hände, Körper, Füße und Fisch: drapiert. 3. Ein Mann trägt sich weg. 4. Die Zeit vergeht, alte Männer sind alt, Wasser fließt unter den Brücken. 5. In einem für eine Versicherung erstellten Film lässt der Fortschritt – Lochkartencomputern arbeiten alles schnell und einfach ab – eine standardisierte, mitleidlose Welt entstehen, in der der Tod einer Mutter nur mehr ein anonymes Loch im System ist.
Kurz: Es herrscht Poesie über das Menschsein als die körperliche Existenz in einer fremden Welt und einer unaufhaltsamen Zeit.
gut +
Ein Schwank über eine Frau, die reich heiraten möchte und dafür auch ihren Sex einsetzt … und das Problem hat, dass sie sich verliebt, und über einen Bankdirektor, der es versucht einer kecken Frau heimzuzahlen, dem aber nichts als Schmollen einfällt. Es wäre so lala, wenn da nicht Felix Bressart wäre, der nicht nur eine Szene in einer Trinkhalle zum feuchtfröhlichen Vergnügen macht, sondern die Begabung hat, noch das ernstes Büro in eine Trinkhalle zu verwandeln.
gut –
Diese frühe Version von HOGANS HEROES, die statt im Kriegsgefangenenlager in einem normalen Gefängnis spielt, möchte den Beweis antreten, dass Verbrecher auch nur Menschen sind … und weil das irgendwie klar ist, übererfüllt der Film einerseits und lässt noch den größten Machogangboss schnell zum vorzeige Gefangenen werden, während andererseits der größte Psychopath (Harry Morgan) und die damit vll. spannendste Figur als Plotdevice am Rande mitgeschleppt wird. Aber irgendwo ist das alles egal, denn schauen sollte MY SIX CONVICTS jeder, weil Gilbert Roland Körperhaar einfach wunderbar inszeniert ist.
Sonntag 26.06.
gut
Zu Beginn fragt ein Verrückte vier andere Verrückte, ob er bei klarem Verstand ist. Die Folge kann nur ein stimmungsvoller B-Movie sein, in dem ständig jemand hinter einer Ecke steht und lauscht. Peter Lorre ist dabei der Inbegriff von Fragilität, des Guten und Sanften, das bei kleinstem Druck auseinanderfällt … womit er Ausdruck eines Aspekts seiner Zeit ist. Der astrologische Wahn seiner Figur wird viel zu wenig genutzt, wie sich der Film etwas arg auf das verlässt, was ihn am Ende ausmacht: die tollen Effekte einer abgetrennten Hand, die läuft.
uff
Low key Ostfriesenwitze über Neapolitaner und ihre Triebhaftigkeit, über reiche Frauen und ihren brutalen Wankelmut und die Ehrhaftigkeit gläubiger Huren, die Freier zum Verzicht zwingen. Ewig werden sie ausgebreitet und funktionieren doch nicht. Pluspunkte sind die Farben und die Fähigkeit der Filmemacher Sophia Loren in Episode eins und drei radiant aussehen zu lassen.
ok
Ein Mann legt eine Verkleidung an und führt in dieser die sinnloseste und auffälligste heimliche Verfolgung der Filmgeschichte durch.
ok –
Ein Bett hebt und senkt sich. Eine Frau wird mittels diesem entführt und im Keller gefangen gehalten. Das ist der Trick, der aufgedeckt werden muss. Es ist die Antriebsfeder eines kurzen Geschichtchens. Und es ist damit etwas weniger dynamisch als die anderen Filme gezeigten Filme Jassets.
gut
Schönes frühes Serial, bei dem die Tennisstruktur etwas arg bemüht wird: Auf die Verhaftung des Meisterverbrechers Zigomar durch (meist) Nick Carter und einen Polizistentrupp und die zwangsläufige Flucht folgt alsbald die Entführung Nick Carters (oder eben eines anderen Polizisten auf den Fersen Zigomars) durch Zigomar und seine Handlanger, auf die wieder eine Flucht folgt. Wenn der Film aber in (Opium-)Traumsequenzen umschlägt oder sich in direkter Tradition des Kino Georges Méliès zeigt und phantasievolle Spezialeffekte auffährt, dann erreicht er seine schönsten Momente.
großartig –
Achtziger Jahre Slasher – beispielsweise ist der Beginn sowohl Schnittmassaker als auch das eines Axtmörders – Musikvideos – beispielsweise: die Überblendung zweier Gesichter vor dunklem Hintergrund in rhythmischer Wiederholung dürfte jedem, der mit Viva und MTV aufgewachsen ist, nahelegen, dass die beiden bald zu singen ansetzen werden – assoziative Zusammenstellungen des Großstadtlebens, die BERLIN – DIE SINFONIE EINER GROSSSTADT in weniger konzeptueller Strenge vorwegnehmen: MÉNILMONTANT ist zuvorderst ein progressives Fest für die Sinne.
ok +
MÉNILMONTANT und BRUMES D’AUTOMNE gleichen sich durchaus. Eine Handschrift ist überdeutlich. Nur enthält der Nachfolger weniger Bandbreite … und viel mehr Herbstlaub, auf das Regen niedergeht oder das in einem Fluss langsam untergeht – zu melancholischer Musik. Und ich möchte sagen: viel zu viel.
großartig
Max Hansen ist als männlicher Hauptdarsteller im Vergleich zu dem von IHRE MAJESTÄT DIE LIEBE deutlich sympathischer und in jeder Hinsicht besser. Und doch ist WER NIMMT DIE LIEBE ERNST in seinen Versuchen, ein beschwingter Film zu sein, etwas eindimensionaler. Dies hier ist schlicht mehr noch eine Bühne für seine Schauspieler – und auch in dieser Hinsicht ist WER NIMMT DIE LIEBE ERNST im Vergleich quantitativ unterlegen. Dafür wird das Talent hier nicht beigestellt, sondern in den Mittelpunkt. Hansen, Willi Schur und Otto Wallburg allen voran beschwingen diesen Film außerordentlich.
Des Weiteren: Die Angestellten des Luna Parks, eines alljährlich geöffneten Vergnügungsparks im Herzen Berlins, an dessen Stelle die Nazis bald das Olympiastadion bauen sollten, sind mehr oder weniger die einzigen Arbeiter, die zu sehen sein werden. Ansonsten sehen wir die Auseinandersetzung zwischen Arbeitslosen, die sich (größtenteils) illegal und gewitzt durchwurschteln, und der Staatsgewalt in Form von Polizisten. Da braucht es schon die Achterbahn dieses Films – der für seine Zeit erstaunlich viel Sex, d.h. nackte weibliche Haut bereithält –, um in der allgegenwärtigen Klaustrophobie ein Gefühl von Eskapismus zu erwecken.
(gut)
Ein Mann wird sich im Laufe des Films am Grund eines leeren Pools befinden. In der Mitte des Beckens findet sich ein senkrecht nach oben ragender Phallus, aus dessen Öffnung oben Wasser kommen müsste. Er ist die Quelle, die dem Film seinen Titel gibt. Der Mann wird aber nicht diesen Phallus reiben, um die benötigte Wasserejakulation zu bekommen, sondern den Boden. Es ist der traurige Höhepunkt des Scheiterns dieses ruhigen, poetischen Films, der statt mit Klarheit Emotionen fließen zu lassen, symbolisch und abstrakt, verwinkelt und versperrt erzählt. Dass ich nicht ganz nachvollziehen konnte, was los war, lag entweder daran, dass ich hier und da kurz wegnickte, oder einfach an CHESHMEH selbst.
Sonnabend 25.06.
großartig –
Mechanisch läuft ein fester Aufbau ab. In den Plansequenzen, im Schauspiel (besonders dem von Sophia Loren), in den Dialogen, im Einsatz des Tons und seiner gesamten Struktur sind Konstruktionsprinzip und Ziel des Films zu jedem Zeitpunkt deutlich bis aufdringlich. Zwei Ausgeschlossene werden porträtiert, die zusammenfinden, während die restlichen Hausbewohner zu Hitlers Staatsbesuch in die Straßen Roms strömen. Sie sprechen, loten ihr Leben aus, kommen sich näher. Ihre wachsende Zuneigung wird von den Märschen, den NSDAP-Lieder und den Reden italienischer und deutscher Faschisten, die unablässig aus dem Radio dröhnen, konterkariert und torpediert. Wie der Professor in WILDE ERDBEEREN erkennt sie so ihre Lebenslügen und ihr Leid. Der Faschismus als Angriff auf zwischenmenschliche Nähe und Zärtlichkeit ist schmerzlich, aber auch überdeutlich und aufdringlich.
Aber nicht nur die schöne, vergilbte Farbgebung, in der nur noch Rot ein My intensiv wirkt, hebt UNA GIORNATA PARTICOLARE aus seiner Starre. Das Verhältnis zwischen der Hausfrau (Loren) und dem gefeuerten, schwulen Radiomoderator (Marcello Mastroianni) ist im Gegensatz zum Rest völlig ambivalent. Sie erwacht erotisch und trifft damit auf seine Resignation, die sich nach Freude und Normalität sehnt, die überall – und auch an diesem Tag – aber nur Sackgassen findet. Ihre Freundschaft und Liebe in wenigen Stunden schwankt hin und her und ist eben nicht überdefiniert. Sie ist voller Erlösung und Erniedrigung. Im Vagen ist die damit aufblitzende Unmöglichkeit von tatsächlicher zwischenmenschlicher Nähe wie das Rot viel intensiver als alles, was es umgibt.
großartig
Oberflächlichkeit ist das Thema von THE FACE BEHIND THE MASK. So geht es darum, dass Peter Lorre zu seltsam aussieht, um glücklich zu sein. Wobei seine Figur sich trotzdem in eine Frau verliebt, die so schön sei, dass sie alles erreichen könnte – wie er sagt – wäre sie nur nicht blind. Oder es geht um Visitenkarten, die nach ihrem Anschein und damit falsch interpretiert werden und die damit ein Drama auslösen. Und weil alle zu blind sind, um über erste Eindrücke hinwegzuschauen, endet der Film wie GREED in einer erbarmungslos brennenden Wüste, wo ein elendes, geiles Ende wartet.
Diese allgegenwärtige Oberflächlichkeit wird in eine äußerst expressive Bildsprache – aus Noirs, Schnulzen und Horrorfilmen entwendet – überführt. Der Zuschauer wird deshalb von THE FACE BEHIND THE MASK förmlich überfallen und macht das Kippen des amerikanischen Traums zum Alptraum, zur großen Oper der Zerstörung eines immer wieder errungenen Glücks. Und die Figur der Geliebten ist wie alle anderen nur ein Typ. Speziell ist sie ein Symbol für Hoffnung und Herzensgüte, weshalb sie in der ausgeprägten Lust an Fatalismus des Films in die Luft gejagt wird.
gut +
Es herrscht eine klare Raumaufteilung. Solange sich Vorhänge, Pfosten oder Türrahmen zwischen den Protagonisten befinden, agieren diese zueinander in einem gesellschaftlich genormten Rahmen. Erst wenn die Hindernisse und Grenzmarker überwunden sind, nähern sich die Figuren an und geben einander Inneres preis. WHAT PRICE LOVE? ist dadurch einfach lesbar. Wenn jemand beispielsweise ungefragt in den Raum einer anderen Figur eindringt, dann ist abzusehen, dass die körperliche und/oder seelische Unversehrtheit bedroht ist – im entsprechenden Fall folgt ein Vergewaltigungsversuch. Die erste Nahaufnahme zweier Leute zeigt dann auch zwei Zehen und wie der eine heimlich auf den anderen tritt. Wenn sonst Distanz herrscht, kann auch die Berührung zweier Füße der Ausdruck von kolossaler Zärtlichkeit sein.
Die Geschichte stellt nun zwei Ansätze gegenüber, wie mit dem Übertreten von Verboten umgegangen werden kann. Eine Mutter und eine Tochter werden in einer Zeit porträtiert, in der Ehebruch und Verkehr mit niederen Klassen die Todesstrafe für den Missetäter sowie für dessen Eltern nach sich ziehen. Die Mutter versteckt ihre Affäre rücksichtslos und heuchelt sich so durch ihr Leben, gerade wenn sie von ihrer Tochter Unterordnung unter die Familienpflichten verlangt, die sie selbst gänzlich missachtet. Die Tochter wiederum strebt nach Aufrichtigkeit, selbst wenn es den Märtyrertod für sie und ihre Familie bedeutet. Und so bringt die Liebschaft der Mutter die Bitterkeit in den Film und die der Tochter das Leiden.
(Parallel zu THE FACE BEHIND THE MASK wird damit der Recht des Gewissen propagiert. Nur ist WHAT PRICE LOVE? mehr noch ein Film gegen drakonische gesellschaftliche Regeln, welche die Lust am Leid anderer fördern.)
In der letzten halben Stunde blühen die Kirschbäume, weshalb immer wieder Blütenblätter durchs Bild fallen – als weine der Film. Es ist aber auch eine Stilblüte, die mehr Emotionen enthält, als die im Stil gefangenen Figuren, deren Leid sehr mechanisch über sie kommt und von ihnen angenommen wird.
großartig –
Von einem reichen Arschloch aus einer adligen Familie wird erzählt. Andere Menschen nimmt diese Person nur als Spielzeug für sein Amüsement wahr, weshalb er gezähmt werden muss. Bzw. muss er erkennen, dass er ein Gewissen hat, als er einer Frau zur Erpressung seiner Familie die Heirat verspricht, die dies todernst nimmt.
Die aus dieser Grundidee erwachsene Liebesgeschichte bildet aber lediglich einen mauen roten Faden, um den sich die groß aufspielenden Nebenfiguren sammeln. Vor allem Otto Wallburg, S.Z. Sakall und Ralph Arthur Roberts sind neben den Tanzeinlagen jugendlicher Verliebter die Highlights des Films. Mit ihnen wird der Skurrilität von Reichen, Abgehobenen und Außenseitern, von Alten und Jungen die große Bühne geboten, während die beiden Hauptfiguren dagegen bestenfalls blass bleiben – als müssen sie als Identifikationsfiguren ehrbar sein. Das Arschloch ist eben ein Arschloch und nicht mal ein besonders charismatisches. Und Käthe von Nagy darf als Lia die Sache mit der Liebe zwar in die eigene Hand nehmen und doch bekommt sie kaum eine besondere Identität.
*****
Durch die englischen Untertitel fiel mir auf, wie schwer es ist, einen beträchtlichen Teil des Witzes zu übersetzen – von IHRE MAJESTÄT DIE LIEBE als auch den anderen beim il cinema ritrovato gezeigten Operettenfilmen. Und es scheitert schon an so basalen Dingen, wie dem Fehlen eines Äquivalents für ein schönes eingeschnapptes Eben nicht! Durch das zuweilen partiell im Publikum verteilte Kichern war so jedoch immer zu erahnen, wo sich der deutschsprachige Teil des Publikums befand.
großartig –
Ein Mann sieht in seiner Mutter einen Engel und einen Teufel, eine gute Frau und ein sexuelles Wesen, zwei für ihn unvereinbare Kategorien. Deshalb tötet er Frauen. Als gelte es für ihn den Widerspruch aus ihnen auszulöschen. Auf ewig nebligen Straßen und in beklemmenden Kammern wird die Geschichte von Jack the Ripper mit B-Movie-Mitteln psychologisch aufgeladen. Slade (Jack Palance) ist sich vll. sogar bewusst, dass er krank ist – eine Krankheit die sich in der Zerrissenheit seiner Figur zwischen der sanften Stimme seines Darstellers und dessen Haifischgrinsen ausdrückt. Er würde vll. Hilfe suchen, wenn der Polizist auf seinen Fersen ihm nicht geil und stolz Totenmasken anderer Straftäter sowie deren Galgenstricke präsentieren würde.
Neben Nebel und Gewalt, Psychosen und strafrechtlichen Machismo wartet der Film zudem mit einer häuslichen Komödie auf … und mit anachronistischen, atmosphärisch völlig quer stehenden Tanzeinlagen. Die Tochter von Slades Vermieterin arbeitet im Varieté und bekommt Auftritte, in der sie ihre Sexualität groß ins Bild stellen kann. Statt uns etwas Klares zu bieten – schwer ist zu sagen, wer der Bedrohlichere ist, der Ripper oder der Polizist, schwer ist zu sagen, ob wir eine willkürliche Ansammlung von Dingen sehen oder ein ziemliches bewusstes Spiel mit Erwartungen –, ist MAN IN THE ATTIC eben voller Leidenschaft unklar und eigen.
Freitag 24.06.
nichtssagend
Rosi bleibt seinem Stil treu. Lange, beobachtende Einstellungen bestimmen CARMEN und entfremden damit die Optik vom Ton. Schnitt und Kamera suchen nach Ungerührtheit und interessieren sich nicht für die Emotionalität oder den Rhythmus der Musik Bizets. Was zuerst zumindest faszinierend ist. Mit der Zeit versteinern die Figuren aber und die Bilder werden zu leblosen Tableaus … und für so viel Trübnis ist die Qualität der Musik als auch das überschaubare Charisma von Hauptdarsteller Plácido Domingo nicht aus.
Zumindest hier und da werden aber schmierige Highlights gesetzt. Carmen (Julia Migenes) arbeitet beispielsweise in einer Zigarrenfabrik. Wenn Don José zu ihrem Arbeitsplatz vordringt, um sie zu verhaften, sitzt sie da und rollt eine Zigarre auf ihrem nackten Oberschenkel … weshalb wir sehen, wie sie ihn um den Finger dreht … bzw. wie sie seinen Penis einwickelt.
Mittwoch 22.06.
ok
Das Problem ist John Cusack bzw. seine Figur. Er ist sichtlich da, um das Ordinäre und Dysfunktionale des Films zu erden und etwas RomCom-Normalität zu verbreiten. Sein einziger funktionierender Beitrag liegt aber darin, dass er Lizzy Caplan dadurch einen Platz im Cast gibt und so eine Figur in den Film lässt, die wirklich einen verdient hätte. Ansonsten verhindert er nur das Ordinäre und Dysfunktionale, das Chaotische, das HOT TUB TIME MACHINE mit etwas Impact versorgen hätte können.
Dienstag 21.06.
großartig –
Vielleicht hätte ich wissen müssen, dass BELLE einen direkten Vorläufer hat, bevor ich über diesen einen Text in die Welt setzte. Auch hier gibt es nämlich ein soziales Netzwerk mit einer zweiten Identität und Avataren. Ein Second Life, dass das Eigene/Eigentliche bestimmt. Noch dazu gibt es in dieser parallelen Computerwelt fliegende Wale.
Doch wo es in BELLE um persönliche Erfahrungen und Positionierungen zur Welt geht, da geht es hier um nichts weniger als den Weltuntergang … der dadurch möglich wird, dass zu viele weltliche Befugnisse (wie Zahlungsmethoden und Atomcodes) ins Digitale und damit ins Hackbare übergeben werden.
Doch der drohende Weltuntergang geschieht vor dem Horizont einer Familie, die ihren Zusammenhalt zu verlieren droht. Eine Oma feiert groß ihren Geburtstag. Schein bestimmt dabei das Aufeinanderhocken. Oberflächlich wird sich vll. gegenseitig angefeuert, wie dem abwesenden Cousin, der im Fernsehen bei seinem Baseball-Playoff-Spielen verfolgt wird. Aber eigentlich interessiert sich niemand füreinander und die Lebenswelten der anderen.
Wenn erst die Realität bedroht werden muss, damit Leute zueinanderfinden, dann ist das Second Life vll. gar nicht so schlecht. So könnte die Botschaft von SUMMER WARS lauten. Aber tatsächlich ist er am besten, wenn es ums Abhängen in unserer Welt und im sozialen Netzwerk geht und nicht wenn er emotionale Schwergewichte auspackt.
Montag 20.06.
verstrahlt
Ein Student (Oliver Hasenfratz) fährt einen Verbrecher zu einem Haus. Er verdient sich so etwas dazu und muss ja während der Tat nur im Auto warten. Unmittelbar ist klar, wie diese Folge ablaufen wird. So einfach wie gedacht, wird es nicht ablaufen, und der Verbrecher wird einen der Hausbewohner erschießen, welcher ihn beim Einbruch stellt. Irgendwann werden die Gewissensbisse den Studenten zur Einsicht bringen und er wird schließlich Derrick alles gestehen. Was soll bei dem Ausgangspunkt auch sonst passieren? Wie sich herausstellte: so einiges.
So debattieren die Bewohner des Hauses, als sie Geräusche unten hören und überlegen, ob es nicht besser wäre, sich einzuschließen, darüber, dass sie sich nie gewehrt hätten. Später wird es den deutschen Ermittlern und Nachbarn sichtlich schwerfallen auszusprechen, was so vage angedeutet wurde. In letzter Not wird Derrick das Wort Lager aussprechen, wenn es darum geht ihre Vergangenheit zu benennen. Nichts anderes als Überlebende des Holocaust werden hier abermals zu Opfern. Der moralische Kampf um das Gewissen des Studenten wird so zur beklemmenden Abhandlung eines deutschen Drehbuchautors mit seinem eigenen.
Den Mommsens (sprich: Juden) wird durch die Folge eine überlebensgroße Aura zugesprochen. Sie haben eine Unrecht überlebt, was sich alle nicht vorstellen wollen. Wodurch sie zu den Hütern bzw. Richtern des deutschen Gewissens stilisiert werden. Nicht Derrick, sondern Ruth Mommsen (Maria Becker) muss den Studenten retten und ihm Absolution erteilen.
Dem poetischen Irrlichtern der Folge geht es um die Zerrüttung einer normalen Welt. Derricks verzerrtes Gesicht, dass sich auf einer Windschutzscheibe spiegelt; der Student isoliert in einer Totalen hinter Sträuchern, als sähen wir ihn aus der Perspektive eines Mörders, der einen Zeugen beseitigen möchte, als könnte dieser Mörder in der Weite Münchens plötzlich von überall auftauchen: Es kommt zu einer Perspektivverschiebung, in der der Tod und die Zerstörung überall lauern, in der nichts mehr so ist, wie es war.
Es ist sicherlich etwas geschmacklos einen Deutschen mittels seines schlechten Gewissens wegen seiner (indirekten) Taten an Juden zum Mitfühlenden des Leides von Holocaustüberlebenden zu stilisieren. Als wäre seine Gewissenbisse vergleichbar mit den Erlebnissen der Shoah. Es ist aber auch so, dass RUTH UND DIE MÖRDERWELT auf der Suche danach ist, was es heißt in ständiger Bedrohung gelebt zu haben und jemanden spüren zu lassen, wie es war … vor den Lagern. Der Wille zu verstehen, egal wie verzerrt es ist, weil es in eine Echokammer aus Schuld zurückgeworfen ist und weil es in der opaken Unmöglichkeit steckt, niemals dort anzukommen, ist aber doch sehr rührend.
Sagen sie nichts. Das Schweigen sucht nach Antworten. So wird es Ruth am Ende sagen. Es ist die kitschige, esoterische und existentielle Einsicht, dass Reden Reinecker hier nicht weiterbringt.
Sonnabend 18.06.
ok +
Hier und da werden ein paar Ideen aufgegriffen bzw. in den Raum geworfen. So wird Eberhofer nach München versetzt, damit LKA-Chefin Elisabeth Mayerhofer (Nora Waldstätten) wieder einen Platz bekommt. Dadurch findet sich der urige, gemütliche Leberkäsegenießer in einem ultramodernen Büro voller Hipsterpolizisten wieder … und er darf in München mit Birnbacher zusammenziehen, damit die dysfunktionale Freundschaft eine neue Fassette erhält bzw. mehr eskalieren kann. Flötzinger hingegen lotst seine Freunde in den Swinger Club aus SCHWEINSKOPF AL DENTE. Und als neuerliches Kleindorfvorkommnis fällt ein Maibaum/Phallus als Symbol angesoffener Machoideen imposant auf ein Auto.
Doch all diese einzelnen Ideen ergeben nichts, noch wird was Anderes mit ihnen angestellt, als sie schnell wieder fallen zu lassen. SAUERKRAUTKOMA ist der Film, der Eberhofer letztendlich doch erwachsen entlassen soll, und doch weiß er mit dem Ernst der Lage nichts anzufangen.
Freitag 17.06.
gut +
Ich glaube, als ich BOEING, BOEING erstmals sah, nahm meine Abscheu vor Jerry Lewis ab und das Interesse für seine Filme wurde dadurch erst möglich. Nun musste ich erkennen: Dieser Film, in dem Jerry Lewis (größtenteils) als Straight Man zu einem überdrehten Tony Curtis fungiert, war ein trojanisches Pferd.
Donnerstag 16.06.
ok +
Ein autobiografisches Essay von Terence Davis und von seinem Liverpool, in dem er Arbeiterkultur, Fußball, Kirche und Kino verbindet, in dem Archivaufnahmen mit Gedichten und einem mal elusiven, mal sehr direkten Offkommentar unterlegt sind, mittels derer er wiederum mit einer sehr präzisen, spuckenden Aussprache gegen den Untergang seines Paradieses aus Kindheit und Jugend anspricht. Die Bilder geben ihm Recht. Die rauschenden, alten Aufnahmen sind schöner als die glatten, videohaften an denen dieses Liverpool ankommt. Aber am ehesten ist dieser neuer Ansatz, um sich dem Thema seiner ersten Filme zuzuwenden, am deutlichsten ein Dokument davon, dass Davies kein Regisseur der Gegenwart ist.
09.06.-12.06.: 2. auswärtiger Sondergipfel des Hofbauer-Kommandos
Sonntag 12.06.
radioaktiv
Der Auftakt ist sehr stringent: eine Frau, ein hilflos daliegender Mann, Sex, ein abgebissener Penis, eine Hütte, Strand, Palmen, Männer, die lauern und dann die Hütte anzünden, sobald die Frau diese verlassen hat, die verkohlte Leiche des weißen Mannes bleibt zurück. Damit etabliert PAPAYA gleich zu Beginn sein vorwärts gerichtetes Element. Einwohner einer Karibikinsel wollen den Bau eines Atomkraftwerks verhindern. Mit Voodoo und Sex wird von einem antikolonialen Befreiungskampf erzählt, dem sich auch eine weiße Frau anschließt – also eine Frau, die aus dem Land der Ausbeuter stammt. Dieser Teil hält aber nicht nur die Momente mit den größten Fremdschampotentialen bereit. In dem sehr gelungenen Auftakt ist diese Geschichte des Kampfes auch eine Art Finte.
Am besten wird das Kino Joe D’Amato, wenn es eben nicht gerichtet ist, sondern wenn es schlendert und versumpft. Dass nichts geschieht ist eben nicht der Unfähigkeit des Regisseurs verschuldet, sondern immer wieder der Fluchtpunkt seiner Werke. Und PAPAYA ist dafür ein Paradebeispiel. Mit dem Auftakt verfolgt der Film wie gesagt Voodoo, Sex und Irrwege durch ein verlassenes Dorf. Aus dem Versprechen eines Horrorfilms mit Schocks wird die Materialisation eines schlechten europäischen/westlichen Gewissens, dass nur allzu gern vom Atavistischen hypnotisiert ins Gebiet seiner Lenden absteigt und dort seine Macht an die Ausgebeuteten der Welt abgibt. Dort findet sich zwar auch der glorreiche Tod durch Snu Snu, aber vor allem der Genuss nicht mehr von Zielen getrieben zu sein, sondern sich auch mal treiben zu lassen. Womit dies – nach Klaus Theweleit – ein ziemlich antifaschistischer Film sein dürfte.
gut –
Am schönsten in diesem Film, der wie ein Serie wirkt, die auf Filmlänge gestutzt wurde, ist, wenn die wenigen Punkte der Handlung nicht mehr gemütlich ausgebreitet werden, sondern wenn der Film in einer seltsamen Wiederholung seltsam antiklimaktisch endet. Mexikanische Revolutionäre stürmen in der Mitte und gegen Ende einen Zug, in dem sich zufällig die Geliebte einer ihrer Anführer befindet und jedes Mal stirbt dabei eine Frau kollateral durch einen Kopfschuss. In dieser Zerrspiegelung von bereits Erlebten scheint es so, als ginge es dem Film darum zu zeigen, dass Dinge zweimal geschehen. Erst als Tragödie, dann als Farce.
radioaktiv –
Als ich TEXAS – DOC SNYDER HÄLT DIE WELT IN ATEM in meiner Jugend das erste Mal sah, empfand ich ihn als unvergleichlich – im Guten wie im Schlechten. Je mehr Filme ich aber sehe, desto einfacher scheinen mir Einflüsse oder Linien ausmachbar, auf die Helge Schneiders Filme reagieren und an denen sie sich entlangbewegen. So zum Beispiel gibt es eben Francos MIDNIGHT PARTY.
In diesem steht eine Frau (Lina Romay) im Mittelpunkt, die einfach nur bumsen möchte. Sie hat zwei Liebhaber. In ihrem Verlangen nach Sex wird sie aber zudem noch in Agentendinge gezogen, in denen sie verführt, in denen Entführer ob ihres Räkelns Schwierigkeiten haben, die MacGuffins im Kopf zu behalten, und in denen sie sexuelle Gewalt erfährt. Die Geschichte wirkt aber wie ein surrealer Tanz, der ihren Wünschen entsprechen möchte. Egal wo wir uns hinbewegen, immer läuft es auf Sex hinaus. Wir wohnen dahingehend dem Kampf gegen die Drehbücher der Welt bei, die sich von Betten, Sex und Genuss wegbewegen, um etwas zu erzählen.
Immer wieder wird zu Lina Romay geschnitten, die sich nackt vor der Kamera räkelt und direkt zu uns über den Film spricht. Jess Franco spielt einen Handlanger und redet ebenso zur Kamera indirekt über sich als Autor von MIDNIGHT PARTY. Weshalb es eben kein einfacher Sexfilm ist, der einen Plot nur vorschiebt. Das absurde Vorgehen gegen das Erzählkino in seinen populären Formen ist eben kaum Subtext, sondern der Text dieses eigenwilligen Films, dessen Witz in einer liebevollen Verweigerung von dem liegt, was wir von einer Erzählung erwarten.
Sonnabend 11.06.
großartig –
Männer schreiben Frauen Gedichte, die sie sich selbst widmen und sich selbst ständig aufsagen. So oder so ähnlich wird es in einem Film gesagt, in dem eine Frau einen Mann fürs Leben sucht, weil sie das ewige Rein-Raus ohne Gefühl und Konsequenzen über hat. Reinecker schreibt tolle Dinge in sein Drehbuch, das nach Fließband strebt und Formen von Männern abarbeitet, mit denen Frauen gestraft sind. So entstehen ein paar schöne Karikaturen, die durch Weidenmanns Auge für fröhliche Verzerrung angetrieben werden. Selbsthass, da hat das Duo Reinecker/Weidemann wirklich so einiges zu sagen.
Der bestialischste Moment ist die Sequenz, wo die Frau vor dem fast perfekten Mann flieht, weil dieser eine bestimmte Musik hören muss, um einen hoch zu kriegen. Als Anhalterin entgeht sie daraufhin einer Vergewaltigung nur knapp. Gerettet lässt sie es sich aber nicht nehmen festzustellen, dass die Fastvergewaltigung dem impotenten Mann vorzuziehen sei…
radioaktiv
Eine junge Frau, die ihren Mitschülerinnen körperlich und geistig voraus ist – so sagen uns die Dialoge wiederholt – setzt die sexuellen Potentiale im Lehrkörper und in ihren Mitschülern frei. VERBOTENE SPIELE AUF DER SCHULBANK zeigt keinen Sinn für die moralischen Implikationen des Gezeigten und verkneift sich mit Ausnahme von ein paar Derbheiten, die wie Pointen über die eigene Verkommenheit funktionieren, geilen Sensationalismus zu betreiben, sondern findet mit Naivität und hypnotischem Soundtrack eine Poesie in Menschen, die von der Lust überfordert sind, sich ihr aber doch hingeben.
fantastisch –
Katya (Diane Lane) lebt in einer Schaufensterpuppenzwischenwelt. In ihrem Loft und in den Schaufensterinstallationen eines Kaufhauses wird ihr Innenleben zum allgegenwärtigen künstlichen Bild und RAUSCH DER BEGIERDE wird so zur Welt der Puppen. Ihre kecken, leicht anzüglichen Phantasien in dem Schaukasten wecken die Phantasie der Zuschauer, aber treffen auch einen dunklen Punkt. Durch die Offenbarung ihres Inneren wird sie verwundbar. Was heißt, dass ein Stalker sich in ihren Ausstellungen wiederfindet und sie zu terrorisieren beginnt.
Am besten dabei ist aber nicht mal die faszinierende Schönheit, sondern dass gegen Ende alle Männer aus dem Film verschwinden, die Katya retten könnten. Einfach und ohne weitere Erwähnung. Dass sie keine Damsel in Distress ist … und dass sie am Ende sich nicht ihre Begierden kontrollieren lernen muss, sondern sich ihnen öffnet … dass der bekannte Humbug einfach einmal ignoriert wird.
großartig –
Bei der Erstellung eines Mixtapes oder eines DJ-Sets ist zwingend darauf zu achten, welche Lieder wie aufeinander folgen, weil eigentlich tolle Songs nach einem bestimmten anderen wie die Schatten ihrer selbst wirken können. Und so war es auch mit diesem kleinen Film, der nach HAUTNAH irgendwie nicht die Wirkung entfalten wollte, die er zuvor bei mir hatte. (Vll. sind es aber auch einfach Abnutzungserscheinungen.)
gut
Eine selbstverliebte Kackbratze (Olivia Pascal) zieht durch Griechenland und lässt Männer auflaufen, die, wenn sie sie sehen, zu einem willenlosen Sexwillen werden. Und da GRIECHISCHE FEIGEN keine Anstalten macht, daran etwas zu ändern und seine Figur zu entwickeln, steckt dies in einer Echokammer fest, die die gleiche Prophezeiung immer wieder wahr werden lässt. Was schade ist, weil der luftige Griechenland-Road-Movie, der zu sehen ist, Besseres verdient hätte, als diese Garstigkeit, in der alle verloren sind und bleiben.
(großartig –)
Der filmische Weg aus der Natur in die Stadt, von Bienen und Blumen zu verknappten Innenräumen, so verknappt, dass diese irgendwann ein Arsch sind, in den ein ganzer Unterarm gesteckt wird, zeigen Lust als Akt, der das Leichte und Schöne vertreibt. So imaginiere ich es mir zusammen, was ich sah und leider hier und da auf Folterwerkzeugen von Stühlen verschlief.
Freitag 10.06.
ok +
Ein Sittenfilm, der vll. noch nicht wusste, dass er Unsittliches zu zeigen hat, um seinem Genre gerecht zu werden. So gibt es eine 08/15-Geschichte, die vll. durch die französische Synchronisation etwas mondäner wirkt, dadurch aber gerade die teutonische Derbheit vermissen lässt, die den Film etwas blumiger gemacht hätte.
gut
Die große Kunst und die gewichtigen Dichter werden herangezogen, Straßeninterviews durchgeführt, Stripteaseperformances vorgeführt und die Natur des Mannes bemüht, es werden eben ein paar Ideen in den Raum geworfen, nur für ein argumentatives Schulterzucken, mit dem gesagt werden soll, dass es sowas wie Strip gab, gibt und geben wird.
radioaktiv –
Ein Stadtstreicher streift nachts durch Wien und schaut in Schaufenster, die ihn an sein vergangenes Leben in Saus und Braus und an dessen Zerstörung erinnern. Oder er imaginiert sich eben mit den Stichworten aus den Schaufenstern eine alternative Biographie. So oder so ist schwer zu sagen, ob sein jetziger trauriger Blick das Tristeste des Films ist oder seine Erinnerungen/Imaginationen eines besseren Lebens. Die lange beibehaltene Struktur des Wechsels sowie Dinge wie jenseitige Orgelsolos in kaleidoskopartigen, rauschhaften Überblendungen machen aus der Tristesse aber hier wie da Trunst.
Die Struktur: Irrwitzige Matchcuts lassen BARON PORNOS NÄCHTLICHE FREUDEN zwischen einem Mann mit langem Gesicht und bekümmernden Summen sowie einem Mann alternieren, der zu treibender Musik zwischen Damen sitzt, deren Status und aktives Handeln ihm Leben geben sollen. Erst am Ende, wenn der Baron in die Falle tappt, auf die uns der Film in seiner ersten Tanzsequenz vorbereitete – wenn er also auf eine Frau hereinfällt, die ihm alles Geld aus der Tasche zieht, um mit einem jungen, virilen Mann das Leben zu genießen – dann verliert der Film dieses Pendeln aus den Augen und wird damit selbst einen kleinen Tick trist.
fantastisch –
Der Titel wirkt erstmal willkürlich zusammengesetzt und doch bezeichnet er genau die beiden Dinge, auf die RAUSCH DER BEGIERDE abzielt. Die Handlung erzählt von einem Mörder, der im Umfeld eines Fotografen und Videoproduzenten umgeht – was nichts zur Sache tut. Stattdessen im Mittelpunkt: Farben und Fetische. Stylishe S&M-Miniaturen und (alp-)traumhafte Orte – lange Gänge und Sackgassen in einem NEW ROSE HOTEL-Futurismus des Heruntergekommenen – bestimmen einen Film aus monochromen Bildern, in denen Details und Reichhaltigkeit wie in einem Sumpf zergehen. RAUSCH DER BEGIERDE arbeitet verzerrte Realitätswahrnehmungen sowie einen dekadenten Lusthaushalt heraus, als gäbe es keinen anderen Anspruch einen Film zu machen.
Donnerstag 09.06.
verstrahlt –
Sex wird durch durchsichtige Schleier gefilmt; die Kamera zieht es notorisch zu Großaufnahmen der barocken Zeichnungen von Lust und Perversion an den Wänden; Blicke überall, die Ausziehen und Töten; Homosexualität ist Ausdruck von Dekadenz und Trauma: Erotik ist in CLAUDE ET GRETA etwas, das mit Vorsicht zu genießen ist. Verdeckt muss es werden oder in Zeichnungen gesperrt, damit die Gewalt und das Zerstörungspotential nicht aus ihr heraustreten … bzw. das, was als Zerstörungspotential wahrgenommen wird. Aber während der Film ganz vorsichtig auf sein Thema schaut, legt er in seiner leichten, offenherzigen Form Wert darauf, dass er jung, aufgeklärt und nonchalant sei. Dass eben kein Blick in einen Abgrund präsentiert werde.
Der Aufbau könnte dabei völlig symmetrisch sein, wird doch von einer jungen Schwedin (Astrid Frank) in Paris erzählt, die bei einer lesbischen Frau (Nicole Debonne) unterkommt und dafür eine Beziehung mit ihr eingeht, und die sich in einen jungen Mann (Frederick Sakiss) verliebt, der wiederum mit einem homosexuellen Maler (Yves Vincent) lebt. Doch der Film konzentriert sich völlig auf Greta, die naive Hippiefolksongs singen darf und die zum ultimativen Phallus von Paris strebt, dem Eifelturm. Und damit wehrt GRETA sich gegen die mögliche Symmetrie, gegen die Gleichheit … worin sich mglweise schon seine weitläufige Heteronormativität begründet.
Aber so sehr die jungen Leute des Films zu Ehe und traditionellen Werten streben, so hinterlassen sie doch vor allem Spuren der Angst, die so deutlich sind wie die Fußabdrücke des Elefanten in der Butter. Wie gesagt schiebt GRETA Sex und Lust sehr vorsichtig vor den Zuschauer. Sex und Lust, die zu übergriffigen (d.h. unkontrollierten) Männer führen (und die vll. erst durch etwas Unterweisung durch einen Hauch von Homosexualität zähmbar sind) – am unfassbarsten ist es in der Sequenz in Szene gesetzt, wenn Greta bei einer Familie unterkommt und dort nicht nur dem Vater lüstern die Augen aus dem Kopf zu fallen drohen, sondern auch dem noch ziemlich jungen Sohn. Und jedes Mal, wenn Greta und ihrem Liebhaber mit Sex gekommen wird – und bei gleichgeschlechtigem erst recht –, dann reagieren sie entsprechend verstört, unsouverän und mit dem Impuls zur Flucht. Erst die Ehe macht Sex in GRETA genießbar … für diese beiden. Womit der Film vll. von Heteronormativität angetrieben wird, unter deren Maske aber vor allem Angst zu erkennen ist. Angst davor sich seinen Lüsten zu öffnen. Und davon ist GRETA ein schönes, verklemmtes, ungeheuerliches Portrait.
verstrahlt
Ein kurzer Selbstoffenbarungseid der DDR-Propagandamaschine. Ein bayrischer Bürger reist nach Leipzig und hat Angst vor den dortigen repressiven Zuständen, weshalb er überall die Häscher der Stasi vermutet. Diese dringt dann mutmaßlich wirklich nachts in sein Hotelzimmer ein, aber nicht um ihn einzusperren, sondern um mit ihm Verbrüderung zu trinken, denn: Es braucht nur mehrere Liter Alk im Blut und schon finden sich im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat überall nur noch blühende Landschaften.
gut +
Ein meist sachlicher, gutmütig wirkender Techniker (Alexander Lang), der wiederholt Frauen als vernunftunbegabte Wesen zweiter Klasse deklariert, steht mit einem Kollegen und einem Radeberger unter der Dusche und singt darüber, dass Frauen nur auf Oberflächlichkeiten achten würden, obwohl er es ist, der seine Freundin immer wieder zum Schönmachen schickt. Seine größte Stärke hat dieses Musical einer Frau (Angelika Waller), die als Automechanikerin arbeitet und in Liebesdingen durchgängig die Rückmeldung erhält, dass sie sich erstmal zur Frau wandeln müsste – von ihrem Freund, dem besagten toxischem Trübling, vom Papagallo-Sohn eines spanischen Korrespondenten (Rolf Römer), der sie nur beachtet, wenn sie keinen Blaumann anhat, von einem blasbleibenden dritten Mann in der Runde, – am schönsten ist es also, wenn dieses Musical die Tristesse der Verhältnisse in sensationell trüben Momenten zusammenfasst. Hier und da, wenn Fotomontagen zu einem Lied beispielsweise ohne Gefühl für Rhythmus geschnitten sind oder wenn der Film zu spät endet und die unabhängig gewordene Frau doch noch mit der Anwesenheit von reuigen Männern bestraft wird, fehlt es HUT AB, WENN DU KÜSST selbst etwas arg an Witz und Lockerheit, aber nichtsdestotrotz ein wirklich beschwingt unbeschwingter Film über einen unbeschwingten Staat und seine Leute.
Mittwoch 08.06.
großartig –
Dario Argento hat einen neuen Film. Es darf also wieder diskutiert werden, ob und ab wann er nichts mehr taugt. Bei critic.de gibt es auch etwas über den Film selbst.
Montag 06.06.
gut +
Solange sich ein Menschenjunge und ein Tierwesensamuraikrieger anzicken und vollmotzen und sich trotzdem lieben und ihr Leben gegenseitig bereichern, fallen in diesem Vater-Sohn-Drama Witz, Kitsch und Emotion ineinander und bereichern sich. Solange sich bei der extrovertierten Seite des Lebens bedient wird. Sobald der Menschenjunge aber in die Menschenwelt geht und es zu Liebe kommt und zu Schweigen, wirkt die impressionistische Melancholie aufgepfropft und pflichtschuldig nachgeschoben. Dieser Arm der Geschichte ist schon nett, aber er nimmt sichtlich Luft aus dem Film.
Sonntag 05.06.
uff
Im Kino lief die als Film getarnte Doppelfolge einer Serie, in der Hunde zuerst Unfälle verhinderten und Rettungseinsätze führen, in der es aber immer mehr Verbündete, Widersacher und Luftikusse, Königreiche, Städte und Klimazonen gab, um die Zuschauer bei Laune zu halten. Und von nichts kann sie sich trennen, weshalb sich eine Serie, die sich aus ihren Sackgassen zu retten versucht, mit ihren Nebenarmen auch zusehends in Sackgassen gerät … und trotzdem immer weiterläuft.
So kommt es hier dazu, dass der adlige Cousin einer widerkehrenden Prinzessin von dieser einen Edelstein raubt, mit dem er Dinge schweben lassen kann. Sein Wappen Tier ist natürlich der Adler und er hat einen an seiner Seite, der für ihn seinen Jet steuert. Mit dem Edelstein möchte er nun über ein Reich in der Luft herrschen. Aber statt etwas großflächig in die Luft zu heben, lässt er lediglich einzelne Häuser fliegen. Und die Handlung von JET TO THE RESCUE ist ebenso durchdacht, wie dieser Plan.
Der Wahn ist stark in dieser Serie. Nur leider ist dieser nicht schön anzusehen und äußerst stählern. Und der schönste Moment war – muss ich gestehen – als ich aufwachte und realisierte, dass ich selig eingeschlafen war.
fantastisch –
Der Wunschtraum von Eltern: Am Ende ist es irgendwie geschafft, dass die Kinder ihren Weg im Leben finden und das Bangen sich in Luft auflöst. Es ist die Geschichte von einer fundamentalen Abhängigkeit und von einer geglückten, wenn auch schmerzhaften Ablösung. Was selbstredend ziemlich kitschig ist, aber eben nicht indem einen die Gefühle aufgezwängt werden. AME UND YUKI funktioniert als impressionistisches Mosaik, in dem Momente des Heranwachsens gesammelt werden, die in Katastrophen enden und enden könnten, die aber darauf bestehen, dass am Ende das Leben und die Menschen nicht so schlimm sind, wie wir zuweilen erwarten. Weil aber die Katastrophen fast da sind, weil so viel Unausgesprochenes mitläuft, wenn eine menschliche, alleinerziehende Mutter ihre halben Wolfskinder aufzieht, tut es eben auch weh und der Schmerz ist Teil des Glücks, der einem dieser Film bereiten kann.
großartig
Die verfaulte und heruntergekommene Version von Cocteaus Verfilmung des Märchens. Das Schloss ist eine Ruine mit blubbernden Matschtümpel. Drehbuch, Schnitt, Kamera und Schauspiel betonen nicht das Traumhafte und sind Bruchstücke und Fragmente von etwas, das mal funktioniert haben könnte. Und damit ist es ein Film von einer anderen, aber unbestreitbaren Schönheit. Die einer alten griechischen Statue, deren Weiß nicht herausgeputzt wurde, sondern die sich unter einer Moos- und Efeuschicht befindet.
Sehr schön ist auch, dass das Ungeheuer nicht durch die Liebe einer anderen gerettet wird, sondern durch die eigene, dass es sich als Monster eigentlich wohlfühlt und gegen seinen Willen zum Menschen mit Gefühlen wird.
Sonnabend 04.06.
nichtssagend
Der Trickfilm nochmal, nur weniger pointiert inszeniert, nur mit unnötigen Nebenplots über Belles Mutter und mit Gesangseinlagen, die den Standard der bereits bekannten Songs nicht halten können. Es wirkt wie eine Übung darin, wie ein Film unnötig aufgeblasen werden kann und wie ihm damit das letzte Stück Charisma geraubt wird. Nur der Moment, in dem sich Belle (Emma Watson) in das Biest verliebt, als sie das erste Mal seine riesige Bibliothek betritt, ist schon sehr, sehr toll.
großartig +
Zikaden, Sommer und blauer Himmel bieten Freunden den Raum, um antriebslos abzuhängen. Sobald dies gefährdet wird, springt Makoto in der Zeit zurück, um den Status quo zu bewahren. Es ist eben das Teuerste auf der Welt, für das alles riskiert wird. Und es sind die Zutaten, die dafür sorgen, dass DAS MÄDCHEN, DAS DURCH DIE ZEIT SPRANG ewig hätte dauern können. Das Drama liegt aber darin, dass sich Dinge ändern und dies nicht aufgehalten werden kann. Ein wenig ist es wie ein auf den Kopf gestelltes UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER oder THE BUTTERFLY EFFECT, nur ist dies komplexer, verquerer und tearjerkiger.
Auch hier nutzt Hosoda wiederholt Freeze Frames. Wie der Esel der verhungert, weil er sich nicht zwischen zwei Heuhaufen entscheiden kann, scheinen die Leute zwischen (Antwort-)Möglichkeiten festzuhängen. Es ist ein ziemlich simples, aber effektives Mittel, um die Belastung durch unauflösbare Widersprüche zu kommunizieren, in der die Protagonisten gefangen sind.
nichtssagend +
Der Film mit dem kreativen Vorspann, den ausnahmsweise bunten Bildern, dem Raumschiff aus Eiweiß und -gelb … und der ansonsten nach Schema-F mit ausgesuchtem Musikeinsatz heruntergekurbelt wurde.
Freitag 03.06.
verstrahlt
Manchmal ist die Komik unfassbar anstrengend und stählern. Vor allem wenn Lewis sich selbst inszeniert* oder wenn er von sich zu Reaktionshots der Kinderdarstellerin Donna Butterworth schneidt, die ihn wie einen liebevollen Trottel aussehen lassen soll. Irgendwie ist mit Dean Martin etwas das Abgründige dieses zunehmend alten, behaarten ewigen Kinds verloren gegangen, was ihm immer ganz gut tat. Manchmal aber sprüht der Film aber doch vor Inspiration und Irrsinn – so das zuweilen ZAZ vorweggenommen wird. Wie wenn Lewis als Pilot einer kleinen Chartermaschine gefragt wird, ob er die Musik leiser stellen kann, daraufhin die Tür zu einer kleinen Kammer öffnet, in der eine komplette Beatkapelle gequetscht ist, und diese um etwas Zurücknahme bittet. Oder wenn die Filmhandlung des Bordprogramms von den Turbulenzen des Flugs ergriffen wird, der Passagierraum aber nicht. Wenn er es also darauf anlegt, den Film und nicht sich glänzen zu lassen, dann ist dies nicht weniger als ein Meisterwerk.
*****
* Explizit ausnehmen möchte ich die Szenen, wenn er Billard spielt. Die gehören zu seinen besten Arbeiten als Darsteller.
großartig
Nora Waldstätten thront als LKA-Chefin Elisabeth Mayerhofer mit einem kalten, überdrüssigen Blick über allem. Ermüdet davon, was diese Provinzpolizisten ständig machen, dreht sie die Kraftverhältnisse um. Franz und Rudi sind nun selber das Problem und nicht mehr die, die gegen inkompetente Vorgesetzte glänzen. Die Mayerhofer taucht an den zentralen Stellen auf und muss Franz und Rudi – der mehr Spielzeit bekommt, was auch wohltuend ist – genervt und gelangweilt darauf hinweisen, was für Furunkel sie an ihrem Arsch sind. Sie ist die Domina des Personals der Eberhofer-Krimis und als solche das Beste, was der Serie an dieser Stelle passieren konnte.
Von allen Seiten schwappen noch dazu Elternschaft und Bindung in diversen, unaufdringlichen Formen in die Handlung – von Töchtern, die von ihren Vätern missbraucht wurden, über Franz und Susi ewigen Beziehungsprobleme zu Flötzingers neustem Kind – und kommunizieren in ihren vielförmigen Allgengenwart nichts Klares – außer vll. dass sie Chaos in die Normalität bringen –, und scheinen doch etwas sagen zu wollen, was uns im Laufe des Films auf der Zunge liegt.
Donnerstag 02.06.
großartig
Über die Möglichkeiten mehr über sich und die anderen zu lernen, in dem man sich den Möglichkeiten öffnet. Mehr dazu auf critic.de.
Mai
Sonntag 29.05.
uff
In der zweiten Staffel von MIA AND ME spielt Ray Lovelock (u.a. bekannt aus Roger Fritz‘ HÄSCHEN IN DER GRUBE) Mias Opa. Einen tollen laib back Opa, dessen Schauspiel sichtlich keine Lust hat, sich zum Clown zu machen. Etwas Licht bringt er in die Serie. Seine Umbesetzung im Film nimmt einem auch noch das letzte Vergnügen.
großartig –
An Tony Scotts TOP GUN fand ich so ziemlich alles interessant bis auf die Flugszenen. In allem anderen als den Flugszenen erzählt nun TOP GUN: MAVERICK von den Problemen sich zu lösen. Maverick (Tom Cruise) kann sich nicht von seinem Draufgängertum trennen, nicht von seiner Jugend … weshalb er seine Karriere weiterhin torpediert und immer noch wie ein Jugendlicher bei Frauen aus dem Fenster springen muss (nur versteckt er sich inzwischen vor heimkehrenden Töchtern und nicht vor Eltern). Und der Film selbst schafft es nicht von den 1980er Jahren und Scotts Film loszukommen. Die Musik verortet TOP GUN: MAVERICK von der ersten Minute im zeitlichen Horizont des Vorgängers, während Cast, Plot und einzelne Szenen – wie die, in der halbnackte, schwitzende Männer in einer krachenden Sonne Sport treiben – sich an TOP GUN geradezu festkrallen.
All dies kumuliert im großen Wiedertreffen von Maverick und Iceman (Val Kilmer), bei dem der krebskranke Liebhaber von früher seinem Freund rät endlich loszulassen. Danach läuft auch direkt mit I AIN’T WORRIED von OneRepublic ein aktuelles Stück Musik, aber es bleibt ein kurzes Artefakt des viel beschworenen Loslassens, von dem niemand wirklich etwas wissen möchte. Denn gegen alles Gerede des Films scheint es dann doch darum zu gehen, sich treu zu bleiben und es all den Schwätzern zu zeigen. Was per se alles nicht schlecht wäre, wenn es all dies den bloßen Rahmen des Wiedersehens mit einem alten Bekannten (TOP GUN) hinter sich lassen und etwas damit anfangen würde.
Und gerade damit schafft TOP GUN: MAVERICK dann doch eine 180°-Wende. Denn dadurch ist an diesem Film im Grunde nichts interessant … außer den Flugszenen. Waren diese bei Tony Scott erschreckend rudimentär und Stückwerk einer fehlenden Inszenierungsstrategie, da sind sie hier das große Plus des Films. Den Rausch der Geschwindigkeit und des Adrenalins wird nicht mehr nur behauptet, sondern atemberaubend in Bild und Ton gepresst … weil die Jets vor allem nicht irgendwo vor einem blauen Himmel zu sehen sind, sondern in Tälern und Bergen, über Feldern … also stets vor einem Hintergrund, der Kontraste schafft, der das Geschehen und das, was auf dem Spiel steht, verortet.
Oder anders: Im seinem zentralen Konflikt geht es Maverick immer wieder darum, dass bei solchen Geschwindigkeiten nicht nachgedacht werden kann und deshalb intuitiv gehandelt werden muss. Solange der Film am Boden ist, denkt er schlicht nach … und das nicht zu seinem Vorteil. In der Luft ist er aber bei sich angekommen. Oder nochmal anders, wie es Lukas F. bei letterboxd so treffend schreibt: „What the hell where you even thinking?“ – „You told me not to think!“ – So that’s why the drones and robots haven’t replaced us yet: they have long since outmatched us when it comes to intelligence, but maybe not quite when it comes to stupidity. Great movie.
Sonnabend 28.05.
fantastisch –
Mit Walken statt Hawke wären das vll. noch besser gewesen, aber egal. Mehr bei critic.de.
Freitag 27.05.
fantastisch
Ein Film der Bühnen, in dem Leute mit spitzen Zungen ihre Identität in den schmalen Schranken einer puritanischen Gesellschaft performen … beziehungsweise teuflisch die engen Regeln gegen die Naiven richten. Ein wenig erinnert es an einen Film wie DER KONTRAKT DES ZEICHNERS, nur richtet sich dieser wunderschöne Irrgarten der Zeichen nicht auf sich selbst, sondern auf eine Frau, die nicht weiß, wie sie es in dieser Welt anstellen soll, glücklich oder einfach nur lebensfähig zu sein, die sich lieber für die Liebe – ihr Ideal – opfert als Teil dieser liebreizenden Welt des Anscheins zu werden. … und auch bei der zweiten Sichtung dauert es nur ein bis zwei Minuten bis ich das Gefühl habe, dass mein Herz ob des Geschehens kurz vorm Platzen steht.
uff
Alles, was an SAW IV vll. schön ist, wird dadurch aufgewogen, dass ich als Zuschauer jetzt auch noch über Jigsaws Leben vor dem Tod erfahren muss und alles auf einen doofen zeitlichen Twist hinausläuft. Dass der Film nicht versucht etwas mit Setting und der Idee von Torture Porn anzufangen, sondern zur Saga von Charakteren wird, die mich leider nicht interessieren.
Donnerstag 26.05.
großartig –
Gäbe es nicht die Filme nach A LONG DAY CLOSES, Terence Davies könnte wie ein One Trick Pony scheinen. Proletarierfamilien quälen einander und sie singen: Auch DISTANT VOICES, STILL LIVES changiert in seinen Kindheitserinnerungen zwischen Nostalgie und dem Schlaglicht auf eine Tortur. Wobei die Nostalgie wie ein Schleier wirkt, der die Tortur erträglich macht, wie eine aggressive Umdeutung der Gewalt und des Lebens, in das man geworfen wurde. Es ist vll. einfach der vierte Teil einer Pentalogie.
Das Kino ist hier noch nicht so präsent wie beim Nachfolger und außerdem gibt es zwei Hälften. Die erste erzählt von den Schlägen eines jähzornigen Vaters (Pete Postlethwaite), über die abwesende Stimmen sprechen … als fahre der Geist während der Prügel aus dem Körper. Die zweite Hälfte erzählt vom Leid der Frauen, die in einem Kreislauf festsitzen, weil ihre Männer sich nur marginal von ihren Vätern unterscheiden.
großartig –
Belle (Josette Day) werden durchgehend Reichtümer geboten, um sie zur Liebe zu bestechen. Von Jean Marais als Mann und von Jean Marais als Biest. Doch die Moral der Geschichte ist, dass aus der Kreatur erst der Schönling wird, sobald Belle ihn vermisst, sobald er hilflos ist und sie an seinem Tod schuldig scheint, sobald er auf gewisse Weise impotent geworden ist. Es ist aber auch so, dass sie zwar erst per Magie in edlen Zwirn gesteckt werden muss, dass sie ihn danach aber beständig trägt. U.a. auch, wenn sie wieder eine Dienerin in ihrem Aschenputtel-Heim geworden ist. Gegen Luxus und Distinktion scheint sie gar nicht so viel zu haben. Nur wenn ihr ein Warencharakter zugeschrieben wird, ist sie außer sich.
Und die Schönheit der traumhaften Inszenierung ist vll. nicht am besten, wenn wiedermal rückwärts aufgenommene, langsame Abläufe vorwärts und schneller abgespielt werden, sondern wenn lümmlige Träger einen Lazy Sunday Afternoon für den Geschmack ihrer Arbeitgeber etwas zu lazy angehen, und Quatsch mit Hühnern, Entspannungsposen und Aufrüttlung entsteht.
Mittwoch 25.05.
verstrahlt +
Dass ich gerade einige Jerry Lewis-Filme schaue, liegt nicht unwesentlich daran, dass ich Screenshots vom Ende von THE PATSY sah. Zu sehen war, wie Lewis von einem Balkon fällt, wie eine Frau ob seines Todes entsetzt ist, und wie Lewis von der Seite ins Bild läuft und ihr erklärt, dass die Zuschauer wissen, dass es sich um einen Film handelt, und dass sie deshalb auch wissen, dass er nicht wirklich tot ist. Er öffnet daraufhin eine bisher unsichtbare Klappe am Balkon und zeigt, dass sich dahinter kein Abgrund findet, sondern Kabel auf ebenem Boden. Das Romantische der Tagline von RECONSTRUCTION – It is a film. Everything is constructed. Still it hurts. – findet hier eine höchst absurde Ausprägung. Nur was diese finale Selbstoffenbarung über THE PATSY sagt, darüber bin ich mir noch im Unklaren.
Das Team eines Komikers, der just bei einem Unfall starb, sucht einen Ersatz für seine Cashcow und versucht deshalb aus dem energischen Nervenbündel Stanley Belt (Lewis) einen souveränen Entertainer zu formen. Es findet sich aber nicht nur Spaß im erwartbaren Scheitern. Wenn er im Copa Club auftritt und das Schwarz der Bühne ihn gefangen zu halten scheint, während nichts funktioniert, dann sind wir eigentlich schon beim Kino von Lars von Trier angekommen. Vor allem weil sich THE PATSY sehr viel Zeit nimmt, bevor Stanley und wir erlöst werden. Stattdessen wird der Alptraum sozialen Versagens ausgebreitet.
Wenn sich Stanley dann aus den Krallen befreit, die ihn entsetzlich entstellen wollen, bzw. wenn sie ihn dann doch fallen lassen, dann rettet er sich nicht etwas in eine Gagparade, sondern in eine kleine, naive, stumme Musicalnummer, wie sie auch am Ende von THE BAND WAGON auftauchen könnte. Statt souveränen Witz oder greller Lewis-Dampframme gibt es nur eine herzensgute Miniatur, über einen Mann, der seine Straßenaufmachung nach und nach per Deckfarbe und Schere in einen Smoking für eine Premiere umwandelt. In der eben jemand seinen Wandel aus sich heraus bewerkstelligt.
Das Publikum weiß, dass Lewis zu Beginn die Eiswürfel nicht tollpatschig aus der Hand rutschen, sondern er so lange drückt, bis sie wegfliegen. Es weiß, dass Lust und Qual des Films ein Produkt seiner Macher ist. Es weiß, dass der Erfolg der Musicalnummer nicht an deren Qualität liegt, sondern am Wille des Drehbuchautors. So sagt Lewis mit dem Ende des Films. Die Suspension der Suspension of disbelief zielt – mal davon abgesehen, dass es einfach nur eine Megapointe ist, die sich in diverse Cartoonenden anderer Lewis-Filme einreiht – vll. darauf ab, zu unterstreichen, dass dies ganz absichtlich ein dysfunktionaler Film ist, der sich auf der Suche nach Naivität in (seiner) Dysfunktionalität befindet.
Nur: Peter Lorre steht als Teil der ausbeutenden Entourage meist nur herum und darf bitter dreinschauen. Dabei hätte er in seiner Rolle als Regisseur bestimmt einen wunderbaren Erich von Strohheim abgegeben.
Dienstag 24.05.
gut
Ein bisschen wirkt dieser dritte Teil der Eberhofer-Krimis schon, als ob die Luft auszugehen droht. Denn: Ein bisschen zu sehr verlässt sich SCHWEINSKOPF AL DENTE auf die Komik seiner Mash-Ups. Flötzinger (Daniel Christensen) geht in den lokalen Swinger-Club und aus dem Zusammenprall mondäner Kulturpraktiken und Provinzmuff entspinnt sich für ihn eine sensationell triste Affäre, durch die sich wiederum halbwegs normale Leute und solche mit rationell kaum fassbaren Leidenschaften treffen. Oder Flötzinger ist es später, dessen zweite Affäre von ganz anderer Warte auf ihn trifft, wenn er am Gardasee ein Beachvolleyballteam aus seinen Träumen kennenlernt, das dem selbsternannten Rennfahrer verfällt. Dienststellenleiter Moratschek (Sigi Zimmerschied) wird unterdessen bester Freund und Kifferkumpan von Vati Eberhofer (Eisi Gulp). Heuchlerischer Diensteifer trifft auf schnoddrigen. Bindungsangst auf chauvinistischen Bindungszwang. Und überhaupt begegnet ein mordfreudiger Psychopath (Gregor Bloéb) Leuten, die nicht sofort erahnen, dass sein Messer sehr locker sitzt. Die Kriminalfälle sind in den Eberhofer-Krimis nun wirklich nicht wichtig, aber gerade an diesem Psychopathen, der immer wieder auf Unbedarfte treffen darf, zeigt sich, wie gefällig das Aufeinanderprallenlassen am Ende ist. Denn die Effekte sind recht punktuell und schnell abgenutzt.
Montag 23.05.
gut +
Ein gelassenes Hoch auf Geschmacksunsicherheit. Wie bei dem Alptraum, der mitten im Film die Handlung für erschreckend viele Minuten sonst wohin mitnimmt, werden gerne Umwege genommen, statt diese Karikatur über Karikaturen vollends durchzukomponieren.
Sonntag 22.05.
ok
Wenn die lustige Zombieapokalypse in Bill Murrays Villa vorbeischaut und der Witz darin liegt, dass Bill Murray als sich selbst anwesend ist und die Leute sich trotz des Weltuntergangs wie Fans benehmen, dann wird offensichtlich, dass ZOMBIELAND schon das Herz am rechten Fleck hat, sich aber zuvorderst für Dinge (nerdige Witze vor allem) interessiert, die jetzt nicht so wirklich aufregend sind.
Sonnabend 21.05.
ok +
Vll. ist SIBERIA am besten als Meta-Fußnote zu TOMMASO zu verstehen, also als der Film den Ferraras Alter Ego im Vorgängerfilm plante. Wir sehen einen Mann (Willem Dafoe, der auch Tommaso gespielt hatte) zu, wie er einen Trip durch die kalten Gefilde seines Hirns erlebt, der durch seltsame, ernste, vielsagende Träume mit schönen und unschönen Leuten reist. Aber nur selten ist es so schön, wie wenn Dafoe mit Kindern um einen Maibaum tanzt.
gut
Zuweilen ist THE RAVEN optisch einer der schönsten Poe-Adaptionen Cormans. Mehrheitlich handelt es sich scheinbar aber um einen Rachefeldzug gegen Poes Gedicht, dass mglweise einmal zu oft im Schulunterricht durchgekaut wurde. So ist Lenore (Hazel Court) kein Wesen aus dem Elysium und auch nicht tot. Stattdessen hat sie ihr Ableben nur vorgetäuscht, um ihren Mann (Vincent Price als Erasmus Craven) für einen mächtigeren, reicheren Zauberer zu verlassen. Der Rabe kommt ebenso nicht aus der Nachwelt, sondern ist ein streitsüchtiger, duckmäuserischer Zauberer (Peter Lorre), der besoffen bei einer Auseinandersetzung in seine Tierform verwandelt wurde. Und der Ich-Erzähler des Gedichts ist bei Corman ein zurückgezogener, aber allmächtiger Zauberer ohne Mumm. Hinzu kommt noch der junge Jack Nicholson als Sohn der Figur Peter Lorres, der sich ein-, zweimal genüsslich ins Overacting seiner Kollegen einreihen darf. All das wird mit launigem Witz verrührt und zu einer grellen Mischung verarbeitet, die sich weniger wie eine Komödie anfühlt, sondern wie der Kakao, durch den ein goldenes Kalb gezogen werden soll.
ok –
Der inzwischen bettlägerige Jigsaw (Tobin Bell) bemängelt bei seinem Lehrling, dass er Folterfallen baue, aus denen nicht entkommen werden kann. Wenn er seine moralinsauren, besserwisserischen Ergüsse auf ein Opfer ablässt, das gerade mit einer Pistole auf ihn zielt, wenn er ihm erzählt, es solle ihm trotz all dem Leid, das seine Folter ihm zufügte, vergeben, um den Kreislauf aus Rache und Selbstverstümmelung zu entgehen, dann scheint es mir – in diesem fiktiven Rahmen – ein Ding der Unmöglichkeit nicht abzudrücken und diesen anmaßenden Gockel zu erschießen. Lange und ausladend wird so in SAW III dem Umstand nachgespürt, dass jede Anforderung an andere Leute eine brutale, eklige Anmaßung ist. Aber SAW III ist es damit irgendwo auch.
Freitag 20.05.
nichtssagend
Es gibt einiges an moralischer und erzählerischer Tristesse zu durchstehen, um dahin zu gelangen, wo das Drehbuch sichtlich hinmöchte und wo die Folge doch noch zu sich kommt, zu einer Party, bei der Derrick mit breitem Grinsen Mördern und moralisch Korrupten die Stimmung versaut.
ok
Das Schlimmste an diesem mechanischen Film, in dem jemand, der gern Regeln überschreitet, von jemanden, der gerne Regeln überschreitet, astrale Wahrheiten lernt – wobei sich aber fast nie aus dem Fenster gelehnt und etwas Unerwartetes gegen die Regeln riskiert wird – ist der Humor, der einer Schema-F-Kiste entsprungen ist und bei dem fast jede Pointe ein paar Meter gegen den Wind riecht. …vll. ist das Allerschlimmste aber, dass es ein ganz gängiger Film ist, der weit davon entfernt ist, einer der schlimmsten MCU-Filme zu sein.
Donnerstag 19.05.
fantastisch –
Ein paar junge Leute mieten Ende der 1970er Jahre im US-amerikanischen Hinterland eine Scheune, um dort heimlich einen Porno zu drehen. Doch die deutlich älteren Besitzer der Farm verwandeln den Film zunehmen in ein TEXAS CHAINSAW MASSACRE. So der Grundgedanke. Der schöne Text von Rajko B. beim Perlentaucher beginnt mit zwei Assoziationen, die der Titel in sich trägt und die vom Film auch deutlich bedient werden. Den X-Faktor als je ne sais quoi (von Schönheit) und das X-Rating, mit welchem vor allem die Filme Pornoindustrie belegt wurden. Darüber hinaus finden sich im Buchstaben X mit seinen beiden Spiegelachsen aber auch die Spiegelungen des Films. Die Erwähnung von PSYCHO und dessen geteilter Plotstruktur spricht Trennstriche offen an, die X durchziehen.
Bei der ersten Hälfte des Films handelt es sich um einen Film der Jugend, der Triebbefreiung, der Schönheit. Er kippt mit der Laufzeit aber und wird ein Film des Alters. Die Alten werden dabei aber von jungen Schauspielern gespielt, die in alte Körper stecken … weil alte Leute hier eben junge Leute sind, deren Körper etwas faltiger ist. Lust und Begehren spüren sie immer noch, aber – und davon ist X ist die Alptraum-Version – ausleben können sie sie nur noch bedingt. Weil sie in Körpern stecken, die keiner der jungen, begehrenswerten Leute anfassen möchte. Körper, vor deren Berührung sich die Pornodarsteller und -produzenten ekeln und nach denen sie sich intensiv schrubben. Das sich mehrmals andeutende Aufeinanderprallen von pornöser Libertinage und Selbstbefreiung mit christlicher Prüderie und abgehängten Hinterwäldlern bleibt so nur ein Stellvertreterkrieg, weil es viel mehr um eine universelle Lust geht, von deren Auslebung die einen mehr, die anderen weniger getrennt sind.
Weitere Trennlinien verlaufen zwischen Männern und Frauen, zwischen Potenten und Impotenten, zwischen Begehrten und Unbegehrten. Das X aber kann nicht nur als Buchstabe der symmetrischen Trennung gelesen werden, sondern auch als Punkt, an dem sich zwei Gleiche treffen. … ok, langsam wird die Analogie ein wenig krumm … aber doch erzählt X eben auch vom Treffen von Pornostarlet Maxine (Mia Groth) und der verhinderten Lebefrau im hohen Alter Pearle (ebenfalls Mia Groth). Mehrmals deutet sich an, dass die eine auf ihre Zukunft trifft, während die andere ihre Vergangenheit wiedersieht.
Aber wie Rajko B. schreibt ist all dies nur sich leichtfüßig ergebendes Nebenprodukt eines luftigen Genrefilms, aus dem Ti West anstrengungslos alles herausinszeniert. Don’t Fear the Reaper wird beispielsweise so virtuos eingesetzt, dass es bei dem Song in Zukunft, zumindest bei mir, nicht mehr um Kuhglocken geht.
Mittwoch 18.05.
fantastisch –
Paradschanow arrangiert wie gehabt seine Tableaus vor der Kamera und doch ist es ein eher untypischer Film für ihn. Zumindest verglichen mit seinen kommenden Werken. Denn fast überwarft er sich mit Kameramann Yuri Ilyenko, da dieser partout die Kamera nicht statisch auf die Bildinhalte richtete, sondern mit einer fluiden Handkamera oder Plansequenzen den obsessiv kunstvollen Bildinhalten eine ebensolche Inszenierung anheimstellte. Womit FEUERPFERDE, wie der Film auch hieß, nicht zu einer symbolistischen Karikatur wie bspweise DIE FARBE DES GRANATAPFELS wird, sondern lebendig und … ein opulentes Fest für die Sinne.
Dazu passend gibt es eine wilde Tonspur aus nagenden Geräuschkulissen und (wohl) traditioneller ukrainischer Musik. Im besten Sinne bildet der Ton die Termiten, die sich in die Bilder fressen und sich der allgemeinen Schönheit energetisch in den Weg stellen.
Die Geschichte eines Mannes wird dabei erzählt, der in der Liebe zu einer Toten feststeckt. FEUERPFERDE ist ein Film der Romantik, der Obsessionen und einer ramontischen Nekrophilie. Es ist aber auch der Film einer Frau, deren Liebe völlig transzendent bleibt und von keinem Gram Körperlichkeit bedingt wird, die folglich sterben muss, um geliebt zu werden, und einer Frau, die lebt und deshalb auch mal ficken möchte, weshalb ihre Welt schnell sehr düster wird. Wir sehen den Rausch einer Jungsromantik, die genauso misogyn ist, wie sie schön und alptraumhaft aussieht.
Dienstag 17.05.
großartig –
Corman in vollem D’Amato-Mode und mit starker Edgar G. Ulmer-Schlagseite. Charles Dexter Ward (Vincent Price) und seine Frau Ann (Debra Paget) laufen sehr viel. Sie gehen durch (spinnenbewebte) Gemäuer, durch unbekannte Gänge und Straßen, durch einen ewigen Nebel, sichtlich durch die Kulissen eines Gruselfilms. Sie gehen und nichts geschieht. Und so unheimlich die Settings sind, so sehr dient es mehr der Entspannung und dem Genuss des Zuschauers.
Vincent Price wird in THE HAUNTED PALACE zudem von zwei Persönlichkeiten besessen, von Ward und seinem Großvater Joseph Curwen. Der Kampf um den Körper nutzt Price als Möglichkeit möglichst exaltiert aufzuspielen. Hinzukommen Sado-Maso-Fessel-Fetische, Wesen aus einer vorzeitlichen Sphäre, die grün in einem Brunnen hocken, und Leute, besonders Kinder, die von Inzucht und Angst gezeichnet sind und denen Augen oder Mund fehlen, die Häute zwischen den Fingern haben.
Auch wenn THE HAUNTED PALACE wie die anderen Poe-Adaptionen – wobei dies ja eher eine Lovecraft-Adaption ist – am Ende viel liegen lässt und lieber zum Ejaculatio praecox strebt, statt noch mehr Unsinn anzustellen, ergibt dies alles einen schönen Film.
Montag 16.05.
großartig
Das Essen war in DAMPFNUDELBLUES Mittelpunkt und Essenz (in einer tristen Existenz). Dieser Umstand wird nun zwar heruntergefahren, womit das bisherige Rückgrat gleich wieder entfernt wird, es ist aber zu verkraften, da der zweite Eberhofer-Krimi gleichzeitig weniger nach ARD Degeto aussieht.
Es beginnt mit einem Stau, einem unwilligen Polizisten mit Ohrenschützern und festgefrorenem Bier in einer Wohnung ohne Heizung. Es endet auf Teneriffa mit Sonnenbrand und Italowesternmusik. Brachliegende Grundbedürfnisse – d.h. Leute, die keinen Sex haben – werden im Laufe dieses Wandels zunehmend kultiviert und führen zu Brandherden aus Leidenschaft, scheiternder Romantik und Scham. Zwischendrin: ein Krimi.
Oder: Bei WINTERKARTOFFELKNÖDEL handelt es sich um eine filmische Adaption von Stephan Remmlers KEINE STERNE IN ATHEN, das im Soundtrack als Version von LaBrassBanda eine entscheidende Rolle spielt.
Sonntag 15.05.
ok +
Es gibt drei Ebenen:
1. Die Metakomödie um das Overacting von Hauptdarsteller Sharan und seiner Figur eines overactenden Schauspielers, der den Film hemmungslos und unpassend in Musiksequenzen zieht und Späße über das zweifelhafte Niveau seiner Darbietungen machen darf. Es erinnert an eine Stephen Chow-Komödie, nur … ist Sharan kein Stephen Chow.
2. Ein Drama über eine Frau (Ashika Ranganath), welche die Schande ihrer Mutter brechen möchte. Diese hatte ihren Neffen bei einem Ausflug verloren und dieser wurde nie wiedergefunden. Weshalb die inzwischen erwachsene Tochter Schauspieler Sharan engagiert, der den wiedergefundenen Sohn mimen soll. Zwischen den anderen beiden Anteilen des Films wird dieses Drama zerquetscht. Es ist lediglich der Antrieb für den Plot.
3. Schwarze Magier wollen einen Talismann erlangen, mit welchem sie Herrscher einer Parallelwelt werden könnten und ihre Magie auf unsere Welt ausweiten. Stimmungsvoll Miniaturen aus Wahn, Abgründen und Obsessionen finden sich in den dazugehörigen Abschnitten des Films.
Diese drei Zutaten werden beständig alterniert und zuweilen durchmischt, wodurch eine Art Karussell entsteht, dass zwar von den Zentrifugalkräften nicht völlig auseinandergerissen wird, aber doch mehr auseinanderdriftet, als etwas Gemeinsames zu ergeben. Stephen Chow-Komödien sind ebenso wenig konzentriert, aber diese schaffen es ihre Schluffigkeit zu transzendieren und in sich einzuverleiben, was hier nie bewerkstelligt wird. Am Ende gibt es zwar einen schönen Twist, der alles tatsächlich nochmal durch eine neue Perspektive strafft, aber es ist dann doch zu wenig, zu spät.
Sonnabend 14.05.
nichtssagend
Ein Spider-Man-Anzug mit allen Sperenzchen wird zum Symbol dafür, sich hinter seinen Fähigkeiten zu verstecken. Anzug wie Fähigkeiten werden damit zur Krücke für mentale Unsicherheit. Oder so. Oder eben ein Film, in dem Peter Parker (Tom Holland) erzählt, dass er Praktikant bei Stark Industries sei, um seine ständige Abwesenheit zu rechtfertigen, in dem es aber genau darum geht, dass Spider-Man bei Iron Man ein Praktikum in Superheldentum erhält und zu seinem Nachfolger aufgebaut wird.
Andere Spider-Man-Filme werden dabei zitiert, so dass auch die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft hier zerrissen wird, aber nicht von einer U-Bahn wie in SPIDER-MAN 2, sondern von einer auseinanderbrechenden Fähre. Nur steht in HOMECOMING eigentlich nicht mehr auf dem Spiel als das, was direkt in der Szene zu finden ist. Toby Maguire wurde im gesamten Film zerrissen, was in der Szene seinen Ausdruck erhält. Tom Hollands Probleme als Spider-Man fühlen sich aber nie so stark wie die Fähre an … die Coming-of-Age-Komödie hat einfach zu wenig Intensität.
FERRIS MACHT BLAU wird übrigens auch zitiert. Die entsprechende Szene wird auch gleich noch gezeigt, damit es verstanden ist. Und die Captain America-Schulvideos sind eine gute Idee, aber in seiner gefälligen Selbstironie auch ziemlich schnell totgeritten. Alles Gute des Films ist irgendwie auch nicht wirklich gut.
Freitag 13.05.
großartig –
Eine Krankenschwester schaut verwundert zwischen ihrer Chefin und einem Pfleger (Jerry Lewis) hin und her. Dieser hatte mal wieder ein großflächiges Chaos angerichtet, und sie erwartet nun Konsequenzen. Er erfährt aber nur liebevolle Nachsicht, was sie wiederum nicht verarbeiten kann … und sichtlich steht sie für alles, was die meisten von uns, denke ich, kennen und erwarten. Doch die Form aus überschwänglichem Chaos und loser Erzählstruktur ist Ausdruck eben dieses Mitgefühls, dieser Nachsicht. Von ramontischer Liebe wird erzählt, bei der jede Eifersucht nur ein kleines, beiläufiges Gefühl ist, bei der jede Form von Obsession nur ein kleines, unbedeutendes Klingeln in den Ohren, das schnell überhört ist. THE DISORDERLY ORDERLY ist nämlich nicht nur Slapstick-Komödie, sondern auch eine Utopie von netten, geerdeten Leuten, bei denen Normalos nur Figuren der Erheiterung sind, die am Ende als Randnotiz ins Meer sausen und abserviert sind.
gut +
Space Madness als Film von Klaustrophobie und hirnschmelzender Antriebslosigkeit, die mit endlosen Blicken ins endlose All einem LSD-Trip zu gleichen scheint. In DARK STAR erleben wir einen Rückwurf der Individuen auf ihr eigenes Ego, das dadurch entweder eskaliert oder ins Nichts abdriftet. Und es gibt einen als außerirdisches Tomatenlebewesen verkleideten Wasserball. Im Großen und Ganzen also ein schöner Film.
Donnerstag 12.05.
großartig –
Polizeiarbeit nicht als moralische Instanz, sondern als Zeitvertreib. So gibt es eine Frau, die von ihrem Mann und ihrem Schwager wohl regelmäßig verprügelt wird, ihre Anzeigen aber jedes Mal zurückzieht, nur um irgendwann dann eigenhändig Rache zu verüben und die Männer ins Krankenhaus zu bringen. Eberhofer (Sebastian Bezzel) steht dem nur bei. Ihm sind die Hände gebunden. Er ist ratlos, was zu tun ist. Wie sich dazu zu positionieren ist. Und auch DAMPFNUDELBLUES zeigt Angesichts menschlicher Unzulänglichkeiten eine verzweifelte Erheiterung. Wenn es aber einen Fall, ein Rätsel zu lösen gibt, dann ergibt die Arbeit einfach Sinn und es muss sich nicht mehr mit Fragen der Moral beschäftigt werden.
Aber das ist auch nur ein Nebenschauplatz. Vielmehr geht es um Genuss und genießen lassen … einem Kontext, in dem Liebe etwas Anstrengendes ist, weil sie etwas von einem verlangt. Und so sollte dieser Film nicht unbedingt mit leerem Magen angeschaut werden. Ständig wird gegessen und die Qualität des Essens öfter als nicht guttural und mimisch kommentiert. Die rote Linie des DAMPFNUDELBLUES ist eben, dass es unvergleichlich schön ist, wenn wir etwas Leckeres zu essen haben, und es eher unschön ist, wenn es fehlt.
Bei vielen der frontalen Aufnahmen der Figuren legen sich die Spiegelungen von Lampen (des Kamerateams) wie Kreise um die Pupillen – wir kennen es vor allem aus Musikvideos. Sie haben dadurch etwas Glasiges, Verletzliches, etwas Weiches, aber auch Staunendes. Ich weiß noch nicht ganz, was es soll. Ich finde es aber toll.
Mittwoch 11.05.
uff
Drei Auftakte bietet RINGS – und ähnelt dabei SCREAM 4, nur dass es hier ernst gemeint ist und nicht als Metapointe gedacht –, die in einem Unicomputerlabor enden, wo Leute behelfsmäßig und eben sehr studentisch die entstandenen Ketten organisieren, damit auch jeder, der für jemanden das Video gesehen hat, jemanden findet, der es nun für ihn schaut, damit niemand stirbt. Womit sich das Video aber auch rasant zu verbreiten scheint.
Bis dahin scheint RINGS tatsächlich irgendetwas neues mit dem Stoff anfangen zu wollen und sich damit auseinandersetzen, was das Video aus THE RING für soziale Auswirkungen haben könnte. Danach kommt aber der harte Bruch und es geht doch wieder um eine weitere Hintergrundgeschichte für Samara und das Video, die es zu lösen gilt … ohne dass RINGS Inspiration und Originalität aufweiset, ohne dass es irgendetwas geben würde, das sich anzuschauen lohnt. Die Unfähigkeit sich zu lösen – der giftgrüne Film.
Sonntag 08.05.
uff
Seid nett zu Flüchtlingen, Siedlern und Fremden. Diese gute Botschaft ist das Einzige, wofür sich die Macher zu interessieren scheinen. Geschichte, Animation, Lieder, Atmosphäre, Figuren: Alles lieblos hingeschleudert.
gut
Ich bin noch nicht sicher, ob ich ihn etwas überschwänglich aufnahm, weil er nicht ganz so trist ist wie das sonstige MCU weitgehend, und ob es sich bei wiederholtem Gucken nach unten reguliert, oder, ob er wirklich schön war. Aber erstmal muss ich sagen, dass er mir gefallen hat … wie bei critic.de nachzulesen ist.
Sonnabend 07.05.
ok +
TRANSFORMERS meets Robert Langdon-Trivial-Pursuit-Verschwörungsthriller. So schön der Film aussieht, so sehr nimmt er angestrengt Anstrengendes und Unschönes in sich auf. Die experimentelle Wonne der Optik wird damit in einen pop-kulturellen Sumpf gestoßen.
großartig +
Für die DVD-Veröffentlichung, die bessere VHS-Qualität besitzt, habe ich einen Text für critic.de geschrieben.
gut +
FRÜHLING FÜR HITLER mit weniger Ambition gesellschaftlich relevanten Quatsch zu machen. Stattdessen fickt Ron Jeremy eine Bud-Bundy-Gedächtnis-Sex-Aufblaspuppe als wäre es eine normale Sexszene … und das ist die Pointe an dieser Stelle. Der Hintergrund einer Theaterproduktion, in dem zum Casting ins Bett gegangen werden muss und so weiter und so fort, wird eben als Hintergrund genutzt, um die schon damals bekannten Klischees der eigenen Industrie auf Korn zu nehmen und durch den Kakao zu ziehen.
Freitag 06.05.
ok
Rein strukturell ist diese DR. JEKYLL UND MR. HYDE-Adaption eine Kopie von CINDERFELLA. Erst gibt es ein paar Späße in einer klaren Geschichte und am Ende wird Jerry Lewis – zuvor zwei Karikaturen von sich spielend – ruhig, wobei er die Ansprüche der Geschichte abwirft. Nur ist CINDERFELLA witziger, ideenreicher und origineller. THE NUTTY PROFESSOR arbeitet vor allem weniger visuell und ist nur ein Film der Masken. Das Ende ist zwar auch hier das Schönste des Films, aber eben auch eine große erklärende Ansprache, die in Worte packt, wofür der Film keine Bilder sucht. Auf der Habenseite findet sich die cartoonische Unterwanderung der Botschaft Sei wer du bist im Folgenden, wenn das Erbauliche des scheinbaren Abschlusses nochmal aus vollen Rohren torpediert wird, dass die Absonderlichkeit der Frisur Lewis‘ in Form der Ölfrisur Buddy Loves einmal mehr ins Extreme gesteigert wird, oder dass Lewis die Bonbonfarbigkeit der Tashlinfilme auch in die Gesichter übersetzt und einen Film über Schminke macht, die kurz vor Clownsmaske rangiert.
ok +
Bella Cherry (Sofia Kappel) erwidert auf die Frage, warum sie Pornodarstellerin geworden ist, stets, dass sie gerne ficken möchte. Tatsächlich wirkt es aber nie, als würde sie bei den Drehs Pleasure empfinden. Sobald die Kamera läuft und sie Sex davor hat bzw. haben muss, ist es ihre Professionalität, die umgehend zu übernehmen scheint. Und auch PLEASURE ist dergestalt ein professioneller Film über Professionalität. Das wahrscheinlich ziemlich akkurate Portrait der Welt von Pornodarstellerinnen in den USA nutzt sein Sujet dabei vor allem als Geschmacksverstärker, wenn eine ganz klassische Geschichte von jemanden erzählt wird, der am Ende des Tages sich zwischen Erfolg und einem lebenswerten Leben entscheiden muss. Die finale Fallhöhe ist ziemlich krass – entweder mit Freunden Party machen oder ein Leben führen, in dem Missbrauchs- und (Grenz-)Vergewaltigungs-erfahrungen mit einem Schulterzucken hinter sich gelassen werden –, aber da sich PLEASURE durchgehend auf sehr starke Kontraste verlässt – entweder laufen beispielsweise sakrale Gesänge oder Hiphop-Beats mit fetten Bässen – ist alles Krasse dann eben auch nur solide.
Donnerstag 05.05.
nichtssagend
Gleichzeitig kappt THE RING TWO möglichst alle Bande zum ersten Teil – das Video ist nur noch am Rande von Bedeutung, es gibt kein Zeitfenster, eine neue Originstory des Fluchs wird gefunden und überhaupt funktioniert das nominell gleiche Böse auf ganz andere Art –, aber doch wird der erste Teil doch ständig wieder aufgegriffen – die Farm der Morgans ist wieder von Bedeutung, der Auftakt ist eine Teenie-Slasher-Miniatur, die drei wichtigsten Protagonisten kommen wieder, das Thema der Vernachlässigung von Kindern vor dem Fernseher findet sich überall. Und damit ist THE RING TWO so unentschlossen, dass nichts zusammenpasst. Was aber keinen faszinierenden Unfall ergibt, sondern organisierte Ödnis. Pluspunkte werden zumindest dadurch gesammelt, dass die Erlösung im Mord einer Mutter an ihrem eigenen Kind und dem Selbstmord dieser Mutter liegt. Solch makabren, morbiden Elemente zentral in einem Hollywoodfilm unterzubringen ist zumindest nicht wenig.
Mittwoch 04.05.
gut
Colin Ware (Cloin Firth) und Mandy (Heather Graham) – der Engländer, den es auf der Flucht vor seinem Liebeskummer in die USA verschlagen hat, und die Frau, in die er sich verlieben wird und deren Liebe es in HOPE SPRINGS einzutüten gilt – lernen sich nicht kennen. Stattdessen ist sie einfach da, als er in seinem Hotelzimmer aufwacht, und ist damit in seinem Leben, als wäre es eigentlich nie anders gewesen. Es ist symptomatisch dafür, dass HOPE SPRINGS nicht daran interessiert ist zu erklären und eine Geschichte zu erzählen, Figuren mit Leben zu füllen oder sich sonst wie anzustrengen. Ab und zu komme ich, glaube ich, in diesem STB auf das Zitat Ingmar Bergmans zurück, wonach Andrej Tarkowskij mit seinen Filmen eine Sprache für Leben als Traum gefunden habe. Aber oft muss sich nicht auf die Höhen eines Tarkowskijs erhoben werden, um eben solches zu schaffen. Manchmal reicht eben auch HOPE SPRINGS. Und damit ein auf 90 Minuten gestreckter Kurzfilm, der aus generischen RomCom-Momenten besteht, die mal funktionieren, mal einfach nur ohne Stringenz, Sinn und andere Zwänge ins Geschehen geworfen werden, als gehe es in Filmen nie um Realität, sondern um mechanische Imaginationen. Und damit ist er nicht auf seine Laufzeit gestreckt oder aufgebläht, sondern luftig und gleicht einem lockeren Experimentalfilm auf sein Genre.
Dienstag 03.05.
nichtssagend
Leute stehen vor grauen Hintergründen und erzählen gefällige Metawitze-der Film. Wenn das Medium Film der Wein sein sollte, den man mit den Augen trinkt, dann ist dies ein billiger Tropfen, der einem im Aldi hinterhergeworfen wird. Erfreulich ist zumindest, dass Tobey Maguire im Vergleich zur strahlenden Schönheit der Spidermänner Tom Holland und Andrew Garfield unfassbar seltsam aussieht.
Montag 02.05.
großartig –
Drei Phasen durchschreitet THE PREMATURE BURIAL:
1. Eine gotische Liebesgeschichte, in der wieder einmal jemand in ein Haus eindringt, unter dessen Fassade ein Geheimnis in Form eines Kellers lauert, in dem der fragile Hausherr seine Ängste und vererbten Dinge wegschließt, die Gewalt über diesen gewinnen könnten.
2. Ein elaborierter Sketch, in dem Guy (Ray Milland) ein Masoleum baut, aus dem er auf hunderte Wegen entfliehen kann, sollte er lebendig begraben werden. Fertiggestellt muss er aber seinen Alptraum durchleben, in dem er von seinem perfekten Grab verhöhnt wird. In der Abfolge, in der er vorher alle Sicherheitsvorrichtungen stolz vorgeführt hatte, geht nun eben alles schief.
3. Ein Thriller, in dem blutrünstige Dinge geschehen und der Plot einen Abschluss erfährt.
Bevor die dritte Phase beginnt, wird das gerade erst gebaute Mausoleum schon wieder abgerissen. Damit entledigt sich der Film auch gleich seiner Stärken. Gerade mit der Energie des letzten Abschnitts weiß Corman nicht viel anzufangen und die Auflösung wird mehr verwaltet als lustvoll gestaltet. Eine der besten von Cormans Poe-Adaptionen, in dem alles auf den Keller und den damit einhergehenden Wahn zurückfällt, in dem ein Haus dominiert, dass von einem ewig nebligen Friedhof und einem ebenso nebligen Sumpf umgeben ist, in dem es weder Luft zum Atmen, noch einen Ausweg gibt, weil keine Welt außerhalb dieser existiert, in dem Liebe das Festsitzen im Matsch ist, wird durch den Bruch mit dem bisherigen Siechen eine lediglich ganz schöne. Kurz: Thrills tun Cormans Kino nicht so gut.
Sonntag 01.05.
großartig +
Das Drehbuch versucht alles Unweltliche der Geschichte(n) Edgar Allen Poes in klare diesseitige Abläufe zu übersetzen. Aus banger Dekadenz wird sadistischer Satanismus. Aus etwas Ambivalenten eine christlich-moralische Erbauungserzählung. Aus Hop-Frogs grenzenlosem Schmerz ein netter abrechnender Happen für zwischendurch. Aus den farbigen Prunkzimmern wird eine Abfolge kleiner Kammern. Aus dem unsichtbaren Grauen der Pest ein paar Infizierte und eben die Tode in ihren verschieden farbigen Mänteln.
Und doch ist THE MASQUE OF THE RED DEATH ein wunderbarer Film, weil er seine viel begrenztere Welt liebevoll ausstaffiert, weil der vulgäre Sadismus deutlich mehr Platz bekommt und inszenatorische wie schauspielerische Liebe erfährt als das brave Christentum, weil er mit Farben, Deliriumssequenzen und einem wirren Tingeln durch Poes Werke eine sinnliche Verlorenheit entwickelt, die dann auch Poe gut zu Gesicht steht.
April
Sonnabend 30.04.
ok –
SALUDOS AMIGOS ist etwas knapper, aber nach demselben Prinzip aufgebaut wie sein Nachfolger THE THREE CABALLEROS. Wir reisen durch Lateinamerika und klischeebehaftete anthropologische Skizzen wechseln sich mit dazugehörigen Cartoons ab. Seinen Blick auf andere Kulturen stellt SALUDOS AMIGOS aber ziemlich ehrlich aus. Denn durchweg wird darauf hingewiesen, dass die Gegebenheiten in den Anden, in Argentinien und in Brasilien nur als Inspirationsquelle für Karikaturen genutzt werden. Aber leider ist nur die letzte Karikatur, die von Rio, zeitweise gelungen. Wenn DUCK AMUCK vorweggenommen wird und die Pinsel vor unseren Augen leere Blätter mit Leben füllen und Donald geärgert wird. Es ist das viel zu kurze Vergnügen, bevor der Film einfach endet.
großartig
Das Rauchen in THE DEEP BLUE SEA ist so schön, dass mir gar nicht in den Sinn kommt, an den Geruch von frischem oder gar abgestandenem Rauch zu denken. Oder an den Geschmack von Raucherküssen. Es ist einfach nur das Edelste der Welt, ein natürlicher Ausdruck von Gefühlen. Selbst die engen Kammern mit ihren tristen Tapeten, in denen der Film vornehmlich spielt, werden durch es geadelt.
Zumeist sehen wir Hester (Rachel Weisz) rauchen, die verloren zwischen ihrem Ehemann Sir William (Simon Russell Beale) und ihrem Liebhaber Freddie (Tom Hiddleston) steht. Also zwischen einem Mann, der in ihr keine Gefühle außer Dankbarkeit weckt, und einem, der ihre heiße Liebe nicht erwidern kann, der seine Gefühle von Minderwertigkeit mit Jähzorn nach außen lenkt. Ihr Leiden mit Zigarette in der Hand ist pervers, hochklassig und erhaben. Ihr Selbstmordversuch, ihre Geißelung bei Schwiegermuttern, ihre Selbsterniedrigung im Pub, wo sie vor dutzenden Fremden um Brotkrumen der Liebe bettelt: Alles ist so unfassbar geschmackssicher und schön inszeniert. So schön, dass die kläglichen, hundsgemeinen Ausbrüche Freddies schon ein klein wenig nachvollziehbar erscheinen können, weil sie dieser getragenen, melancholischen Schönheit ins Gesicht spucken.
Besonders schön ist der Schnitt, der mitunter einen Tick zu früh erfolgt. Gerade in Momenten, in denen sich etwas entscheidet. Beispielsweise ob sie bei Schwiegermutter am Tisch sitzen bleibt und die Verachtung aussitzt, oder ob sie die Szene damit vollendet, dass sie aus dem Zimmer stürmt. Dezent werden wir mit Unwissen zurückgelassen. Weil es nicht um Auflösung geht, nicht um den Trotz des Sitzenbleibens, nicht um das Melodrama der großen Gesten. Vielmehr bleibt beides im Film, der seine Figur eben zwischen Optionen festsetzt und keinen Ausweg lässt.
Freitag 29.04.
gut
Mit Tricktechnik und Schnitt wird nachgeholfen, um Tierleben in der Namib und der Kalahari als drollige Angelegenheit zu erzählen, die nicht ganz so grimmig erscheint, wie sie zuweilen ist. Trotzdem ist der deutsche Titel doch Hohn, wenn Babypelikane in Massen durch die Wüste irren und langsam sterben. Eine Wüste voller Kadaver ist dann doch nicht so Ausdruck einer lustigen Welt. Aber irgendwo ist es ja auch gerade schön, dass sich die Filmemacher nicht dazu verleiten lassen, nur Zuckerglasur aufzufahren.
Lotti Z. ist jetzt 6 Jahre alt und sie hatte keine Ahnung, wie ich merken musste, was es heißt, betrunken zu sein. In ihrem Alter hatte ich, glaube ich, schon mehrmals erleben dürfen, wie sich Erwachsene verändern, wenn Alkohol im Spiel ist. Für Lotti waren die Szenen mit den betrunkenen Tieren dann auch nur bedingt lustig, weil sie sich nicht erklären konnte, was da los war. Es war für sie ein Kulturschock, während es doch tatsächlich der Höhepunkt des Tiere sind auch nur Menschen-Teil des Films ist.
ok –
SAW II möchte ein optisches Spektakel über die Zerstörung körperlicher Integrität sein, das Zuschauern wie Figuren den Schlamm unter der Haut vor Augen führt. Dabei ist er aber zahm und verlässt sich zu sehr auf einen hyperaktiven Schnitt der schockhaften Erkenntnisse und Eindrücke sowie eine Escape-Room-Epik, in der Serienmörder Jigsaw kein Mysterium außerhalb der Geschehnisse ist, sondern ein Mann mit roten Augenrändern und einem Zahnpastawerbunglächeln, der eine andere Form von Übermacht als im ersten Teil personifiziert – eine, die einem zwar vor der Nase sitzt, aber trotzdem nicht greifbar und kontrollierbar ist. Melodramatik des Schuldthrillers mit einem strafenden Teufel des eigenen schlechten Gewissens oder der Horrorfilm von Trauma und Verlorenheit zwischen verlorenen, aggressiven Mitmenschen: alles ist irgendwie beliebig und verliert sich in einem großen Ensemble, mit dem der Film nichts anzufangen weiß. Schade bei der spannenden Grundidee.
Donnerstag 28.04.
großartig –
Ein Lob auf Film im Speziellen und Fiktion im Allgemeinen. Einmal als Proto-SESAMSTRASSE- oder -MISTER ROGER’S NEIGHBORHOOD-Szene, in der sich Jerry Lewis ganz zurückgenommen mit einer Handpuppe über diese Arten eines geregelten Träumens unterhält, mal als Pathos geschwängerte Ansprache. Es ist dieses Mal die Schnur, die die Sketchshow zusammenhält, die Lewis als helfende Hand auf dem Gelände eines Hollywoodstudios abzieht. Wieder versucht er sich in verschiedenen Formen der Komik. Metahumor, Slapstick, physische Musikillustrationen, Wortwitz, Sportgimmicks, Mimik, Gestik uswusf.: Selbst die Komik ist nicht auf einen Nenner zu bringen. Es geht nur um einen Spieltrieb und das Glück, den er bringen kann.
Zwischen einer Auswahl von menschengroßen Puppen scheint auch an einer Stelle eine echte Frau an einem Haken zu hängen. Der Film geht nicht darauf ein, weshalb es nur Vermutung bleiben kann. In diesem Lager wird der Film später dann Lewis mit der Handpuppe sprechen lassen. Wer diese auf der Hand hat, wird aber ebenso nicht geklärt. Sie hat zumindest eine weibliche Stimme. Das Schönste an den Filmen Jerry Lewis‘ ist, dass sie lieber Seltsames in sich herumstehen lassen, statt aufzuklären, aufzulösen und einzubinden.
Mittwoch 27.04.
ok
So sehr ich Johnny Depp als Grindelwald mochte und so schade es womöglich ist, dass er seinen Job verlor, so ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass Mads Mikkelson als elitärer Snob, dessen Herablassung in jeder Faser seines Körpers zu stecken scheint, der bessere Grindelwald ist. Er und Jude Law sind das Beste des Films … vor allem, wenn sie Teetrinken … oder wenn Dumbledore etwas mit Freunden und Verwandten isst. Wenn DUMBLEDORES GEHEIMNISSE sich jedenfalls Zeit für kulinarisches nimmt, ist er tausendmal besser, als wenn er eine gewichtige Geschichte erzählen möchte, dessen Epik immer wieder antiklimatisch verpufft.
Dienstag 26.04.
großartig
Die eine Oberflächlichkeit – Hal (Jack Black) achtet bei Frauen nur auf ihr Aussehen und legt dabei Playboy-Maßstäbe an – tauscht SHALLOW HAL gegen eine andere – nach einer Hypnose sieht er die Hässlichen nun als Schönheiten, weil sie innerlich schön seien, während die Ansehnlichen in seinen Augen nun entstellt sind, da er ihre innerliche Hässlichkeit nun sieht. Der deutsche Titel legt zwar nahe, dass er blind vor Liebe sei und schlicht nicht das Gewicht seiner Geliebten (Gwyneth Paltrow) sehen möchte, aber das passt nur zuweilen. Zu oft sieht er eben auch andere Leute zu unserer Belustigung anders als sie offensichtlich sind.
Was uns zu Jason Alexander bringt, der Hals besten Freund spielt. Jemanden, der seine schöne Freundin verlässt, weil ihr zweiter Zehn länger als ihr großer Zeh ist. Alexander spielt damit eine Abwandlung von George Costanza und seine so geartete Anwesenheit allein macht SHALLOW HAL zur Antwort auf SEINFELD. Sein Trennungsgrund ist ein klassisches Seinfeld-Motiv, das wie Hal und seine beiden Arten von Oberflächlichkeit eben auf psychologisch bedingte verzerrte Wahrnehmungen abzielt. Oder anders: SHALLOW HAL könnte abgezockt als blöder Film abgestempelt werden, der sich über Behinderung und Übergewicht lustig macht. Er ist aber auch ein ziemlich gutherziger der tausend tolle Ideen darüber hat, dass wir blinde Neurotiker sind.
… und ziemlich klassisch ist er inszeniert. Die ganzen weiten Einstellungen kamen wir jedenfalls bemerkenswert vor.
Montag 25.04.
gut –
Ein Film über Männlichkeit, der auf HAMLET und CONAN DER BARBAR fußt. In dem, was er zeigt – bzw. was er nicht zeigt – und wie er es aussehen lässt, möchte er Gewalt als Lösung gleichzeitig in Frage stellen, als auch deren verlockendes Potential – den Sog zu diesem grausamen, brutalen, göttlichen Abschlachten – thematisieren. Und vll. ist auch das ein wenig das Problem, dass er als Themenfilm besser ist als als Film. Zumindest mag ich Alexander Skarsgård in seiner Körperhaltung als quasi Cro-Magnon-Mensch, dass der Anfang, der schon arg wie WICKIE UND DIE STARKEN MÄNNER wirkt, schnell hinter sich gelassen wird sowie das ambivalente Casting von Ethan Hawke, der einfach nur wie ein netter Vater wirkt und nicht wie ein barbarischer, atavistischer Schlächter, zu dem ihn die Leute nach seinem Tod erklären.
Sonnabend 23.04.
gut
uff
Beim Perlentaucher machte Nicolai tatsächlich Lust auf den neuen Kaspar Nö Film WORT EGGS, während ich nicht wirklich etwas mit dem von Ulrich Seidl produzierten LOU ZIFFER anfangen konnte.
uff
Hier herrscht eine andere Elephantiasis als in AGE OF ULTRON. Zum Beispiel wird Spider-Man (Tom Holland) eingeführt und der Fanservice, endlich Spider-Man ins MCU einzuführen, ist dabei der einzige erzählerische Imperativ. Nichts von den Dingen, die in CIVIL WAR geschehen, ist von Belang. Es geht nur noch um den multidimensionalen Aufbau, wer nicht noch alles auftreten und welche Konstellationen es noch geben wird.
Der Kampf zwischen Captain America und Iron Man ist in seiner zeitweisen Hoffnungslosigkeit durchaus toll. Die beiden schlagen sich zu Klump und es wird als Sieg des Egoismus und der Differenzen dargestellt. Nur: Keine fünf Minuten nach seinem deprimierenden Endkampf nimmt CIVIL WAR alles schon wieder zurück. Beide reden kurz vor Schluss nochmal miteinander und alles war doch nicht so schlimm. Der Bürgerkrieg bleibt ein Gimmick, dass nur für den Film hier wichtig ist, aber keinesfalls auf andere Filme übergreifen darf – egal wie groß die Behauptung des seriellen Erzählens. CIVIL WAR und das MCU sind auf ihre Art eine Seifenoper, in der keine Gefahr herrscht, weil Bobby ständig aus der Dusche tritt.
Im Abspann habe ich gesehen, dass David Leitch und Chad Stahelski für die Kampfchoreographie zuständig waren. Dem Film hätte ich es nicht angesehen. Vll. ist alles im Schnitt zerhäckselt worden.
Donnerstag 21.04.
ok +
Eine vogelwilde Folge unter der Regie von Horst Tappert, dessen Inszenierung dem Drehbuch gleich durch verschiedene Genre geistert. Ein paar willkürliche Dinge:
– Es geht um die Mafia. Aber der Mörder ist keiner der vielen Italiener, sondern ein deutscher, mordgeiler Junge.
– Beim Mord gibt es ein Duell der Augen. Flehen trifft auf Lust.
– Es gibt wohl eine der sinnlosesten Drive-By-Schießereien der Film- und Seriengeschichte, wenn die Mafiosi aus viel zu großer Distanz aus einen ungünstigen Winkel auf einen hinter einem Haufen Holzscheite befindlichen Pfarrer schießen.
– Unbeholfen wird in den Dialogen nach Gott gesucht, wobei immer wieder eine moralisch erodierte Welt heutzutage diagnostiziert wird. Letzteres ist ja nichts neues, nur die Erstarkung der religiösen Dimension fasziniert, die nötig zu sein scheint, um das alles noch ertragen zu können.
gut
Ein ganz schöner Film, der es mir erlaubte Brony-Content im Text für critic.de unterzubringen. Weil es aber schon wieder so viel geworden war, habe ich auf den Klatsch und Tratsch verzichtet. Und damit auf die Anmerkung, dass Sandra Bullocks ansonsten fast schon dezente Botox-(oder was auch immer)-Behandlung in der letzten Szene unfassbar over the top ist. Als habe jemand in der Postproduction die DNR-Filter über ihrem Gesicht voll aufgedreht und im Rest des Bildes weggelassen. Es sah total verstrahlt aus.
Mittwoch 20.04.
gut
Zwei Personen stehen sich gegenüber. Der Raum zwischen ihnen ist für sie unüberbrückbar, weil beide an ihren Seiten des Raums angekettet sind. Nur ein raumbrechendes Objektiv bekommt beide ins Bild, ansonsten können nur Schnitte die Leute verbinden. Die Menschen in SAW sind existentiell voneinander getrennt.
Detective Tapp (Danny Glover) beobachtet Dr. Gordon (Cary Elwes) obsessiv, also einen der beiden Gefesselten. Er bekommt aber nicht mit, dass in Gordons Haus dessen Familie gefangen gehalten wird, weil er den Täter, den er im Fenster sieht, als den Liebhaber der Frau identifiziert. Er hinterfragt nicht die Horrorbilder auf seiner Kamera, weil er sich sein paranoides Weltbild schon fertig gebaut hat.
Verkennung der Realität und der Mitmenschen ist das Grundprinzip von SAW, was letztendlich dazu führt, dass die Figuren im Spiegel der eigenen seelischen Verfasstheit enden. In einem abgeranzten Badezimmer an Klos und schimmlige Wannen gekettet. Oder in abgeranzten Apartments – umgeben von Zeitungsschnipseln, die der eigenen Impotenz huldigen, die die Wunde darstellen, die nicht in Ruhe gelassen werden kann.
Die Geschichte wird dabei als Puzzle erzählt, bei dem sich das Gesamtbild langsam zusammensetzt. Ein Serienmörder zwingt seinen Opfern traumatisierende Situationen auf, um ihnen zu lehren, ihr Leben wertzuschätzen. So sagt er. Tatsächlich geht es aber nur um Macht. Macht über Körper. Macht über den Geist, dem Informationen nur nach dem eigenen Gutdünken zugeführt werden. Weshalb der Täter eben der perverse Machthaber ist, der nicht von außen guckt, sondern mitten im Leid liegt und es genießt.
In der Darstellung von all dem ist SAW ziemlich effektiv, aber auch ein wenig eindimensional.
Dienstag 19.04.
uff
Weil das Dreiecksdrama im ersten Teil bereits aufgelöst wurde, bleibt für die zweite Hälfte lediglich etwas HERR DER RINGE für Arme. Das Unbegreiflichste dieses Films sind aber die Gesichter des Babys und Kleinkinds von Bella und Edward in ihren verschiedenen Altersphasen. Diese schauspielenden Kinder dürfen nämlich nicht ihre eigenen Gesichter tragen, sondern bekommen per CGI Versionen des Gesichts der Schauspielerin draufgemorpht, die Nessie am Ende dann spielt. In einer Filmreihe mit Vampiren und Werwölfen ist das Gesicht des anzunehmenden Heilands das Grusligste. Mit Abstand.
Montag 18.04.
großartig
Das Regiedebüt Jerry Lewis‘ ist mehr noch als der Nachfolger THE LADIES MAN oder die Tashlin-Filme eine Ansammlung von Ideen, die sich nicht mal mehr den Anschein einer Rahmenhandlung gibt. Vielmehr geht es dem Filmemacher Lewis offenbar darum, sein Medium zu erkunden. Folglich stehen im Mittelpunkt: Perspektiven, leere und volle Räume, Licht- wie Schnitteffekte, Kameratricks, Plappern und Stummheit. Ein Kinosaal wird beispielsweise mit Stühlen bestückt und einmal sehen wir eine riesige leere Halle, in der ein Stuhl steht, und nur zwei Schnitte und wenige Sekunden später hat Stanley seine Sisyphusarbeit bereits erledigt. Oder es steigt eine endlose Folge von Personen aus einem Auto und die Kamera schwenkt gegen deren Ende um das Gefährt, um uns zu zeigen, dass die Tür auf der anderen Seite ja zu ist, als wären alle im Auto gewesen. Ein Foto mit Blitzlicht verwandelt die Nacht in Tag. Und es gibt einen Running Gag mit einem (stummen) Stan Laurel Imitator, womit sich Lewis auch noch vor Einflüssen verbeugt. Und vieles mehr in dieser Sketchshow.
Gegen Ende sagt Stanley (Jerry Lewis) dann erstmals etwas und es wird mehrmals angesprochen, dass dem so ist, dass es seine ersten Worte waren. Als wäre die Wirkung des verklungenen Schweigens zu überhören gewesen. Einmal mehr hatte sich nur Lewis‘ Lust mit seinem Medium zu spielen deutlich offenbart. Die Komik ist zwar (weiterhin) ziemlich grob, sein Gespür für Filme und Filmsprache steht dem aber eklatant entgegen. Weshalb ich den Filmemacher Lewis weitaus mehr schätze als den Komiker.
Sonntag 17.04.
gut
Von all den Unzulänglichkeiten dieser Adaption ist das schwarze Haar Julius Cäsars, eines Mannes, der für seine goldenen Locken berühmt war, die er viel zu früh verlor, das Schlimmste.
Faszinierend ist auch, dass der Film von 1967 ist, die Comic-Serie also schon recht fortgeschritten in ihrer Identitätsfindung war. Aber es wirkt trotzdem so, als wäre der Film direkt nach Erscheinen des Hefts entstanden.
nichtssagend
Durch die Teilung in zwei Filme fühlt sich bereits der erste Teil ohne Not aufgequollen an. Wenigstens bekommt Robert Pattinson dadurch viel Zeit sein verschämtes Lächeln eines pubertären Jungen zu lächeln, der von der Vorstellung, dass seine Liebe erwidert wird, noch völlig überwältigt ist und das gar nicht einordnen kann. Dem stehen aber Szenen entgegen, wie die, in der die Werwölfe telepathisch miteinander reden. Mittels epischer Stimmen ohne den Mund zu bewegen. Als schauen wir einem nichtssagenden Wolfsposter beim Denken zu. Es ist der Höhepunkt vieler wenig prickelnder Entscheidungen der Filmemacher.
Vor allem ist BREAKING DAWN 1 der Film einer Hauptfigur, die sich völlig gehen lassen kann, die sich rücksichts- wie gedankenlos benehmen darf, die beispielsweise fröhlich und unbekümmert, ein Kind gebären kann, das mglweise der Antichrist sein wird, … und trotzdem wird sie sklavisch geliebt … außer halt von denen, die dafür da sind, die zu quälen, die sie lieben. Diese Qualen der Liebenden sind aber oberflächlich, denn BREAKING DAWN 1 erzählt von dem Glück des Geliebtwerdens. Geliebt werden am Palmenstrand. Geliebt werden, während man zum Skelett verfällt, dessen einzige Rettung Blutshakes sind, die mit einem seligen Lächeln geschlurft werden. Geliebt werden, egal was man sagt und tut, … von den Liebenden und vom Film, der einem doch nur recht gibt.
Sonnabend 16.04.
großartig –
Ein Gelehrter und Kung-Fu-Kämpfer (David Chiang) tritt den Beweis an, dass es nicht nur Kraft, sondern auch Intellekt bedarf, um einen Gegner zu besiegen. Immer wieder zeigt SHAOLIN MANTIS Leute, für die Vernunft und Kampfkunst (latente) Widersprüche darstellen, vor allem in Form eines Mädchens, das ihre Lehrer schikaniert, um noch mehr Quatsch mit Kung Fu zu betreiben. Und David Chiang ist eben wiederholt die Überraschung für diese Welt, weil er beides verbindet. Und wenn seine Kampfkunst und seine Pläne scheitern, dann setzt er sich einfach hin und schaut eine Gottesanbeterin zu, bis er daraus einen neuen Kampfstil gebastelt hat, der ihn unbesiegbar macht. Indem er eben seinen Gehirnschmalz in seinen Körper überträgt.
Am interessantesten ist dabei die Struktur. Eine Stunde baut SHAOLIN MANTIS als Spionage-Thriller und Hongkongliebeskomödie einen Konflikt auf, der dann in 40 Minuten Kampfkunst ausgetragen wird – 2 mal jeweils 5 Kämpfe gegen die verschiedenen Hausstile, einmal vor, einmal nach der Erfindung des Gottesanbeterinstils –, um dann kurz vor knapp am Ende einen völlig anderen shakespearianischen Konflikt ausbrechen zu lassen, den die Hauptfigur und der Film bis dahin dezent verdrängt hatten. Spaß und Physis, die den Film bestimmt hatten, fallen kurz vor Schluss in einen dunklen Abgrund. Es ist die Peitsche zum Zuckerbrot des Films.
großartig
Herbert H. Heebert (Jerry Lewis) zieht in ein riesiges Puppenhaus, in welchem er seine Angst vor dem weiblichen Geschlecht überwindet. So scheint zumindest der selling point auszusehen, die Grundidee, um die alles kreist. Aber wie bei Lewis so oft – ob er nun Regie führt oder Tashlin, egal – der Film macht wenig damit. Das Haus wird immer wieder in seiner Gänze von der Seite gezeigt und hat keine vierte Wand. Der Zuschauer kann hineinschauen, die Kamera/der Film kann wie ein Kind hineingreifen, so in etwa. Damit hat es sich aber auch.
THE LADIES MAN ist ansonsten eine Ansammlung von Sketchen und Ideen, die nur in ihrer Nähe zur Grundidee einen Hauch von Gemeinsamkeit haben. Und wie so oft, ist es Hit and Miss. Lewis bleibt weiterhin anstrengend, wenn er Nervosität und Exaltiertheit als Garanten von Lachern versteht. Es blitzt aber auch immer wieder die Liebe zu Absurdität und Mitgefühl auf, die diesen Film nicht nur retten, sondern adeln.
Am Ende wissen wir nichts über die Mädchen, die im Haus von Miss Wellonmellon (Helen Traubel) leben. Auch Herbert hat nur eine minimale Wandlung durchgemacht. Stattdessen haben wir Lewis als Mädchen für alles erlebt, das daran scheitert, normal zu sein. Weder wird psychologisch durchleuchtet, noch prosaisch erzählt. Stattdessen wird die physische und psychische Krümmung der Dinge ins Bild gerückt.
Absolutes Highlight: Herbert betritt kurz vor Schluss ein Zimmer, das den Film lang tabu war. Die Neugier lässt ihn einfach nicht in Ruhe. Dort trifft er auf eine von der Decke hängenden Spinnenfrau, die in einem völlig weißen Zimmer voller Spitze lebt und Herbert zum Tanz auf einem ausladenden Balkon zwingt. Im Raum findet sich selbstredend auch eine Big Band. Für einen kurzen Moment driftet THE LADIES MAN ziemlich unmotiviert in einen surrealen Fiebertraum … und macht so aus der Anmaßung der Realität die Schönheit der Fiktion.
Freitag 15.04.
ok +
Ein Remix der ersten beiden Teile. Gerade aber das Pandadorf, in dem Po seine Wurzeln finden soll und Chi meistern lernen, dort findet sich, was mich am wenigsten an der Reihe interessiert: knuffige Slacker, die ganz witzig sind, aber ihre Lektion noch zu lernen haben.
ok +
Ein fast dreistündiges Abstraktum aus THE GODFATHER- und SCARFACE-Versatzstücken, welche mit Steroiden aufgepumpt wurden. Das Ergebnis ergibt weder eine Geschichte, noch eine nachvollziehbare Welt, sondern ein Laufband aus Posen. Rocky (Yash) hat sich im ersten Teil die Kolar Gold Fields erkämpft, was heißt: eine Goldmiene und eine Gangsterfamilie. Nun muss er seine Stellung innerhalb der Mafia und dem Staat Indien verteidigen. Aber alles läuft darauf hinaus, ihn als Messias, Robin Hood und Stilikone ins richtige Licht zu rücken. Als herber Mann, der alles auf sich nimmt – Schmerz, Qual und Verleumdung – nur um am Ende ein Versprechen zu halten.
Yash trägt dabei so gut wie immer Sonnenbrille, Kippe und Armanihemd. Ob er nun in der Miene arbeitet, als ginge es darum einen Parfümwerbespot zu drehen, als wäre eine Fluppe im Mundwinkel und ein teures Hemd das, was aus schwerer Arbeit eine Erfüllung macht, oder wenn er breitbeinig jeder Bedrohung trotz, als wären diese Motten, die bald zwischen seinen Händen kleben. Er wird zum Posterboy von Coolness inszeniert, der zwar ein Mensch der Massen sein soll, aber immer übernatürlich und unmenschlich ist. Ein Snob der eigenen Unverwundbarkeit. Weshalb er, der normalen Menschen keine Rechenschaft schuldig ist, oft auch einfach nur megaarschlochig herüberkommt. Er ist ein gestählter Bond der Roger-Moore-Zeit, dessen Unsicherheit (vorm weiblichen Geschlecht) hinter einer unfassbar dicken Mauer aus Posertum kaum noch erkennbar ist.
Aber es funktionierte. Im prall mit (wahrscheinlich) Indern gefüllten Saal wurde jeder seiner vom Film zelebrierten Auftritte von Johlen begleitet. Ebenso wie seine cringy Oneliner wie: Ich mag keine Gewalt, die Gewalt mag aber mich. Der Ton war auch ordentlich aufgedreht, weshalb ich mir nicht nur wegen der Stimmung im Saal wie bei einem Rockkonzert vorkam, sondern auch wegen dem stundenlangen Tinnitus nach der Vorstellung.
Aber weiter: Plotpoint wird an Plotpoint gereiht, ohne sie zu verbinden. Die Liebesgeschichte ist eine magere Beigabe ohne jegliches Gefühl, ohne Sex und Zärtlichkeit. Reena (Srinidhi Shetty) scheint lediglich anwesend zu sein, damit sie – selbstredend schwanger – getötet werden kann, um Rocky einen Grund für herben männlichen Schmerz zu geben und Amok zu laufen. Die Musik ist nur da um Adrenalin zu pumpen. Undsoweiterundsofort.
Was niemanden davon abhält, dauernd Figuren auftauchen zu lassen, die den Film vollstellen. Doch keiner von ihnen hat eine größere Funktion, nachdem sie ihren Zweck erfüllt haben. Sie stehen nur weiter herum und dürfen auf Rockys Unglaublichkeit reagieren. Zumindest in Unkenntnis des ersten Teils sind diese auftauchenden Figuren, die für ihre Mitmenschen nur bedingt neu scheinen, zuweilen ganz spannend, weil nicht immer zu sagen ist, ob sie direkt aus dem ersten Teil übernommen wurden oder aus einer neu geöffneten Spalte der Mythologie der Geschichte dringen. Die Orte und personellen Ressourcen stellen eben ein unvollständiges Puzzle dar, dass nur das Nötigste zusammensetzt, um sein Bild von Yash zu erhalten.
Und auch wenn dies nur ein fragmentarisches Mosaik aus Posen ist – selbst die Actionsequenzen bestehen nur aus zusammengewürfelten Bausteinen der Abläufe und überhaupt wirkt Prashanth Neel wie ein Filmemacher, der zu Terrence Malick und Michael Bay passt, wenn er seine Bilder nicht von der Erzählung oder einer räumlichen Kontinuität denkt, sondern von ihrer Stimmung –, trotzdem müsste nur der DENVER CLAN-Anteil etwas hochgedreht werden und dies wäre ein toller Film. Doch daran denkt hier niemand. Männlichkeits- und Gangsterposen reichen den Machern und das limitiert sie ungemein.
großartig
Eine Frau, die wiederholt vor (ihrem ersten) Sex zurückschreckt, trifft auf eine, die durch ihre ersten sexuellen Erfahrungen traumatisiert wurde und nun ihre Wunde mit Perversion bearbeitet oder zu füllen versucht, die ihr Gegenüber in den Schmutz ziehen möchte. Laut Letterboxd-Synopse wird hier von einem Erfolg erzählt, aber tatsächlich wohnen wir einem durchgehenden Unfall bei. Der Unfall: das alptraumhafte Scheitern von Frauen an ihrer Lust und daran, was die Männer – lediglich mit Trieb gefüllte Hülsen – von ihnen wollen. Ein Alptraum aus düster-romantischen Bildern, aus Fetischen – wobei überraschend oft männliche Körper diese darstellen, – eines allgegenwärtigen Feuers. Einerseits ist LOVE HUNTER ein einziges Klischee männlicher und weiblicher Sexualität, aber eben auch ein Film, der weniger eine Geschichte erzählt oder eine Ideologie vertritt, sondern eine Ansammlung von Bildern ist und damit ein traumanalytisches, reiches Etwas, das aus Unterbewusstem aufsteigt.
Donnerstag 14.04.
großartig
Cormans romantischer Tempel für die Angst. Die Angst, etwas nicht loswerden zu können. Die Angst, in einer Beziehung oder einer Emotion festzustecken. Unter der Macht von etwas zu stehen, das einen verschlingt. Denn: Was hat die Liebe damit zu schaffen, ob wir jemanden mögen – wie im Film gesagt wird. Es geht nur darum zu jemanden gezogen zu sein, fatal, hilflos, unumkehrbar. Liebe ist damit ein Gefühl der Auslieferung.
Während in den anderen Poe-Verfilmungen und sowas wie THE TERROR Fremde und frisch geheiratete Ehepartner in Schlösser und Villen kommen, in denen der Abgrund im Keller lauert, lebt Verden Fell (Vincent Price) bereits im Keller und versteckt im Dachgeschoss seine nicht aufgeräumten, weniger zerfallenen Lebensräume und seine tote Ehefrau, die ins Leben zurück möchte. Ohne die Liebe ist er nur ein zerbröseltes Etwas, das erst durch die magnetische Wirkung der Leidenschaft eine Form erhält. Und Corman baut das Zerfallene wie das fatal Strukturierte mit Blumen, Feuer und exotisch morbidem Nippes zu, auf das der Zuschauer seine Macht an THE TOMB OF LIGEIA abgeben möge. Es ist ein Film von Erde und Feuer, von Trockenheit. Ein Film ohne Moder und Fäulnis, sondern einer staubigen Leichenstarre, auf dass das Feuer (der Liebe) keine Gegenwehr finde.
gut –
Terence Davies verfilmt den gleichnamigen Roman von Lewis Grassic Gibbon. Er adaptiert damit nicht das erste Mal fremdes Material, nur fiel mir nun, wo ich mehrere seiner Filme geschaut hatte, auf, wie wenig es spürbar ist, dass es kein eigener Stoff ist. Die erste Stunde mit einem jähzornigen Vater (Peter Mullan) und seiner zwielichtigen Glaubensstrenge sowie die Wirkmacht des Ersten Weltkriegs, die in der letzten Stunde beschrieben wird, fügt es sich wunderbar in seine frühen Lebensgeschichten oder die Darstellung der Wilden Zwanziger in seinem aktuellen Film ein.
SUNSET SONG ist dabei ein Film der Transformationen. Chris Guthrie (Agyness Deyn) legt mehrmals inzwischen unbrauchbar gewordene Lebensweisen und Selbstverständnisse ab. Aus der ambitionierten Schülerin wird die Geisel ihres Vaters am familiären Hof. Dann übernimmt sie das Gut und wird selbstbestimmte Macherin, dann glückliche Ehefrau, nur um doch verlassene Kriegswitwe zu sein. Jedes Mal gewährt der Film Chris Abschiedszeremonien für ihre nun zu Grabe getragene Identitäten. Und doch geht die Erzählung weiter. Die stilistischen Brüche sind weniger schnell zu verorten und weniger deutlich. Wandel und Gleichförmigkeit bilden in SUNSET SONG eine reizvolle Einheit.
Nur der Weltkrieg schlägt ein und verändert alles grundlegend. Sein Licht wirft er indirekt voraus, weil im Laufe einer halben Stunde (irrealer) Glückseligkeit mitten im Film klarwerden muss, dass noch etwas Entscheidendes passieren wird. Seine Gravität ist auch dadurch spürbar, dass SUNSET SONG mit seinem Ausbruch langsam, aber stetig kippt. Aus dem intimen Drama wird eine Abfolge von Geschichtsaufbereitungsszenen, die nicht mehr indirekt, sondern direkt kommunizieren, was in den Leuten los ist.
Aus einem liebenden Ehemann wird ein Schläger, der sein neues Selbst spürbar für die Kamera aufführt, um den seelischen Einfluss des Krieges zu zeigen. Die Kamera fährt zu sentimentaler Musik das Niemandsland ab und klatscht die Trauer des Krieges einfach vor uns hin. Da, wo vorher Unklarheit, Potential und Beiläufigkeit herrschten, ist plötzlich alles fürchterlich offensichtlich. Ein eigentlich schöner Film wird vom Ersten Weltkrieg mit sich gezogen und verwelkt unter seinem Einfluss, leider.
ok +
Ein Vater-Tochter-Drama bzw. Erzeuger-Schöpfungs-Drama, das sich für etwas mehr Wertschätzung gegenüber der älteren Generation einsetzt und bei dem Michael Bay seinen bis dato schönsten digitalen Film dreht. Auch wenn sein 3D genau dann einknickt, wenn der überlange Film in seinem überlangen Finale an allen Ecken und Enden etwas Schönheit bedürfte.
Anmerkungen:
– Sam Witwicky ist weg und der Film damit ein klein wenig gesetzter. Nur fällt dadurch gleich auf, dass die Transformers nicht im eigentlichen Sinne sprechen, sondern Genre-Worthülsen von sich geben.
– Hongkong wird Schauplatz der Schlacht und chinesische Beamte bekommen dabei ihren großen Auftritt, in dem sie bescheinigen dürfen, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um Hongkong zu verteidigen, wo sie in Realität doch die Invasoren sind. Diese Anbiederung an die Staatspropaganda aus Bejing ist schon ziemlich bitter.
verstrahlt
Es ist mal wieder eine Folge, in der der Täter bekannt ist und Derrick mit ihm spielen darf. Nur ist es dieses Mal nicht nur Derrick, der mit dem Täter spielt, sondern auch ein Zeuge, der den Täter bittet, dass dessen Frau doch bitte vorbeikommen möge und ihm beim Frühstück Gesellschaft leistet. Lediglich jemanden an seiner Seite möchte er. Und Mitternachtssolo nutzt dies, um abermals von der bezirzenden Wirkung unmännlicher Männlichkeit zu erzählen. Eine Frau, deren Nippel stets durch ihre Oberteile zu sehen sind oder sich wenigstens abzeichnen, verliebt sich in einen Mann, weil er nicht mit ihr schlafen möchte. Durch ihn wird sie – von ihrer Garderobe und deren Implikationen – geläutert. Es verwirrt Ermittler wie Täter: in dieser Folge des Schweigens und der Esoterik geht es um die Kraft einsamer, anständiger, romantischer Seelen, die für normale Leute wie Psychopathen wirken, aber die die Herzen der Frauen erobern dürfen, weil sie sie vom Joch ihres Körpers befreien.
fantastisch
Das Dokument eines Erwachens von Sexualität und Bewusstheit, das vor allem in Gesichter schaut. Traumsequenzen um Engel, Teufel, Komponisten und archaische Könige, mysteriöse Einschübe über militärische Experimente und spontane Entzündungen, die nie wieder aufgegriffen werden, Politik, Religion, Schrift, Musik, Außenseitertum: Alles sammelt der Film für die Erkenntnis an, dass es aufregender ist, seltsam zu sein.
Mittwoch 13.04.
großartig +
Die ein wenig aufgeräumtere Version der Terence Davies-Trilogie bzw. deren ersten Teils CHILDREN. Statt Gegenwärtigkeit und Seelenstriptease gibt es einen melancholischen Rückblick auf eine sichtlich vergangene Zeit. Statt mehreren Zeitebenen gibt es nur das 10-jährige Ich unseres Protagonisten (Leigh McCormack).
Die Kamera fährt an flachen Oberflächen vorbei bzw. über flache Bilder, die Kamera fährt durch leere Räume, immer wieder nimmt sie starre Tableaus auf: THE LONG DAY CLOSES wirkt wie ein geöffnetes Bilderbuch. Schnipsel aus anderen Filmen wie GREAT EXPECTATIONS und THE MAGNIFICENT AMBERSONS wehen auf der Tonspur aus dieser Vergangenheit über die Bilder. Die Gesänge in den Pubs oder bei Familienfeiern sind voller Melancholie. Mahlers 10. Sinfonie trauert. Wir wohnen einem bittersüßen Requiem bei.
Zwischen Kino, Schule, Kirche und Familie springen die Eindrücke einer Kindheit, die anders als bei CINEMA PARADISO keinen großen, rührseligen Bogen ergeben, sondern erratisch zwischen Nostalgie und Schmerz stehen und eine anschmiegsamere Version von GOODBYE DRAGON INN und THE HOLE bilden.
großartig –
Ei du schöne, ei du schöne, ei du schöne Schnitzelbank
Drehbuch: John Gilbert, der sich gewissermaßen eine Metasatire auf den Leib schreibt. Der Legende nach brachte der Tonfilm Gilbert um seine Karriere, da seine Stimme nicht zu seinem Schönling-Image passen wollte. Zu fistelig war sie. In DOWNSTAIRS gefällt er sich nun als jemand, der sein gutes Aussehen für niederträchtigen Betrug nutzt. Wenn er als einziger Diener eines adligen Ehepaars die soziale Ordnung und die Heuchelei einer Zweiklassen-gesellschaft in Frage stellt, scheint er kurz als US-amerikanischer Held in einem provinziellem Österreich mit seinen dunklen Kellern zu taugen. Aber doch gelten seine Interessen nur dem Geld und dem Sex, welche er den in seiner Gegenwart willenlos werdenden Frauen entreißt. Paul Lukas als Chefdiener und Ehemann ist dagegen nur solide und pflichtbewusst. Mit ihm gibt es keine Abenteuer und Aufregung, was im Umkehrschluss des Films eben auch heißt, dass er von der Herrenklasse (und Frauen) ausbeutbar ist. Sittliche Moral trifft so äußerst ambivalent auf Klassenkampf, in einem Film, in dem eben alles düster und verkommen ist, solange man nicht zu den höheren Kreisen gehört.
großartig –
Tom Sawyer und Huckleberry Finn finden in HORACE ihre sich herumtreibenden Wiedergänger. Nur ist das Missverstehen der Welt beim geistig behinderten Horace (Barry Jackson) und dem von seiner Mutter misshandelten Gordon (Stephen Tantum) kein Abenteuer, in dem sich Kinder als Piraten und Ritter imaginieren, sondern ein ziemlich harsches Drama.
Gordons Mutter haut ihm an einer Stelle eine herunter und meint dazu: That’s for nothing. Mind what will happen, when you’ll have done something. Sinnbildich steht es für die Autorität, mit der Mutter, Lehrer und Direktoren Gordon erziehen wollen, ihm aber nur Widerwillen einimpfen. Horace wird nicht so hart angegangen, aber doch bekommt er nicht die nötige Unterstützung, gerade weil die Leute, die ihm nah sind, Angst um ihn haben … sich aber auch nicht auf ihn einlassen.
In den besten Momenten des Films geht es auch darum, wie groß der Grad der Trennung zwischen Horace und seinen Mitmenschen ist. So nimmt seine Liebe zu Scherzartikeln zunehmend makabre Züge an. Von einem Tick zu viel Juckpulver, das er in den Nacken eines Bekannten wirft, über den Wasserstrahl aus einer Kamera ins Gesicht einer bettlägerigen, unverständigen alten Frau, zu dem Dosenlachen und der grinsenden Maske, die er aufsetzt, während er, ohne es zu wissen, stirbt. Denn er ist weggelaufen und niemand ist da, der ihm eine Insulinspritze geben könnte.
Tatsächlich legt es HORACE aber nicht darauf an, Horace und Gordon in eine Hölle zu schicken. Lange spielen sie in freier Laufbahn und erklären sich gegenseitig, wie sie ihre Welt wahrnehmen. Das ständig über ihnen hängende Pendel, dass Horace von seiner Umwelt überfordert, ausgebeutet und verhöhnt wird, dass Gordon bestraft wird, schlägt lange schlicht nicht zu. Die beim Zuschauer erzeugte Angst will sich einfach nicht bewahrheiten. Wenn Horace seine Ersparnisse zeigt und sie nicht gestohlen werden, obwohl es sich so deutlich abzeichnet. Wenn Gordon nicht nur unerlaubt die Wohnung verlässt, sondern sogar einen Trip aus der Stadt hinaus unternimmt, und dafür keine Konsequenzen zu spüren bekommt. Die Welt ist nicht halb so schlimm, wie sie sich immer andeutet.
Dadurch ergibt sich ein HEART OF DRAGON ohne Kung Fu, Albernheit und Hysterie. Eine beschwingte Ballade von Missverstehen und Unverständnis, deren Punkt nicht nur das Leid des hilflosen Horace ist und auch nicht nur das Dreschen auf den gebeutelten Gordon, sondern die Vielzahl ihrer Erfahrungen. Dass es eben auch Möglichkeiten für die beiden gibt, ihre triste Welt zu der von Tom Sawyer und Huckleberry Finn zu machen.
großartig
Selbst im Mortadella-Rot der Kopie, in dem das Soylent Grün nicht vom Soylent Gelb zu unterscheiden war, schien die Farbdramaturgie des Films durch. Die Außenaufnahmen waren von einem giftigen Gelb. Das Innen war ausgebleicht. Und zumindest noch ansatzweise war die wunderschöne Farbigkeit einer verlorenen Natur sichtbar, welche per Filmaufnahmen denen geschenkt werden, die freiwillig aus dem Leben scheiden.
Dienstag 12.04.
fantastisch –
Der Beginn zeigt eine geraffte Abfolge von Evolution, biologischer und technischer. Die Schritte im Matsch der Erde führen zu den Fußspuren auf dem Mond – wo Baron Münchhausen sein Programm auch sofort ausspricht: Keinen Schritt weiter! Die Spielwiese des Films liegt eben nicht in der Zukunft, sondern in einer Bestandsaufnahme der westlichen Phantasie der vergangenen Jahrhunderte. Viragiert wie ein Stummfilm ist Karel Zemans Film, weil seine Aktualität darin liegt, ein Abschiedsgruß an das Vergangene zu sein.
verstrahlt
Kennen Sie einen erwachsenen Mann? Exemplarisch wird diese Frage im Film gestellt. Die Handlung beginnt auf einem Maskenball und auch wenn die Erzählung diesen hinter sich lässt, scheint der Film doch nicht von einem solchen loszukommen. Die Geschichte des Barons wird nämlich als Herrenwitz erzählt, in dem sich entsprechend der wechselnden historischen, geografischen und fantastischen Settings verkleidet wird und in dem sich Frauen wie bunte Kleider übergeworfen werden.
Als müsse dies abgeschwächt werden, wird der Baron (Hans Albers) am Ende eingefangen. Eingefangen von einer ruhigen, ewigen Liebe bzw. vom Alter. Doch es ist nicht der unbedingte Glaube an diese, weshalb der Baron gezähmt wird. Vielmehr ist es eine unabwendbare, akzeptierte Niederlage gegen die Zeit und die nötige Ausrede, die es braucht, damit sich der Film zuvor auch wirklich traute, seinen Traum von ewiger Jugend und schmieriger Allmacht auszubreiten.
Und niemand als Hans Albers hätte diesen Baron besser spielen können. Zu alt ist er für die Rolle der ewigen Jugend. Wie ein Lustgreis wirkt er, der sich an sie klammert. Wie ein Lustgreis, der es als ganz natürliches Vorrecht und Gnade für die Empfängerinnen ansieht, wenn er Frauen einen Klaps auf den Allerwertesten gibt. Vor allem glühen aber seine Augen vor Wahn und Gier, denen er alles unterordnet. Ein Blick in diese Augen, und das Irre eines eigentlich nicht über die Stränge schlagen wollenden Films tritt hervor.
verstrahlt +
Dieser Baron Münchhausen steht für die Jugend im Geist, für Anarchie und Lebenswille, für Liebe und Sex. Im Gegensatz zu einer Aufklärung steht er, die wiederum für Massenmord und eine Vernunft des Todestriebes einsteht, für Alter, Sterben und Resignation. Von den drei Münchhausen-Verfilmungen, die ich nun hintereinander sah, ist dies die komplexeste, die überladenste, die irrlichternste, die sich in gigantomanischen Sketchen verrennt und nur durch seine jugendliche Schamlosigkeit, in der intellektuelle Diskurs und Pupswitze ein und dasselbe sind, nicht als Monument seines irrlaufenden Spieltriebs in sich zusammenbricht. Wobei … eigentlich bricht er mehrfach in sich zusammen, nur fällt es schwer ihm einen Strick daraus zu drehen. Oliver Reed, Robin Williams und Uma Thurman bilden den Dreizack seines Charmes: Trunkenheit, Hyperaktivität und Schönheit.
gut –
Sobald ich als Kind gewahr wurde, dass der Film im Fernsehen lief, habe ich ihn auch geschaut. Ich hatte sehr viel Vergnügen mit ihm. Der Eindruck, den zum Beispiel der Kampf zwischen Stegosaurus und Tyrannosaurus bei mir hinterließ, führt wohl auch zu meiner Liebe für Verfilmungen von DIE REISE ZUM MITTELPUNKT DER ERDE und für Artverwandtes wie CAPRONA. Ich las Bücher über Dinosaurier und soweiter. Bis, ja bis JURASSIC PARK kam und ich als Kind das Gefühl hatte, dass mir mein persönliches Spielzeug weggenommen wurde.
Das Abenteuer, welches ich damals sah, sieht heute etwas anders aus. Eher wie eine pädagogisch angelegte Vergnügungsparkfahrt für Kinder. Vier Freunde reisen auf einem Kanu durch eine museale Vorzeitwelt, die mit Pappmaché und simplen Robotern erbaut wurde. Fast sind die Ketten im Wasser sichtbar, die das Boot durch die Attraktionen zieht. Und überall ist der Hintergedanke spürbar, dass Kinder möglichst etwas lernen mögen … darüber wie es früher war und wie unsere Erde schon aussah. Wie dies ohne Nostalgie aussehen würde, kann ich aber trotzdem beim besten Willen nicht sagen, denn bei aller (pädagogischer) Trägheit überwiegen bei mir die leuchtenden Augen der vier, wenn sie so tun als wäre alles um sie völlig real.
Aus meiner Erinnerung heraus hätte ich schwören können, dass die vier zu Beginn eine Höhle durchqueren und ein Strudel sie erfasst – oder Stromschnellen. Davon gab es nichts. Dafür aber den wahrscheinlich viel größeren Husarenritt. So merkt der Ich-Erzähler an, dass alles, von dem Jules Verne sonst geschrieben hat, wahrgeworden ist. Deshalb schien es den jungen Abenteurern auch, dass es die Vorzeit in einer Höhle geben müsse. Mit dieser Begründung starten sie aber nicht ihre Reise. Durch diese sind die Jungs einfach schon in der Vorzeit angekommen. Auf die Montage von Buchillustrationen aus den Werken Jules Vernes folgt der Schnitt zu vier Jungen in einem Kanu in einer unbekannten Welt. Eine Montage von Verne-Motiven und die Realität ist von der Bildfläche verschwunden.
Montag 11.04.
ok +
Gleich zu Beginn betreten drei Männer das Dojo des Frank Mertens (Christian Anders). Einer davon sieht auf den ersten Blick wie ein Schläger aus. Seine Begleiter haben keine so klar vermittelten Identitäten. Der Schläger provoziert einen Kampf und wird von Mertens zurechtgewiesen und bloßgestellt. Und während der Angreifer vom Hof gejagt wird, bleiben seine Schergen schlicht stehen, bis sie eine Einladung erhalten, Schüler des Dojos zu werden. Wenig überraschend für das Medium Film ist hier das Aussehen ausschlaggebend, nur herrscht in DIE BRUT DES BÖSEN eine komplette Gleichsetzung. Der Teufel ist an seinem Huf zu erkennen.
Die nicht unerhebliche Frage laut folglich, wer die Brut des Bösen bei einer solchen Voraussetzung nun wirklich ist. Aus Sicht der erzählten Geschichte ist es sicherlich der kleinwüchsige Heroinhändler Van Bullock (Deep Roy), der jeden wie Abschaum behandelt. Der seine eigenen Minderwertigkeitsgefühle angeht, in dem er jedem Gewalt antut oder von seinem übergroßen Leibwächter (Fernando Bilbao) antun lässt … womöglich um abermaligen Erniedrigungen und Verletzungen zuvorzukommen.
Oder ist es doch der Film selbst, der sich daran labt, dass die als Böse identifizierten Witzfiguren sind. Ein Film, in dem in der Luft baumelnden Beinen geschnitten wird, nur um nochmal zu betonen, dass Van Bullock von seinem Chefsessel eben nicht mal den Boden erreicht und schon deshalb lächerlich sei. Ein Film, in dem Konzepte eins zu eins übersetzt werden. Was im Fall von Van Bullock schlicht heißt, dass er als Anmaßung einer schrecklichen Welt eben nur ein moralischer Zwerg sein kann und deshalb von einem Kleinwüchsigen gespielt werden muss.
Ein wunderschön fotografierter Film, der sich an Christian Anders‘ Körper ergötzt – nicht nur in Kampf und Training, sondern auch beim Sex, bei dem seine Partnerin zuvorderst im Schatten bleibt. Ein Film, der sich daran ergötzt, mal so richtig den inneren Schweinehund von der Leine zu lassen. Denn Frank Mertens ist nicht der Gute, sondern ein Leidgeprüfter, der lediglich Schmerz erfahren muss, damit er berechtigt ist, mit Gewalt, Hass und Selbstzerstörung zu antworten. So schön die Kamera den Körper Christian Anders‘ auch findet, so unausgeglichen und heruntergekommen ist er. Mertens verhilft auch nicht dem Guten zum Sieg, sondern richtet sich ziemlich plump gleich mit und wird nicht zum strahlenden Helden, sondern zum gesellschaftlich, körperlich und seelisch Demoliertem. Nicht weil es so sein müsste, sondern weil an einer Rettung kein Interesse herrscht.
Oder es ist schlicht das sehr unbeholfene Drehbuch und die sonstigen Versuche eine Geschichte zu erzählen. Es ist witzig und beneidenswert schamlos, wenn plötzlich ein Dornenstrauch herumsteht, damit sich Mertens sein Hemd zerreißen und mit nacktem Oberkörper weiterkämpfen kann. Doof ist aber, wie krampfhaft die nichtexistente und – naja – von Niedertracht angetriebene Geschichte am Laufen gehalten wird.
Aber irgendwie ist das auch alles egal, wenn sich Anders in hautenge Lederschlüppis steckt und lasziv seine körperliche Potenz inszeniert. Dann ist DIE BRUT DES BÖSEN doch auf sehr faszinierende Art naiv in seinem opaken, erratischen, weltvergessenen Erstellen einer Welt aus Sex und toxischer Männlichkeit.
ok
Das Bay-Kabumm-Kino, dass in 3D nochmal einen Tick mehr zu sich findet, ist eigentlich ziemlich sympathisch, nur wirkt das Verständnis des Films von Komik und Pathos wie eine Satire auf eben diese Dinge. DARK OF THE MOON ist damit entweder vollgestellt mit Unerträglichem oder mit Unerträglichem, das ironisch gemeint und damit kein Stück besser ist.
großartig
Viel könnte darüber geschrieben werden, wie Sammo Hung hier zu seinem Stil gefunden hat oder über verzogene Söhne, Kung-Fu, Rache und Seelenheil, aber am besten ist und bleibt die Klogang-Kung-Fu-Übung.
großartig –
Im O-Ton betreibt der Soundtrack exzessiv Raubbau. Beispielsweise wird Pink Floyds TIME sehr zentral genutzt. Auch wird ein Lied genutzt, dass mir bekannt vorkam. Ich konnte aber nicht sagen, ob es sich um King Crimsons LARKS‘ TONGUE IN ASPIC handelt oder den Soundtrack von EMMANUELLE in Form der Untermalung der Rape Sequenz. Irgendwann fiel es mir aber die Schuppen von den Augen, da EMMANUELLE ja etwas jünger als THE BIG BOSS ist und dieser den Soundtrack noch gar nicht aufgreifen konnte: Komponist Pierre Bachelet hat sich für EMMANUELLE, für den Inbegriff von softer Unterhaltung, bei King Crimson bedient, einem Inbegriff für avantgardistischer Rockmusik.
großartig +
Wie in THE PIT AND THE PENDULUM besucht hier ein aufdringlicher Besucher ein Schloss. Jack Nicholson ruft als napoleonischer Soldat nachts über den Schlosshof nach der toten Gattin seines eifersüchtigen, wie emotional angeschlagenen Gastgebers (Boris Karloff), die gerade unter den Lebenden wandelt. Scham oder Zurückhaltung kennt er nicht, nur seine eigene Lust und den Sinn für die eigene Vormacht. Er nistet sich in ein fragiles Seelenleben ein und berührt alle wunden Stellen. (Verklemmte) Sexualität, Farben, Tod und Langeweile beherrschen THE TERROR und stolpern und poltern durch eine leblose, staubige Existenz.
Sonntag 10.04.
großartig –
Was der Film nicht alles ist! Christlicher Erbauungsfilm, in dem ein neoliberaler Priester (Gene Hackman), diejenigen, die für sich kämpfen wollen, ans Licht führt. Feier der Heimkehr nach Israel gegen alle Chancen, wenn ein älteres Ehepaar (Shelley Winters & Jack Albertson) sich durch einen sinkenden und brennenden Luxusliner kämpft, um erstmals die Enkel im neu erkämpften Staat zu sehen. In beiden Fällen – der christlichen wie jüdischen Lesart – stirbt Moses aber kurz vor dem Ziel. Er ist ein schmuddeliger Schundfilm, in dem der Priester mehrmals Frauen bittet sich (zu ihrer besseren Rettung) zu entkleiden und sie es anstandslos tun. In dem die Kamera den Frauen grundsätzlich von unten auf den Arsch schaut, wenn sie Treppen und Leitern nach oben klettern. Ein Film, der in einer seiner sentimentalsten Romanze die moralischen Schranken zwischen einem Polizisten (Ernest Borgnine) und einer Prostituierten (Stella Stevens) ad absurdum führt. Überhaupt ein Film, der nichts Schlimmes dabei finden möchte, wenn Frauen mit Sex zu schaffen haben. Ein Film der schrägen, wankenden Einstellungen. Ein Meisterwerk der Farbdramaturgie, wenn bspweise die superheiße Küche grau wie Asche ist und nur punktuell Flammen als Farbkleckse bekommt, während der deutlich kühlere Vorraum in einem grellen Rot glüht. Ein Film der Drastik, der Leichen wie Zierpflanzen der Katastrophe immer parat hält, statt sie unter den Teppich zu kehren. Einzig schlecht gealtert ist das Casting des Schiffskapitäns. Denn: Wer würde heutzutage sein Leben in die Hand Leslie Nielsens legen?
gut +
Während ich am Abend zuvor das Remake schaute, dachte ich bei mir, dass die Hinführung zum Brunnen, in welchem sich Sadakos Leiche befindet, im Original bestimmt etwas eleganter als hier gelöst wurde. Ich war mir aber auch nicht mehr sicher. Die Realität von RING sah so aus, dass die beiden Hauptdarsteller sich in einer Sackgasse befinden und Ryuji (Sanada Hiroyuki) ohne jegliches Indiz dafür mutmaßt: Vll. findet sich die Wurzel allen Übels unter dem Ferienhaus, wo das Video gefunden wurde. Tja. Die fehlgeleitete Ehrfurcht vor dem Original.
Sonnabend 09.04.
großartig –
Da wo der erste Teil noch auf Reduktion setzt, wird der KUNG FU PANDA hier in ein wahres Prachtkleid gesteckt, zeichnerisch wie erzählerisch.
gut +
Bietet Nakatas Verfilmung seinen Protagonisten Plätze ungerichteter Kontemplation, da stellt Verbinskis Remake jeden Moment mit Inhalt und Implikationen zu. Selbst wenn Rachel (Naomi Watts) auf dem Balkon steht und wartet, dann verbeugt sich THE RING kurz vor REAR WINDOW und lässt sie die gegenüberliegenden Wohnungen beobachten. Besonders das Fenster, durch das ein Kind zu sehen ist, das I AM WEASEL schaut. Überall finden sich eben die Kinder, die vor Fernsehern alleingelassen wurden, als gelte es das angstbesetzte Thema der Vernachlässigung mit einem dicken Marker dreimal zu unterstreichen.
Wenn es keine Themen sind, die den Film vollstellen, dann sind es Impressionen. Glossy Kunsthandwerk, das aber auch wieder für Handlung und die angeschnittenen Themen essentiell sind. Ein Baum mit rot leuchtendem Blattwerk auf weiter Flur ist eben nicht nur atmosphärischer Eindruck, sondern zentrales Indiz zur Lösung des Mysteriums.
Tatsächlich mag ich dabei Verbinskis Insistenz auf nasses, feuchtes Unbehagen, das den Film mehr als das Original durchzieht. Ich mag auch das Mehr an Hintergrundgeschichte für Sadako und die sich rätselhaft verhaltenden und sterbenden Pferde. Dann wieder ist diese Version mir ein wenig zu hochglänzend und etwas zu aufgeräumt, in seiner Überladung mit dem immer Gleichen. Es gibt vieles dafür und einiges dagegen.
Freitag 08.04.
großartig –
Für einen Text bei critic.de bekam ich meine Gedanken nicht geordnet. Er fiel deshalb unter den Tisch. Aber es ist durchaus die Stärke des Films aufgeschwemmt und eine motivische Ansammlung zu sein, die all seine Personen und Themen nicht allzu sehr mit Geradlinigkeit einengt.
nichtssagend
Während die Nazis nach der Macht greifen und Europa in einen 2. Weltkrieg ziehen werden, greift Grindelwald als Nazi-Zauberer nach der Macht und wird die Zaubererwelt in einen Krieg ziehen, weil er eine Endlösung für die Menschen anstrebt, die nichts Besseres können als Krieg und Verderben zu bringen. Im Zuge dieser Dopplung wird ein Paar getrennt. Die Motivlage für die weibliche Zauberin nicht nur auf die Seite Grindelwalds zu wechseln, sondern auch ihren Normalo-Ehemann zu verlassen, ist sehr dünn. Sie ist traurig, ängstlich und steht unter Grindelwalds Bann. Der Moment der Trennung ist dann auch ein sehr sachlicher. Die Inszenierung wirkt, als würde in Kauf genommen, dass hier und da beim Publikum Emotionen entstehen könnten, zentrales Anliegen ist es aber nicht. Es ist sprechend für diesen umtriebigen, im Grunde aber phlegmatischen Film.
Donnerstag 07.04.
gut –
Feministisches Essay über Horrorfilme und die sich darin spiegelnde Unterdrückung der Frau, das einerseits sein eigenes postmodernes Vampirdrama erzählt, andererseits mit Godard-Touch die eigenen Überzeugungen per Monolog in die Kamera ausbreitet. Immer mit einem zarten Hauch von Ironie und der Liebe für Grusel … wenn bspweise eine Kellnerin ganz plump nachfragt, um den Vortrag am Laufen zu halten, oder die Kamera unbehaglich ein Kino voller Leute in halbdurchsichtiger Wachsmasken abfährt, statt die Vortragende zu zeigen.
gut
Um die immer noch aufgebrachte Sabrina Z. zu überzeugen, dass es einen kurzen, scharfen, schockenden Film in der Sammlung gibt, habe ich diese Stilübung mit ihr nochmal geschaut.
ok
Bella (Kristen Stewart) geht im Tanktop in einer Schneelandschaft zelten, damit Jacob (Taylor Lautner) mit ihr vor Edwards (Robert Pattinson) Augen kuscheln muss, damit sie nicht erfriert. Dies könnte so eine herrliche Schnulze oder ein soapiges Melodrama sein. Stattdessen interessiert sich der Film mehr für einen Vampierbürgerkrieg, der nicht die Gefühle wallen lässt, sondern lieber versöhnt und die Spannung nimmt.
Mittwoch 06.04.
nichtssagend
Fast eine Stunde wird die übernatürliche Erzählung eines rechten Politikers ausgewalzt, der einen Dämonen wiedererweckt, damit dieser für ihn als Agent Provocateur arbeite – was aber dezent misslingt. Schritt für Schritt wird alles ausbuchstabiert, statt zu raffen und zu pointieren. Dass Sabrina Z. sich im Anschluss von HANGMAN in Rage redete, weil dieser Film eine Schande für denjenigen darstelle, der auf die Idee kam, die BFI-Flipside Kurzfilm-sammlungen SHORT SHARP SHOCKS zu nennen, konnte ich nicht ganz nachvollziehen. Denn nach diesem Film wäre es viel angebrachter gewesen.
gut –
Galgenratten bei einem Lehrfilm für Bauarbeiter. Sechs Unfälle werden gezeigt und es müssen alle Übertretungen der Sicherheitsvorschriften identifiziert werden … weil es aber so viele sind, geht unser Erzähler einfach davon aus, dass wir verlieren. Auf Grund des Auftakts mittels einer unvermittelten Todessturzmontage und Michael Attwell launiger Performance im schwarzen Unterhemd als Henker mit Zorromaske tatsächlich ein kurzweiliges Vergnügen.
Dienstag 05.04.
großartig
Der Machtkampf zwischen Mafiafamilien um die Vorherrschaft im lokalen Drogenhandel wird aus Sicht eines Polizisten gezeigt, der nur am Aufbrausen ist und verdächtig oft an seinem Nasenspray zieht – möglicherweise ist er ja der beste Kunde der Kokainhändler. Vice-Commissioner Belli (Franco Nero) besitzt jedenfalls keine Geduld, um zu überblicken, um strategisch zu handeln, um zu verstehen. Er ist lediglich daran interessiert, das nächste Ziel für seine (Gegen-)Gewalt auszumachen. Die Komplotte und Gegenkomplotte der Mafia sind folglich im Film auch nicht gänzlich nachzuvollziehen. Lediglich stilsichere Gewalt, deren traumatische Folgen und elegante Gespräche voller Vieldeutigkeit stehen als Brocken im Film herum, in denen ein jähzorniger Beamter herumwütet. HIGH CRIME heißt der Film im englischen Sprachraum. Aber nicht das Verbrechen ist high, sondern der Hauptdarsteller. High von seinem mutmaßlichen Drogenkonsum, high von seiner eigenen Selbstgerechtigkeit. LA POLIZIA INCRIMINA LA LEGGE ASSOLVE erzählt deshalb auch nicht, wie der italienische Titel verspricht, von einem problembehafteten italienischen Rechtssystem, sondern ist ein Adrenalin pumpendes Voranjagen in einen Abgrund, der nur von Belli zu übersehen ist.
Montag 04.04.
großartig +
Der zentrale Schachzug, mit dem CINDERFELLA kippt und von einer grellen Komödie zur melancholischen Liebesgeschichte wird, ist ziemlich simpel. Der überdrehte, stotternde Jerry Lewis, der so nervös ist, dass er kaum geradeaus gehen kann, zieht sich plötzlich in sich zurück und ruht in sich. Die Energie des Films kracht damit in sich zusammen und hebelt das Bisherige aus.
Es ist berührend, unerwartet und gibt dem Film, so schien mir bisher, eine Aura des Hingerotzten. Als wisse niemand, wie die Idee umzusetzen wäre, CINDERELLA mit vertauschten Geschlechtern umzuerzählen. Diese Variation des Stoffes läuft aber ebenso ins Leere wie der Aspekt, dass die Stiefmutter und die Stiefbrüder (u.a. Henry Silva) für das Quälen ihres Stiefsohns bzw. –bruders Fellas (Lewis) ihre gerechte Strafe bekommen müssten. Und auch die Agenda des Feen-Paten Fellas (Ed Wynn) führt ins Nichts. Sein Schützling solle für alle von ihren Frauen gequälten Ehemänner eine schöne Prinzessin dazu bringen, ihm, der eben nicht wunderschön ist, nachzulaufen. All die komödiantischen Abläufe, die den Film lange bestimmen, das Grelle und Hyperaktive, das Offensichtliche der Adaption, das Moralische und der Herrenwitz: Es fällt alles ohne Ertrag in sich zusammen. Es bleiben nur Bedenken und Melancholie, wenn Jerry Lewis mit einem Schlag nicht mehr den Kasper gibt.
Dass Fella und CINDERFELLA nicht den an sie gestellten Ansprüchen gewachsen scheinen, ist aber kein Makel des Films, sondern sein schönster Moment. Warum die Bösen strafen? Warum immer grell und spaßig (sich selbst in die Pfanne hauen)? Warum einem Fips Asmussen-Ehe-Witz genügen? Film wie Hauptdarsteller haben da einfach keine Lust drauf. Es macht es nur umso berührender, wenn er sich gegen Liebe, Leben und Abläufe auflehnt, dagegen sonst welchen Ideologien entsprechen zu müssen.
Tashlins sichere Hand für die cartoonartige Komödie und das romantische Finale hält diesen äußerst unrunden Film zusammen. Das Gekonnte und die Verweigerung einer Ausgegorenheit lässt er nicht nur wunderschön aussehen, sondern verbindet sie ohne Zwang und Anstrengung. Sein Sinn für die Medien Film und Comic und deren Verschmelzung sind der abrundende Bogen, gegen den sich der restliche Film sträubt.
Sonntag 03.04.
verstrahlt
Gerade bei den kurzen, äußerst schauerlichen Yellow-Face-Einlagen in den vorangegangenen Jerry Lewis Filmen stand hier Schlimmes zu erwarten. Lewis macht es aber nur einmal, verkappt, und ist dabei ein fürchterlicher US-Amerikaner, der sich völlig danebenbenimmt und dafür eine verdiente Abreibung von seinen japanischen Mitmenschen bekommt.
Tatsächlich handelt es sich bei THE GEISHA BOY um eine seltsame Geschichte, über die Liebe eines japanischen Jungen, der seinen Vater verloren hat, zu einem erfolglosen Zauberer (Lewis) auf Korea-Front-Tournee, der wiederum amouröse Chancen bei dessen Mutter als auch bei einer us-amerikanischen Offizierin hat. Es handelt sich um einen Film, der von Figuren handelt, die sich notorisch verdrücken und doch wieder auf letzten Drücker zur Stelle sind. Oft in Form eines Hasen, welcher der heimliche Star des Films ist – zum Beispiel, wenn er in einem Pool rücklinks auf einer Luftmatratze lümmelt und zunehmend Sonnenbrand bekommt. Aber auch ein Film, der sich nicht vollends für die tränenreiche oder romantischen Potentiale seiner Geschichte entscheidet, sondern mit irrlichternden Komödienroutinen alles zu Aufdringliche und Klare torpediert, um stattdessen ein spannendes, unausgegorenes Etwas zu sein.
großartig –
Auf den letzten Metern werden dann die Grube und das Pendel aufgegriffen. Stimmungsmäßig ist diese Poe-Adaption aber an andere Geschichten des Autors angelehnt, nämlich an die romantischen Geschichten von Wiederkehr aus dem Grab und seine makabren Schuldkrimis. Der Sohn eines Inquisitors (beide Vincent Price) hat seine Frau (Barbara Steele) verloren. Ihr Bruder (John Kerr) vermutet ein Verbrechen. Und so schleicht ein aufdringlicher, vernunfthöriger Qua-Inquisitor durch ein spanisches Schloss und bedrängt die fragile, hochromantische Welt eines fragilen Romantikers. Er ist der Katalysator, der das Zerfließen in bunten Farben und morbiden Lüsten, an dessen Rand diese Gefühlswelt sich befindet, schließlich auslöst. Dabei ist aber auch die Leere deutlich spürbar, die verschämt und schwerfällig versteckt werden soll, statt sie vollkommen zu umarmen.
Sonnabend 02.04.
nichtssagend
Ein Psychopath, ein junger Einbrecher, der Geist einer Frau und ein spitzfindiger Kommissar bilden das implosive Gemisch dieses viel zu langen Films. Wobei Implosion sich schon zu aufregend anhört.
nichtssagend
Der Aufhänger: ein Künstler, der von einem chinesischen Hund träumt und eine Skulptur aus seiner Vision fertigt, nennt diesen ebenso Mingoloo, wie der Drogenhändler, der Kuscheltiere nach Vorlage der Skulptur herstellen lässt und diese zum Drogenschmuggel nutzt, ohne dass es eine empirische Möglichkeit gibt, dass beide den Namen vom jeweils anderen gehört haben könnten. Ein müder Krimi, der müde und ob der ganzen Egalität betroffen macht. Höchstens die Traumsequenzen sind ansehnlich.
gut
Eine atmosphärische Skizze. Eine Frau wird verfolgt und, während sie sich zu Hause in Sicherheit wähnt, von draußen belauert. Es geht auch ein wenig um die Gegenüberstellung des kalten Wassers auf der Straße und des warmen Wassers in der Badewanne. Und dabei ist es wahrscheinlich der einzige der Filme von den beiden BFI Flipside Kurzfilmsammlungen auf die der Name SHORT SHARP SHOCKS passt.
nichtssagend
Weil es wirklich nicht viel über den Film zu berichten gibt, außer dass er ein paar niedliche Tiere und einen tollen Koffer beinhaltet, etwas anderes: Während des Anfangs war ich verwundert, wie wenig der Film 3D nutzt. Als mitten im Film der Akku meiner Brille leer war und der Ersatz auch keinen Saft mehr hatte, schaute ich eben ohne Brille zu ende, wobei mit klar wurde, warum das 3D so nichtexistent wirkte. Nur das Menü der blu-ray war in 3D. Beim Film selbst wurden aber die identischen Bilder an beide Augen gesendet. Wollte ich es vorher nicht wahrhaben, dass die blu-ray einen Defekt besitzt, weil ich mir vorstellen konnte, dass solche Halsschneidereien möglich sind, also Filme ultramieses 3D haben, oder weil ich zu leichtgläubig bin und alles hinnehme, was ich bekomme, frage ich mich.
Freitag 01.04.
gut
Ich habe Lotti Z. (6 Jahre) KUNG FU PANDA einfach vorgesetzt, weil sie ihn seit Wochen partout nicht mit mir schauen mochte. Während des Films ist sie jubelnd herumgesprungen und hat Po angefeuert. Danach habe ich sie gefragt, wie ihr der Film gefallen hat und sie wollte nicht zugeben, dass ich recht hatte. Sie betonte, dass es nur ganz ok war.
großartig –
Das Leben mit Quarantänen, Zoom-Meetings und dem Leben als endlose Klassenfahrt, das Leben mit Corona bzw. an einem Filmset als Pandämonium menschlicher Unzulänglichkeiten in Form von nicht enden wollender Pointen. Wobei selbst die Qualitäten von Keegan-Michael Key oder Fred Armisen perfekt genutzt werden, wo selbst die nervigsten Momente eigentlich doch wieder passen, weil sie schlicht zu dieser Hölle gehören.
März
Donnerstag 31.03.
verstrahlt
Der Film beginnt mit einem Mann, der Eisphallus auf Eisphallus aus der Erde wachsen lässt und das Grün eines zu erobernden Landes zerfurcht. Irgendwann fällt der durchgehend stöhnende Mann in sich zusammen, entkräftet und mit abgefallener Spannung … und die Phallen ergießen sich als Eisklumpenregen über das Dorf, das von ihm angegriffen wurde. Krieg als Sex bzw. Sex als Krieg: selten wurde es so unverschämt dargestellt. Womit FIRE AND ICE dann auch seinen frühzeitigen Höhepunkt erreicht hat. Aber auch wenn in späteren Auseinandersetzungen Subhumans zärtlich über die Arschbacken des Helden streicheln, ist schwer zu übersehen, dass hier wenig Anstrengung unternommen wurde, um einen Porno zum Sword and Sorcery-Abenteuer umgedeutet wurde.
Mittwoch 30.03.
nichtssagend
Am witzigsten fand ich dieses Mal, dass Bella (Kristen Stewart) von einem Vampir gesagt bekommt, dass sie in letzter Zeit immer bleicher aussehe, wo der Film doch ständig versucht, sie möglichst in erdigen, lebendigen Tönen einzufangen, damit sie im Kontrast zu den farblosen Vampiren steht. Ansonsten ist der Wiederstreit zwischen Kultiviertheit und atavistischer Sinnlichkeit, zwischen einem Gentleman und einem halbnackten Autoschrauber etwas enervierend, weil er immer wieder darauf zurückgeworfen wird, dass die Männer Bella vor ihrer Sexualität schützen und Bella deshalb verzweifelt ist, wo der Film doch mit viel besseren Möglichkeiten ausgestattet ist, um verzweifelt zu sein – Leben in der Ewigkeit, Verlust aller Familien, einen zu schwachen Magen für Actionfilme zu haben, dass die schönen halbnackten Menschen so züchtig bleiben. Und vor allem schafft es NEW MOON nicht, den drei Teilen seiner Geschichte einen gemeinsamen Sinn zu geben. Was nicht grundsätzlich schlecht wäre, würde sich der letzte Abschnitt nach vollem Spannungsabfall nicht so unsagbar überflüssig anfühlen.
Dienstag 29.03.
nichtssagend
Während des Zweiten Weltkriegs hielt es jemand für möglich, dass es einen Markt für Krimis gibt, in denen uns Indizien vor die Nase gehalten werden und wir dann überprüfen können, ob wir anhand dieser einen Täter erkennen. Statt einer Geschichte bekommen wir also Aufnahmen, wie jemand Golfschläger auffallend lange im Bild schwingt, damit wir erkennen, dass es welche für Linkshänder sind. Uswusf. Gruselig.
nichtssagend
Der erste Ermittler, der den Zuschauer zu einem Wettkampf des Rätselratens herausfordert, ging wohl zu sehr Richtung Drillsergeant, weshalb uns jetzt ein Kauz zeigt, wie schlau er ist.
ok +
Drastische Lehrfilme – hier verbringen drei Kinder einen sonnigen Tag am Stadtrand und treffen einen Mann, dem sie in eine unbestimmte Zukunft/ihren Tod folgen – mega!
Montag 28.03.
fantastisch –
Bisher kannte ich von Karel Zeman nur CHRONIK EINES HOFNARREN – mal abgesehen davon, dass ich als Kind REISE IN DIE URWELT liebte. Dort, also beim HOFNARREN, ist nur hier und da zu spüren, welchen Einfluss Zeman auf die Animationen Terry Gilliams hatte. BARON PRÁŠIL hingegen ist von einer allgegenwärtigen Künstlichkeit und einem irrwitzigen Gestaltungswillen, der mit Schere, Stift, Schnörkeln und Spezialeffekten wie bei Méliès eine atemberaubend schöne Bilderwelt schafft. Ein Kosmonaut (Rudolf Jelínek) landet auf dem Mond und trifft dort auf den Baron Münchhausen (Miloš Kopecký). Mit einem von Pegasi gezogenen Schiff fliegen sie zur Erde zurück und der Baron der Phantasie zeigt dem modernen Techniker seine Sicht der Dinge. Eine Welt der Geheimnisse und Abenteuer betreten sie … mit exotischen Kalifen, Seeungeheuern und zu rettenden Frauen (Jana Brejchová). Alles was in Europa seit dem Mittelalter die Vorstellungskraft anregte, kommt zu seinem Recht … bevor es die Moderne mit Wissenschaft und Globalisierung erklären wird. Bevor alles mehr an die eigene Realität heranrückt … nur um dann ganz eigene irreale Vorstellungen zu erzeugen. Kurz: Ein sagenhaftes Testament an Gestaltungswille und die Fabulierkunst mit Netz und doppelten Boden. …und ich weiß endlich, wo der Name von Gilliams BRAZIL herrührt.
Sonntag 27.03.
gut +
Zwei gehen in die Lehre eines Kung-Fu-Meisters, um sich zu rächen. Dabei geht es aber weniger darum, sich für die Tat zu stählen, sondern darum flexible Lösungen für die unterschiedlichen Probleme zu finden. Es geht quasi um den Ansatz Sammo Hungs als Filmemacher. Doch WARRIORS TWO ist noch klassisches Kung-Fu-Kino der 70er Jahre. Gerade mit einem Kampfchoreographen wie Hung ist das selbstredend eine Augenweide, nur ist dieses Gewand für seinen Filmemacher noch einengend.
großartig +
Schüler, die einander malträtieren, Lehrer, die Schüler malträtieren, Sportlehrer, die unter der Dusche angeschmachtet werden, die stummen Marker von häuslicher Gewalt, ein aufgebahrter toter Vater, das Arrangieren mit dem Leben/der eigenen Vergangenheit als junger Erwachsener: CHILDREN ist weniger – wie der Titel vermuten lässt – eine kohärente Aufarbeitung von (einer) Kindheit, als vielmehr unchronologisches Panoptikum verschiedener Momente und Stimmungen. Impressionistisches Schwelen in der Zeit trifft dabei auf expressionistische Schock-, Horror- und Erotikmomente. Weder ist die Kindheit dabei Erinnerung, noch ist das Erwachsenenalter ein vielsagender Ausblick auf die Zukunft. Es ist ein ewig gegenwärtiges Schlingern durch ein Leben voller Schmerz und Dingen, die für das Kind schwer zu verarbeiten sind. Unaufgeräumt nebeneinandergestellt, dass sich die Impressionen ergänzen als auch verkeilen. Statt Erklärungen gibt es Fragen, deren mögliche Beantwortungen sich aus dem Film als Steinbruch lösen können.
fantastisch –
Zu den Impressionen aus der Kindheit gesellen sich die Impressionen eines Erwachsenenlebens im Closet. Er sitzt im Büro, bei seiner Mutter oder im Beichtstuhl … und legt gelegentlich die Lederkluft an, um sich in den Straßen herumzutreiben. Die Gegensätze werden dabei im Vergleich zu CHILDREN noch mehr ausgearbeitet, auf expressive Bilder verkürzt und zu einer kontrastreichen Ansammlung zusammengebunden, die jemanden zeigen, der es nicht schafft sich auf einen Nenner zu bringen. Es ist niederschmetternd und ein Akt peinlicher Offenbarung … und von subtilem Humor.
großartig +
Der letzte Teil der TERENCE-DAVIES-TRILOGY akkumuliert ein weiteres Lebensalter. Die Hauptfigur befindet sich nun auch noch im hohen Alter und dort im Krankenbett. Allein und verlassen. Und der Husten, mit dem er sich zunehmend dem Tod annähert, ist gleichzeitig gotisches Horrormoment als auch absurdes Theater.
Sonnabend 26.03.
großartig –
Mitten im Film kam Lotti Z. (6 Jahre) hinzu und fragte, ob das wieder Filme von demjenigen sind, wo die Rakete im Mond landete, also von Georges Méliès. Sie war dann etwas enttäuscht, als ich verneinte. Sie schaute aber mit und war wieder etwas enttäuscht, dass die Traumsequenz so lang dauerte, weil ihre Vorliebe für die Realität im Medium Film ungebrochen ist. Aber die Stunts! Erzählerisch hat SHERLOCK, JR. auch kaum etwas auf der Brust, aber die Stunts und die Ideen, wenn er träumend die Leinwand betritt. Es ist schon schön. Das fand auch Lotti Z.
ok –
Dass im finalen Kampf ein Kinderzimmer zu Bruch geht und keine Stadt, nicht die Welt oder die Realität … und das dabei Thomas, die Lokomotive riesig wird, ist alles schön und gut. Aber das einzig wirklich Tolle an ANT-MAN ist der Pagenschnitt a.k.a. die Dominafrisur von Evangeline Lilly.
Freitag 25.03.
gut +
GLI ITALIANI SI VOLTANO wird hier zur Enttarnung einer Lüge benutzt. Deputy Marshal Bovard (Robert Taylor) schickt die aufgemotzte Waschfrau Selah Jennison (Tina Louise) über die Straße und alle Männer und Maultiere schauen sich wie Cartoon-Wölfe um … nur Johnny (Jack Lord) beachtet sie nicht. Weil er vortäuschen möchte, dass er sie nicht kennt. Wodurch er sich aber selbst überführt, da er nicht Teil der Show aus komödiantischer Notgeilheit wird.
THE HANGMAN erzählt von einem verbitterten Gesetzeshüter, der von einer erotischen Frau aufgetaut wird. Von Leuten, die von allen geliebt werden und die nicht zu gut sind, um wahr zu sein. Von einer schattenreichen Welt, die bei näherem Hinsehen ganz witzig und schön ist. Und Michael Curtiz erzählt es ganz sachlich und wird nur ab und zu absurd und melodramatisch … wovon ein Mehr dem Film besser zu Gesicht stehen würde.
großartig +
Als ich mit ca. 80 Indern – die Zuschreibung der Nationalität ist nur ein educated guess – im Kino war und wir uns RRR in OmU anschauten, liefen deutsche Untertitel, die auf den englischen basierten, welche ungeprüft durch eine Übersetzungssoftware gejagt worden waren. Und so wurde nicht nur immer und immer wieder das Load! Aim! Fire! mit Belastung! Zielen! Feuer! übersetzt, sondern auch Indians mit Indianer. Für einen Text bei critic.de hat die Erfahrung auf jeden Fall ausgereicht.
Donnerstag 24.03.
gut
Jerry Lewis wird über Nacht Vater von drei Babys. Bei dieser Prämisse liegt nahe, dass die tollpatschige Seite des janusköpfigen Talents Lewis‘ zum Tragen kommt. Drei Babys schreien ja förmlich nach Überforderung. Doch ROCK-A-BYE BABY begrenzt die Interaktion der vier fast vollständig auf eine Montage. Stattdessen geht es zuvorderst um soziale und familiäre Situationen, in denen sich die Beteiligten verkennen. Zum Höhepunkt ist es ein Richter, der in einem Mann eben keine Mutter sehen und sich Erziehung ohne weibliches Element nicht vorstellen kann … während Lewis quasi durch die Erniedrigung geht, sich in einem Lehrkurs für Mütter ausbilden zu lassen und dafür Lacher sammelt. Wobei der Film aber nicht auf der Seite der Lachenden steht, sondern einen Mann eben Liebe und Wärme zugesteht. Ein Plädoyer gegen verkrustete Geschlechterrollen wird aufgefahren, das aber ein wenig hier und da ist … und vor allem mehr herzlich als witzig. Die Lücke des Straight Man, die Dean Martins Abgang hinterlassen, wird zum Teil erst gar nicht geschlossen, als müsse nach anderen Möglichkeiten der Komik gesucht werden. Am besten ist ROCK-A-BYE BABY dann auch, wenn Tashlin Lewis Lewis sein lässt und lieber Hollywoodmanager zwischen Dekadenz und Verzweiflung Schnaps aus einem Waschbecken trinken lässt, beispielsweise.
Mittwoch 23.03.
großartig +
Es kracht, es zischt, zu seh’n ist nischts, wollte ich eigentlich im Text verwenden, aber beim Elogieren für critic.de habe ich den Kalauer ganz vergessen.
Und etwas Anderes: Jake Gyllenhaal hat in OKJA kurze Hosen tragend seine Achillesferse offenbart, seine Waden. Und auch hier, sobald er einmal im Los Angeles River vollständig im Bild ist und damit zu sehen ist, dass der charismatische Psychopath von nebenan, der gerade auf Helikopter schießt, auf diesen dünnen Jungswaden steht, dann ist die Wirkung seines Schauspiels kurzzeitig dahin und der grundsympathische Geek kommt zum Vorschein, als den er sich bei Conan-Interviews immer so schön offenbart.
Dienstag 22.03.
gut
Ein Paar macht Picknick an einem lauschigen Seeufer, ein Dämon (die Überreste eines Vaters, der seine Familie ermordete) lauert im Wasser und die Geister der Kinder im Wald um den See. Eine ziemlich schöne Studie über Atmosphäre.
ok +
Weizenfelder, die im Wind wanken und von der Sonne beschienen werden, sowie eine hehre politische Botschaft, die als überdeutliche Allegorie militärischen Faschismus geißelt. Es gibt etwas in THE ERRAND, was eigentlich jeden Film schöner macht, und etwas, dass trotz seiner nicht verkehrten Absichten, jeden Film verschlimmert. Unentschieden also.
Sonnabend 19.03.
großartig +
Eine sehr ambivalente Beobachtung von Modernisierung bzw. über das Vergehen von Zeit und die Veränderungen, die damit einhergehen. Das vergilbte Gelb des Beginns verwandelt sich langsam in natürlichere Farben, und die Diskurse, in denen es ex- wie implizit um vormoderne Zustände und Errungenschaften der westlichen Zivilisation geht, schreiten voran. Überall finden sich aber die Marker dessen, wie ungenügend es aus bestimmten Warten immer noch ist. Nur wenn sich Vater und Sohn vereinen, dann können sie im Tod oder in mystischen Reichen Ruhe finden. THE LOST CITY OF Z, ein bitterer, hoffnungsvoller Film zwischen Fiebertraum und eiskalter Analyse.
Freitag 18.03.
ok
Emily Wang (Maggie Cheung) muss damit leben lernen, dass ihr Rockstar-Ehemann an einer Überdosis starb. Am Heroin, das sie gekauft hatte. Dass sie clean werden und clean leben muss, wenn sie ihr Kind wiedersehen möchte. Dass die Tage des Glamours vll. auf ewig vorbei sind. Es ist einerseits schön wie beiläufig es erzählt ist, ohne großes Melodrama, sondern als eine triste Existenz im Gewöhnlichen, aber ich konnte mit der hyperaktiven Kamera so wenig anfangen wie mit der Tendenz zum Allgemeinplatz. Ein schöner, ottonormaler Indiefilm, irgendwo.
ok +
Die kalten, grünen Farben von TWILIGHT sind wirklich arg gewöhnungsbedürftig. Woran ich mich bei diesem Film über die Erfüllung des Wunsches nach bedingungsloser familiärer und ramontischer Liebe nicht mehr erinnern konnte, ist der Spaß, den er zuweilen macht. Wenn Bella (Kristen Stewart) beispielsweise das erste Mal ihr neues Klassenzimmer betritt, ein Ventilator von hinten durch ihr Haar weht und Edward schnell seinen Mund bedeckt, damit niemand seine erigierten Beißer sieht, wenn also das Klischee der Inszenierung von Schönheit den Raum betritt und ein Junge schamvoll versucht seine Erregung zu verstecken, dann umarmt TWILIGHT seine Absurdität schon sehr herzlich.
Donnerstag 17.03.
ok
Lotti Z. (6 Jahre) hatte eine Vorschau für MALEFICENT gesehen. Ich erklärte ihr, worum es sich handelt und dass es ein weniger grusliger als Disneys DORNRÖSCHEN sein wird. Für ein paar Tage herrschte Ruhe und aus heiterem Himmel wollte sie ihn nun unbedingt sehen. Wir kuschelten uns aneinander und ich habe abermals gelernt, dass meine Tochter mehr Angst vor dem Gefühl von Auslieferung hat als vor Gewalt und Schmerz. Dass Maleficent (Angelina Jolie) die Flügel von einem heimtückischen Freund abgeschnitten wurden, traf sie schon. Mit einem Hauch von Zen meinte sie aber, dass er sie auch hätte töten können und dass sie also ein klein wenig Glück hatte. Sie sah also einen Silberstreifen. Als Maleficent jedoch von eisernen Waffen eingeschlossen ist, gegen die sie hilflos ist, war Lotti kurzzeitig verschwunden. Weil es in der Action keine Erlösung gab, weil es eben noch nicht vorbei war und nach Silberstreifen gesucht werden konnte.
Ansonsten fand ich den Film vor allem nett und in der Hinsicht befriedigend, dass der Film die drei Feen mal so zeigt, wie sie wahrscheinlich wirklich waren.
gut –
Robert Forster spielt einen Taxifahrer und Schuldeneintreiber mit etwas zwielichtiger 80er Jahre-Frisur, der in eine Amateur-Vendetta hereingezogen wird. Nancy Kwan spielt eine Frau, die die Mafiakiller umbringen möchte (u.a. Joe Spinell), die ihren Mann und ihr Kind umbrachten. Der Film lebt von der schäbigen Welt, die unterhalb riesiger Filmplakate existiert. Eine Welt, welche ansonsten keinen Glamour aufweist. WALKING THE EDGE erzählt weiterhin von einem Mann, der sein nettes Wesen ablegen und ein richtiger Mann werden muss. Was bedeutet, dass in der ersten Stunde, solange Robert Forsters Figur eben noch nett ist, unglaublich viel über Dialoge geregelt wird. Von wenigen Schießereien abgesehen, wird nur über die eigene Situation gesprochen. Wenn er dann aber loslegt und die Drecksarbeit für Nancy Kwans Figur übernimmt und zum vollwertigen Schuldeneintreiber wird, wenn es nur noch um Aktion geht, dann blüht der Film auch auf. Weil eben die schäbige Welt von Kriminalität, Prostitution, Armut und Punk surreale Qualitäten entwickelt und einen ganz eigenen, ranzigen Glamour aufweist.
Mittwoch 16.03.
gut
Beim Schreiben über Raging Fire für critic.de habe ich überlegt, dass Donnie Yen ja inzwischen auch schon ziemlich alt sein muss, so lange er schon Filme macht. Dooooonniiiiiiie wird bald 60. Krass.
Sonntag 13.03.
großartig –
Der neue Film vom Nanni Moretti hat mir besser gefallen, als ich erwartet habe. Mehr gibt es beim Perlentaucher.
Sonnabend 12.03.
großartig –
Die Dauerbeschallung mit dem Soundtrack, welche ich zu Hause erleben darf, hat dazu geführt, dass ich ihn inzwischen sehr mag. Und dadurch mag ich den Film dazu irgendwie auch gleich mehr.
fantastisch –
Lotti Z. (6 Jahre) traut sich zunehmend an die etwas härteren Sachen. Nach DAS WANDELNDE SCHLOSS nun noch DAS SCHLOSS IM HIMMEL, gegen die sie sich bisher immer gewehrt hat. Sie rennt zwar ab und zu aus dem Zimmer, wenn es ihr zu viel wird. Aber sie brennt auch darauf, schnellst möglich zurückzukommen. Filmeschauen ist bei ihr eben auch noch physisches Erlebnis.
großartig
Harriett (Lisa De Leeuw) möchte aus ihrem tristen Alltag mit unerfüllendem Gelegenheitssex ausbrechen und sucht deshalb Hilfe bei einer Prostituierten (Lee Caroll), die ihr zeigen soll, wie sie ihre Phantasien ausleben kann. Diese wiederum verliert im Angesicht der sich Ausprobierenden ihren Ekel vor ihrer Tätigkeit und ihren Mitmenschen, sie verliebt sich möglicherweise. Es ist schwer zu sagen, bei diesen beiden, die sich nicht verbal auszudrücken wissen.
Ihre aufeinander gerichtete Bewegung dient dabei als Hintergrund für verschiedene Spielarten von Sex. Nicht in Hinsicht auf Stellungen und Praktiken, wenn doch auch ein bisschen. Vor allem geht es um die Gefühle dabei, die Grade von Tristesse und die diversen Abstufungen von Macht gegenüber den Partnern. Am besten dabei ist Lee Carolls angewiderter Blick beim Kopulieren. Ein Erlebnis für sich. Aber im Ganzen ist dies weniger krasses Exerzieren, sondern eine melancholische Poesie des Fickens.
Freitag 11.03.
großartig +
Statt mit einem Freund nach Europa zu reisen, versumpft James (Jesse Eisenberg) in einem heruntergekommenen Vergnügungspark, um sich das Geld für sein Studium zu verdienen. Seine Eltern erlitten nämlich finanzielle Tiefschläge. Er endet also in der 80er Version einer Carny, in dem die Freaks und Schausteller etwas dezenter daherkommen. Der Ort ist aber dennoch ein Seele fressendes Nirwana. Wäre da nicht die Liebe, das Gefühl des Aufbruchs und alle Möglichkeiten vor sich zu haben, es wäre die Hölle. James und seine Mitmenschen fehlen aber doch die Mittel, um diese Optionen selbstsicher und -bewusst zu ergreifen. Weshalb ADVENTURELAND vor allem peinliche, unbeholfene Momente, Momente voller Ahnungslosigkeit zeigt … auf die nicht herabgeschaut wird, sondern die als Chance begriffen werden. Mit Hauptdarstellern voller Ticks und Hemmungen – neben Eisenberg ganz toll Kristen Stewart. Jugend ist hier eine Anmaßung, aber eine voller süßer Versprechungen.
Und in dieser Aufbruchsstimmung von ADVENTURELAND habe ich nun auch das Phänomen Midlife-Crisis sehr gut verstanden. Weil ich mich anstecken ließ und das Leben noch vor mir wähnte, bis mir schmerzlich klar wurde, dass mich zwanzig Jahre von den beiden trennen. Es spricht, denke ich, für den Film, dass es mir aber erst sehr spät klar wurde.
Donnerstag 10.03.
gut +
Es spricht vll. gegen den Film, dass im Kino vor Beginn mehr Stimmung und Gejohle war, als während ihm selbst. Ich fand ihn aber dennoch ziemlich schön, wie ich bei critic.de versuche zu sagen.
gut
Leider scheint es keine 3D-blu-ray von JACKASS 3D zu geben, weshalb ich darauf verzichten musste, ihn mit Räumlichkeit zu sehen. Ganz sicher kann ich es nicht sagen, aber es schien doch so, dass der Effekt auch nur in zwei Sequenzen wirklich Anwendung fand. Was schade ist, weil ich mit gerade bei ihnen sehr viel Kreativität versprochen hätte. Einem wird entgegen gekotzt, die Leute fallen auf einen zu. Uswusf. In der Form wirkt es aber symptomatisch. Sie machen in ihren Filmen einfach das Gleiche wie in der Serie, ohne es zu variieren.
Mittwoch 09.03.
ok
Eine Art Vorform von THE GAME, bei dem ein nicht sonderlich sympathischer Mann in für ihn seltsam legerer Kleidung in einer fremden Wohnung erwacht und sich die Geschehnisse des Vortags erschließen muss. Ein panoptischer Blick ins London der späten Sechziger Jahre wird dabei geboten, der unsere Hauptfigur bekehren soll und damit konfrontieren, dass er nun erwachsen ist … oder so.
ok
Edgar Allen Poe in der Zeit schlüpfriger sexueller Aufklärung. So könnte dieser gefällige Nichtevent zusammengefasst werden … und es steht ziemlich exemplarisch für die kurzen und meist mittellangen Filme der BFI Flipside Filmsammlung SHORT SHARP SHOCKS, die selten short sind, überhaupt nicht sharp und nimmer mit einem Shock.
Dienstag 08.03.
gut –
gut –
Algernon Blackwood erzählt in LOCK YOUR DOOR und THE REFORMATION OF ST. JULES jeweils eine übernatürliche Geschichte. Einmal von einem Gespensterhotel, einmal von der absonderlichen Bekehrung einer Stadt, die für ihre Casinos bekannt war. Die Geschichten sind gediegen und auch der Erzählton Blackwoods. Am gespenstischsten ist das Setting. Blackwood sitzt bzw. steht in einem Salon mit Kamin. Nur ab und zu nimmt er auf dem ausladenden Ohrensessel Platz, in den ihn die meisten solcher Filme mit einem dicken Buch gesetzt hätten. Und statt das er in die Kamera zum Zuschauer spricht, meidet er den Blick in die Kamera, wie ein schüchterner Grundschüler bei einem Vortrag den Blick in die Klasse meidet. Stattdessen spricht er in den Raum hinein … in dem er doch alleine zu sein scheint. Jedenfalls wirkt es nicht, als wäre diese Bild- und Tonaufnahme für uns gemacht worden, sondern als sähen wir einem Mann zu, der einem Geist Gespenstergeschichten erzählt.
uff
Stanley Baker rezitiert als Edgar Allen Poe THE TELL-TALE HEART und die Inszenierung unterstreicht seine überkandidelte Performance einer geschundenen Seele, wo sie nur kann. In seinen zwanzig Minuten wandelt sich dies von Lächerlichkeit zur Schindung des Zuschauers.
nichtssagend
Singulärer Topmoment dieser Geschichte eines unbeholfenen Spions, der etwas Hilfe von der Resistance braucht, um nicht schon bei der Einreise ins Land von den Nazis erwischt zu werden, ist der, wenn er in sein Abteil im Zug zurückkehrt, nachdem jemand einen Nazi von hinten erstach, der ihn festsetzen wollte, und alle fünf Personen im Abteil haben plötzlich Stichwaffen in der Hand, mit denen sie unbeteiligt spielen, die Männer, die Omas, die Nonnen.
ok –
Die ottonormale Geschichte eines Künstlers, der ein so lebensechtes Gemälde von einem mit ihm verfehdeten Matador malt, dass ihn sein Werk – nach dem Tod des Stierkämpfers – an seiner statt verfolgt.
Montag 07.03.
ok +
Diese Version von RUNNING SCARED wartet mit viel mehr Kalauern und viel mehr Hongkong-Action auf. In dieser Hinsicht ist es also vor allem Business as usual. Nur: Die sehenswerten Action-Set-Pieces gleichen leider nicht das schon ziemlich Entnervende des Humors aus. Eines Humors, der damit zu punkten versucht, dass Karl Maka und Sammo Hung Macker sind, die ihr Umfeld herablassend malträtieren und immer noch einen dreisten Trick in petto haben. Die traurige Erkenntnis dabei: Karl Maka ist kein Billy Chrystal … und in diesem Fall spricht es für Chrystal.
Sonntag 06.03.
großartig
Dieses Steampunk-Heidelberg müsste eigentlich fürchterlich sein. Diese verklärende, kitschige Schönheit. Und doch…
Sonnabend 05.03.
großartig
Kleine, fingergroße Menschen leben hier im Gemäuer eines Hauses. Wenn sie sich in ihrem Alltag beispielsweise Wasser in eine Tasse füllen, dann sieht das seltsam aus. In der Größe reagiert das H2O eben auch ganz anders, die Wasserbrückenbindung wirkt sich viel arger aus. Solche sinnlichen Feinheiten sind noch mehr die Stärke des Films als seine an einer klaren Dramaturgie vorbeischippernden Geschichte. ARRIETTY ist allein in Aussehen und seiner plastischen Wirkung ein Erlebnis.
gut
Was im Text bei critic.de keine Erwähnung findet: Paul Dano ruft in mir intensive, körperliche Abwehrreaktionen hervor. Als The Riddler ist er also hervorragend besetzt.
Feitag 04.03.
gut
Ein Film darüber, wie gut es ist, andere Perspektiven einzunehmen, und darüber, dass überall jemand lauert, der einen fressen möchte. Ein bitterer Lehrfilm sozusagen, aber auch ein knuffiger.
gut
Der letzte gemeinsame Film von Martin & Lewis ist ein Roadmovie. Die Reise durch das ganze Land lässt aber große Teile der regionalen Unterschiede aus, ist dafür aber fast genau so bunt und divergent wie die USA. Diese Ansammlung von Ideen funktioniert dabei mal mehr, mal weniger gut.
Donnerstag 03.03.
großartig –
Es gibt einen sehr unangenehmen Moment in HONDO. Die von John Wayne gespielte Titelfigur ist ein eingefleischter Westerner, der seine Freiheit über alles liebt. Als er kurzzeitig bei der mit ihrem Sohn im Nirgendwo lebenden Angie (Geraldine Page) unterkommt, besteht er darauf, dass sein Hund nicht gefüttert wird. Für diesen soll es keine Abhängigkeiten geben. Wenn er etwas essen möchte, muss er es sich selbst besorgen. Sobald er das erzählt, steht fest, dass Hondo einmal gezähmt wird und zum Mann und Vater der beiden wird, dass er seine Freiheit aufgeben wird … und vor allen Dingen dass es damit symbolisch abgeschlossen ist, sobald dem Hund etwas zu Essen gegeben wird. Während Konflikten mit Apachen wird aber nun der süße, mit allen Wassern gewaschene Hund Hondo aufgespießt vor die Füße geworfen. Die Zivilisierung kann damit nicht mehr friedlich und einvernehmlich ablaufen. Seine Freiheit wird Hondo durch die Umstände entrissen, durch Gewalt und Zwang. Diese Ruppigkeit ergibt im Zusammenspiel mit dem Candygloss dieses schönen Westerns und der Seltsamkeit seiner für 3D entworfenen Kämpfe eine sehr faszinierende Mischung.
Mittwoch 02.03.
gut –
1. Der Bart Poirots bekommt eine Originstory voller Traumata. Er ist bezeichnend für die Batmanisierung unseres belgischen Detektiven, im Guten wie im Schlechten. DEATH ON THE NILE ist so auch nicht im Geringsten daran interessiert, ein Krimi zu sein. Der Aufbau in der ersten Stunde bis zum Mord ist ebenso plump und abgedroschen wie die Entlarvung des Mörders übereilt ist. Erst wenn es darum geht, Gefühle zu zerstören, kommt der Film zu sich.
2. In der zweiten Stunde, nach dem Mord, ist fast alles besser. Vorher: Der Bart als Symbol einer neurotischen Selbstverbergung wird visuell in unbeholfene symmetrische Kompositionen übersetzt. Ägypten besteht nur aus Postkartenmotiven von Pyramiden, der Sphinx und Abu Simbel. Die Außenaufnahmen sind potthässlich. Und vor allem gibt es keinerlei Interesse an den sinnlos herumstehenden Nebendarstellern … und der Dekadenz und Verkommenheit der europäischen High Society jener Zeit. Nach dem Mord: Wie im Vorgänger gibt es wieder diese manischen Aufnahmen von Fensterscheibenclustern, durch die Poirots Verhöre gefilmt werden und die die Leute wunderschön zerreißen. Verhängnisvolle Liebesgeschichten, wohin die Ermittlungen auch führen. Wirkliche emotionale Gravität, wenn der letzte Mord nur in der Eitelkeit eines Übermenschen begründet liegt, der, statt den ihm zu diesem Zeitpunkt bekannten Täter zu entlarven, in weiteren Gesprächen seine Überlegenheit zur Schau stellen muss. Und der sich seines Versagens bewusst wird.
3. Unmittelbar nach der Bart-Originstory springt DEATH ON THE NILE zu einer Steampunk-Version von DIRTY DANCING in einer fiktiven noblen europäischen Blues-Bar. Ärsche werden an Becken gerieben. Schritte werden gegen Gesichter gedrückt. Die Hände streichen über Körper. Ohne Haut zu zeigen, wirkt die erste Hälfte des Films manchmal pornös – für einen Big-Budget-Film des 21. Jahrhunderts. Schaut also diesen Film und zeigt der Industrie, dass ihr mehr davon wollt.
Dienstag 01.03.
gut
Das giftige, potthässliche Grün des Gradings passt erstaunlich gut zur ersten Hälfte, dem Teil des ökologischen Horrors mit einer verwesenden, quasi strahlenkranken Natur. Verfall und Gift sind förmlich zu riechen, der Ekel zu spüren. DARK WATERS ist deutlich gesetzter, würde mit THE CURSE aber ein passendes Double Feature abgeben. In der zweiten Hälfte, dem Teil eines Abnutzungskampfes eines Anwalts mit einem großen Konzern, stört mich dann das Spiel von Kinn und Lippe Mark Ruffalos doch etwas.
Februar
Sonntag 27.02.
großartig +
Ein Film über Glücksspiel, toxische Männlichkeit, Zärtlichkeit und Verdammnis. Ein schöner Film, über den ich bei critic.de mehr geschrieben habe.
Sonnabend 26.02.
nichtssagend
Ein modernes Kreditwesen for Dummies-Lehrbuch, dass die ätzende Absurdität des Ganzen in eine Groteske eins-zu-eins übersetzt, die sich so anmaßend wie der Kram anfühlt, den es porträtiert. Schon die Erzähler (Antonio Banderas & Gary Oldman) sind auf kaum erträgliche Weise cringy provokativ, dass ich nach wenigen Minuten keine Lust mehr auf den Film hatte.
Freitag 25.02.
gut –
Der Heist-Thriller to end all Heist-Thriller. Ein Uhrwerk, in dem jedes Rädchen für den Ablauf wichtig ist. Der Aufbau von LOGAN LUCKY ist dabei virtuos, weshalb er leichtfüßig vonstattengeht. Aber irgendwie läuft es an mir vorbei.
Donnerstag 24.02.
nichtssagend
Der Film eines Regisseurs, der immer wieder beweist, dass er Pointen inszenieren kann. Nur machen es sich Drehbuch und Film unfassbar einfach und bauen eine Front aus normalen Leuten und Karikaturen auf, um die Dummheit der Anderen doof zu machen. Und das auf die einfältigste Art.
ok +
Das Beste: Patrick Wilson – vor allem, als er am Ende seine Ex-Frau trifft und sie ihm erzählt, dass ihr neuer Mann gestorben und er damit der einzige der ständig opferbereiten Eltern des Films ist, der sich wirklich opfern darf. Und Wilson Brian Harper steht da, vor einer trauernden Frau und ihren zwei Kindern, die ihren Mann und Vater verloren haben, und kann sich das Schmunzeln über Minuten hinweg einfach nicht verkneifen.
Montag 21.02.
großartig
Mitten in der Diskussion der 50er Jahre, ob Comics Kinder verderben, macht Frank Tashlin einen Film aus Slapstick, Sex und bunten Farben, der die Realität als Fortsetzung eines Cartoons versteht. Die erfolgversprechenden Ideen sind dabei Träume eines infantilen Autors und Schönheit ist reiner Selbstzweck. Der Kalte Krieg hat bestenfalls das Format einer Folge GET SMART. Statt also Teil der Debatte sein zu wollen, ist ARTISTS AND MODELS einfach blödsinnig und zeigt nebenher auf, wie albern es ist, ernsthaft über die geistige Zersetzung durch Comics zu sprechen.
Sonntag 20.02.
gut +
Privatdetektiv Tom Welles (Nicolas Cage) liebt seine Tochter, sein kleines Baby sehr. Immer wieder wird er und seine Liebe ins Bild gestellt. Wie er nach Hause kommt und als erstes zu ihr geht. Wie er sie hochnimmt und herzt. Dass sein neuster Fall ihm vorführt, dass die Welt ein Sündenpfühl voller Pornografen, Entführer und sexueller Missetäter ist, kommt deshalb wohl nicht von ungefähr. Die Vorstellung, dass es sowas überhaupt gibt, muss ihm schließlich viel Angst machen.
Erzählt wird zudem von der Trope eines Mannes, der, ist der Sündenpfuhl einmal betreten, kein Zurück findet. Der das, was er sieht, nicht einfach hinnimmt, … an dem die Perversität dieser Welt nicht abperlt, der von den Schreckensnachrichten der Welt nicht abgestumpft ist. Stattdessen ist Tom Welles jemand, der einen möglichen Snuff-Film sieht – an ihm ist es, herauszufinden, ob er echt ist, und damit, ob die Darstellerin noch lebt – und in der großen Nicolas-Cage-Show-Manier entsetzt und tief getroffen ist. Der in eine schäbige Welt abtaucht und nie mehr derselbe sein wird.
Joel Schumacher und Nic Cage sind ein tolles Team, um diesen Neo-Noir zu einer großen Show zu machen, die eine wirklich schöne schäbige Welt erschaffen, voller Leute, die noch größere Shows abziehen als Cage (siehe: Peter Stormare), aber irgendwie ist das auch alles vorhersehbar und das, was zu erwarten ist. Gerade der Wahnsinn ist ziemlich normal in 8MM … irgendwie irritierend.
Sonnabend 19.02.
großartig +
Ich bin schon des Öfteren in einem Fahrstuhl stecken geblieben, weil das DDR-(oder sonstwo aus dem Ostblock stammende)-Qualitätsprodukt auf dem Weg zu meinem besten Freund in der Kindheit, der im 8. Stock wohnte, bei zu viel Bewegung zu wackeln begann und irgendwann sich eben aus Prinzip nicht mehr rührte, bis der Hausmeister kam. Springen war schon allein deshalb eine Mutprobe. So wie diese Leute in ABWÄRTS habe ich mich aber nicht verhalten. Also ne. So nicht. Der Film trotzdem oder gerade deshalb super, wie ich versuche bei critic.de zu argumentieren.
großartig –
Die ersten Male sah ich FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT im Fernsehen … bzw. als Videomitschnitt aus demselben. Beide Male fand ich ihn äußerst unterraschend. Vor allem den Teil des Dreigestirns – Mörder im Fahrstuhl/Thriller; Frau alleine in der Nacht/impressionistisch-abstraktes Drama; ein Gesetze überschreitendes Liebespaar/jugendliche Rebellen ohne Grund – den Teil also mit den Jugendlichen fand ich eher unnötig. Aus heutiger Sicht denke ich, dass ich die Synchronisation nicht mochte und nicht goutieren konnte, dass sich diese wie verantwortungslose Idioten benehmen. Dieses Mal mochte ich gerade den beständigen Wechsel des Genres und vor allem fand ich nun das kristallene, tränennasse Licht atemberaubend, dass von Jeanne Moureaus traurigem Gesicht reflektierte.
Freitag 18.02.
ok –
Schon die Actionplansequenz zu Beginn ist von ausgesuchter Hässlichkeit. Weder wird der Film im Kommenden schöner, noch bekommt er all sein ausladendes Figurenarsenal in den Griff … oder die Zuspitzung der vorangegangenen MCU-Filme, durch den sich AGE OF ULTRON in Debatten über Verantwortung und Konsequenzen verrennt, die sich selbstreferenziell nur noch auf dieses Phantasieuniversum beziehen und unglaublich hanebüchen wirken, besonders in dem ernsten Ton, in welchem sie erzählt werden. In seiner scheiternden Megalomanie mag ich ihn aber irgendwie. Besser als das öde Nichts des ersten Avenger-Films.
Donnerstag 17.02.
großartig –
Zuweilen war es ein körperliches Ereignis zu zusehen, wie zwei Taucherinnen in einem Käfig unter Wasser gefangen sind. Ich wollte fliehen. Als Film grundlegender Ängste ist 47 METERS DOWN ziemlich toll.
Mittwoch 16.02.
ok +
ALL I NEED IS A MIRACLE fungiert am Ende dieses netten Horrorfilms, in dem eine Prinzessin in den Fesseln der Tradition gefangen ist, als Hymne der Befreiung. Und ich weiß nicht allzu viel über Jonny Greenwood, aber ich denke schon, dass er es genossen hat, Musik zu schreiben, die die Fesseln der freien Geister darstellt, dass seine Arbeit das Böse zu einem Mike & the Mechanics Song ist.
großartig
Sebastian Rudolph mit einer sensationellen Show als passiv-aggressives Megaarschloch und Maj-Britt Klenke nicht minder toll als Tochter von diesem, die irgendwo zwischen Reh im Scheinwerferlicht und Adaption der Verhaltensmuster ihres Vaters, zwischen Zögern und Ausbruch agiert.
Während Jette (Klenke) ihren Flug nach Südamerika verpasst, wo sie in einem Krankenhaus (oder ähnlichem) ein freiwilliges Jahr zubringen und sich auf die Kopie des Lebens ihres Vaters vorbereiten sollte, sucht sie ihr Vater. Das Prinzip ist einfach. Die Kamera zeigt uns nie, was gleichzeitig an anderen Orten passiert. Entweder passieren die Dinge parallel in den Einstellungen oder sie sind nicht zu sehen. Die Kamera bleibt dabei erst bei Jette und wird an einem Punkt, wo sich beide knapp verpassen an den Vater übergeben. So entstehen mehr oder wenige zwei Bögen und ein paar kleine in der Erzählung, in denen sich die beiden voneinander weg und dann wieder aufeinander zu bewegen und wiedertreffen.
An wenigen Stellen bricht durch, wie sehr das alles konstruiert ist. Meistens gleicht es aber einem Fließen. Unwiederbringlich sind die Momente verloren, sobald sie passiert sind. Immer gibt es Lücken und Unwägbarkeiten. Vor allem ist es aber eine unaufhaltsame Kreisbewegung von Vater und Tochter umeinander, die auf eine Kollision hinausläuft. In wenig definierten Momenten gleitet es meist dahin, nur um dann mehr oder weniger dezent die aufgesammelten Andeutungen und Möglichkeiten zu Konkretem zusammenzuziehen, was meist heißt, dass einer der beiden sich ordentlich danebenbenimmt. Der Film ist dadurch gleichzeitig entspannt und von einem unangenehmen Sozialterror.
Dienstag 15.02.
großartig –
Die junge Ärztin Marie Prieur (Micheline Presle) tritt ihren Job als Nachfolge eines Dorfarztes einer kleinen Gemeinde auf einer Insel an, wobei sie sich in den italienischen Ingenieur André Lorenzi (Massimo Girotti) verliebt. Zuerst scheint der Film davon zu handeln, dass Marie erst die verschlossenen Inselbewohner für sich gewinnen muss, um bestehen zu können. Im zweiten Drittel deutet sich an, dass es die Beziehung zweier Unverheirateter ist, welche die just gewonnenen, konservativ denkenden Mitmenschen wieder gegen sie aufbringt und die Liebe zu einer tragischen macht. Im letzten Drittel wird Marie zwischen einem Mann zerrissen, der möchte, dass seine Frau keinen Job außer dem gemeinsamen Haushalt hat, und der eigenen Angst, alleine auf der Insel zu stranden, mit nichts als ihrer Berufung. Ein Dorf voller Blicke, Ruinen, Kleinstadtklaustrophobie, gorige Notoperationen, Stürme: Immer wieder findet DIE LIEBE EINER FRAU expressive Ausdrücke für seine Melodramen. Und trotzdem findet sich auch in den Bildern die Flexibilität der Geschichte, die beiläufig und unaufdringlichen nicht nach zerreißenden Gefühlen sucht, sondern nach der Melancholie, in seinem Leben weder ein noch aus zu wissen, ohne deshalb nicht weitermachen zu können. Weshalb auch der Schnitt nicht aufeinanderprallen lässt, sondern Raum zwischen die Schicksalsschläge bringt.
Montag 14.02.
großartig
Zur geschmetterten ersten Strophe der deutschen Nationalhymne wird zu Beginn das Niemandsland gezeigt, über das Explosionen und Mündungsfeuer ziehen. Danach fährt die Kamera das niederschmetternde Ergebnis aus Leichen, Matsch und Zerstörung ab. Die Hymne ist dabei nur noch ein Hauch aus Scham und Trauer. Mehr braucht es nicht, um den Krieg als solches darzustellen. Die Schere aus dem Front-Wahnsinn dort und dem Wahnsinn des heimatlichen Kriegseifers ist schnell gesetzt. Und dabei belässt es der Film auch, darauf vertrauend, dass es nicht mehr solcher Standpauken bedarf.
An der Liebe zwischen einem deutschen Soldaten (Maximilian Schell) aus einer würdevollen Militärfamilie und einer Magd aus Flandern (Nicole Berger), die 1914 beginnt und erst ihre Hindernisse überwinden kann, wenn er seine Uniform auszieht, an diesem Liebesdrama ist EIN MÄDCHEN AUS FLANDERN ebenso nur bedingt interessiert. Ihre romantischen und herzzerreißenden Potentiale werden nicht völlig ausgenutzt, weil sie vor allem da ist, um ein Schlaglicht auf das deutsche/imperiale/imperialistische Soldatenleben zu werfen. Ein Leben, dass die Fremde – sei es noch das kleinste Dorf oder die größte Metropole – als Puff versteht.
Frauen, denen ebenso einfach auf dem Arsch gehauen werden kann wie dem Pferd, sind im portraitierten Verständnis Vieh, dass ins eigene Bett gezerrt werden kann. Auf Ehre wird von den Offizieren gepocht, sei es soldatische oder familiäre, aber direkt hinter der Front herrscht eine angeschickerte Karnevalsstimmung, weil mal so richtig die Sau rausgelassen werden kann. In einem Fort benehmen sich Männer, meist die von Rang, wie fröhliche Aasgeier, die betatschen, trinken, vergewaltigen (wollen), die immer einen widerlichen Spruch auf den Lippen haben, die Frauen fern des Heimatlandes wie selbstverständlich als Nutten, als williges Sexding verstehen. Und das brutale an EIN MÄDCHEN AUS FLANDERN ist nicht die Übergriffigkeit, die – von einigen Momenten – abgesehen sehr dezent bleibt, sondern die Festtagsstimmung mit der sie vollzogen wird. Eia popeia, was raschelt im Stroh? und ein schmieriges Lächeln und schon zieht sich einem wieder alles zusammen. Die Liebe ist da, um von diesen dreckigen Fingern beschmutzt zu werden, wie die dreckigen Finger die Liebe schützenswert erscheinen lassen.
Aber, wie gesagt, dies ist kein Film der Liebe, sondern einer der Verachtung. Einer, der melancholisch und mit garstigen Witz diesen Horror passieren lässt, weil nichts dagegen getan werden kann, als ihn mit Nadelstichen bloßzustellen und ihn mit gotischen Schatten, harten Kontrasten und sowas wie dicken Katzen, die bei Kameraschwenks durch ein Haus plötzlich irreal vor der Linse hocken, als Horror verständlich zu machen.
Sonntag 13.02.
(nichtssagend)
Bevor das Streamingportal des IFFR schloss, wollte ich diesen Film noch schnell schauen, der sich sehr interessant anhörte. Es war aber der falsche Film zur falschen Zeit. Ich war nicht konzentriert bei der Sache, während EVERY WEEK SEVEN DAYS nach Aufmerksamkeit verlangte. Sehr schön waren die kontrastreichen, oft fragmentierten Bilder und der Schnitt, der mehrmalig auf kreative Weise Dinge wie die 180°-Regel in Frage stellte, ohne sie einfach zu ignorieren. Nur konnte ich mit den Liebesgeschichten nichts anfangen, die vor dem Hintergrund erzählt wurden, dass ein Atomkrieg möglich ist, dass sich eben damit arrangiert werden muss, dass der Alltag im Angesicht des drohenden Zerstörungspotentials lapidar wirken kann. Sowas kann sehr spannend oder aggressiv (GOOD TIMES, WONDERFUL TIMES) erzählt werden … oder mit einer hysterischen Bedeutungsschwere, die sich an sich selbst aufgeilt, wie hier. Aber, wie gesagt, vll. lag es daran, dass ich einfach an diesem Sonntag nicht für diesen Film gemacht war.
Donnerstag 10.02.
gut
Während die Elite von critic.de durch die Säle der Berlinale jagt, berichtet der Plebs hier über RomComs, die auch einfach so im Kino laufen.
Mittwoch 09.02.
gut +
Theaterschauspieler/-regisseur Kafuku (Nishijima Hidetoshi) und seine Fahrerin (Miura Tôko) sind emotionale Krüppel, die über ihre Probleme nicht sprechen. Die sie wohl nicht mal mitbekommen. Stattdessen fahren sie im Saab durch die Gegend und gehen stur ihrem Job nach. Über Tschechows ONKEL WANJA und Post-Sex-Traum-Erzählungen von Kafukus Frau (Kirishima Reika) dringt die Erkenntnis langsam an sie heran, was alles nicht stimmt. Beziehungsweise bekommt der Zuschauer eine assoziative Annäherung an das Seelenleben der drei.
Der Film trottet im flachpulsigen Rhythmus seiner Hauptfiguren dahin. Wenn bei Tunnelfahrten ihr Tunnelblick klaustrophobisch spürbar wird, wenn sich die Dopplung aus Geschehen und den Erzählungen überschlagen, wenn die abgeklärte Fassade bröckelt, ist DRIVE MY CAR ein sehr schöner Film über emotionale Vergletscherung. Oft ist er aber auch ein wenig gefällig, der sich auf seine geleckte Struktur verlässt und ein wenig zu sehr sich nicht emotional involviert … und damit zu sehr seinen Hauptfiguren gleicht.
Dienstag 08.02.
ok
Filme von Guillermo del Toro empfinde ich im Vorfeld durchgehend als sehr vielversprechend. In der Realität sind sie dann aber ziemlich aseptisch und wollen nichts mit mir anstellen. Sie perlen an mir ab. Bei NIGHTMARE ALLEY kommt noch hinzu, dass ich Bradley Cooper, glaube ich, nicht so ganz sympathisch finde und auch seine wiederholte Besetzung als Schönling nicht verstehe. Am besten ist er, wenn er als sich selbst überschätzendes Würstchen gecastet wird. Tatsächlich macht NIGHTMARE ALLEY genau das, nur ist es Teil eines Twists, der wegfällt, wenn in ihm von Beginn an ein eitler Gockel gesehen wird. So ist die Geschichte nur noch die Erfüllung dessen, was zu erwarten ist. Die Leute trauen ihm über den Weg und ich verstehe nicht wieso. Es ist das größte Mysterium dieser kaum mehr als verwunderlichen Geisterbahnfahrt mit klischeehafter Optik. Nach zehn Minuten hätte er von Clem (Willem Dafoe) zum Geek gemacht werden sollen und das hätte auch gereicht.
Sonntag 06.02.
gut +
Während Dean Martin und Jerry Lewis bei ihrem vorletzten gemeinsamen Film schon lange nicht mehr miteinander sprachen, da Martin das sehr einleuchtende Gefühl hatte, an den Rand gedrängt zu werden (siehe THE CADDY) und Lewis das Problem daran nicht, hat es Martin geschafft. Hier darf er wieder den alleinigen Straight Man – einen männlichen Cowboy – zu Lewis‘ überdreht verweichlichten Städter spielen. Das Ergebnis ist vll. nicht so schön wie YOU’RE NEVER TOO YOUNG, aber es ist ein sehr stimmiger Cartoon mit echten Schauspielern, in dem der tollwütige Hund aus THE POWER OF THE DOG noch das Raw Model ist und nicht-richtige Männer es nur zufällig schaffen, ab und zu in seine Fußstapfen zu treten.
26.01. – 05.02.
International Film Festival Rotterdam
Die Sehtagebucheinträge für die Filme des IFFR, welche ich abends streamte finden sich ausnahmsweise bei critic.de. Die erste Woche findet sich hier und die zweite hier.
Sonnabend 05.02.
nichtssagend –
Freitag 04.02.
großartig –
Donnerstag 03.02.
gut –
Mittwoch 02.02.
gut –
Dienstag 01.02.
gut
Januar
Montag 31.01.
großartig –
Sonntag 30.01.
fantastisch –
Ziemlich schnell ist klar, dass dies eine Coming-of-Age-Liebesgeschichte ist, in der der Jugendliche Gary Valentine (Cooper Hoffman) Alana Kane (Alana Haim), ihres Zeichens Mitte Zwanzig, von seiner Liebe überzeugt und für sich gewinnt. Die Sonne, das wiederholte Aufeinander-zu-Rennen, die leichtfüßige Stimmung, der naiver Quatsch mit Kindern: überschwängliche, erste Liebe und Aufbruch finden sich immer wieder in den Bildern. Aber doch erzählt LICORICE PIZZA die abstruse, etwas weniger selbstzerstörerische Version eines Scorsese-Ehedramas (wie RAGING BULL oder CASINO), in dem eine Frau von einem Alphatiermacho erobert wird und in einer völlig dysfunktionalen Beziehung endet. Gary ist Kinderstar und (selbsterklärter) Hustler, der mit Wasserbetten und Flippern, mit jeder sich bietenden Möglichkeit Geld verdienen möchte. Und Alana liebt ihn und hasst ihn, aber das Alter ist immer weniger die Hürde, sondern der Scheiß, in den Gary die beiden immer wieder zieht.
Währenddessen ist stets spürbar, dass PTA Fan von Thomas Pynchon ist. Denn statt eine geradlinige Geschichte zu erzählen, mäandert er durch das L.A. der späten 1960er/frühen 1970er. Er spielt mit zeitgeschichtlichen Details, TAXI DRIVER-Verweisen, lässt mit viel zu nahen Einstellungen ein Castinggespräch zur mild surrealen Erfahrung werden, lässt reale Hollywoodgrößen fiktive Hollywoodgrößen am Rande des Verlusts ihres Selbst spielen (Sean Penn), baut atemberaubende Autoverfolgungsjagden ein oder betreibt auch bzgl. seines Casts ein sehr erratisches Aufmerksamkeits-management, wenn manche Figuren sich den kompletten Film über im Hintergrund befinden, während manche auftauchen, zwischenzeitlich den Film an sich reißen und genauso schnell auf Nimmerwiedersehen verschwinden, uswusf. Im Grunde ist es die geheime Stärke des klassischen Hollywoods oder Hongkongs zu seiner Hochzeit, die PTA sich nutzbar macht. Das wichtige ist eben nicht das Drehbuch, sondern die Einzelteile. Und da ist LICORICE PIZZA nicht weniger als virtuos. Zumal er es schafft alles so zusammenzuschieben, dass sich die Einzelteile noch verstärken, statt sich die Kraft zu nehmen.
Vll. handelt es sich um Eskalierendes Commitment, weil ich mit Falko B. und Vivien H. extra für die analoge Vorstellung nach Berlin fuhr und es jetzt ja fatal wäre, wenn es sich nicht gelohnt hätte, aber ich bin doch der Meinung, dass es jetzt schon der Film des Jahres ist.
Sonnabend 29.01.
gut +
großartig –
Freitag 28.01.
ok +
nichtssagend
Donnerstag 27.01.
gut +
Mittwoch 26.01.
ok –
Sonntag 23.01.
großartig
Immer wieder gibt es den Blick durch Fenster. Von innen nach außen. Oder von außen nach innen. THE POWER OF THE DOG erzählt von zurückgezogenen, ausgegrenzten, befangenen Individuen, die auf Gruppen starren. Oder von Alpha-Tieren, die auf Aussätzige gucken. Nach Wegen einer Öffnung wird gesucht, nach Möglichkeiten der Anpassung oder Koexistenz … oder nach der bitterbösen Erhaltung des Status quos der allgegenwärtigen Grenzziehung. Es geht um Männlichkeit. Um Westerner und Städter … und deren Lügen. Ebenso geht es um Orte des Rückzugs, in denen die Figuren so sein können, wie sie sind. Oder eben um das Fehlen von solchen Orten, woran sie dann zugrunde zugehen drohen.
THE POWER OF THE DOG erzählt in seinem Western-Kostümdrama virtuos und still von sozialem Stress. Kirsten Dunsts Figur wird zwar etwas schnell ins psychosoziale Delirium geschickt, aber doch ist der Film herzergreifend, weil am Ende die einzige Person, die sich wirklich einem anderen öffnet, die sein wird, die dafür teuer bezahlt. Weil die Schlachtung des tollwütigen Hundes keine Erlösung ist, sondern ein unangenehmer Akt.
Sonnabend 22.01.
gut
So richtig weiß X nicht, wo er hinmöchte. Mal geht es um einen Wissenschaftler, der in einem völlig esoterischen Film an seinen Erkenntnissen und an seinem Vertrauen in sich zerbricht, mal geht es um einen Wahnsinnigen, der im Zirkus Zuflucht sucht und dort zur unwahrscheinlichen Attraktion wird. Pluspunkte sammelt X aber allein schon deshalb, weil er seinen nun röntgenbeaugten Hauptdarsteller auf eine Tanzparty schickt, wo Ray Milland alle seine Kunst in Mimik und Gestik aufbringen darf, da es viel zu sehen gibt.
Freitag 21.01.
gut –
Bei critic.de schreibe ich etwas mehr über diesen Film, der Wong Kar-Wai, Aki Kaurismäki und einiges mehr kombiniert.
Donnerstag 20.01.
großartig –
Insekten und ähnliches. Von sehr nah dran gefilmt. Mehr braucht es eben auch nicht um einen sehr guten Film zu erhalten. Und wem das nicht reicht, der bekommt eine für die Gattung bestimmt schrecklich pfofane Schneckenfortpflanzung, die aber im Vergleich zu allem, was so auf der Welt los ist, an Schmierig- und Sinnlichkeit unüberbietlich ist.
Mittwoch 19.01.
uff
Es gibt eine Szene, in der die drei menschlichen Hauptfiguren frontal vor der Kamera sitzen und ein Handballteam im Fernsehen anfeuern. Es ist ein Offenbarungseid, der hilflose Schauspieler dabei zeigt, die unaufsagbare Sätze rezitieren. Drumherum findet sich ein steifes, noch das offensichtlichste verrätselnde Etwas über eigenwillige Wege mit einem familiären Trauma umzugehen und Zeug.
Montag 17.01.
großartig
Nach dem Abspann kam auf der blu-ray noch die Liste des Synchronteams. Ich machte JALLIKATTU daraufhin nochmals an und stellte auf die deutsche Tonspur, weil ich mir den unfassbaren, durchgehend nörgligen, maulenden Ton des Originals kaum in Deutsch vorstellen konnte. Und so war es auch. Die Synchronisation ist schon eine Entschärfung dieses Frontalangriffs auf Nerven und Mitgefühl.
Sonntag 16.01.
gut
Der Film eines Rückzugs. Einem Rückzug aus der Politik und Machtsphäre. Ziemlich unvermittelt finden wir uns mit Auftakt in einer blutigen Intrige am Kaiserhof wieder. Am Ende sind wir bei einer privaten Gespensterliebesgeschichte angekommen. THE MAD FOX ist dabei betörend schön … aber es ist zuvorderst die Schönheit kunstvoll aufgebauter Bühnen. Es ist eine sehr sachliche, emotional wenig involvierte Schönheit, die sich nicht mit der melodramatischen, zen-erbaulichen Wirklichkeit der Geschichte die Hände schmutzig macht.
Sonnabend 15.01.
großartig +
Dragon (Jackie Chan) ist in der Fortsetzung von PROJECT A – der englische und kantonesische Titel ist unsinnigerweise PROJECT A: PART II; PROJEKT B ist einer der wenigen Titel, wo die deutschen Verleiher tatsächlich dem Original einen Schritt voraus sind – umlagert. Unterstützung: Fehlanzeige – keinen Yuen Biao, keinen Sammo Hung lässt Egoist Chan in seinem Film zu, würde es doch dem heroischen Masochismus im Weg stehen. Stattdessen: korrupte Polizisten, kommunistische Revolutionäre, Agenten der Kaiserwitwe Dogawer, Piraten, Verbrecherbanden, die Kolonialmacht. Sechs Wände kommen auf ihn zu und drohen ihn zu zerquetschen. Doch wie er durch die Umzinglung tanzt und sich mit letzter Kraft dem finalen Luftaushauchen im Griff der Würgeschlange entzieht – und dabei noch einen hoffnungsvollen Vermittler zwischen Honkong und der Volksrepublik spielt – ist schlicht sagenhaft.
ok +
Der wegen Mordes angeklagte Misumi (Yakusho Kôji), der fast den ganzen Film freimütig seine Tat gesteht, wird sie vor Gericht abstreiten. Dabei wird er die Frau des Opfers beschuldigen, dass sie ihn für die Tat bezahlte. Während seiner Aussage wird nur er zu sehen und zu hören sein. Kein Schnitt zur Beschuldigten. Kein entsetztes Aufschreien gegen die plötzlichen Anschuldigungen. Und ich war gänzlich irritiert, weil das zwangsläufig Kommenmüssende ausblieb. Es war einer dieser Momente, wo einem die eigene Konditionierung klar werden kann.
Ansonsten ein Film, dem es darum geht, Sicherheiten zu zerstören. Der einem Anwalt vermitteln möchte, dass er besser bei seinem Standpunkt hätte bleiben sollen, dass Wahrheit etwas für Philosophen ist. Am Ende findet er sich aber in einem herkömmlichen Gestrüpp wieder, in dem jemand ständig seinen Standpunkt ändert und in dem die Wahrheit verloren und unerreichbar ist. Wobei er entweder berechnendes Genie der Selbstlosigkeit ist und niederträchtiger Opportunist. (Wobei schon klar ist, dass er ersteres ist.) Nichts Besonderes … bis auf die eisigen Bilder.
Freitag 14.01.
großartig –
Wilbur Hoolick (Jerry Lewis) tut so, als sei er 12 Jahre alt, weil er nicht genug Geld für ein reguläres Zugticket hat. Durch weitere Komplikationen endet er in einem Internat und muss weiterhin so tun, als sei er nicht erwachsen. Allein diese Ausgangslage macht Jerry Lewis‘ Schtick eines schüchternen, überspannten Mannkindes nicht nur passend, sondern auch erträglich. Darüber hinaus lugt aber aus seiner Version eines Kinds auch ein psychopathischer Lüstling heraus. Die romantische Komödie Dean Martins, in die Lewis‘ Slapstick wellenmäßig eindringt, bekommt so sehr faszinierende creepy Untertöne.
Donnerstag 13.01.
gut
Eine Psychologin (Gudrun Landgrebe) führt Derrick wiederholt Videoaufnahmen von Therapiesitzungen vor, in denen Opfer reden als gäben sie Stichworte für das Drehbuch einer DERRICK-Folge, in der sich die Gerechten gegen den Abschaum der Welt verschworen haben, weil es nicht mehr zu ertragen ist, und vom Täter, der seine Phantasien oft in Träumen auslebt, manchmal aber auch übergriffig wird … und auch sonst kaum ein Problem damit hat, ein Schwein zu sein. Die moralistische Jenseitig- und Zweifelhaftigkeit als alternativloser Plan gegen das Böse der Welt, der sich als gedankenvolle Normalität sehen möchte. Da möchte ich gerne Tapperts Tränensäcke haben, um den würdigen Blick von sprachlosem Entsetzen und Ungläubigkeit zu haben, den die Folge (mal wieder) verdient.
Mittwoch 12.01.
gut
Ich habe schon ein, zwei Mal einen Jerry Lewis-Film gesehen. Dies war aber der erste mit Dean Martin, und von diesen Duo-Filmen der erste, bei dem ich nicht nur nicht sofort weggeschalten habe, sondern den ich freiwillig in den Player legte. Vielleicht liegt es an dieser neuen Offenheit, dass ich nun kaum verdeckt sah, wie einflussreich noch die nervigste Selbstverkindlich- und -vertrashung von Lewis ist. Otto, Jim Carrey, jeder körperliche Humor, jedes Mal, wenn sich jemand wie ein naives, neurotisches Bündel Stress benimmt, überall hat er seinen Stempel hinterlassen. So habe ich nun sehr plastisch erkennen müssen. Trotzdem ist THE CADDY am besten, wenn ziemlich deutlich ist, wie nachhaltig Cartoons auf den Film eingewirkt haben.
Dienstag 11.01.
gut
Eigentlich war mein Plan für den Perlentaucher zu schreiben, dass der Scream-Kosmos inzwischen wie das SLAVE TO THE RHYTHM-Album von Grace Jones anmutet, wie ein Konzeptalbum mit verschieden Versionen ein und desselben Liedes. Kurzzeitig vergaß ich diesen Ansatz aber, weshalb ich in meinem Text nun nur kurz zusammenfasse, warum ich den neuen Teil ganz gut finde.
Sonntag 09.01.
gut –
Zu Beginn ist SCREAM 4 eine völlig durchgedrehte Metabombe. Gegen Ende schafft er noch als Slasher zu funktionieren und tatsächlich etwas emotionale Gravitas zu entwickeln. Dazwischen schafft er es aber nicht aus der Sackgasse herauszukommen, die es ist, inzwischen so verwinkelt in seiner Metaebene zu sein, dass er vor allem absurde Komödie ohne geradlinige Geschichte sein müsste. Er hat viele, viele tolle Ansätze und ist grundsympathisch. Am Ende ist er jedoch für seinen Ansatz nicht wild genug … und zudem lange Zeit kaum zupackend in seinem Horror.
Sonnabend 08.01.
großartig –
Den größten Fehler den der wegen Mordes gesuchte Comanche Todd (Richard Widmark) begangen hat, ist der Verrat an seiner Rasse, als er eine Comanche heiratete und in die Wildnis zog. So könnte zumindest die Argumentation des ihn jagenden Sheriffs gelesen werden. Als er auf einen Treck trifft, der seine Hilfe braucht, um lebend an sein Ziel zu kommen, kann er sich von allen Zweifeln reinwaschen, die noch die größten Rassisten an ihm haben.
Die Anklage des Rassismus gegenüber den nativen Amerikanern ist dabei ein wenig didaktisch. Todd wird als notorischer Mörder eingeführt, der tötet, wenn er nur die Chance dazu hat. Nach und nach werden seinen Handlungen mit guten Gründen unterfüttert. Und auch die den Treck verfolgenden Apachen werden mit Gründen ausgestattet. Die Schuld liegt grundsätzlich bei bigotten Weißen. Die jungen Menschen des Trecks müssen es eben noch lernen und die gelernten Vorurteile abwerfen. Passend endet das alles in einer stocksteifen Gerichtsverhandlung, in der das Gute sentimental siegt.
THE LAST WAGON hat aber nicht nur das Herz am rechten Fleck – von Injuns sprechen eh nur die, die keinen Unterschied zwischen Apachen und Comanchen erkennen können -, sondern ist auch ein toller existentialistischer Western mit einem Jungvolk, dem der Wahn oft sehr expressiv in den Augen steht. Weshalb es um eine handvoll Leute geht, die durch einen Landstrich müssen, der keine Fehler vergibt. Und so legt auch Todd keinen Wert darauf, was andere von ihm denken. Stattdessen tut er, was nötig ist, zu überleben. Die sentimentale Didaktik wird so mit Dreck und bösem Blut ausgestattet, die ihr gut stehen.
fantastisch –
Am 07.01.2022 hat Sammo Hung seinen 70. Geburtstag begangen. Zu diesem Anlass habe ich ihm auf critic.de gratulieren dürfen. Im Text schreibe ich dann darüber, dass in diesem Meisterwerk abstrakter Anordnung hier die Lucky Stars eine A-Team-Persiflage darstellen. Tatsächlich sind in diesem dritten Teil der Reihe alle Referenzen in die Richtung völlig verschwunden. Wahrscheinlich hätte ich TWINKLE TWINKLE LUCKY STARS vor der Veröffentlichung gucken sollen.
gut –
Als Satire auf sich selbst, als Abgesang auf die Unnötigkeit von Fortsetzungen und als Abrechnung mit sich selbst ist das schon sehr treffend. Um das aber vollends Goutiern zu können, fehlt mir etwas. (Zynismus? Verstand? Geist? Ich weiß es nicht.)
Freitag 07.01.
großartig
Hier und da fällt die Fortsetzung etwas auseinander – wenn Sidneys (Neve Campbell) Campus-Leben einfach aus dem Film verschwindet beispielsweise und damit ein zentraler Teil (Timothy Olyphant) viel zu lange untertaucht – aber trotzdem handelt es sich um einen schönen Metafilm über Fortsetzungen und einen effektiven Horrorfilm – die Szene, wenn Sidney und Freundin nach einem Autounfall hautnah über den ohnmächtigen Ghostface klettern müssen, ist wirklich ein schönes Bild dafür, was für ein Terror es sein kann, den inneren Schweinehund zu überwinden. Und es ist sensationell, dass Tori Spelling so viel Humor hat, dass sie in STAB Sidney Prescott spielt, nachdem diese in SCREAM sagte, dass sie in einer Verfilmung ihres Lebens hoffentlich nicht von ebendieser gespielt werde. Und mit Blick auf die damals aktuelle und kommende Fernsehlandschaft ist faszinierend, wie viele bekannte Gesichter sich hier tummeln.
Donnerstag 06.01.
fantastisch –
SCREAM funktioniert als Horrorfilm, als Highschool-Film, als Komödie, als Liebesfilm und fast dezente Metaspielerei. Vll. hätten es ein, zwei Filmtitelnennung weniger sein können, aber das Einzige, was mich immer noch etwas … stört … auf Distanz hält … was ich leider noch mitschleppe, ist, dass SCARY MOVIE, der schon ziemlich nah an SCREAM angelehnt ist, bei mir hier und da aufblitzt, obwohl ich doch diesen viel besseren Film gerade sehen möchte.
Sonntag 02.01.
großartig
Zwischen zwei Actionfesten, die den Film einleiten und beenden, besteht MY LUCKY STARS zuvorderst aus einer langen Fläche aus zottigen Vorkommnissen über ein Team aus fünf notgeilen, herzigen Schanden ihres Geschlechts. Und diese Fläche ist zwanghaft aufgeräumt und grenzdebil albern. Was gibt es daran auszusetzen?
gut
Auf den ersten Blick ist dies ein 90er Jahre-hipper Film über böse Triaden-Chefs (Sammo Hung) und -Mitglieder, als auch Polizisten (u.a. Simon Yam), deren Methoden, von denen ihrer Gegner nicht mehr zu unterscheiden und die durchaus die psychopathischsten Figuren des Films sind. Zwischendrin Doooonnnniiiiie Yen, der als Sohn eines Polizisten ehrbar bleiben möchte. Zumindest ein wenig, bevor er dann doch ganz leicht dazu gebracht ist, moralische Kodize fallen zu lassen und einfach mitzumachen. Daran vorbei geblickt ist SPL: KILL ZONE aber zuvorderst ein melancholischer Film über Väter und Söhne, die alle an ihren Rollen scheitern. Weshalb es am Ende auch keine kathartische Rettung gibt, sondern einen allumfänglichen Untergang.
Sonnabend 01.01.
großartig
In der einzigen Regiearbeit Jackie Chans, in der er Sammo Hung und Yuen Biao neben sich zulässt, finde ich Dick Wei am besten. Eh ein unterschätzter martialischer Künstler, der oft nur da ist, um verprügelt zu werden – so wenig wie er schauspielern darf, wird es vll. an fehlenden Fähigkeiten in der Richtung liegen. Aber egal. In PROJECT A habe ich ihn erst bei der dritten Sichtung erkannt. Als Piratenoberhaupt mit Tätowierungen am ganzen Körper ist sieht er aber nicht nur beeindruckend aus, sondern wie ein unüberwindlicher Berg. Hier hat er den richtigen Kostümbildner gefunden, der seine Karriere beflügeln hätte können.