STB Robert 2016 II
„If my films are messy, it is probably due to the fact that I don’t like to perfect a cinema. The audience must not admire the technical aspects of my filmmaking, like they would a computer or the law of physics.“ (Imamura Shôhei)
Wertung: Ich kann nichts mit Zahlen zur Bewertung anfangen. Deshalb gibt es hier ein System der euphorischen Aufnahme des Films. In Zahlen übersetzt wäre es wohl ungefähr: fantastisch 10,0 – 9,4 / großartig 9,3 – 8,2 / gut 8,1 – 6,8 / ok 6,7 – 5,0 / mir zur Sichtung nichts sagend 4,9 – 3,5 / uff 3,4 – 1,0 / ätzend 0,9 – 0. Diese Skala ist mit der Qual verbunden, Filme in eine lineare Skala zu quetschen. Deshalb hat die Wertung eine Y-Struktur für freieres Atmen. Ab ca. 7.9 kann ein Film eine Wertung der Verstörung erhalten: radioaktiv 10,0 – 9,0 / verstrahlt 8,9 – 7,5. Wertungen in Klammern verweisen auf das ein oder andere Nickerchen beim Schauen.
Legende: Ist im Grunde selbst erklärend. Wenn hinter der eckigen Klammer eine Zahl steht, dann gibt sie die Anzahl der Sichtungen wieder. Je höher die Zahl, desto mehr ist sie geschätzt. Da ich mit Fernsehen und Kino aufgewachsen bin, wo nur gekennzeichnet wird, wenn ein Film nicht in deutscher Sprache läuft, tue ich das schändlicherweise auch. (OmU=Originalfassung mit Untertiteln, OmeU=Originalfassung mit englischen Untertiteln, OF=Originalfassung, EF= englischsynchronisierte Fassung, OZmeU=Originalzwischentitel mit englischen Untertitel) Hinzu kommen die Zeichen ł, wenn der Film gekürzt war, und ≠, wenn ich mitbekommen haben sollte, dass das Format nicht hinhaute.
Das Sehtagebuch von 2012 findet sich hier.
Den ersten Teil des Sehtagebuchs von 2013 findet ihr hier, der zweite hier.
2014 vor Juli steht hier, danach hier.
Die kühle erste Hälfte von 2015 hier, die andere hier.
Die bisherige Hälfte von 2016 hier
to be continued… und zwar hier
Dezember
Sonnabend 31.12.
großartig –
Somnambul haben die Verleiher, wie schon bei DER WACHSBLUMENSTRAUSS, einfach den deutschen Titel des Hercule Poirot-Romans verwendet, auf den MURDER MOST FOUL basiert, obwohl weder das titelgebende Motiv auftaucht, noch irgendwie sonst vier Frauen in den Vordergrund treten würden … wie es ja auch keinen Wachsblumenstrauß gab. Dafür lunzen hier immer wieder Menschen aus Schatten, durch‘s Fenster und sonst wie verdeckt aus dem Hintergrund ins Geschehen. Hach, Stimmung kommt auf.
uff
Ein Fließband der Stars. Eine Folge DRAGNET endlos gedehnt, so dass zwei Ermittler von Interpol endlos Gänge beschreiten, Clubs betreten und Orte aufsuchen, um dort mit einem bekannten Gesicht nach dem nächsten zu sprechen. Ab und zu darf Yul Brunner in die Wüste, um dort Schüsse und Bonmots auszutauschen, und ab und zu darf Terence Young, sicherlich als Bond Regisseur engagiert, auch mal im Bond-Wasser fischen … aber dann geht das Laufen durch Gänge weiter. Immer ein neuer Gang, an dessen Ende nichts wartet als ein Gesicht, dass dem eingelullten Verstand nur einen Gedanken abverlangt: Oh, du auch hier.
Freitag 30.12.
gut
großartig +
Eigentlich ein ganz frivoles Stückchen Film, mit einer allzu biederen ‚Moral‘, die wir zwar nicht beklagen wollen, die aber angehängt erscheint. Der Film ist bunt, poppig, von ansprechender Leichtigkeit, auch in den saloppen Dialogen, und von den natürlichen Jungdarstellern angenehm lässig dargestellt. Amüsant anzuschauen wegen seiner freundlich übergagten Selbstdarstellung der Sexprobleme Heranwachsender. Fand zumindest der Evangelische Filmbeobachter. Was angenehm ironisch ist, da hier ein kirchliches Medium einem Heranwachsenden vorwirft, dass dieser nicht damit umgehen kann, wenn seine große Liebe seine bürgerlichen Ansichten bzgl Liebe nicht teilt, sich nicht binden möchte und lieber weiter promisk mit allen Männern, auf die sie Lust hat, durch die Betten hopst. Der Evangelische Filmbeobachter erwartet von einer Jugend, herangewachsen zwischen Prüderie der (ausklingenden) 50er Jahre und kesser Offenheit der Swinging Sixties, ein bedingungsloses Ja! zu offenen Beziehungen. Mal davon abgesehen, dass es schon frivol ist, die Moral eines der Protagonisten mit der des Films zu verwechseln, ist das schon ein dickes Ding. HERE WE GO ROUND THE MULBERRY BUSH ist aber anders als der Beobachter und statt Lebenswege zu beurteilen, schaut er lieber übergagt, bunt wie zärtlich zu, wie Heranwachsende zwischen Muff in den Gliedern und allgegenwärtigem Sex ihren Platz suchen und dabei trotz aller Tristesse und Unbefriedigung eher lässig bleiben.
großartig
Gegen Ende gibt es eine Autoverfolgungsjagd mit passender Spannungsmusik. Für einen flüchtigen Moment von wenigen Sekunden kommt dabei ein Motorrad ins Bild, auf dem die Fahrenden mehr kuscheln als spannend jemanden verfolgen. In diesem trägt es sich zu, dass sich die Musik mit einem Mal zu ramontischem Schmachten verändert … was wiederrum Finnlay Z. (der zufällig sich vorm Fernseher wiederfand) an dem Abend zu der Anmerkung veranlasste, dass die Musik nun wirklich nicht zu einer Verfolgungsjagd passt. Und so ist ALL CHEERLEADERS DIE ein eigenwillig verlaufender Film, der seinen Highschoolthriller mit Zombies, Hexen und geteilten Gefühlen anreichert … an dessen Grund sich aber eine mitunter unwahrscheinliche Liebesgeschichte befindet, die sich immer wieder etwas verschämt, als sei jetzt nicht der Zeit und Ort, aber umso dringlicher ins Geschehen drängt.
Donnerstag 29.12.
gut –
Es ehrt ASSO, dass er nicht schon wieder eine Spielerkomödie sein möchte, dass er etwas anderes, etwas Seltsameres sein möchte. Der Hang zur Biederkeit, der sich dem Glanz ordentlicher oder (selbstredend besser) wahnwitziger Ideen verschließt, in den muss sich aber erstmal hineingegroovt werden. Hart mitunter.
ok
Die erste Hälfte gleicht einer Variation von DER GEZÄHMTE WIDERSPENSTIGE und die zweite dem Versuch von MIAMI COPS sich den Gegebenheiten in den Kinos, also sich der Flut geharnischter Blockbuster aus Hollywood durch Assimilation zu erwehren. Letzteres, in diesem Fall ein Indiana-Jones-Verschnitt wie aus der Werkstatt von Mike und Tommy, funktioniert aber ebenso wenig wie bei Spencer und Hill, wenn es nicht sogar viel deutlicher Richtung stahl abdriftet. Aber mancherorts ist der Zauber noch zu spüren. Wenn sich Adriano und seine baldige Flamme am Flughafen unterhalten und ein unbeteiligter Passant einfach von hinten in die Szene hineintrübt, ohne das es eine Erklärung gebe, außer dass es einfach wahnwitzig unmotiviert, bescheuert und somit wunderbar ist. Oder die Szene, wo die Dame an einem Gerüst über dem Abgrund hängt und … ach, findet es selber raus. Soviel sei gesagt, ein weitaus schönerer, wilderer, passenderer Schnitt als der mit Kochen, Raumschiffen und Ballett im Weltall.
großartig +
Monte Beckett schickt einen störrisch, widerwilligen Warren Oates mit einer von Rachedurst erfüllten, zornigen Dame (ihre Reaktion auf Berührung lassen Traumata mit körperlicher Gewalt vermuten, laut Küchenpsychologen wie mir), mit einem Pistolerogockel (Jack Nichelson), der jeden seine Macht spüren lässt und einem alten Freund, der vor der Dame ständig mit seinem Hundeschwänzchen wackelt durch die Wüste, auf der Suche nach Warren Oates Bruder. Gründe liegen im Nebel aus Hörensagen und nichts preisgebenden (zu tief der Schmerz?) Bellen. Anders als Godot kommt das finale Schießen, auf das alle zu warten scheinen tatsächlich. Nur, alles, was Western ausmacht, es ist bis dahin, in einem Film voller speckiger Kleider und in dem sich nichts auszahlen wird, längst verweht.
Mittwoch 28.12.
großartig +
Loops und Wiederholungen sind bisweilen tolle Geschmacksverstärker um sich in Tristesse und/oder Räusche einzupendeln. Die Zeitschleife von GROUNDHOG DAY kommt aber mit einem minimalen Sammelsurium von Wiederholungen aus, die als Eckdaten den inhaltlichen Zusammenhalt gewährleisten. Der sich ständig wiederholende Tag ist so ein potentieller, der vom Zuschauer beständig mitgedacht werden muss. Weshalb hier das tatsächlich zu Sehende vll auch weniger von Interesse ist, wie die Potentiale, die er hervorruft. Der real existierende GROUNDHOG DAY ist nur der sichtbare Teil seines Eisbergs. Der Moment, wenn Bill Murrays Phil erkennt, dass er keine Konsequenzen zu fürchten hat und jeden Tag rücksichtslos so gestalten kann, wie er möchte, öffnen den Film. Schnell werden die (kleinen) Eskalationen, mit denen Murray nun seine Tage füllt übersprungen, jedoch abgehandelt, wohlwissend, dass sie im Kopf weitergedacht werden. Die gezeigten wilden Tage des Phil sind jedenfalls minimal im Vergleich dazu, wie sie für mich den Film einnehmen. Aber auch: Der Moment, wenn Bill Murrays Phil daran verzweifelt, dass er nicht von der Stelle kommt, wenn er existentiell verzweifelt und sich beständig das Leben nimmt, öffnen den Film abermals. Denn hier steigt ein dumpfer Schmerz zu den Jungfrauen ins Paradies. Immer das Gleiche, immer dieselben Menschen, dasselbe Wetter, dieselben Filme im Kino und im Fernsehen, dieselben Möglichkeiten … die Enge dieser Welt, die ganze Brutalität von Alltag schlägt hier mit Murrays Kopf auf den Tisch. Und so sind es auch die dämlichsten, kleinen Momente, die beständig wiederholt werden … bis Phil nichts mehr bleibt, als sich den Menschen, den immer gleichen Menschen zu öffnen. Und deshalb ist GROUNDHOG DAY auf zweierlei Weisen ein Wohlfühlfilm. Einmal die Offensichtliche, die wie schon zehn Jahre zuvor in Bill Murrays Herzensprojekt THE RAZOR’S EDGE mitschwang. Das gute Gefühl einen Einklang mit der Welt zu finden, wenn der zynisch gewordene Idealist zum glühenden Stern der Erleuchtung wird. Wenn jemand sich aus der LOST IN TRANSLATION befreit. Aber es brauchte die Gewalt unzähliger nie gezeigter, potentiell endloser Abfolgen von Tagen, in denen Phil nichts mit sich anzufangen wusste, bis er derart verzweifelte, dass er sein Glück im Sein des ultimativen Glücksbärchies fand. Mein Alltag ist bei weitem noch nicht so schmerzhaft und leer, dass ich (solchen) radikalen Lösungen auch nur entfernt nahe stehen würde. Vll eben auch ein Glück.
großartig +
Wagners TRISTAN UND ISOLDE und ein unbestimmter Monolog über unerträglichen Schmerz aus dem Off eröffnen IVANSXTC. Es folgen ungeschliffene, an John Cassavetes erinnernde Szenen, in denen das epochale Leiden an der Welt, welches Wagners Musik noch so marktschreierisch herausposaunte, nur unter der Oberfläche durchschimmert. Die Einzelteile ergeben auch nur ein dramatisches Ganzes, wenn sie von den Zuschauern als solches zusammengesetzt werden … was dann bei einigen Synopsen des Films fleißig nachgeholt wurde. IVANSXTC erzählt von Hollywoodagenten Ivan. Gespielt wird er von einem grandiosen Danny Huston, der seine Figur zurückhaltenden anlegt. Als einen lockeren Gentleman, der jedem seinen Platz bietet, der vor allem anderen an Harmonie interessiert scheint und deshalb jedes Spiel passiv mitmacht, ohne das klar wird, in wie fern es ihn trifft. Er sitzt daneben, während Hollywoodstar und -arschloch Don West (ebenso grandios Peter Weller) von den Oberschenkeln seiner Freundin (fast von ihrem Schritt) kokst. Er geht mit einer Dame auf den Balkon, als eben dieser Don West befiehlt, dass sie ihm einen blasen möge. Er scheint seinen Spaß zu haben, aber er bleibt ein Schatten. IVANSXTC beginnt nach Ivans Tod und es scheint klar zu sein, dass er an seinem exzessiven Lebensstil und den vielen Drogen gestorben ist. So war halt Ivan! scheinen die meisten zu sagen und schreiben damit an dem Drama mit, dass IVANSXTC eben nicht sein will. Denn nirgends ist dann, wenn die Ereignisse vor seinem Tod zu sehen sind, Exzess um Ivan, nur Passivität. Party, Sex und Drogen geht er nach wie einem Bürojob. Erst nach einer Krebsdiagnose schert diese so Kraft raubend erscheinende Ruhe in seinem Leben aus, erst dann nimmt er jedes Mittel und jede Droge im Haus und lädt die Prostituierten ein, weil er um sich vll nichts anderes mehr hat als die Leere. Keine bittere Abrechnung mit Hollywood drehte Rose hier außerhalb dieses Systems, dass ihn verstieß, sondern eine wehmütige, unbestimmte. Eine amorphes Ding voller Lücken, wie Ivans Ekstase.
Dienstag 27.12.
gut
Mickey Hargitay grinst sich durch den Film und Jayne Mansfield ist ganz Frau. Dazu werden diverse Monster und Zaubereien aufgefahren. Wenn die Hydra in DIE LIEBESNÄCHTE DES HERKULES dabei wie aus der Geisterbahn aussieht, dann ist das egal, weil der Zauber des Kinos auch bei DOGVILLE aus einer Bühne, auf der die Umrisse der Bauten mit Kreide nachgezeichnet wurden, eine eigene Welt machte.
gut
gut
Die hohe Kunst eine Frau beim Ausziehen zu filmen, aber dafür zu sorgen, dass sie immer noch/wieder etwas an hat.
gut
Das Prinzip von GOODNIGHT WITH SABRINA noch verschärft. Frauen beim konstanten Anziehen filmen, aber dabei dafür zu sorgen, dass sie immer fast nackt aussehen.
ok –
Montag 26.12.
gut
Robert Morley spielt seine Paraderolle als Adliger und Großkopferter, der mit klagevoller Dreistigkeit und gewitzter Arroganz, seine Vormacht über seine Mitmenschen nicht mal behauptet, sondern schlicht als gegeben präsentiert. Und ein Film mit einem solchen, wenn auch etwas mit Handbremse aufspielenden Morley kann nicht schlecht sein.
großartig +
Die Liebe ist ein rauschender Abgrund. Ein aus der Zeit gefallenes Verlangen, dass sich durch die sozialen Realitäten frisst und aus lockeren Familienurlauben im Süden verrottetes Fleisch werden lässt. Ein traumatisiertes Kind, ein Vater, der über die Darstellungen des Bösen referieren wird und der seine verlorene Frau zu ersetzen scheint, ein Kindermädchen, das den Vater liebt, sie werden Teil eines gotischen Horrorbildes, das in dem italienischen Ort, an denen Vater Urlaub mit Arbeit verbindet, in einer verfallenen Villa hängt. Trüb, fahl sind die Farben dieser altmodischen Gruselgeschichte, die aber von einer Liebe mit grausamer Intensität erzählt. Beschaulich schummert die Geschichte dahin und macht aus etwas so blumigem wie der Liebe einen reißenden Strom aus Feuer.
fantastisch –
Als ich L’ECLISSE zum Jahresauftakt sah, war das nicht mehr der zarte, feinfühlige, diskrete Film, der mich vor Jahren verzaubert hatte. Penetrant war er und vor allem neurotisch. Der neurotischste Film, den ich je gesehen hatte vll. Ein Lob der Neurose gar. Das Trennungsballett zu Beginn, wenn Monica Vitti und Francisco Rabal sich in den Einstellungen positionieren, in diese bedeutungsschwanger hereinlaufen bzw. diese verlassen – um ihren Beziehungsstatus auszudrücken – es verdeutlicht weniger die Gefühle der beiden, als dass sie diese dramatisch aufführen. Für einen potentiellen Zuschauer. Die Figuren von L‘ECLISSE werden dies auch in der Folge so weiter betreiben, wenn auch einen Tick weniger expressiv. Besorgt um die Wahrnehmung ihrer selbst durch andere, inszenieren sie sich zwanghaft. Ihrer Oberfläche den Eindruck von Tiefe verleihen, dass ist ihre erste Sorge. Auch wenn da vll nichts ist, außer Sorge, Angst und Leere. Und L’ECLISSE funktioniert genauso wie seine Figuren. Jede Einstellung, jede Kamerabewegung, das Licht, die Ruhe, die Leere der Bilder, alles ist zwanghaft inszeniert. Alles bleibt Oberfläche. Beinharte Zärtlich- und Feinfühligkeit aus einem monströsen Willen nach zartem, feinfühligem Wirken erwachsen. Antonioni und seine dargestellten Leute, ein Wunder an wunderschöner Verkrampfung, das auf den ersten Blick wirklich wie gehauchte Nonchalance wirken kann. HEROIC PURGATORY ist aber auch ein Anwärter auf den Thron … den Thron der Neurose. Sämtliche Einstellungen drängen die Leute darin an die Ränder, zwängen sie in abstrakte Gefängnisse der Schönheit, der Leere … Gemälde irgendwo zwischen René Magritte, Yuan Ma und Kubismus. Leere weiße und schwarze Flächen sowie verformte Räume halten ihre Leute als Geisel. So unbestimmt die Geschichte fließt, so sehr sind die Bilder Ausdruck von durch geistige Zwänge verhärtete Muskeln, die ihre Körper einsperren. Wen sie gefangen nehmen? Fassbinders DIE DRITTE GENERATION … ohne Hysterie, dafür in einem Meer aus Paranoia. Oder anders. Vor langer Zeit habe ich eine Doku über die Black Panther gesehen. Ganz hilfreich war sie dabei, die bescheidenen Anfänge zu verstehen. Was dann im Laufe der Zeit tatsächlich geschieht, bleibt aber grobes Ahnen. Dafür bekommt der Zuschauer aber ein sehr plastischen Eindruck darüber, in welche Paranoia COINTELPRO, also die systematische Unterwanderung und Überwachung durch das FBI die Beteiligten stürzte. Nur noch Ahnungen blieben, wer wen verraten hatte, wer standhaft geblieben war. Jeder wusste Geheimnisse, hatte Dinge gehört und seine eigenen Theorien. Ein Hort von Anschuldigungen und Reinwaschungen. Und ebenso verfolgt HEROIC PURGATORY eine linke Terrorismuszelle quer hüpfend durch Zeit und eine immer schwammiger werdende Realität. Wer ist der Spion? Gibt es einen? Wem kann getraut werden? Strategien und Gegenstrategien stets im Verhältnis zu Ahnungen und stalinistischen Anschuldigungen. Keine Antwort. Nur Leere und Gefängnisse. Aber die Verunsicherung geht noch weiter, weit in die Familien, so dass irgendwann nicht sicher ist, ob die eine Frau die Geliebte des vermeintlichen Hauptdarstellers ist oder vll doch dessen Tochter, irgendwo unter psychotischen Weltwahrnehmungen verschüttet. Ein komödiantischer Sumpf aus Angst, Lust und Verwirrung ohne Greifbares, der sich in Zellen knochiger Abstraktion rettet, um etwas Sicherheit zu finden … und die ihre Schönheit im Zwanghaften finden.
fantastisch –
Keuschheit ist in SCHOOL OF THE HOLY BEAST eine Farce. Der Sex dringt aus allen Poren. Ob es nun die Geißelungen des eigenen Fleisches sind, die Bestrafungen der Novizinnen oder die heimlichen Auslebungen der Lüste, die Keuschheit ist nur ein Damm, der unweigerlich brechen wird. Das christliche Kloster ist dabei der Hort für ein Märchen, wo höllische Priester mit Penissen strafen oder eben jeder Blutstropfen auf leuchtenden Rosen die Romantik des Ganzen noch unterstreicht. Denn dies ist kein Stück Exploitation, bei allen Racheplots und nackten Körpern, sondern ein dunkel-romantischer Traum von Lüsten und menschlicher Nähe, wo diese nicht möglich sind und von Dornen und Peitschen tormentiert werden. Ein Traum von Liebe im Abgrund von Niedertracht. Ein rauschender Film, der aber auch für Jux und Dollerei Platz findet, wenn beispielsweise dufte Typen heimlich ins Kloster zu Besuch kommen.
Sonntag 26.12.
großartig –
War der erste Teil ein geradliniger Punkrocksong mit drei Akkorden, wandelt Evans THE RAID bei der Wiederkehr in einen Zitterrochen, der sich durch die indonesische Gangsterwelt schlängelt und mit seinen Stationen durch Gefängnisse, Undercovereinsätze, schäbige Pornoproduktionen und Ehrenkodexe um etwas mehr Komplexität bemüht ist. Die Verschränkung des Systems des Verbrechens mit der offiziellen Welt, über die Korruption der Polizei hinaus, kommt zum Vorschein, als das Gleichgewicht bröckelt. Ein nach Anerkennung gierender Sohn möchte seinen Vater als Syndikatsvorstand beerben. Zwei Ansätze stehen mit den beiden gegenüber. Die eskalierende Gewalt des Sohnes gegen die Ruhe des Vaters, der es sich mit niemandem mit Macht verscherzt und seine Gewalt nur dahin lenkt, wo er sie sich leisten kann. Rebellion und Chaos gegen Sicherung des Status Quo. Rama wähnt sich derweil auf einem Rachefeldzug und landet zwischen den beiden. Die nunmehr auch in wilden Plansequenzen vorgetragenen Schlägereien, die weiterhin eine Achterbahnfahrt auf menschlichen Körpern sind, bringen aber keine Lösung im Kampf gegen dieses System, weil es logisch mit jedem beseitigten Gangster schon den nächsten bereithält. In GEVATTER TOD erzählt Terry Pratchett davon, dass es doch etwas gibt, das schneller als das Licht ist. Nämlich die Monarchie. Wenn ein König stirbt, ist der Nachfolger schon an der Macht, ohne das Zeit vergangen wäre. Ähnlich ist es hier. Bei aller Preisung vom Handeln, hier eben mittels Schlägereien um Lösungen zu erhalten, ist THE RAID 2 vor allem hoffnungslos, ob fehlender Lösungsmöglichkeiten.
Sonnabend 24.12.
großartig
Ein nobler Priestersohn, der eine militärische Expedition zur Niederschlagung einer marodierenden wie massakrierenden Apachenbande anführt, fragt sich nach geraumer Zeit und nach dem Anblick von diversen brutal getöteten wie gefolterten Menschen mit Tränen in den Augen, wie diese Wilden zu ihren barbarischen Taten fähig sein können. Robert Aldrich setzt diesem ein klassisch desillusioniertes Raubein (Burt Lancaster) gegenüber, der wie ULZANAS RAID nichts mehr für Kram übrig hat. Ein knochentrockener Film, der eine Abenteuergeschichte erzählt, aber irgendwo im Staub der Erschöpfung weint. Denn es braucht nicht die Einstellung von Soldaten, die einen toten Apachen noch mit ihren Dolchen gnadenlos zerschlitzen, es braucht nicht ihre blutunterlaufenen Augen voll Wahn und Hass, um zu verstehen, dass das Problem nichts mit Indianern und zivilisierten Weißen zu tun hat, sondern mit Leuten in gesellschaftlichen wie existentiellen Stresssituation. Und es bleibt nur das hilflose wie heroische Kopfschütteln von einem Mann vor einer Lawine. ULZANAS RAID auch ein schöner Film über das hier und jetzt, irgendwo.
Donnerstag 22.12.
großartig –
HÄNSEL UND GRETEL mit einer der verbiesterten und sensibelsten Töchter der Filmgeschichte, die dermaßen auf Krawall gebürstet ist, dass sie damit beständig dafür sorgt, dass sie und ihr Bruder immer wieder alleine und verlassen im Wald enden. Einerseits ein märchenhafter Horrorfilm, der in sagenhaftes Licht getaucht ist und von dem die Atmosphäre eines weltvergessenen Sommerabends ausgeht, der damit aber quer zu der Kälte zwischen den Leuten inszeniert ist … zumindest solange nicht die Kälte des Heims der Kinder (das sie den ganzen Film nicht betreten werden) einem alles abfrieren lässt. Dann aber auch eine orientierungslose Studie zwischen Härte und Zuneigung, zwischen Entfremdung und wohlfühlender Beobachtungen von Annäherungen. Ein bisschen wie das Leben, vll. Und ich habe seit dem Film die unbestimmte Angst, dass zwei meiner Stiefkinder, die den beiden Kinderfiguren durchaus ähneln (können), mir Chlorreiniger in meine Thermoskanne tun… vor allem, weil sie tatsächlich wieder den Film ab unterschiedlichen Zeitpunkten bis zum Ende mitschauten. Irgendwie mögen sie die Berliner Schule, scheint‘s.
gut
Eine liebreizende Komödie darüber, that there should be no hanky panky between the sexes, also über eine kunterbunte Verklemmung in den oberen Rängen der britischen Marine. MURDER AHOY möchte aber eben auch ein Krimi sein, wo doch mehr hanky panky sein müsste. Für mehr hanky panky, immer.
Mittwoch 21.12.
gut –
Zwei Seiten hat PATERSON. Einerseits ist da dieser ruhige, kontemplative Film, der wie Paterson (Adam Driver) im Bus sitzt und die vorbeifliegenden Menschen gerade nicht in der Hysterie beobachtet, sondern ihnen ein Platz gewährt, wo sie ruhig von dem erzählen können, was sie bewegt… und von Quatsch. Und dann ist PATERSON aber auch ein Film, in dem Männer beständig ihre Beziehungen (mit dem anderen Geschlecht) oder deren Unmöglichkeit bejammern … oder wie im Fall von Paterson, diese mit leidenschaftsloser Geduld ertragen. Seine Ehe kommt ohne jeden hervorbrechenden Konflikt aus und ist von einem Verständnis erfüllt, wie von einem geduldigen Erwachsenen zu einem hibbeligen Kind. Wenn nur Frauen und das Digitale nicht wären, dann wäre die Welt noch in Ordnung schwingt zu einem erheblichen Teil durch PATERSON, einem Film der zu gleichen Teilen aus Staunen und dem unterschwelligen Selbstmitleid eines Barbesuchs zu bestehen scheint.
Dienstag 20.12.
gut +
Die Exposition: Ip-Man (Donnnniiiiiiieee! Yen) ist ein ganz weiser Kämpfer, der sich selbst von großmäuligsten Schlägern nicht provozieren lässt und ihnen erst mit Großmut und dann mit virtuosen Schlägen eine Lehre erteilt. Ein Heiliger ist in der ca. ersten halben Stunde vom Himmel gestiegen. Buddha oder Jesus, der nur etwas seine Familie vernachlässigt, dafür aber eben mit den Knochen seiner Gegner spielen kann, wie John Coltrane mit dem Saxophone. Und als das geklärt ist, kommt mit einem Schnitt der Schatten. Keine großen Umwege werden gemacht. Schrift über nunmehr graue Bilder, eine Erzähler der vom Einfall Japans kündet und von den Nöten der Bevölkerung. Ähnlich wie FIST OF LEGEND veranlagt, geht es mit einem solchen Vorgehen aber nicht um Verständnis und Frieden, sondern um einen Krieg, in dem selbst der weiseste unter den Lebenden rasend vor Schmerz gegen der Japaner losschlagen muss. Eine Wanne Pathos, die aber durch die von Sammo Hung inszenierten Kämpfe durchaus ihr Quietscheentchen hat.
gut
Ein heruntergekommener Samurai hat 30 Versuche einen Jungen, der seine Mutter verloren hat, zum Lachen zu bringen… sonst muss er Seppuku begehen. SAYA-ZAMURAI ist eine Sketchparade eben dieser 30 Versuche, in denen der lakonisch hinnehmende Samurai, seine störrische Tochter und zwei Wärter nach einem Weg suchen, Lachen in eine depressive Welt zu bringen und Selbstwert in ihrem eigenen Leben zu gewinnen. Mit kaum Zähnen im Mund und Orangen auf den Augen sind die Versuche existentiell lächerlich. Keine großen (Ent-)Würfe, sondern, egal nach wie vielen Tagen, komplett spontan und ein bisschen kläglich. Dafür mit Herz und im vollen Glauben mit Mumpitz doch noch etwas bewegen zu können. Ohne große Dramaturgie wird dabei immer mehr aus dem Zentrum in die Peripherie verschoben. Sprich, wir sehen bei den ersten Aufführungen die tatsächlichen Sketche vor dem Jungen, aber immer mehr rückt die Konzeptionsphase in den Fokus. Was tun? Absurd wie wohlfühlsam wird so ein kleiner Kampf gegen eine kalte Welt gezeigt.
Sonntag 18.12.
gut +
Eine Herrscherin, die denkt, sie sei verflucht und unfähig zu lieben, möchte blutige Weissagungen erfüllen, um ihren Fluch zu lösen. Doch ganz romantische Fabel, die MACISTE IM LAND DER ZYKLOPEN ist, lässt die Liebe sie von ihrem garstigen Sein abfallen. Mitten im zart-rosendornigen Netz aus Intrigen und Gefühlen: Gordon Mitchell. Ein Maciste wie eine Statue … der am Strand schläft, sich aber nicht den Sand gönnt, sondern sich wie zusammengebrochen auf einen Fels nieder gelegt hat. Die Epik des Ruhens. Doch mit neuer Kraft wird er sich durch das Abenteuer arbeiten, verbissen bis langsam schauend und nur wenn Kinder auf seinem Arm sind, wird er lächeln, als ob das Glück nicht nur möglich ist, sondern immer schon in ihm geschienen hat.
großartig –
Agatha Christies Version von TAGEBUCH EINER KAMMERZOFE. Nur das die Kammerdienerin mit Miss Marple (Margaret Rutherford) etwas schrulliger besetzt wurde. Und so wird das Portrait eines zugeknöpften Haushalts mit seinen Untiefen, vor allem ein spaßiges. Ach, diese oberen Zehntausend mit ihren Schrullen und perversen Verklemmungen … gipfeln hier in einem neunmalklugen Kind, das ob der Späße des Lebens weiß, aber noch in körperlicher Unschuld auf diese herabschaut. 5Uhr Tee für die Seele.
großartig
(gut +)
Eine Affäre, zu Beginn. Beständig unterbrochen durch Verhöre. Mathieu Amalric mag die (frühe) Nouvelle Vague, zerschnetzelt seine statischen wie beiläufigen Impressionen von Sex, Gesprächen und Vertuschung und füllt sie mit einer Materialisierung des schlechten Gewissens an. Nur das er sich in einer vagen Zukunft, die nur in Splittern gezeigt wird, als Hauptdarsteller gleich für einen Mord mit rechtfertigen muss. Irgendwann ist die Affäre nur noch eine Erinnerung. Bleiben tun nur Anschuldigungen, Sprachlosigkeit und ein schlechter Nachgeschmack.
Sonnabend 17.12.
gut
Siebzehn Jahre nach DIE BLONDE CHRISTL räumt DER GEIGENMACHER VON MITTENWALD auf. Keine düsteren Gentlemen mehr, keine Urviecher, keine herzzerreißenden Dackelblicke. Es bleibt die Geschichte einer Liebe, die kurz vor Schluss dann doch mal ernsthaft bedroht wird. Ansonsten schlängelt sich die Romanze durch leichte erzählerische Verzierungen, die bedacht jedem seine Ruhe lassen und nur kleine Problematiken bieten. Rudolf Schündlers Inszenierung geht diesen Hauch von Nichts jedoch wie einen Epos an. Weiten und Abenteuer wehen durch die Bilder … die dann doch wieder nur den Mief bebildern. Ein Bettler in Königskleidern. Und das Beunruhigenste daran ist, dass die 20-jährige Ingeborg Cornelius sich in den jungen Geigenmachergesellen verlieben muss, der von einem 55-jährigen Paul Richter gespielt wird, und den alten Geigenmachermeister heiratet, dargestellt von einem 57-jährigen Willy Rösner … auch wenn der Film im 19. Jahrhundert spielt, bekommen wir hier einen Eindruck von einem Deutschland nach dem Krieg … ein Land in dem junge Frauen ihre Liebe und ihr Leben den Greisen schenken mussten. Aber vll traf es ja den Geschmack der ein oder anderen. Wie es hier aber nicht ausgesprochen wird, als ob das wirklich ein junger Mann wäre, das ist schon wieder sehr traurig.
nichtssagend –
Captain America ist ein Idealist und Tony Stark ein selbstgerechter Dick. Beide sind zudem Dickköpfe und geraten aneinander. In gut ausgeleuchteten, niemals irritierenden Bildern wird dieser allbekannte Kampf dokumentiert, der einem als großes Epos verkauft wird. Was in einer Zeit, in der gewählte Präsidenten und Flüchtlinge und sonst was, die Nationen spalten, in keimfreier Selbstreferentialität erzählt wird, als ob es wirklich nichts mit dieser Welt zu tun haben möchte … bei allen Bekundungen von Realismus. Und immer mehr Figuren tummeln sich durchs Geschehen, weil ja eine fortlaufende Geschichte erzählt wird. Die aber eben immer das Gleiche erzählt. Neu heißt in diesem Fall scheinbar schlicht, dass sich neue Gesichter zu den altbekannten mischen. Und außerdem hatte CAPTAIN AMERICA in seinen Auftritten immer die besten Gegner seines Universums, nämlich Hydra. Doch statt Übermenschen und informatischer Paranoia wird mit biederer Denkerfalte nunmehr über die eigene Verantwortung meditiert … zumindest oberflächlich, aber im Grunde geht es um die scheinbar weltbewegende Erkenntnis, dass Captain America ein dickköpfiger Idealist ist und Tony Stark ein dickköpfiger Dick.
fantastisch –
Sehr schön ist auch wie Zehrfeld das spielt. Penetrant steht ihm die Erkenntnis ins Gesicht geschrieben, aber wahrhaben möchte er diese trotzdem nicht und wischt sie beständig weg. Vll hat er, nachdem Nina Hoss‘ Figur gegangen ist und der Film endet, sich auch gewundert, was mit dieser komischen Frau los ist, die er da aufgelesen hat. Und so desillusionieren sich diejenigen, die ihre alte Welt wiederhaben möchten, weil sie mit ihren Versuchen diese zu erreichen nur erkennen müssen, wie diese mit jeder Menge Phantasie gefugt war, während die anderen nicht mal anerkennen wollen, dass überhaupt irgendetwas passiert ist.
Freitag 16.12.
großartig +
Ein Melodrama hat den Actionfilm A BETTER TOMORROW 2 als Geisel genommen. Grob recycelt John Woo zwar die beiden Gegenbewegungen des ersten Teils (siehe unten irgendwo), aber da das Familiendrama wegfällt – das Verhältnis zwischen den Brüdern Ho (Ti Lung) und Kit (Leslie Cheung) ist gekittet – laufen die Konflikte auf etwas anderes hinaus. Anstelle von Ho geht nun dessen ehemaliger Weggefährte Lung (nach langem, quälendem Überlegen, woher ich den Schauspieler kannte, dämmerte es mir, dass es sich um niemand anderen als Dean Shek handelt, das verkannte Genie der overgeacteten trottligen comic relief-Nebenfiguren, der vor allem diverse Jackie Chan Filme Ende der 70er Jahre veredelte) den steinigen Weg in die Legalität. Doch auch seine Situation ist durch seine Vergangenheit verstrickt mit Gangstern. In seinem Fall Gangstern, die ihm nur die letzte Ruhe lassen wollen. Auch er möchte sein Leben, in dem Probleme mit Gewalt, Fälschung und Intrigen beseitigt werden, hinter sich lassen, doch anders als Ho, der nur unlösbare Widersprüche bekam, werden er und sein Leben mit Blut, Mord und Zerstörung überzogen. Seine Flucht vor sich und seinen ehemaligen Freunden, die ihn ausschalten und als Sündenbock benutzen wollen, wird Mitte des Films in Katatonie enden. Vor der Beteiligung an diesem zerschmetternden Leben wird er so fliehen, bis ihn Woo einen Gang entlang schauen lässt. Ihm wird nur ein Ausweg aus dem Wahnsinn um und in ihm geboten, den der Konfliktlösung mit der Waffe in der Hand, denn: wer nicht kämpft hat, schon verloren. Doch da sind wir bei dem Problem des übermächtigen Melodramas, das Kit und Mark (Chow Yun-Fat) den ersten Teil schon verfolgte und das sich nun des ganzen Films bemächtigt. Egal was die vier anstellen – Mark, der ja starb, wird durch seinen Zwillingsbruder Ken ersetzt, weil … Chow Yun-Fat – ob Ken schutzgelderpressende Mafiosos mit einem affig überzogenen Machogehabe beeindrucken und vertreiben möchte, ob Kit mit an MIAMI VICE grenzender Coolness in einem Motorboot in den Hongkonger Hafen einfährt, nachdem er diverse Gangster ausgesprochen stylish beseitigt und deren Beute kassiert hatte, ob Lung sich mittels Pistole wieder in die Realität kämpft, nichts davon wird dafür sorgen, dass die niederschmetternden Schicksalsschläge aufhören. Ein Leben in Ruhe wird den Beteiligten tränenreich verwehrt. So nehmen die immer bombastischeren Schießereien zu, während sinnliche Tanzszenen und Impressionen sowie eine bis ins Bizarre gehende gefühlvolle Weltwahrnehmung sich immer mehr verflüchtigten. Mit Sam Peckinpah reiten sie, diese vier Reiter der Apokalypse, dem Ende entgegen. Nur lässt John Woo, anders als Peckinpah, seinen Film mit einer seltsam illusorischen Hoffnung zurück, dass im Fahrtwasser dieses verzweifelten Kampfes gegen eine übermächtige wie brutale Welt doch das Glück warten kann.
Donnerstag 15.12.
verstrahlt
Über eine Stunde nimmt sich DIE BLONDE CHRISTL für die Exposition Zeit, um dann das Drama in einer knappen Viertelstunde abzuhandeln. Zwischen Otto Wernicke als zuvorkommendem Vergewaltiger im düsteren Teil des Märchenwalds und Joe Stöckel als bajuwarisches Urvieh und Sonnengott des Mampfens, Trinkens und Fröhlichseins gibt es während dieses Aufbaus vor allem eine biedere Liebe zu bestaunen. Über weite Strecken ist DIE BLONDE CHRISTL ein Dokument des Glücks zweier Menschen. Nur die geringen Hindernisse von außen gewahren daran, dass wir uns noch nicht längst im Happy End befinden. Durch Intrigen heiratet Christine (Karin Hardt) aber zum Schluss dann doch den Ziehvater (Theodor Loos) ihres Lieblings (Rolf von Goth), während dieser in Italien weilt. Und dann, in diesem Galopp gen Ende, sitzen wir vor diesem zumeist beschaulichen Film und es bricht einem wie aus dem Nichts das Herz… wenn Loos mit leuchtenden Augen seine Braut zur Hochzeitsnacht geleiten möchte und sie verschüchtert offenbart, dass sie nun allein in ihr Bett schlafen geht. Wie aus der Zuversicht die Erkenntnis wird, sich geirrt zu haben, wie die Hoffnung aus den Augen schwindet und nur das Gefühl ein Trottel zu sein bleibt, weil er von so etwas Vermessenem, von einem solchen Glück hat ernsthaft träumen können, es zieht einem den Boden unter den Füßen weg. Mit einer jungen Dame ins Bett huschen und das Leben feiern, endlich nach einem verzichtvollem Dasein, und dann das. Er sieht es ein, dass er ein Tor war und zieht sich gebrochen zurück… mit einem der schlimmsten Dackelblicke der Filmgeschichte. Einem, wenn auch nur fiktiven, Menschen sowas anzutun, es schreit zum Himmel … nur damit das Glück etwas Würze hat, etwas, das erzählt werden kann. Unmenschlich – wenn Loos‘ Rolle im Nationalsozialismus einen vll nicht zu dem Schluss kommen lässt, dass er solch ein Schicksal, wenn auch nur in dieser Rolle, durchaus verdient hat.
Dienstag 13.12.
großartig –
Die hohe Wing-Chun-Kunst des richtigen aufs Klo Gehen bekommen wir hier gelehrt. Und am Ende diverser Späße und einer huckeligen Martial-Arts-Geschichte kämpfen zwei Söhne von überprotektiven Vätern gegeneinander. Auch wenn die Motivation des Kampfes eine andere ist, ist es für sie die schlussendliche Loslösung in ein eigenes Leben. Es ist wie ein Kampf gegen einen Spiegel, wo sie sich das Elterliche gegenseitig aus sich heraus prügeln.
Montag 12.12.
gut +
Ein Astrologe liegt zum Höhepunkt von A FIELD IN ENGLAND im Matsch und die Kamera zeigt in frontal, wie er sich in geistiger Umnebelung Pilze in den Mund stopft. Während einer Schlacht im englischen Bürgerkrieg entfernen sich ein paar Soldaten und Leibeigene um … eine Pause zu machen. Dies bildet die Grundlage. Ein resigniertes Trotten, dass mit trockenem wie schweinischem Witz ob der Verkommenheit der Welt die Seele baumeln lässt. Irgendwann werden die Ausgebüchsten in eine okkulte Schatzsuche verwickelt, die dieses am Rande des Bürgerkriegs Stehen zusehends mit Irrealität versetzt. So dringen auch zusehends Indiemusikvideos und diverse Tableaux vivants in den dreckigen Realismus ein, sodass dieser nur den Elevationspunkt für eine abstrakte Fabel bildet. Doch das Meiste, was sich auf das Fundament aufpfropft, wirkt wie eine leere Geste. Gekonnte, schöne Dinge, die einer bitteren Welt glatte Schönheit und größere Bedeutung aufzwingen wollen. Doch je mehr der Surrealismus um sich greift, umso drastischer wird A FIELD IN ENGLAND auch. Knochen und Gesichter zersplittern wunderschön und detailliert, ein Penis ist zu sehen, der so auch vll am dreckigen, alten Ron zu finden sein könnte und eben, wenn der Astrologe sich mit Pilzen vollstopft, ist der Realismus einem ohren- wie augenbetäubenden Bilderrausch gewichen. Zerrissen ist Ben Wheatleys Film zwischen bildungsbürgerlicher Distanz und eskalierenden Slackertum, der sich Kopf voran ins Delirium stürzt, also zwischen gepflegter Kunst und wildem Grunzen.
Sonntag 11.12.
gut +
Erzähler Basil Rathbone gibt MR. TOAD dieses aristokratische des Englischen, das dann auch sogleich mit Verfolgungsjagden wie aus frühen Mickey Mouse Cartoons gekreuzt wird. Und ICHABOD dreht alles was später in RomCom-Highschoolfilmen zu sehen sein wird um … oder auch nicht. Der muskulöse, gutaussehende, beliebte Schläger ist scheinbar der Held, aber auch nicht wirklich sympathisch. Die Dame, in die er sich verliebt, lässt sich jedenfalls von einem dürren, schrägen, nerdigen Schwächling, Ichabod, einwickeln. Selbst wenn beständig erzählt wird, dass Ichabod nur hinter Geld und Essen her ist und er dabei gezeigt wird, wie er seinen Konkurrenten verhohnepipelt, ist er der sympathische der beiden. Aber er ist eben dabei ein kalkulierender Raffzahn … es war/ist schlicht verwirrend. Das ging gegen alles, was ich in entsprechenden Filmen gelernt hatte und erst diese ambivalente Figurenzeichnung, die im Grunde nur Arschlöcher für die Frau bereithält, hat mir gezeigt, wie tief es sitzt … dass beliebte Schüler stets mies sein sollen und Nerds nett. Erschreckend.
ok
Mittels einer Viertelstunde, die atmosphärisch einem gemütlichen Sonntagspaziergang durch einen sonnigen Park gleicht, postuliert Michael Winner die Wichtigkeit davon, auf andere Menschen zuzugehen. Ein älterer Herr muss sein Haus verlassen, in dem er seit Ewigkeiten wohnt. Er weint der alten Zeit hinterher und nölt über die Gegenwart… bis ja bis seine Nachbarschaft zu seinem Abschied eine Party schmeißt. Erzählerisch ist aber keine Entwicklung zu erkennen. Immer dieses zart-verträumte schlendern… nur zu Beginn etwas melancholisch und zu Ende eher innerlich strahlend. Es ist wie mit der Musik. Ein und dasselbe Thema begleitet das Geschehen. Und doch, seine Wirkung ist zu Beginn eine andere als am Ende. Offenheit in einem Propagandafilm. Es kommt nur auf die Perspektive an.
verstrahlt –
Denkt auch mal jemand an die Kinder? An die Jugend? Natürlich. In einer guten Viertelstunde erzählt diese Doku von Jugendclubs, welche die Gefährdeten von der Straße holen und ihrem Leben einen Sinn geben. Der Hort der Glückseligkeit wird hier durch Güte, familiäre Wärme und viele gute, verständnisvolle Taten erreicht. Vertrauen wir nur auf die Mitte der Gesellschaft und ihre gesetzten Männer.
Sonnabend 10.12.
fantastisch –
Was hat euch bloß so ruiniert? scheint MELANCHOLIA seine Figuren fragen zu wollen. Aber vll ist es auch eher die Frage, was einen gerade ruiniert, da eine glückliche Vergangenheit in dem Geschehen auch nur selten postuliert wird… wenn überhaupt. Egal wo in Zeit und Raum sich die Bilder begeben, eigentlich ist alles stets Trauer, Niedergeschlagenheit, Entfremdung. In die KRANKHEIT ZUM TODE erklärt Søren Kierkegaard durch ein einfaches Paradoxon die Verzweiflung zum Urgrund des Lebens. Denn er meint, wenn wir verzweifeln, dann erkennen wir, dass wir die ganze Zeit schon verzweifelt waren. Wir hatten dies nur noch nicht erkannt. Wenn wir hingegen glücklich werden, dann geht damit nicht die Erkenntnis einher, dass wir die ganze Zeit schon glücklich waren. Vielmehr ist es eine absolute Änderung in uns… die wir aber wieder in Zukunft, wenn wir abermals, zwangsläufig verzweifeln, als Fehlurteil erkennen werden. Das Glück bekommt so etwas Flüchtiges und den Nimbus einer Illusion, die uns nur kurzeitig etwas vorgaukelt. Vll ist es nicht so absolut, wie Kierkegaard (ich weiß auch nicht, warum ich ihn relativ häufig heranziehe) das sieht, aber das Ungleichgewicht hat sich mir immer instinktiv erschlossen. In MELANCHOLIA jedenfalls suchen die Leute immer wieder nach Wahrhaftigkeit… und diese scheinen sie nur im Schmerz finden zu können. Was ist Wahrhaftigkeit? Orientierungslos im Dschungel sitzen und als Rebell von Marcos‘ Milizen gejagt zu werden? Die bunten Täuschungen des Kinos enttarnen und die schmerzliche Wahrheit erkennen? Die eigenen Wiedersprüche aushalten und für ein fragiles Familienglück kämpfen, das unmöglich scheint? Oder sich in extremen Rollenspielen in Ausnahmesituationen bringen, wie zum Beispiel eine Woche das Leben einer Prostituierten, eines Zuhälters oder einer Nonne zu leben, um mehr über sich zu erfahren… da Erkenntnis nur im Schmerz zu liegen scheint? Die Philippinen unter Marcos und danach oder das Leben im Allgemeinen werden als vernarbtes Land voller Kümmernis gezeichnet, der sich in (irrsinnig guten) Dronesessions, einer sich ziehenden Realität und eben all dem Leiden, dass auch mal in der Verkleidung des Spaßes daherkommt, offenbart. Zerrissen und fragmentiert werden verschiedene sich bedingende Geschichten verfolgt, doch in Zentrum steht immer die Depression. Keine Hysterie, eher schleichende Zermürbung… bis Leid Gott ist. Kierkegaard rückt mit einem vergebenden Gott (oder, für den geneigten Atheisten und Agnostiker, mit Demut) gegen die Verzweiflung ins Feld. MELANCHOLIA bietet kein Gegenmittel, nur den unbedingten Willen trotzdem zu leben und sich nicht zerfressen zu lassen.
Freitag 09.12.
ok
Protokoll einer schleichenden Korruption. Zwei Omas, ein toter Enkel, ein Enkel, der ein Mörder ist, wahrscheinlich. Erst wiegt der Hass die Beziehung der beiden auf, bis materielle und praktische Nöte zu einer monetären Einigung führen, statt zu einem Verfahren. Sabrina Z. ist beim Durchschalten der Fernsehkanäle einst bei LOLA hängen geblieben und hat nun erkennen müssen, dass es sich dabei um einen Spielfilm handelt und nicht um eine Doku, wie sie es dechiffrierte, als sie mutmaßlich bei arte hängenblieb. Denn hier gibt es nur Beobachtung einer Wirklichkeit, die in einem Mord begründet liegt. Die Aufarbeitung der Tat bleibt aus. Der tote Enkel war Polizist und wurde nicht im Dienst ermordet. Was hinter solchen lapidar erwähnten Konstellationen steckt, hat Mendoza mit KINATAY gezeigt. Aber nichts davon dringt in den Prozess ein. Wieder gibt es keine Erlösung, hier weil es keine Auflösung des Kriminalfalls gibt. Nur das Leben in einer (entworfenen) Wirklichkeit.
radioaktiv –
Bei FATAL ATTRACTION habe ich sicherlich weniger lachen müssen. Ich hatte aber auch deutlich weniger Angst… um mein Seelenheil, um das Seelenheil aller Beteiligten, fiktiv oder nicht, vll hatte ich sogar Furcht um mein körperliches Wohlergehen, wenn es Leute gibt, die diesen perfiden Terrorhorrorfilm als Komödie einstufen.
Donnerstag 08.12.
großartig
Mittwoch 07.12.
fantastisch –
Vor einigen Jahren habe ich mal eine BBC-Doku über Wahrnehmung gesehen und wie das Gehirn diverse Dinge einfach herausfiltert. Einige Monate später habe ich diesen Effekt auch am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Ich ging eine vll 100 Meter lange Allee entlang, die ich schon hunderte Male entlang gegangen war. Nichts war ungewöhnlich, bis ich am Ende der Allee plötzlich vor riesigen Füßen stand, an diesen heraufschaute und mitbekam, dass ich vor einem Brontosaurier in irgendwas wie Originalgrößte stand. Einem riesigen Untier, selbstredend nur nachgebaut, dass den ganzen Weg direkt vor meiner Nase lag, dass ich aber nicht wahrgenommen hatte. Als ich nun mal wieder THE TERMINATOR sah und umspült war von Erinnerungen, wie ich Kyle Reeses (Michael Biehns) Klamotten immer so toll fand und dass diese sowas wie meine Idealkleidungen geworden sind, deren Nachstellung ich mich niemals trauen würde, weil das, was sie für mich darstellen, mir an meinem real existierenden Leib peinlich wäre, und mich an dem Feuer im postapokalyptischen Fernseher wärmte, da fiel es mir plötzlich auf, was ich, da ich diesen Film so gut aus meiner Kindheit/Jugend kannte, immer übersehen hatte: das sind ja Roboter, die den Terminator (Arnold Schwarzenegger) zerstören. Welch Ironie. Irrsinn. Ein Gefühl, wie wenn wir unter bewusstseinserweiternden Substanzen unsere Hand wie zum ersten Mal sehen. Wow, fünf Finger.
Dienstag 06.12.
großartig –
KICKBOXER, ein Film um seine eigene Mitte zu finden. Denn nicht nur schindet Jean-Claude van Damme seinen Körper, um diesen seinem Geist zu unterwerfen, um seinen Bruder zu rächen und für den Zuschauer. Er wird auch langsam eins mit der Welt um ihn. Mittels alter thailändischer Krieger in bunten Roben als Echos der Vergangenheit und Großaufnahmen von Adlern, die einen demonstrativen Schrei ausrufen, spülen Gemütsruhe und Ausgeglichenheit wie aus dem Esoterikkalender in den Schweiß, Adrenalin und schicke dance moves pumpenden Streifen. Fast sind Yin und Yang aus dreckiger Exploitation und Suche nach Ruhe im Einklang und nur eines stört den Qi-Fluss. Die Dame des Herzens von van Dammes Figur wird vergewaltigt nur um diesen zusätzlich zu motivieren, jemanden der keine Motivation mehr braucht, und das ist so unnötig wie ein Kropf.
Sonnabend 03.12.
ok
Der Atmosphärischere der beiden Abschlussfilme, aber auch der, der in seiner Wahllosigkeit am ehesten an den FEUERKELCH erinnert. Wobei aber auch schon der unmittelbare Auftakt mehr Stil hat als Mike Newells Eintrag in die Serie. Und am Ende stirbt Dobby. Ein sympathischer wie nerviger kleiner Elf wird aus der Mottenkiste geholt (seit HARRY POTTER UND DIE KAMMER DES SCHRECKENS spielte er keine Rolle mehr), seine Nervigkeit wird großzügig weggelassen, gar niedlich wird er nunmehr gezeichnet und dann wird er umgebracht, um zum Abschluss des ersten Teils einen emotionalen Abschluss, einen Trennstrich zu haben. Bezeichnend für eine Reihe, die sich um Rassismus, Ausgrenzung und Faschismus dreht, in der aber ein Kampf weißer Männer dargestellt wird, in den zumindest auch Frauen ab und zu eingreifen dürfen. Englänger karibischer oder anderer Herkunft sind immer mal zu sehen, aber sprechen dürfen sie nur in Ausnahmefällen. Und so wird auch ein kleiner Elf plötzlich als Helfer der Herzen aufgebaut, nur um ihn besonders schmerzlich sterben lassen zu können (wird er doch nicht gebraucht), während bezeichnenderweise jemand der Neville Longbottom heißt, der unwahrscheinliche Held ist, der den finalen Schlag tun darf… für Königin und Krone. Bezeichnend für eine Reihe, in der jeder der den verbotenen Avada Kedavra-Fluch benutzt, um jemanden zu töten, sich als schlechthin Böser offenbart, während die Guten Bellatrix Lestrange genüsslich in ihre Einzelteile zerstäuben können. Im HALBBLUTPRINZ werden zudem die sumpfigen Unwesen aus dem Brackwasser von einem reinigenden Feuer hinweggefegt. Klassisches faschistisches Bildgut (wenn wir Klaus Theweleit glauben). Nur sind all diese Ungereimtheiten darüber, auf welcher Seite diese Reihe nun wirklich steht, durchaus spannend. Im Fall von Dobby ist es traurige wie billige Manipulation. Finde ich.
ok
Nach dem irrwichtenden ersten Teil kommt der Blockbusterabschluss. Wären beide Teile vll nicht getrennt worden, wäre es ein schöner Film gewesen. So haben wir einen Film, der nicht das Ende sein will und es etwas verkrampft hinauszögert, und einen anderen, der im Grunde nur noch Boom macht und einen großen Kampf zeigt. Einen Film, der den großen Schlusspunkt setzen möchte, aber eben nur noch den Aufbau abschließt und nichts mehr beifügt, außer einer Schlacht.
Freitag 02.12.
fantastisch –
Louise Banks (Amy Adams) hat das Gefühl für Zeit verloren. Die Frage ist schlicht, ist dies die Folge eines Trauma bedingten Realitätszusammenbruchs oder die Utopie einer befreiten Realitätswahrnehmung. Oder macht es überhaupt einen Unterschied. Aber eigentlich geht es um die Kommunikation mit Außerirdischen. Was wiederrum ein Bild für die Begegnung mit der Realität ist, in diesem wenig aufgeregten Film, der ganz sachlich berichtet und uns in sein Labyrinth mitnimmt. Der Ausnahmezustand von ARRIVAL wird dabei weniger mit Gelassenheit als mit Staunen und einer schlafwandlerischen Getriebenheit begegnet. Und: Thomas G.s Deutung Villeneuves Film als weltpolitischen Herbsttag ist sehr lesenswert.
November
Dienstag 28.11.
großartig
Besonders seltsam: die Musik. Mit sehnsuchtsvollem Glück weht sie harmonisch über die Bilder. Sie erzählt von Freiheit. Vom Treiben lassen. Von warmen Sommerabenden unterwegs. Nichts trübt sie. Es ist die romantische Musik des Hobos A No. 1 (Lee Marvin), des besten Hobos. Einem Ritter der Landstraße. Ein typischer Jack London Charakter. Und doch ist sie von ihrem ersten Erklingen an fehl am Platz. Denn zu diesem Moment hat gerade Bahnbeamter Shack (Ernest Borgnine), übererfüllender Kampfhund des Establishments, einen anderen Hobo mit seinem Hammer von seinem Zug geprügelt. Aldrich steckte diesen beim Blick zurück gleich unter die Schienen. EMPEROR OF THE NORTH POLE ist der Film dieser beiden Pole. Der Film des Kampfes zwischen Marvin und Borgnine. Lockerer Lebenskünstler gegen einen verbiesterten Erfüllungsgehilfen des Status Quo, der für seinen kleinen Knochen Anerkennung jedem an die Kehle springt, der diesen beschmutzt. Auch dieser Kampf ist romantisch, aber auch blutig und niederschmetternd… vor allem weil die nachkommende Generation (Keith Carradine) nicht das Herz hat, sich der Romantik zu stellen. Nie hat EMPEROR OF THE NORTH POLE auch nur annähernd den Glanz der Gelassenheit der Musik. Die Anmut ist vielmehr von Verzweiflung durchzogen… und doch weht sie weiter dahin, als ob nichts wäre, wie zur Ermunterung, wie zum Hohn.
Sonntag 27.11.
großartig –
Ich glaube, das war der Schönste der Harry Potter Filme. Einzig die Thematik des Halbblutprinzen habe ich nicht verstanden. Vll hat Lotti Z. (10 Monate) durch ihr zeitweises Umfallen und auf mir Weinen dafür gesorgt, dass ich die eine oder andere zentrale Stelle übersah. Vll gibt es auch nichts Zentrales. Nur Symbole, die sich nicht sicher einbinden lassen. Zudem: das Schöne an der Freundschaft zu Jenny J. ist u.a., dass sie einen immer mal mit ihrer Freude anstecken kann. Ohne das hätte ich wohl nicht so schnell überhaupt einen der Filme gesehen.
Sonnabend 26.11.
ok –
Florian Stetter spricht den Erzähler aus dem Off so, als ob er nichts mit der Hauptfigur, die er spielt, und ihrem Schicksal zu tun hat. Nur die ich-Form erinnert fern daran. Und ebenso leblos, wie Stetter agiert, schreitet auch der Rest des Films dahin. Die bürgerliche Gesellschaft der Zwischenkriegszeit ist in MEIN VATER, MEINE FRAU UND MEINE GELIEBTE (was für ein Titel für die Verfilmung von Ernst Weiß‘ Roman DER ARME VERSCHWENDER!) kalt und zugeknöpft. Die Gefühle liegen meist zwischen den Zeilen oder sind bis auf etwas Zuneigung oder Unbill hier und da weggedeckelt. Da nie etwas wirklich herausbricht, sehen wir Rätsel über Leute, die sich in ihrem Anstand vergraben haben. Die Rebellion des Sohnes (Stetter) gegen seinen Vater, gegen seine Frau, dessen Aufbegehren sich im trägen Hingeben von Talent und seiner mäßig temperierten Liebe ausdrückt, ist Produkt seines Umfelds. Keine Kraft liegt darin. Noch aus den trotzigsten Handlungen spricht Mutlosigkeit und seelische Tristesse. Selbst die Amour fou, die gegen Ende die Handlung bestimmt, bleibt zugeknöpft und ihr Brennen ist nur zu ahnen. Die Inszenierung, der Ton, die Atmosphäre sind von passender Sittsamkeit, mit Bedachts gewählt und von wohlfeinem Geschmack. Der porträtierte bürgerliche Sinn für Anstand findet in diesem leeren Förderkino seinen modernen Ausdruck. Wie die Rebellion des Sohns im Kern im Milieu verhaftet bleibt, dem er entfliehen möchte, so macht es sich MEIN VATER, MEIN FRAU UND MEINE GELIEBTE wohlig warm in der bürgerlichen Erzählung. Berichtet von lauwarmen Seelenqualen, von hochkulturellen Selbstgeißelungen. Ganz unbemerkt trifft die Erzählung wie ein Querschläger den Kern der Inszenierung.
großartig +
Soll die Unendlichkeit umarmt werden, so ist sie zu portionieren. HEREMIAS lässt sich folglich vll in drei Teile aufgliedern. Zuerst sind da fünf reisende Händler. Einer von ihnen, Heremias, weniger prophetischer Jeremias als Eremit – etymologisch vom griechischen eremítēs oder eben dem erimita im Latein, also Person der Wüste, stammend – isoliert sich zunehmend, verlässt seine Kollegen und fährt alleine ins Unbekannte. Ganz klassisch trennen sich die Wege an einer Weggabelung. Vor der Straße, welche Heremias zu nehmen gedenkt, wird er gewarnt. Er wisse nicht, was dort auf ihn wartet, solle sich aber erinnern, was anderen passierte, als sie ihre ihnen bekannte Strecken verließen. Seine Abkapslung macht seine Reise nicht nur zu einer in die Unwägbarkeiten des unbekannten Landes vor ihm, sondern auch in die fremden Territorien in ihm. Aber wir sind bei Lav Diaz, also bleibt alles an einer schleichenden Oberfläche. Ein entspannter Road Movie tut sich von Anfang an auf. Die sukzessive Trennung ist das einzige Drama und selbst der Sturm, in dem Heremias endet, ist tonal eher eine Ambientfläche zum Seele baumeln lassen – wer das Geräusch von Regen mag, wird Heremias‘ Reise lieben. Doch auf die Entspannung folgt das Unbehagen. Stets sozial verankert. Erst sitzt er mit zwei lokalen Bauern in einem verfallenen Haus und es ist die ganze Zeit schmerzlich bewusst, was passieren wird. Wenn er am nächsten Tag aufwacht, werden sein Wagen und seine Kuh, sein ganzes Hab und Gut, verschwunden sein… und doch reden sie und reden, trinken und trinken, ohne dass der Diebstahl als Erlösung von der Spannung einer Ahnung vollzogen wird. Die Behörden, welche Heremias am nächsten Tag aufsucht gleichen einem stillen Gang durch die Hölle. In Form von provinzialen Vertretern einer Bananenrepublik treten sie auf, die zwischen den Zeilen oder offensichtlich nicht in den Dieben das Problem sehen, sondern in Heremias, der ihre Ordnung und Ruhe mit seinem zaghaft geäußerten Wunsch nach Gerechtigkeit bedroht. Sie machen Dienst nach Vorschrift, während Heremias schweigend und mit gesenktem Kopf daneben steht. Mit Menschen zu tun haben, in HEREMIAS ist es meist sehr undankbar. Im letzten Drittel wird er alleine die Täter suchen. Als Voyeur im Busch sitzt er vor dem Tatort des Diebstahls und beobachtet die vorbeikommenden Leute. Zärtlich kommt die Entspannung wieder, mit der wir die Leiden und Leben der Bevölkerung kennenlernen. Fast scheint es, dass HEREMIAS auf ein soziales Gewissen hinausläuft, bis das zu Sehende unverdaulich wird. Weder Staat noch Kirche werden helfen können. Die erste Einstellung, in der ein Mensch nicht in seiner vollständigen Größe enthalten ist, kommt ca. nach 3,5 Stunden in der Bruchbude im Regen. (Wenn ich mich nicht irre. Ich habe es leider nicht notiert und bin vergesslich.) Und selbst da sind nur die Unterschenkel abgeschnitten. Sprich die Kamera bleibt immer auf Distanz, beobachtet und gibt einem nicht die Erlösung einer emotionalen Einbindung. Es bleibt nur die Auseinandersetzung. Und so meditiert HEREMIAS über das Glück und die Hilflosigkeit, die es ist, alleine zu sein. Das Perfide daran, wir sitzen alleine vor der Leinwand/dem Bildschirm und haben nur uns … während Lav Diaz‘ neunstündiger Film mal schön, mal quälend langsam über uns kommt.
Freitag 25.11.
großartig –
Filme wie Herr Dingenskirchen und Diesunddas oder Tusnelda und wasauchimmer sind sehr selten geworden. Manchmal hießen sie auch Unser Held im Dort, aber vor allem das altbekannte, nette, kleine und zeichnete ihre Benennung aus. Es hat etwas gemütliches, dieses und. Würde beispielsweise Marvel ihren letzten Captain America-Film CAPTAIN AMERICA UND DER BÜRGERKRIEG genannt haben, würden sofort mindestens zwei Ausrufezeichen in der Wahrnehmung fehlen. Denn das und ist wie ein Besuch bei Oma, wo alles wie immer ist. Auch wenn es dort aufregend sein konnte, weil irgendwas Neues in den altbekannten Strukturen geschah. Das Marvel Cinematic Universe erzählt beispielsweise ganz anders, eben in die Zukunft gerichtet mit einer klaren zeitlichen Entwicklung. Es findet im Reich der Sterblichkeit statt. Es bewegt sich von einer Geburt los und steuert auf den Tod zu, während der Reiz der Wiederholung, wenn wir unseren Helden und etwas Neues besuchten, diese Entwicklung gerade verneinte. Hercule Poirot war einfach immer da und nie. Die Erzählungen setzten an, holten Luft und erzählten noch etwas aus diesem unendlichen, unveränderlichen Leben, was bisher noch nicht erzählt wurde. Harry Potter versprach mit seinem und-Titeln ein ähnliches serielles Konzept. Schon die Eingliederung des Geschehens in Kriminalfälle sprach von wiederkehrenden Abenteuern in Hogwarts wie eben bei Simenon oder Agatha Christie. Nicht ein Faden würde wieder aufgegriffen werden, sondern eine Grundsituation. Nur die strenge Struktur, ein Film ein Schuljahr, kündete wage von der Sterblichkeit. Mit der Auferstehung Lord Voldemorts im FEUERKELCH betritt der Tod nun den Ring. Das Geschehen wandelt sich von einzelnen Abenteuern zu einem großen Ganzen. Die Allegorie, die Hitler und den Zweiten Weltkrieg, mit hellen Zauberlasern aus Stöcken, seltsamen Wesen und Phantastik aufarbeiten, übernimmt nun völlig das Ruder. HARRY POTTER UND DER ORDEN DES PHOENIX stimmt traurig, denn er macht klar, es wird enden, andererseits ist es nur eine konsequente Weiterführen des Erwachsenwerdens. Mir ist zumindest aufgefallen, dass ich noch keinen einzigen Maigret-Roman gelesen habe, obwohl ich Georges Simenon sehr schätze. Vll sollte ich das mal machen.
ok
War Gennadi Kasanskis Verfilmung des Märchens von Hans Christian Andersen, dieses brutale Kinderhorrormärchen, noch der Urheber für diverse kindliche Traumata, wurde 1964 im westdeutschen Fernsehen dem Horror durch ständig einfallende Späße der Zahn gezogen. Klassisches Kinderfernsehen wie beim Brummkreisel Achim bietet Wolfgang Spier. Mit dabei: Ilja Richter, der im Alter von 12 Jahren den Prinzen Klaus spielt. Es ist erstaunlich, dass alles, was seine Karriere danach auszeichnen wird, hier schon zu finden ist. Possen und deren aufdringliche Unterstreichung, ein wahres Tristkind … und im Angesicht dieser Sinn ergebenden Erfahrung will es scheinen, er ist es geblieben.
Donnerstag 24.11.
gut +
Etwas wie MALEFICENT war vll auch die logische Folge von einem Film, der aus der Perspektive von drei Feen erzählt wird, die es für eine gute Idee halten, ein ganzes Königreich einzuschläfern, nur um ihre eigenen Fehler vor ihren Mitmenschen zu verbergen.
Mittwoch 23.11.
großartig
Bobby Fischers und Paul Morphys Fall in die Paranoia, Wilhelm Steinitz‘ Glaube an die eigenen telepathischen Fähigkeiten, der ihn in eine Anstalt brachte, Viktor Kortschnois Kampf gegen einen vermeintlichen Hypnoseversuch, die Welt des Schachs ist voll von Exzentrikern und Leuten, die in Wahnvorstellungen endeten. (Auch wenn sie doch die Minderheit bilden.) Dieses Spiel, das darauf beruht ahnen zu können, was der Gegner auf einem Spielfeld, das nahezu unendliche Möglichkeiten bietet, denkt, was ich denke, was der Gegner denkt, was ich denke, was der Gegner denkt … was ich plane, es hat die Aura eines Spiels, dessen Einsatz der Verstand ist. Aber COMPUTER CHESS handelt nicht einfach von einem Schachtunier, sondern von einem Computerschachturnier, bei dem Programme in den 80er Jahren gegeneinander antreten. Die Angst vor der Übermacht einer logisch arbeitenden Maschine, irgendwo zwischen TERMINATOR (2) und den Partien zwischen Deep Blue und Garri Kasparow paart sich hier mit der Ahnung/Hoffnung/Furcht, dass Verstand Gefühle nach sich ziehen muss. Der Geist von 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM weht durch Andrew Bujalskis liebesvolles Zeitbild. Doch nicht die kalten, langen Gänge Kubricks beseelen COMPUTER CHESS, sondern Orientierungslosigkeit. Keine Struktur bemächtigt sich den Geschehnissen. Katzen übervölkern scheinbar grundlos das Hotel, in welchem das Turnier stattfindet, Körperbewusstseinskurse geben zimmerlos im Hotel nomadisch umherwandernden Schach- und Computergurus die Möglichkeit einer esoterischen Wiedergeburt und vor allem sitzen Programmierer vor ihren Programmen oder vor anderen Menschen und wissen nun wirklich nicht, was sie anstellen sollen, was sie darüber denken sollen, was sie denken (was sie denken, was sie denken…). Einer der sozial etwas gehemmten Schachprogrammbetreuer, der den Film über verschüchtert mit der Liebe kämpft, wird an einer Stelle bei einem älteren Paar im Zimmer landen, welches ihn zum Swingen überreden will. Es ist ein Moment, wo die beständige, leichte Überforderung der Protagonisten am deutlichsten zu Tage tritt. Die Überforderung der Pioniere, die Überforderung der am Sozialen vorbei Lebenden, sie gehen hier Hand in Hand. Eine Liebeserklärung voller Unwägbarkeiten in grisseligem Schwarz-Weiß, eine verschroben-poetische Mockumentary über die Anfänge unserer heutigen Computer- und Nerdwelt und eine Satire auf dieselbe, auf uns, auf die Zukunft. Irgendwo in hingeslackten Geschehnissen, die fast versuchen an dem Zuschauer vorbei zu leben.
Sonntag 20.11.
nichtssagend
Die Adoleszenz, ein schweres Pflaster. Wie im D-Zug jagten die vorangegangenen Filme Richtung (Voll-)Mündigkeit. Mit dem FEUERKELCH kommt jedoch der verschreckte Sprung zurück. Das Zertrümmern der Errungenschaften, um sich wieder dem einfachen Leben eines Kindes zu erfreuen. Sprich, Harry darf ob kleinster Zaubertricks wieder staunen, als wäre er noch nicht volle 3 Jahre in Hogwarts. Doch wie sich in Realität die Zeit nicht zurückdrehen lässt, ist die bunte Freude der Columbus-Filme nicht wieder zu erwecken. Das metallene Grau des GEFANGENEN VON ASKABAN vergilbt zu einem blutarmen grün/orang, dass wirklich nicht schön anzusehen ist. Die Hälfte der Geschehnisse tun nichts zur Sache … ganz erquicklich, solange Hogwarts zur Bühne eines romantischen Highschoolliebesdramas wird, eher mäh, wenn pflichtbewusst Konflikte aufgebaut, die aber nicht orientierungslos verfolgt, sondern schnell wieder eingemottet werden, weil eh niemand damit was anfangen konnte. Am Ende läuft alles nur daraufhin hinaus, Zeit zu schinden bis Voldemort sich wieder im Hier und Jetzt (der Diegese) materialisiert. Aber eben in diesem hässlichen Grün … es könnte mit über den Bildern liegendem Schnodder verglichen werden, wenn das nicht ein zu vorteilhaftes Bild wäre.
großartig +
Der letzte Bond, den ich noch nicht ganz gesehen hatte. An einen Versuch kann ich mich erinnern. In Brasilien hatte ich bei diesem abgeschaltet. Ich hing am Plot und lag darnieder. Denn MOONRAKER ist mehr noch als THE SPY WHO LOVED ME davor eine Schnitzeljagd, die Bond einen MacGuffin nach dem nächsten suchen lässt. Einmal wird er um die Welt gejagt und aus ihr hinaus, damit er einmal um die Welt und aus ihr hinaus gereist ist. Die Geschichte von MOONRAKER ist ermüdend hohl, wenn es einem nur auf die Geschichte ankommt. Lewis Gilbert scheint es nur mehr um die Attraktionen in den jeweiligen Verweilpunkten zu gehen. Und neben viel Schabernack und bunten Agentenabenteuern findet er nicht nur quantitativ eine Vielzahl von Seltsamkeiten, sondern auch qualitativ. Die Treibjagd einer Sekretärin, verfolgt von Bluthunden, durch den nebligen Wald, sieht aus wie ein surrealer Erotikfilm (bezieht sich Bonello in LE PORNOGRAPH gar auf MOONRAKER?). Ein andächtiger Moment totaler Verkommenheit wie ein Heiligenbild. Und noch schöner. Die Liebesgeschichte zwischen Jaws und einem alpinen, blonden (wohl deutschem) Mädchen. Unwahrscheinlich nicht nur in seinem Auftauchen, sondern auch in seiner grenzenlos kitschigen Ramontik. In einer solchen Filmreihe voller Zynismen und Uneigentlichkeiten, aber auch in dem unseren Kino, ist es ein Augenblick voller Glück und Liebe in dem der kleine Stachel des Schmerzes steckt, weil diese naiv-wunderbare Romanze so gänzlich unweltlich ist. Eine Utopie.
Sonnabend 19.11.
großartig –
Cuarón verbietet Harry das Staunen. Es ist wie eine Linie des Erwachsenwerdens, die sich auch auf inszenatorischer Ebene spiegelt. Potter ist jetzt Teil seiner Welt und nicht mehr tapsender Neuling. Und DER GEFANGENE VON ASKABAN erzählt weniger mit Williams Musik und den Inhalten, sondern findet in seinen dreckig-grau gegradeten Farben und seinen muskelbepackten Einstellungen, die Columbus‘ inszenatorische Speckröllchen verdampft haben, zur Epik.
radioaktiv –
Triefende Allmachtsphantasie mit Chuck Norris als dschungelkämpfendem Spiderman, welche die nationale Verwundung der USA zumindest in den Träumen heilen soll. Mehr dazu bei Bellmondos Funkhundd. Sehr schön aber die Szene, wo Chuck Norris zu einem Kaffee eingeladen zu einer Dame ins Hotelzimmer geht, sich anfängt auszuziehen und er die verwirrt stammelnde Frau fragt, ob sie sich nicht umdrehen könne, weil er ein bisschen auf der shy side wäre. Ein kleiner Witz am Rande und doch ließen sich wohl Bücher zu Maskulinität, Verharmlosung und Kalauern anhand dessen schreiben.
Freitag 18.11.
gut
Im Prinzip ist es fast der gleiche Film nochmal … nur das Staunen wird etwas runtergefahren und der Alltag hält Einzug. Folglich wird sich auch mehr auf den Krimi konzentriert, in dem Harry schlussendlich anfängt nicht mit Voldemort draußen, sondern mit seinen eigenen voldemortschen Tendenzen zu kämpfen. Harry Potter, zu gewissen Teilen sicherlich auch eine Agatha Christie/Charles Dickens Version von STAR WARS mit Zauberern, wenn jemand, der nicht beständig einen spitzen Hut trägt, so genannt werden kann.
Mittwoch 16.11.
ok
HARRY POTTER UND DER STEIN DER WEISEN habe ich wohl das erste Mal auf Premiere bei meinen Großaltern gesehen. Meine 9 Jahre jüngere Cousine wollte unbedingt, dass ich es anschaue, weil es sooo toll ist, wie sie mit einem Leuchten in den Augen erzählte. Um die Zeit muss ich ca. 20 Jahre alt gewesen sein und ein Schnösel. Kinderbücher zu einem Kinderfilm verfilmt, ich habe es von Anfang bis Ende ohne große Lust mich darauf einzulassen angeschaut … und Chris Columbus ist wohl nicht der Regisseur, der einem Schnösel von seiner Meinung abbringen kann. Ein bisschen ist es preaching to the already converted, wenn er schlicht versucht Bilder für die Charaktere und Orte der Bücher zu finden (wobei er wohl auch die Anhänger nicht alle erreichen konnte, siehe hier im Wollmilchcast). Das Konzept ist draufzuhalten, wenn Magie geschieht, und dann zu Daniel Radcliffe zu schneiden, der verzaubert staunt. John Williams Musik ist zudem im Weihnachtsfilmmodus. Und das muss dann auch reichen. DER STEIN DER WEISEN ist so eine einzige große Exposition mit einem kleinen Krimi Appendix, in dem Harry Potter dann Dinge aus der Krimikramkiste sagt wie: Warum habe ich da nicht sofort dran gedacht!? Das durchaus magische Set, der epische Bogen, der aufgebaut wird, dass hier schon wie im Rest der Reihe zumindest das Miteinander über Blicke erzählt wird (nicht wie der Plot über Worte), es ist nicht viel, aber das er wie ein gemütlicher Sessel an einem Ofen rüberkommt, reicht.
Montag 14.11.
verstrahlt +
Die Romantik in den Sumpf des 20. Jahrhunderts in Deutschland geworfen und leicht aufgedunsen und angeschimmelt nach 100 Jahren wieder gehoben.
Sonntag 13.11.
großartig
James Bond wird unter Roger Moore zunehmend zu einem Lustgreis, der wie ein verschrecktes Stück Laub im Wind des Plots und der Zeit gen Ende fällt. Völlig verunsichert belegt er jeden Fehler von Major Anya Amasova (Barbara Bach) mit einem süffisanten Kommentar, selbst um sowas wie Souveränität im Angesicht eines gleichgestellten, weiblichen Gegenübers ringend. War LIVE AND LET DIE ein Panorama von Bond im Angesicht seines Rassismus, so ist THE SPY WHO LOVED ME auf kleinerer Ebene ein ebensolches von Bond im Angesicht von Feminismus … und wie er ihn wie selbstverständlich übersieht und entwertet. Bezeichnenderweise verschwindet Major Amasova irgendwann aus dem Film und lässt Roger Moore mehr Platz, um dem skrupellosen Schöngeist Stromberg (Curd Jürgens) davon abzuhalten die Erdoberfläche durch Verursachen eines dritten Weltkriegs unbewohnbar zu machen und so alle Menschen zum Leben in seinen spinnenartigen Unterwasserstädten zu zwingen … ein wunderschöner Plan, die Menschen zur Anmut zu zwingen. Wie Gilbert auch die Zuschauer zu mehr Holdseligkeit entführen möchte, in dem er zwar wenig Sinn und Verstand bietet, aber dafür Seltsamkeiten verkleidet als Attraktionen.
großartig
Als Jugendlicher war ich ein bisschen in Wednesday verliebt. Dementsprechend habe ich diesen Film sehr, sehr gerne gesehen. Dieser Traum eines romantischen Ferienlagerbesuchs … hach.
verstrahlt –
Ein Film mit den Mitteln von 1960, aber mit der Fantastik von Georges Méliès. Ein Soldat und ein Kind kommen in das Reich des Wassergeistes, wo Leute in irrsinnige Kostüme geschmissen wurden und wo fast grundsätzlich überblendete Bilder gezeigt werden.
Sonnabend 12.11.
fantastisch –
Ein bisschen ist es wie der alte Trick, bei dem ein Zauberer aus einem Stab einen Blumenstrauß hervorschnellen lässt. Das Brachland aus dem der Strauß wachsen wird: ein kargen Revolutionswestern. Drei Revolutionäre eskortieren darin die gekidnappte Tochter eines Generals zu einem ihrer Anführer. Der Weg ist steinig und variantenreich. Gepflastert von Verrat, Intrigen, Begierde, Lagerfeuern und einer Flucht durch ein brennendes Feld. Doch all das wird immer wieder auf einen Konflikt zurückgeworfen. Perez (Idealist), der mit der Frau Mitkämpfer freipressen möchte, auf der einen, Chamaco (Egoist und/oder Realist und/oder Zyniker), der schlicht an Geld kommen und die hehren Ziele fahren lassen möchte, auf der anderen. Dazwischen noch als Farbtupfer, Chico (opportuner Unentschlossener), der sich noch am ehesten treiben lässt. Egal ob sie von Bauern, für die sie, aus ihrer Sicht, kämpfen, an den Feind verkauft werden oder sich direkt angehen, immer wieder endet das Geschehen vor der Frage: hat der Kampf einen Sinn? Jeder Schnörkel, jeder epische Bilderreigen, jede profan-prosaische Bilderfolge, wie von einem Magneten angezogen, wie von einem Neurotiker zusammengehalten, bleibt es dabei… bis Chamaco und Chico tot sind. Die Bilder werden nur graduell poetischer, die porträtierte Welt verrutscht nur leicht ins surreale und doch verliert sich die Enge wie in einer Explosion. Perez und Maria sind allein. Die Frage nach dem Sinn immer eklatanter. Doch das Zentrum fehlt nun durch das Wegfallen des klaren Gegenspielers Chamaco. Zunehmend wird alles möglich, Romantik, Verzicht, Barmherzigkeit, Glück abseits weltlicher Fragen, verzweifeltes Aufreiben an einer zum Scheitern verurteilten Rettung der Welt, unwahrscheinliche Siege. Worauf HAUT FÜR HAUT hinsteuert ist so deutlich dargestellt, wie der Überfall auf einen Zug zu Beginn, bei dem die Maria gefangen genommen wird, nämlich gar nicht. Die Leere dieser unscheinbaren Dekonstruktion schafft ein Weltall voller Sterne. Leuchtend und frei.
großartig +
Der direkte Vorgänger von JUDGE PRIEST in der Zusammenarbeit zwischen Ford und Rodgers ist deutlich resignierter. Vll ist das Thema schlicht viel schwermütiger als das justiziale. DOCTOR BULL macht es sich aber auch nicht einfach. Zu Beginn gibt es einen Running Gag darüber, dass der Doktor nicht zu erreichen ist, da seine Tante sich durch das Telefon in ihrer Ruhe gestört sieht und deshalb dieses beständig aushängt. Das Problem, die nicht angenommenen Anrufe haben zur Folge, dass ein Kind ohne ärztliche Fürsorge stirbt und Dr. Bull bleib nichts als zu erklären, dass die entsprechende Krankheit mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit den Tod nach sich zieht… Arzt oder kein Arzt. Er hätte nichts machen können. Der bittere Beigeschmack bleibt. Der lakonische Kampf gegen Engstirnigkeit und Empörung ist dabei wieder ein mäandernd zerknautschter. Will Rodgers setzt der ihn umgebenden Missgunst Ruhe und Witz entgegen. Aber Doktor Bull ist verzweifelter als sein richterlicher Nachfolger, denn der Tod und Überarbeitung stehen ihm immer im Rücken. Ein Film, dem das Wasser zum Hals steht.
fantastisch
Freitag 11.11.
großartig –
John Rambo bricht erst mit den Repräsentanten seines Landes, als er am eigenen Leib oder an den Leibern anderer Amerikaner erleben muss, wie korrupt und unmoralisch diese sind. Lt. Nikolai Rachenko (Dolph Lundgren) erkennt das Unrecht seines Landes schon vor Ort und muss nicht erst Heimkehren und den Schaden am eigenen Staatskörper erkennen. Gerade da er nicht Teil der eigenen Identität/Nation des federführenden Produktionslandes ist (hier die USA) und eh aus einem als solchen gesehenen Unrechtsstaat kommt, hat er die Freiheit sich seines Ballasts entledigen zu können… und die Verwirklichung der Träume seiner Ideale zu werden, welche sich bei seinem Briefing ankündigen, als er in den Raum stellt, dass der afrikanischen Rebellenführer, den er ermorden soll, sicherlich von seinem Volk gehasst wird, bei allem was er über ihn gerade erfahren hat. Faszinierende Pluspunkte für einen Russen im Kalten Krieg. Und die Afrikaner werden so dargestellt, wie sie in den Stellvertreterkriegen wohl immer wahrgenommen wurden: als (humanitäre) Randnotiz.
Mittwoch 09.11.
fantastisch –
Dienstag 08.11.
ok +
Mir fehlt gerade der Zugang zu Yakuzafilmen und ihren ninjo-/giri-Konflikten. Mit ihren zwanghaften Männerfreundschaften, die mit dramatischen Konflikten aufgebaut werden, aber ganz trist verlaufen. Der hat zwar meinen Bruder getötet und ich werde ihn mit meinen eigenen Händen umbringen, aber eigentlich ist er auch ein toller Mensch, deshalb werde ich für ihn sterben. Immer wieder dieselbe abgestandene Dramatik im Jammermodus über eine gemeine Welt und Helden ohne Innenleben, die nur von einem Baugerüst der Coolness aufrecht gehalten werden. Dank Hasebe sieht es wirklich ganz schön aus, aber er ist dabei eben wie ein Schaufensterdekorateur, der Puppen nett ausstaffiert. Yakuza in den 60er Jahren sind irgendwo hartes Knäckebrot.
gut
Eine Tochter verabschiedet sich von ihrem sterbenden Vater. Doch wie sich dem Unnahbaren (Vater und Tod gleichermaßen) annähern? Lakonisch wird um den Abgrund Inzest und um Sex als Ausdruck von Liebe oder Animalität getanzt. DAISIES und BANDE À PART zumindest in den tatsächlich beinhalteten Tanzszenen im Gepäck.
Montag 07.11.
großartig
Ein junger Polizist geht einer nicht ganz legalen Nebentätigkeit nach und fährt mit ein paar Gangstern in die Nacht. Dort findet er, dass er dort lieber nicht sein möchte. KINATAY bietet ihm aber keinen Ausweg, nicht mal durch Dramatik. Nach einem ausgestellt fröhlichem Beginn, bleibt nur im Zwielicht sitzenbleiben, ertragen und hoffen.
ok
nichtssagend
Nostalgie in Film gegossen. Tatsächlich scheint es, dass LETHAL WEAPON III einem nichts mehr zu sagen hat. Die bekannten Figuren werden recycelt, eine neue hinzugefügt und der Rest ist da, damit es dieses Klassentreffen gibt.
Sonntag 06.11.
ok
Am Ende opfert hier eine Autorin, wie wenig überzeugend es auch ist, dass da tatsächlich ein Meisterwerk entstanden wäre, ihr fantastisches Ende, weil sie sonst ein Leben zerstören würde. Sie schreibt lieber ein Buch, das ok ist. STRANGER THAN FICTION nur ok zu finden, passt deshalb vll schon wieder ins Konzept.
gut
Ein starker, engagierter Film über die wichtigen sozialen Probleme unserer Zeit. Adam Sandler, Chris Rock, Kevin James, Rob Schneider und David Spade zeigen darin bestens unterhaltenen Kindern, welchen hirnrissigen Quatsch ihre Altvorderen begangen haben, nur weil ihnen langweilig war. Kurz: Volljährige verhalten sich wie Kinder, um den tatsächlichen Minderjährigen die Freuden einer Kindheit näher zu bringen, die sich nicht nur vor Bildschirmen abspielt. Dass GROWN UPS also GROWN UPS heißt, ist so gesehen schon ein ironischer Witz, da sich die fünf die meiste Zeit bestenfalls pubertär benehmen. Andererseits ist es ein Film, in dem sich fünf Freunde ununterbrochen auf Grund ihrer Eigenheiten dumm machen, verhöhnen und bloß stellen. Es herrscht für den Außenstehenden eine geradezu garstige Stimmung, aber die fünf bleiben eher ausgelassen und bauen keine Mauern. Trotz Hohn und Spott halten sie an sich und ihren Lebensentwürfen fest, wohlwissend, dass diese nicht perfekt und mitunter auch lächerlich sind, aber auch im Wissen darum, was sie daran haben. Sie können über sich lachen. Bei allen Tendenzen zum Mobbing, die GROWN UPS hat, ist es vll dieses Verhalten, dass aus den fünf Kindsköpfen tatsächlich Erwachsene macht?
Sonnabend 05.11.
gut
fantastisch –
In Neon leuchtenden Bildern wandelt sich ein traumatisierter junger Mann in THE KILLER SNAKES in einen Psychopathen. Die Radioaktivität, welche Bruce Banner zu Hulk werden ließ oder jeden zweiten Superhelden seine Kräfte verlieh, sie scheint auch in diesen Farben mit. Nur ist es eine nicht ganz so gütige Strahlkraft, denn krebsartig wird sein eskalierender Selbstverteidigungsantrieb ihn auffressen. Keto, besagter Jüngling, lebt in einem heruntergekommenen Verschlag neben einem Schlangengeschäft und ist ein klassischer Duckmäuser, der genauso von seinen sozialen Ängsten und Komplexen malträtiert wird, wie von seiner Umgebung. Ausagieren tut er seine aufgestaute Aggression in erotischen Phantasien von gefesselten Damen, welche er gegebenenfalls auch mal auspeitscht. Seine einzigen Freunde sind Schlangen, deren Verwundungen er sich liebevoll annimmt, mit denen er sich austauschen kann und die ihm mit ihrem Gift, als er mal wieder überfallen wird, helfen. Folglich werden sie seine ausführende Gewalt werden, mit welcher er die Welt zu einem besseren, sicheren Platz für sich machen möchte. Dass er dabei nun auch die Macht hat, seine Phantasien auszuleben … ihn stört es keinesfalls, dass er Frauen zur Strafe oder um Informationen zu erlangen (halb-)nackt foltern muss. Fesseln, Peitschen, Schlangen – zunehmend werden der Verschlag sowie die Gassen und Betten des Films von den potenten Zeichen Ketos schlaffer Männlichkeit durchzogen. Und da wir uns in einem Film von Kuei Chih-Hung befinden, wird das toxische Wimmeln alles und jeden zerstören. Ein Film, eine Schlangengrube.
fantastisch
Nach dem Screening bei der Berlinale im Zoo Palast hat Fruit Chan versprochen, dass er ein Jahr später mit einer Fortsetzung wieder in Berlin sein werde, die alle Fragen beantworten würde. Das ist selbstredend nicht geschehen. Warum auch? Das Unklare: ein Bus mit 17 Insassen fährt von Kowloon nach Tai Po. Dort angekommen stellen diese fest, dass außer ihnen niemand mehr auf der Welt zu sein scheint. Während die Beteiligten also durch eine Geisterstadt tingeln, ein menschenleeres Internet durchsuchen und generell versuchen mit einer solchen Situation umzugehen, tauchen immer mal wieder seltsame Menschen in high end ABC-Schutzanzügen auf, die sich wieder in Luft auflösen, J-Horror-Versatzstücke bemächtigen sich einer Frau, eine mysteriöse Krankheit, an deren Ende die Infizierten verbrennen, holt nach und nach ihre Opfer, Anrufe, die den Text von Space Oddity morsen, werden von allen simultan empfangen oder Anrufe kommen durch, die daraufhin deuten, dass tatsächlich 6 Jahre vergangen sind. Das und noch mehr, Fruit Chan lässt eine Menge Erklärungsansätze auf seine Figuren los (darüber in was für einem Film sie sich befinden), lässt es aber dabei bewenden, weshalb sich THE MIDNIGHT AFTER wie eine einzige Exposition anfühlt … wie der Pilotfilm für eine Serie, welche dann die Erklärungen für all die Mysterien aufbringen wird. Aber zum Glück gibt es nichts davon, es gibt nur diese ausgelassene Postapokalypsefeier, die sich von der allgemeinen Verlorenheit nicht den Spaß verderben lässt. Das absurd große Küchenmesser, das von einem völlig orientierungslosen Lam Suet in die Schulter eines Junkies geschlagen wird, weil er diesen für einen Zombie hält, ist ebenso eine Luftschlange dieser Party, wie wenn Space Oddity auf einem Besen gespielt wird, während der dazugehörige Sänger sich alsbald in einem Pappmachémusikvideo wiederfindet. Die Welt ist dabei ein Platz aus den Fugen, eine Fegefeuer ohne Recht und Ordnung, ein absurder Ort paranoider Phantasien … und THE MIDNIGHT AFTER ist eine überdrehte Allegorie auf das Post-1997-Hongkong, dass in einem Schwebezustand seinen neuen Status innerhalb Chinas sucht. Die Insassen verloren wie die Hongkonger. Oder eben wie die Leute in aller Welt. Denn wer weiß denn noch, was wirklich los ist. Wem ist wirklich klar, in welcher Welt wir leben. For here am I sitting in a tin can / Far above the world / Planet Earth is blue / And there’s nothing I can do. Gerade dass die Unklarheiten in THE MIDNIGHT AFTER nicht verringert, sondern potenziert werden, machen ihn zu einem Monument aktueller Verlorenheit … ohne auch nur einmal drüber reden zu lassen. Keine großen Monologe, keine Erklärbären, nur ein Barbecue, von dem wir zufällig mitbekommen können, dass es am Rande des Vulkans stattfindet. Sprich Mandarin. Google Translate funktioniert nicht besonders gut mit Kantonesisch.
Freitag 04.11.
fantastisch +
Das Glück ist, wenn ein Mann, dessen Gemächt sich in seinem Spandex-Anzug nicht abzeichnet, weil er eine mächtige Ken-Weichteilprothese über diesem zu tragen scheint, zu einer Synthie-Version der Wilhelm-Tell-Ouvertüre als relief nach einer dramatischen Szene vor einer Menge hopst und sich dabei mit der rechten Hand euphorisch auf den Hintern schlägt, während die Teilnehmer des Aerobic-Kurses vor ihm alle seinem Beispiel folgen.
Donnerstag 03.11.
großartig +
Hier erzählt Christian Petzold sehr inspirierend von ONE TOUCH OF VENUS. Wobei er sich aber vor allem auf das Musical bezieht. Der Film hat das alles etwas gestraft, das Eheklimbim rausgeworfen (Venus wird nicht durch eine Eheversprechen, sondern durch einen Kuss vom Stein zum Leben erweckt) und dem, wie Petzold sagt, Hirnie wird etwas mehr Einsicht in das Glück gegeben, welches da an seine Türpforte klopft. Was zur Folge hat, dass Venus (Ava Gardner) nicht vor diesem flieht, sondern von Jupiter abberufen wird. Und doch ist dieses spritzige Feuerwerk von peinlichen Situationen vor allem ein brutales Drama, dass durch die Magie von Kurt Weills Speak Low diesen melancholischen Schmerz des knappen Scheiterns verliehen bekommt, der dem Geschehen etwas Schwebendes mitgibt, statt es einen niederdrücken zu lassen. Auf der einen Seite Eddie Hatch, Fensterdekorateur und Ottonormalbürger, der die Liebe einer Göttin bekommt und nur fliehen möchte. Der lieber sein kleines miserables Glück festhalten möchte und jede noch so unangenehme Verkrümmung ausführt, um sich aus der Liebe herauszuwinden. Das Venus, Göttin der Liebe, diesen Typen liebt, ist nur mit ihrem Status als Liebesgöttin zu erklären: gezwungen aus dem tiefsten Existenzgrund jemanden zu lieben, egal wie dieser ist. Mit einem göttlichen Lächeln nimmt sie würdevoll jede Möglichkeit wahr, um den wieseligen Drückeberger einzufangen. Im Film wird es die Liebe geben, aber sie wird nicht zu retten sein. Die Lacher des Films werden wie Tränen zurückgelassen, als die sie am Ende zu erkennen sind.
Oktober
Montag 31.10.
gut
Vom Zauber traditioneller öffentlicher Männerbäder in der Türkei möchte HAMAM erzählen, geht aber nur wenige Mal in solche und verlässt sich stattdessen auf Worte, die von diesen künden. Dabei sind die Momente in den nebligen, heruntergekommenen Wasserhäusern mit ihren mehrdeutigen Freuden so schön, dass die großzügige Auslassung derselben etwas schmerzt.
ok +
Die Zähmung einer Männerjägerin. Bei einem Film wie MS 45 wurde die Hauptdarstellerin noch drangsaliert, um zu erklären, warum sie auf Männerjagd gehen wird. In SHE WOLF gibt es keine Erklärung für das Handeln, nur eine Darstellung desselben. Immer wieder. Die erste Einstellung zeigt gleich eine gefesselte, am Boden liegende Frau, die durchaus ruppig ran genommen wird, ohne das es ihr zu missfallen scheint. Es folgen ähnlich sich an Frauen abagierende Sexszenen und billigste Chauvianmachen, die erstaunlicherweise zum intendierten Erfolg führen. Doch die vermeintlichen Jäger nach leichten Frauen erkennen nur allzu schnell, dass sie die Opfer eines weiblichen Wolfes geworden sind, die nur die aggressiven Vertreter ihrer Gattung reißt. SHE WOLF ist eskalierter Geschlechterkampf, bei dem die netten Männer nur mehr Hintergrundrauschen sind. Farbtupfer, die eher irritiert den Film wieder verlassen müssen. Nur: die Dame landet nach der Exposition in den Arme eines jungen Mannes, den sie nicht genau einordnen kann. Immer wieder ändern sich seine Verhaltensmuster. Immer wieder schwankt die Wölfin zwischen dem reißerischen Verlangen, über ihn herzufallen, und dem Wunsch ihn einfach links liegen lassen zu können, was selbstredend zu Liebe von ihrer Seite führt. Er zähmt sie und führt so zu einer Zerstörungswut, die einen spröden Film zu surrealen Bilderbogen macht.
Sonntag 30.10.
großartig +
Vor dem Hintergrund einer Liebesgeschichte zwischen einem Uptown Girl, das vor der Verlogenheit und dem Parasitären ihrer Klasse mit glitzernden Auge Downtown flieht und sich dort einer naiv-fröhlichen Mimikry hingibt, welche eher ihre klischeehaften Vorstellungen von Armutsromantik zum Vorschein kommen lässt, und einem Downtown Boy, der die Schnauze voll hat von Armut und prolliger Direktheit und lieber gestern als heute sein Leben UP THE JUNCTION verbringen würde, wird einem Londoner Slum tief ins Gesicht geschaut. Durch die Augen von Polly und Peter werden vor allem Nebenschauplätze statt einer Liebesgeschichte gezeigt. Gassen und Leute, mit ihrer furchigen, verlebten Oberflächen, mit greller Lebenslust, gockelhaftiger Suche nach Anerkennung, tollwütigen Emotionseruptionen und wenig weggekehrten Zeichen von Korrosion und heruntergekommenen Chic. Ein Ort, wo es eine abtreibende Hexe gibt, die alles auf den Punkt bring, wenn sie noch einen Schluck aus der Flasche nimmt, sich das Geld in den Strumpf über die Krampfadern steckt und mit ihrem garstigen Frohsinn sich daran macht, man möchte denken mit einem Schürhacken oder ähnlichem, jungen Mädchen ihre Last von den Schultern zu nehmen. Es ist der blanke Horror. Und doch scheint auch hier Pollys Romantik durch. Selbst hier finden sich noch die Heroic und der Prunk, die damit einhergehen, ein solches Leben zu überleben. All das Witzige, Gruselige, Lebenswerte und Schreckliche eines Lebens, wo im Grunde jeder nur das erstrebenswert findet, was er nicht hat, weil er, auf Grund der Distanz zum Objekt der Begierde, nur noch nicht weiß, wie es in diesen Jauchegruben wirklich aussieht. Die Welt ist schlecht, das Leben schön. Was gibt es daran nicht zu verstehen.
großartig –
Die DDR als biederes Kasperltheater, das seine sich in Frivolitäten und alles durch den Kakao ziehende Geplapper rettende Akademiker ein trübes Gefängnis ist. Lange Zeit eine schäumende Party über die Eigenheiten des realexistierenden Sozialismus, der diese aber in der zweiten Hälfte einholt und sie brutal eintrübend infiltriert. Sprich, solange die beiden schrägen Papageien dekonstruktiv durch ihr absurdes Hapitat fliegen, ist Strankas Film eine Zierde für die DEFA und das Kino im Allgemeinen. Sobald sie sich aber nach ca der Hälfte des Films der Planerfüllung verschreiben und in dieses einmalig kumpelige des es ist schön, wenn ihr etwas schräg seid, lasst aber nicht die Kameradschaft und eure treuen Parteifunktionäre links liegen, weil wir haben uns ja alle gern, wie es, soweit ich das beurteilen kann, nur im DDR-Kino zu finden ist, dann ist ZWEI SCHRÄGE VÖGEL so spaßig wie ein Elternabend.
Sonnabend 29.10.
gut +
verstrahlt –
Muss mehr Märchen gucken. Kontinuität, Realität, schlicht öde Penetranz bzgl Sinn und Verstand sind hier einfach egal. Ist ja nur für Kinder. Deshalb werden Gefühle und Phantasie einfach wogen gelassen. Der Beginn von GRIMMS MÄRCHEN FÜR LÜSTERNE PÄRCHEN als kompletter Traum für die Kleinen.
gut
Es weht ein Hauch von Philipe Marlowe durch das Geschehen, ebenso wie es das bei FALSCHES SPIEL MIT ROGER RABBIT oder Warren Beattys DICK TRACY tut. Das CGI der Hintergründe und das Unwirkliche der Handlung sind quasi der Comicanteil respektive der Wachslook der beiden anderen Filme. Ein Detektiv, der von einer Schattengesellschaft gestützt wird, sucht in PHANTOM DETECTIVE nach dem Mörder seiner Mutter. Dabei kommt dieser Hong Gil-dong, in Korea eine althergebrachte Figur, eine Art Robin Hood, aber auch das lokale Äquivalent zur Bezeichnung Identitätsloser wie John Doe, einer Verschwörung auf die Fersen, die nicht nur das Südkorea der frühen 80er Jahre – so wird zumindest gesagt, aussehen tut es eher nach den 50ern, was am porträtierten Land liegen kann, an den Vorbildern der Schwarzen Reihe oder an beidem – einen Stoß gen Faschismus geben könnte, aber auch die Gespenster seiner Vergangenheit nochmal ordentlich durchschüttelt. Identitätslose Anzugträger streifen dabei durch ein Land, das fast nur aus Nichtorten zu bestehen scheint. Ein bracher Hintergrund für einen traumatisierten Helden, der durch Alpträume nicht mehr schlafen kann und sich durch Aufputschmittel am Laufen hält. Aber das sind nicht wirklich Probleme für Hong Gil-dong, zu dem diese Charakteristika gehören, wie eben das Heruntergekommene zum Land. Passenderweise trägt er eine unverwüstliche Locke wie Tim, denn dies alles ist Comic und auch Teil der Komik.
nichtssagend
Ich habe WIR HABEN DAS FLEISCH in der deutschen Synchro gesehen. Einer Synchronisation ohne Gefühl und Atmosphäre. Gerade bei einem Film, der dies braucht, ist das fatal, weil es einen nur noch mehr von der künstlichen Abstraktion distanziert. Diese handelt von Leuten, die sich von ihrer Geworfenheit in eine moralische Welt befreien wollen, indem sie sich eine Pappmachégebärmutter bauen, um neu und frei in ihren Begierden wiedergeboren zu werden. Ein brummendes, in satten, monochromatischen Farben kochendes Ding, das mit jedem Wort eine kalte Dusche bekommt. Aber vll ist es wirklich ein Film, von und für Menschen, die gerne wieder in den Bauch ihrer Mama zurückwollen. So wie ich ihn sah, fand ich es fast unmöglich irgendwas wirklich einzuschätzen.
Freitag 28.10.
großartig–
Vom eigentlichen Titel aus betrachtet, ist der oben vermerkte deutsche Titel wahrlich ein trübes Mahnmal dafür, wozu Verleiher fähig sind. Doch tatsächlich, so derb und prosaisch er auch ist, so offenbart er doch eine innige Kenntnis des Films. Einen zentralen Aspekt greift er auf, der in Form von Zigaretten BODY HEAT durchzieht. Denn zwei Menschensorten scheint es zu geben, die Raucher und die Nichtraucher. William Hurt, der immer gerne zugreift, wenn es ums Rauchen geht. Der zu Beginn ein brennendes Gebäude betrachtet, fasziniert, weil dort ein Feuer ist, wie es in ihm brennt und welches er in angenehm lässiger, geradezu bodenständiger Geilheit lodern lässt. Der aber auch in diesem Noir Opfer dieser Flamme wird, weil die Leidenschaft ihn zu einem typischen Verlierer der Schwarzen Serie macht, sobald er sich ihr gnadenlos hingibt. Und dann sind da eben die Kaltblütigen, wie Ted Dansons tanzender, undurchsichtiger Freund Hurts, der immer zwei Eistees trinkt, um sein Blut vor der Hitze Floridas oder der der schwitzenden Körper zu retten, und der die Zigaretten immer ablehnt, wie ein seit kurzem trockener Alkoholiker den Schnaps. Oder Mickey Rourkes Mechaniker und Bomberbauer, der sie ablehnt, wie der Cleane den Goldenen Schuss. Leute, die einen kühlen Kopf wahren. HEISSBLÜTIG – KALTBLÜTIG, an diesem Gegensatz arbeitet sich Lawrence Kasdans Film ab, wodurch der Titel eben den bürokratischen Teil desselben abdeckt… den, der ganz zielsicher die Bestandteile eines Noir abhakt, alles ordnet und selbstredend am Ende alles offenlegen muss. Dann doch lieber BODY HEAT, denn die heißen Körper, die romantisch, geil und schwitzig um- und miteinander ringen, bis es einem die Brillengläser beschlägt, so denn welche auf der Nase sitzen, sie sind doch der wirklich schöne Teil dieses Films der Hitze.
Donnerstag 27.10.
großartig –
Der Stalinismus als sachter Alptraum, in dem ein vampirischer Herrscher mit freundlichen Worten und einem Lächeln im Gesicht seine Subjekte um den Verstand bringt. Und nach dem surrealen Märchenfilm von paranoider Fröhlichkeit bleibt der Mensch nach dem Aufwachen mit der Frage alleine: wie mit dieser Vergangenheit leben? Vergeben, akzeptieren oder die Leichen der Staatsmänner ausgraben, bis diese öffentlich verfaulen. Und so wird aus einem heiterem Schrecken ein gammelnder Fisch in der Hand.
Montag 24.10.
großartig
Hansjörg Felmy gibt hier vll eine kleine Reprise seiner Rolle als Stasi-Agent aus TORN CURTAIN. Ein Kommissar, der zum Wohl der Allgemeinheit, vll auch aus Rechthaberei bei einem Mann, der in Verzweiflung eine Bank überfiel und um nicht überführt werden zu können, eine Kugel neben dem Rückgrat stecken lässt… der bei diesem Mann mit dem Finger in der Wunde bohrt und bohrt. Wolfgang Staudtes TATORT ist eine garstige Studie über Gerechtigkeit und Strafverfolgung, über Eitelkeit und das Gefühl jemanden etwas reinwürgen zu wollen, die er am Ende in ein düsteres Loch fallen lässt. Mit dabei: Klaus Löwitsch, was jeden Film zu einer besseren Version seiner selbst machen würde, wenn es eine Version ohne ihn gäbe.
Sonnabend 22.10.
nichtssagend –
Müßiger Müßiggang. Alfred de Mussets (Selbst-)Abrechnung nach seiner gescheiterten Beziehung zu George Sand ist in der Verfilmung von Sylvie Verheyde ein Vergnügen ohne Kraft. De Mussets Stand-in Octave (Pete Doherty) lebt ein Leben mit einem Minimum an außen. Keine Not wirkt auf ihn ein, kein Politik, keine Gesellschaft, keine Verpflichtungen. Nur er, frei schwebend in seiner kleinen Welt… mit einem überdrüssigen Ego. Die Sorgen eines Menschen ohne Sorgen. Die sich entwickelnde Amour fou bleibt dabei wie die Partys zu Beginn. Es sind für Octave keine Orte für Gefühle, für Gift, für Hass, Liebe, Spaß, für Leidenschaft, es sind Orte von Selbstmitleid, durch die er schlurft, nicht mal torkelt. Und CONFESSION OF A CHILD OF THE CENTURY macht wohl alles richtig, wenn es dies ohne Elan zeigt, als Abfolge sanfter Bilder von sanften Verstrickungen. Voller Verständnis wird das ganze Elend vor einem ausgebreitet, bis zumindest ich nur noch schreiend weglaufen wollte. Vll ein fieser Film, weil er mich zu dem Gedanken verführen wollte: Zum Glück hast du Probleme.
Freitag 21.10.
großartig
Texttafeln eröffnen die einzelnen Kapitel, die wie mittelalterliche Chroniken die folgenden Ergebnisse zusammenfassen. Ereignisse, die dann, wenn sie geschehen, weit weniger sachlich sind, geradezu widerspenstig sich einer klaren Einordnung verschließen. Ereignisse, in nüchtern betrachteter Ordnung gefilmt, die das Leben einer jeden (schlichten) Klassifizierung entreißen zu wollen scheinen.
uff
Vll im Originalton erträglich, aber in der Synchro macht Barry Levinson aus Roths Roman, der wohl auch BIRDMAN inspiriert haben dürfte, eine selbstmitleidige Laberparade, mit der er Woody Allen möglicherweise zeigen möchte, wie unansehnlich solch ein Film sein kann.
Donnerstag 20.10.
nichtssagend
Nach ca. einer halben Stunde schneidet ein bis dahin nur leicht unangenehmer Führer einer Gruppe Missionare einem Kind die Kehle durch, da dieses Zeuge seines Kokainhandels geworden war, und wird dabei von Avery (Zoë Bell) fotografiert. Mit dem Schnitt durch den Hals verzerrt das Bild, ein brodelnder Drone erhebt sich und erst nach wenigen Minuten unkontextualisierter Dschungelaufnahmen kommt die Geschichte wieder in eine Spur. Davor hatte Avery einen Preis für ihre Arbeit als Photographin in Krisengebieten bekommen, eine kurze Affäre und war zu einem neuen Auftrag gestartet. Sie war etwas einsam, aber voller Hoffnung. Nun ist dies zerbrochen. Das Dröhnen lässt keine Zweifel, dies war ein Schock, der die Welt von Bells Figur zerstört. Manche Menschen sind nicht, wie sie scheinen! Die meisten Menschen müssen dies schon früher in ihrem Leben lernen, zu ihrem Glück oder Pech lernt es Avery erst als erfolgreiche Frau in einer ihr unbekannten Umgebung. Immer wieder wird dieser Zusammenbruch mit Kunstfertigkeit unterstrichen. Der Missionarsführers schreit nur noch wirres Zeug, mordet Feinde, Komplizen, alles und jeden… im psychopathischen Versuch seine Ordnung wieder herzustellen wird er zum Springteufel, der die hehren Ziele der Entwicklungshilfe korrumpiert hat. Avery hingegen redet tagträumend mit ihrem Liebhaber. Dieser Anker, diese Erinnerung an ihre sichere westliche Heimat lässt sie weitermachen. Und so konzentriert sich CAMINO immer weiter auf dieses Seelendrama auf dem Allgemeinplatz, ohne dafür wirklich höllische Bilder zu finden, und lässt dabei den sich entspinnenden Actionfilm durch den Fingern zerrinnen.
Mittwoch 19.10.
großartig +
Dienstag 18.10.
gut +
Gleich zu Beginn bricht Jet Li als ästhetischer Dampfhammer die Knochen einiger aufmüpfiger Japaner. Doch FIST OF LEGEND sucht mitnichten den Exzess, wie ein solcher Auftakt nahelegen könnte, sondern plädiert unter der Morgendämmerung des Faschismus für Ausgleich und Verständnis.
Montag 17.10.
großartig +
Wenn Tuco und der Blonde in IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO, nachdem sie die Brücke in die Luft gesprengt haben, den Fluss überqueren, finden sie einen Jüngling. Der Blonde lässt ihn nochmal etwas an einer Zigarette ziehen, bevor der im Sterben Liegende, durch diese Zuneigung etwas beruhigt, das Zeitliche segnet. Es ist eine dieser humanistischen Oasen, die den nihilistischen Strom durchbrechen, wie sie nicht nur für diesen Film, sondern für Leones Werk typisch sind. Dazu ist es noch eine sehr ungerechte Szene. Es ist eine Ungerechtigkeit jemand so Schönen in einen Film zu bringen, nur um ihn sterben zu lassen. Vll ist es aber gerade dadurch auch ein so schöner Tod. Nun ja. Ganz persönlich verband ich aber noch etwas anderes mit dieser Szene, denn der Sterbende hat mich immer an Lutz Moik in der Rolle von Peter Munk erinnert, wie mir eine neuerliche Sichtung von DAS KALTE HERZ versicherte. An diesen unfassbaren Deppen, den ich als Kind so gehasst habe. Wer lässt sich schon mit bloßer Hand das Herz vom Holländer Michel rausreißen, nur wegen etwas Mammon und wegen der Peinlichkeit seine vorherigen Wünsche beim Glasmännlein so in den Sand gesetzt zu haben? Ich als Kind konnte das nie aushalten. Vll konnte ich in diesen Moment im Sezessionskrieg meinen Frieden mit ihm machen, weil er sich dort eben auch nur als ein normaler Tropf offenbart, der unseres Trosts bedarf.
radioaktiv –
Tsui Harks wirrer Traum einer USA, der einem Arcade entstiegen zu sein scheint. Los Angeles mit seiner Ganggewalt und seinem Graffitischick ähnelt dementsprechend weniger Dennis Hoppers Bestandaufnahme COLORS als der Comichaftigkeit von STREETS OF RAGE. Was geschieht ist so weniger eine stringente Geschichte, als albernes Allerlei durch vage Konnexe zusammengehalten. Ein Schüler sucht seinen nach L.A. emigrierten Lehrer auf, findet aber nur einen anderen gewaltkapitalistischen Schüler, der seinen Lehrer und der Konkurrenz an Kampfkunstschulen ans Leder möchte, ihn anbetende Latinos und eine – aus Sicht der Lady leider – keusch bleibende Liebe. Die Geschichte bietet noch mannigfaltige andere Ausprägungen, aber jede ist nur da entweder Menschen kämpfen zu lassen oder einen noch flacheren Witz mit voller Inbrunst auf unsere entsetzten Lachmuskeln loszulassen. Also alles normal im Hause Tsui Hark, da dieses strahlende Irgendwas mit poetischer Raserei erzählt wird. Raum und Zeit werden wie die Logik gedehnt, auf das alles seinen vollen emotionalen Impact hat.
Sonnabend 15.10.
fantastisch –
In der vll witzigsten Szene des Films, die sicherlich thematisch nicht sehr spaßig ist, weil Bauer und Rebellensympathisant Kadyo in dieser stirbt, aber durch ihr Handling Mike Myers, der in den ersten beiden AUSTIN POWERS-Filmen seine bloß auf Dauer basierenden Witze perfektionierte, vor Neid erblassen lassen würde, weil Kadyo über fast 20 Minuten (schätze ich, bei einem zu diesem Zeitpunkt doch sehr geschundenen Zeitgefühl) in dezent langen wie statischen Einstellungen stirbt und sich doch immer wieder erhebt und weiterkriecht, also in dieser Szene fiel mir auf, wie toll der Rhythmus von EVOLUTION OF A FILIPINO FAMILY ist. Zu Beginn gibt es lange Einstellungen von Rindern, die Furchen in Felder ziehen, einer nicht näher definierten Familie, einem Mädchen am Strand und einer Familie, die mit Koffern und Taschen eine Straße entlang läuft. Nur spärlich werden Information bezüglich irgendwelcher Zusammenhänge oder Handlungen geboten, so dass sich diese Bilder kaum über den in ihnen gebotenen Inhalt hinaus verdichten lassen. Nur eben ein Mädchen am Strand. Was wir sehen, ist was wir bekommen. Ein Hauch von Nichts. Und dann kommen die erwähnten Reisenden bei bewaffneten Personen im Dschungel an und plötzlich explodiert der Informationsfluss. Bezeichnenderweise sind es vor allem Nachrichtenaufnahmen, die in der folgenden kurzen Collage die unter Marcos darbenden Philippinen als eskalierenden Handlungsort umreißen. Wie ein Urknall zieht sich alles zusammen und im Folgenden kann mit Hilfe von drei unchronologisch erzählten Handlungssträngen die Evolution einer Familie gepuzzelt werden. Immer wieder unterbrechen Inserts aus Nachrichten, Interviews und ähnlichem die Handlung, entfremden, verdichten und kommentieren das Geschehen auf dem Bildschirm/der Leinwand, und erfrischen auf dem Marsch gen Ende dieses Epos. Doch wie das Universum sich ausdehnt, so dehnt sich EVOLUTION OF A FILIPINO FAMILY immer weiter aus. Je mehr sich die Konflikte der unter Marcos zerrissene Familie als Goldschürfer, als Farmer am Rande der Rebellion, im Gefängnis und in der Leere konkretisieren, desto langsamer, desto informationsärmer wird erzählt. Bis der Fluss zäher wird und in wie zu Beginn langen, wenig erzählenden Einstellungen sich komplett entschleunigt und das Drama zum Halten, zum Auflösen kommen lässt.
großartig
Nach zehneinhalb Stunden Film braucht es erstmal etwas Relaxation. Also warum nicht einen Film schauen. Besonders schön war bei diesem, dass ich zu Hause zwei ähnliche Exemplare habe. Nur sind diese eben 8 und 11 Jahre alt. Das Vergnügen STEP BROTHERS zu sehen, hatte also den zartbitteren Beigeschmack der Angst, dass sich in den nächsten 20 Jahren nichts ändern wird. Da der Stiefvater hier bei uns zu Hause zudem auch wie im Film Robert heißt, hat alles noch mehr angefacht. Ein bedeutender, lehrreicher Film, der die Pädagogik dieser, unseren Welt bestimmt einige Schritte vorangebracht hat.
Freitag 14.10.
nichtssagend
Vll ist auch die Frage, warum Kormákurs Film THE DEEP heißt. Denn sehr bewusst, wird hier Tiefe gemieden. Der Abend einer Schiffscrew vor dem Auslaufen, der Untergang des Fischkutters in einer eiskalten Nacht, das mirakulöse Überleben eines der Besatzungsmitglieder, der rein körperlich keine Überlebenschancen haben dürfte, sein Treiben durch das Meer, das Durchkämpfen von der Küste bis zum ersten Haus, die sich wundernden Mediziner, welche ihn diversen Experimenten unterziehen, seine Leere in dem medialen wie medizinischen Treiben um ihn, sein Ausbruch und das Finden von Ruhe, all dies wird kühlen Kopfes dokumentiert. Als er im schwarzen Nass treibt und mit seinen Gedanken alleine ist, werde seine Vorstellungen, Träume und Wünsche mittels Super-8-Sequenzen abgebildet, damit diese fein säuberlich von der Realität getrennt werden. Die wenigen Tricks aus der Kiste des Geschichtenerzählens, die Gefühle und Aufmerksamkeit lenken sollen, werden quasi am Ende mit Archivaufnahmen des realen Falls aufgewogen. Die Authentizität soll rein sein und bietet deshalb nur gleichförmig naturalistisch wiedergegebene Oberfläche. Als er mit dem Ertrinken kämpft – und auch an dieser Stelle sinkt er nur kurz unter die Oberfläche des Wassers – bittet er Gott um sein Überleben, damit er noch einen Tag haben kann. Einen Tag, um die Dinge zu machen, die ihm wichtig sind. Dass die Mediziner genauso überfragt sind wie der gesunde Menschenverstand, wirft das Geschehen von THE DEEP immer wieder auf diesen Moment zurück. Besonders da damit geschlossen wird, dass der Überlebende Gulli eines dieser Dinge macht und damit sein Frieden mit der Welt angedeutet wird. Bleibt hier wirklich nur die Frage warum neben der Authentizität des Geschehens stehen? Spielen die Leichen am Grund des Meeres, die immer wieder kurz hineingeschnitten werden, wirklich nur als Trauma, dass durch Gott oder Authentizität gegenüber seinen eigenen Vorstellungen, von dem was wichtig ist, überwunden werden kann? Ist es nichts weiter als eine langgezogene als Chronik getarnte Erbauung?
großartig –
Nach THE PORK OF MUSIC haben wir etwas Wichtiges gelernt, nämlich was Ahah auf Kantonesisch heißt: nämlich Binbin. Denn einer der großen Späße des Films ist, dass Erwachsene immer wieder Binbin sagen, weil sie beim Hören von besonders ergreifender Musik, so gelöst sind, dass sie aufs Klo müssen, und dies auch kommunizieren. Andy Laus Stimme, Abführmittel der Herzen. Der vierte McDull-Film kann dabei leider nicht an seine wilden, chaotischen wie poetischen Vorgänger anschließen, aber es ist immer noch ein Film, der einen als westliche Person, also mich, etwas verstört und beglückt zurücklässt, weil sowas höchst Idiosynkratisches tatsächlich für Kinder gemacht wird.
Donnerstag 13.10.
großartig –
Es könnte einem scheinen, dass SILVER LININGS PLAYBOOK ähnlich wie TRIANGLE von zwei Teams hinter der Kamera entworfen worden ist oder dass wenigstens mitten im Film ein Drehbuchautor seinen Vorgänger ablöste. Lange ist jedenfalls kein Silberstreifen am Horizont für irgendjemanden zu erkennen. Alle reden … oder vielmehr schreien aneinander vorbei, achten neurotisch oder vll auch schon psychopathisch nur auf sich und bekommen gar nicht mit wie gestört sie auf ihre Umwelt wirken müssen. Wir sitzen in einem Film, der nach allen Mitteln der Kunst einer mainstreamigen Hollywoodkomödie voller Skurrilität gleicht, aber dessen Kern wie ein schwarzer, verfaulter Tumor ist, der sich Familie, Liebe, Leben nennt. … und dann hält die notorisch promiske Witwe gespielt von Jennifer Lawrence eine energische Rede voller sich überschlagender Scheinzusammenhänge und wäscht allen den Kopf. Sie stößt alle darauf, wie nah ihre Interessen zusammen liegen, wie sehr sich die Menschen einander bedeuten, und plötzlich fällt alles ineinander. Die Abläufe von SILVER LININGS PLAYBOOK fallen daraufhin in eine diametral entgegengesetzte Richtung. Alle sind zwar nach traditionellen Werten noch genauso kaputt wie davor, aber sie halten zusammen und das zwangsläufig Happy End ist nur Folge dieses Weihnachtswunders, das sich plötzlich alle akzeptieren und aufeinander achten. Auf einem funkelnden, paillettenbesetzten Pony reitet SILVER LININGS PLAYBOOK durch ein Schaumbad aus Liebe und Kitsch. Und auch wenn die beiden Teile sich entgegenlaufen, so sind sie doch verbunden und bilden ein ganzes, denn von Anfang an ist zu spüren, wie sehr dieser Film seine Figuren mag und hofft, dass sie einen funktionierenden Status Quo finden, der nicht verlogen ist. Und wenn dafür die Realität aufgegeben werden muss, dann muss das eben so sein.
Mittwoch 12.10.
gut
Dienstag 11.10.
verstrahlt –
TRIANGLE ist zu einem Cadavre Exquis geworden und das obwohl nicht umgeklappt worden ist. Ringo Lam und seine Compagnons haben genauso Tsui Harks Exposition gesehen, wie Johnnie To mit Crew Ringo Lams Mittelteil gesehen haben. Und doch ist es sofort zu spüren, dass sich alles ändert. TRIANGLE entwickelt keinen Fluss, sondern rumpelt jeweils nach ca. einer halben Stunde in eine völlig andere Richtung. Vor allem Simon Yam scheint in allen Teilen ein völlig anderer Mensch zu sein. Tsui Harks entwirft zu Beginn einen wilden Abenteuerthriller, bei dem das fabulierende Spinnrad nicht still stehen will und immer neue Dinge werden in den Ring geworfen. Goldschätze, Ehedramen, Verliererballaden, Triadenverstrickungen, Überfälle … wenn nicht Tsui Hark involviert wäre, läge der Schluss nahe, dass sich hier jemand einen Spaß daraus macht, seinem Nachfolger möglichst viele Fäden liegen zu lassen, damit dieser sich ordentlich verstrickt. Nach der Übergabe des Films an Ringo Lam macht dieser sich fleißig daran die herumliegenden Fäden zusammenzuknoten. Das Fahrige ist anscheinend nicht das Seine. Dafür entwirft er ein Nerven zehrendes „Menschen kommen mit sich und allen anderen nicht zurecht“-Drama, indem die Figuren möglichst schnell eskalieren. Die Schnittrate fällt, die Bilder werden mehr zu Tableaus und verkannten sich gegen ihre Figuren. Johnnie Tos Finale fühlt sich daraufhin wie eine bewusste Abkehr an. Spätestens als Lam Suets geistig behinderter (?) oder einfach unwirklich zugedröhnter Abzocker zu stumpfen Techno in den Film schwankt, wird klar, dass sich nun nicht mehr um die gesponnen Ansätze gekümmert wird. Etwas Eigenes wird folgen… mit neuen Figuren, einem neuen humanistischen Ansatz und einem ruhigen Stil, der mit statischer Lakonie und einem gewissen Kopfschütteln gegenüber dem vorangegangenen Bohei einen sanft zur Ruhe kommen lässt… uns wie die Figuren. Als in sich ruhende Komödie schickt To TRIANGLE auf die Schlussgerade, die mehr Kommentar zu dem vorherigen Geschehen scheint und still gute Nacht wünscht. Als konventioneller Film funktioniert das Ergebnis wenig, aber als kleines Spiel darüber wie andere eine Geschichte weitererzählen, wie Vorlieben, die Wahrnehmung einer Geschichte oder unterschiedliche Inszenierungsstile sich so gegenseitig offenlegen, ist es aber irrsinnig faszinierend.
Montag 10.10.
ok
Lo Wei lässt seine Subjekte reden, reden und reden. Nur die Bösewichte und der hitzige Jackie Chan schlagen schnell mal zu. Wer etwas auf sich hält, muss in THE NEW FISTS OF FURY erst zum Äußersten getrieben werden, bis er/sie explodiert. Und so folgt das Theater der Unsicherheit: Handeln oder nicht handeln, das ist hier die Frage. Obs edler im Gemüt, die Fäuste und Kugeln der garstigen Japaner erdulden oder, sich waffnend gegen eine See von Plagen, durch Widerstand sie enden? Sterben – schlafen… hmmm schlafen.
Sonntag 09.10.
fantastisch –
Kurt Hoffmann fährt ein filmisches Feuerwerk gegen kleinbürgerlichen Mief auf. Parallelmontagen, die wie Champagnerschaum aus der Flasche sprudeln, oder liebevolle Tricksequenzen umschlingen die erstickte Familienwelt eines Gartenzwergmagnaten, der mit lebenslustigen Töchtern, nicht weniger, aber anders als er miefenden Schwiegersöhnen, zirkusdirektorenden Brüdern und völlig in den bürgerlichen Ansprüchen an Weiblichkeit aufgegangenen Matronen zu kämpfen hat. Das Ende gibt sich dabei fröhlich, ist aber bitter wie Enzian, denn hier schaffen es nur die Verzweifelsten, Weltvergessensten aus der durch Hoffmann für uns kurzzeitig lebbar gemachten Erstarrung mit meterdickem Staubfilm zu entfliehen.
nichtssagend
Ein zierliche Studie über Angst steckt in diesem energischen Epos, der entweder nahelegt, dass die Maya selbst Schuld daran sind, dass sie von den Konquistadoren überrannt und ausgelöscht wurden, dass es immer einen größeren Fisch im Wasser gibt, dass große Kulturen wenig toll sind oder ähnliches. Ganz spannend also, wenn APOCALYPTO nicht auch ein aufgeblähter Film voll muffiger Penetranz wär. Wenn es nicht vor allem ein Film wär, dem es darum geht zu zeigen, wie ein Mann durch Welt gezwungen wird durch Qualen zu gehen um Frau und Kind zu retten. Der große Antrieb APOCALYPTOs ist der herbe Schmerz des Patriarchats, der sich daran ergötzt immer wieder Frau und Kind in ihrer dunklen, kalten Welt ohne Mann zu zeigen und wie diese dort hoffen doch bald durch den Pater familias gerettet zu werden.
Sonnabend 08.10.
fantastisch –
So ziemlich in der Mitte von MOBY DICK sagt der Schiffjunge Pip: That ain’t no whale; that a great white god. Er bringt damit auf den Punkt, worum die wahnwitzigen, monolithischen Monologe von Orson Welles‘ Priester und Gregory Pecks Ahab oder die Worte des Erzählers und die Erzählungen der Seemänner noch etwas herumtanzen. Es ist wie der letzte Kraftakt, um den Subtext bloß nicht unter der Oberfläche eines Meeres aus Deutungsmöglichkeiten zu belassen, sondern ihn für jeden zu bergen. Mit diesem Satz liegt der Fisch unleugbar vor uns auf dem Tisch. Der Moby Dick, den Kapitän Ahab jagt, ist Gott. Wer es weniger religiös verbrämt mag, Ahab jagt einen übermächtigen Wal, weil er in ihm die Ungerechtigkeit des Lebens sieht. Eine Harpune möchte er ins Fleisch eines Seins werfen, das ihn leiden lässt. Irgendwo zwischen Shakespeare-Deklamation und Jack London liegt MOBY DICK, wenn Peck pompöse Worte des Hasses in die Welt schreit und dafür eine Welle salziger Gischt ins Gesicht bekommt. Das Seefahrtabenteuer voller Unwägbarkeiten und Möglichkeiten, welches zu Beginn in der Luft liegt, führt John Huston wenig kleinmütig in einen engen Tunnel eines heroischen Wahns, wo Mensch und Gott sich gegenseitig ins Antlitz spucken. Eine herbe und durchaus zärtliche Megalomanie weht durch den Wind… gleich den Möwen, welche mit ihren knarzigen Schreien sich über die zu Wasser gelassenen Harpuniersboote legen und die Scheuklappen des Wahns noch vergrößern, indem sie die Tonspur verengen, die Sinne reizen und eine ruhige Realität zerreißen. MOBY DICK strotzt vor Symbolismus, aber dieser liegt dermaßen an der Oberfläche, dass die Realität dahinter zurücktritt und das biblische, d.i. das märchenhafte, das mystische in dieser stürmischen Salzsee ihr Recht bekommen. Ein Film für Albert Camus, ein Film im hoffnungslosen, wehmütigen, verbitterten Kampf gegen ein ungerechtes Sein.
großartig
FAIRY IN A CAGE ist ein Verwandter von SALÒ. Nur etwas kleiner und weniger streng nach Ehrfurcht verlangend. Eine kalte Beobachtung zur gesellschaftlichen Analyse von Macht und Lust bleibt hier aus, wenn die perversen Machenschaften eines japanischen Politikers porträtiert werden, der mit Hilfe der Militärpolizei während des zweiten Weltkriegs nach Lust und Laune Männer und Frauen zum vorgeschobenen Zwecke der Vernehmung in einer Villa gefangensetzen lässt und lüstern foltern. Ohara zeigt uns ein faschistisches Japan, wie es selten so eindeutig in Filmen zu sehen ist, aber er ist nicht an Strukturen von Macht interessiert. Ihn interessieren Mittätern. Leute, die zusehen und nichts ändern. Zu Beginn tritt ein neuer Rekrut seinen Dienst in der Villa an und seine verschreckten bis ungläubigen Blicke laden zur Identifikation ein. Schön an Roman Pornos ist aber, dass da eher selten verteufelt wird und so sehen wir ihn hadern, zurückschrecken, sich immer mehr beteiligen und lüstern träumend. Viel Hoffnung macht einem FAIRY IN A CAGE nicht, wenn irgendwann unser Double eine von der Decke hängende fast nackte Dame mit ihrer Schamlippen immer wieder über die Kante eines riesigen Keils schiebt … was viel brutaler ist als bei SALÒ, wo es um die dort oben geht, denn hier geht es um uns. Aber dann ist da noch der Geist der Befriedigung. Weder der Politiker noch der mitverantwortliche Militäroffizier befriedigen sich an den Frauen oder Männern. Sie peitschen, demütigen, erfreuen sich an Pissespritzern uswusf, aber sie holen nie ihren Lümmel raus. Dem Rekruten verbieten sie zwangsläufig sich selbst zu befriedigen, wenn diesen die erotischen Phantasien übermannen. Denn wenn die Befriedigung kommt, ist da Scham, der üble Nachgeschmack, denn dann fällt der Schleier. Der Film schließt mit einer glanzlosen, verzweifelten Vergewaltigungs-/Befriedigungsabfolge nach der in diesem Fall nichts mehr kommen kann, außer die Zerstörung und der Tod.
großartig +
Der Titel spricht durchaus Bände. Körperlich romantisiert hier nichts und niemand. Intimitäten sind Mangelware und, solange ich auch überlege, mir fällt nicht ein Kuss ein, der in den knapp zwei Stunden gezeigt worden wäre… bei einer romantischen Komödie wohlgemerkt. Es ist kein Film der Pass- wie Obsessionen, sondern einer des Schicksals, der Liebe und der Ewigkeit. Die Liebe in ROMANCING IN THIN AIR ist dabei die der Seelengemeinschaft, die sich in Gesten und Zuneigung ausdrückt oder darin, dass zusammen herzlich gelacht oder umeinander getrauert wird. Denn es herrschen schlicht nicht die Witterungsbedingungen für anderes/mehr. Ort der Handlung ist ein einsames Ferienressort, ein bezeichnenderweise Deep Woods benanntes Hotel, in der Nähe des ca. drei Kilometer über Meereshöhe liegendem Shangri-La. Die dünne Luft dort lädt schlicht nicht zu wildem Exzess ein. Eine leichte, ziehende Kälte beherrscht zudem die Bilder mit ihren blassen Farben. Satte Töne irritieren jedes Mal leicht. Auch wenn sich ROMANCING IN THIN AIR selbst in der Trauer einen nonchalanten Ton bewahrt, es ist ein Zeugnis von Isolation, Verlorenheit und dem Drang nach Nähe in der Vereisung … und von der wärmenden Schönheit des Kinos. Zu Beginn gibt es oft die Bilder von zwei oder mehreren Leuten, die ohne die Anwesenheit des/der Anderen zu bemerken, durchs Bild laufen. Alkohol und emotionale Vergletscherung, wie sehr sie auch in Watte/Humor gepackt werden, sind der Modus Operandi. Der neben dem Hotel liegende Märchenwald, vor dem hysterische Schilder seit Ewigkeiten warnen, ist ein Ort ohne Wiederkehr. Wer sich in ihm verliert ist verloren. Und dann sind da eben die Szenen von Leuten in Kinos, wo sie sich und andere verstehen können, wo sie, die sonst aneinander vorbeileben, nicht die Kraft haben sich auf andere einzulassen oder sich missverstehen, in Ruhe reflektieren können … wenn sie ihr Schicksal abstrahiert auf der Leinwand sehen. Von Johnnie To ausgemessen, von Wai Ka Fai mit verschlungenen Film-in-Film Metaebenen ausgestattet, werden die Figuren in ROMANCING IN THIN AIR vll nicht sonderlich leidenschaftlich, wie gesagt die dünne Luft, aber romantisiert sie die Zuschauer mit Kitsch, Spaß und Herzschmerz in klirrender Kälte.
Freitag 07.10.
verstrahlt +
Eine auf 90 Minuten heruntergekürzte fünfstündige Saga. Ein Körper, dem die Knochen herausgezogen wurden und der nun strukturlos darniederliegt. So fühlt sich DRAGON FROM RUSSIA an. Clarence Fok jagt uns durch Länder, unwirkliche Orte, durch die Zeit. Ein Wimpernschlag kann hier Jahre überbrücken. Nur am Rand bekommen wir es mit, wenn sich wieder alles grundlegend verändert hat und doch von davor kaum zu unterscheiden ist. In Echos kehrt die Vergangenheit immer wieder, aber genauso wird sie zurückgelassen, als habe sie nie existiert. Aber wer braucht Erklärungen und Struktur, wenn sich ein Mantel voller Gefühlen um einen legt. Wenn wie im Traum alles selbstverständlich wirkt, weil alles außer dem Gefühl eh Kokolores ist. CRYING FREEMAN als romantisches Gedicht, als gepuzzeltes, warm umschließendes Schneetreiben der Gefühle.
Montag 03.10.
großartig –
großartig
Zu Gericht ist DRAGONS FOREVER bestialisch. Ausgestellt harmlos werden Frauen durch den Zeugenstand gejagt bis die letzte Sabberblase dem Herrn von der Richterbank auf die Robe getropft ist. Allein die Idee den Plot des Films und den Charakter Jackie Chans in einer Gerichtsverhandlung zu Beginn kondensiert ein- wie vorzuführen, in der Chans Rechtsanwalt einen Vergewaltiger mit gefühlt seit hundert Jahren veralteten Argumentationen über weibliche Promiskuität zum Freispruch verhilft, obwohl er von seines Mandanten Schuld weiß (u.a. weil er kurz davor erlebte wie Schläger die Klägerin einzuschüchtern versuchten), ihm aber zum Zeichen seiner Gewissensbisse zweimal eine runterhaut, ist eine Jahrhunderttat in Blauäugigkeit und Unverschämtheit in Männergruppen. Auf diese Idee zu kommen… wahrlich unwirklich. Aber in seiner Gesamtheit sind die Momente zu Gericht eine gekonnte wie schmerzhafte Vorführung von institutionalisiertem Sexismus. Da wo Fassbinder einem bewußt den Magen zuschnürt, da schnürt es einem hier den Magen ab, weil es eben so locker leicht dargeboten wird. Aber es gibt noch den weitaus größeren Rest des Films, wo DRAGONS FOREVER keine Jauchegrube sexistischer Wirklichkeit darstellt, sondern einen in Ruhe lässt mit den komplizierten Fragen der Gesellschaft… höchstens noch das Psychogramm eines modernen Verschwörungstheoretikers nebenher nachzeichnend. Aber vor allem ein Rest der zeigt, dass Yuen Biao einer der unter Wert verkauftesten martialen Künstler seiner Generation, wenn nicht aller Zeiten ist… und hier am Ende nicht mal eine Freundin oder einen Freund abbekommt.
Sonntag 02.10.
fanastisch –
Ich denke hier sprach Olaf Möller von der Geisterbahn der Gefühle, welche das deutsche Nachkriegskino mitunter befährt. Aber egal wo diese Bezeichnung herstammt, GEFANGENE DER LIEBE schreit nach einer solchen. Das Melodrama einer Kriegsheimkehrerin, die, um schneller aus dem sibirischen Kriegsgefangenenlager entlassen zu werden und zu ihrem Curd Jürgens heimzukehren, sich von irgendjemanden schwängern lässt, daheim aber nicht nur einen ob des Kindes unverständigen, tief verunsicherten Ehemann findet, sondern auch den unverhofft auftauchenden Vater des Kindes, arbeitet nicht nur am Rande des Nervenzusammenbruches. Es ist kein Melodram in dem mit der Enge der Gesellschaft oder dem Schicksal gehadert wird. Die Bilder aus Schatten und grellem Licht, die ewig wie später in PSYCHO schwingenden Lampen, die schrägen Einstellungen, sie zeigen eine Welt, die mit fragil noch zuversichtlich beschrieben ist, und Menschen, die sich in Leid und Kummer aufzulösen drohen, weil ihnen der Boden fehlt, auf dem sie stehen könnten. Und wie zum Spott dröhnt im Hintergrund meist der Jahrmarkt des Oktoberfests vor betäubendem, verzweifeltem Spaß. GEFANGENE DER LIEBE zeigt Gefühle als Horrorshow… und macht einem vll auch bis in die Knochen klar, wieso die folgenden Schlagerfilme der BRD so waren, wie sie waren.
großartig –
Wer etwas erledigt bekommen möchte, braucht keine Demokratie, sondern einen Herkules. Der möchte zwar lieber zu Hause bei seiner Liebsten bleiben, aber was hat ein Held schon zu sagen. Und so reist er mit dem König von Theben und ohne Armee ins faschistische Atlantis, wo er schwere Dinge hebt, Menschen aus Konzentrationslagern gefreit und mit spiritueller Hilfe den vorzeitlichen Stöpsel zieht, der die Insel des Unheils vorm Untergang bewahrt. THE BIG RED ONE als bunter Kindergeburtstag, irgendwo.
gut +
Filme wie DIE 36 KAMMERN DER SHAOLIN oder AMERICAN SHAOLIN handeln davon, dass einem Großmaul und/oder Drückeberger der Kopf gewaschen wird und ihm mittels blauer Lecken Disziplin eingeprügelt wird. Anders: Filme wie SPIRITUAL KUNG FU, welche voll Sympathie auf die Kapriolen des großmäuligen Jackie Chan blicken, der sich vor Disziplin und Strafe im Kloster nur allzu gerne und phantasievoll drückt. Lehren tut ihn vielmehr das Leben, falls es hier überhaupt um sowas Kleinliches wie Lehren geht. Vll das nötige Gegengewicht gegen die verzichtsvollen Unterwerfungen. Höheres Kung Fu lernt Jackie dann auch nicht von den ehrwürdigen Meistern, die zudem Hass und Korruption unter ihrer Oberfläche offenbaren werden, sondern von fünf Geistern, die einer Mischung aus Pumuckl und Ballerina gleichen… natürlich erst nachdem er dank Tricktechnik einmal ordentlich auf sie drauf pullerte. Zu Beginn also ein weiteres Fest der Albernheiten auf das in überquerer Dramaturgie ausgedehnte Kampfkunst folgt. Im Vergleich zu den wenigen später entstanden Filmen in den Sammo Hung und Jackie Chan die martialischen Künste befreien, eskalieren und zu dem optischen Äquivalent der Gitarrensolis in Slayers RAINING BLOOD machen, ist hier trotz wenig analen Witz hier aber alles weiterhin engmaschig im Kampf. Zwei Körper treffen aufeinander, umschlingen sich und trennen sich in einer Explosion in geregelter Abfolge bis ein Sieger gefunden ist. Quasi wie die Solos von Benny Goodman.
Sonnabend 01.10.
großartig
Nach dem etwas gesetzteren, für Bondverhältnis quasi in Khaki gehaltenen LIVE AND LET DIE, handelte dieser doch schlicht von Rassismus und einem Mann, der seine Drogenhändlerkonkurrenten aus dem Geschäft drängen wollte, lässt uns Hamilton in THE MAN WITH THE GOLDEN GUN zumindest zeitweise ins Schangel-Shuttle steigen. Die etwas mit Voodoo gewürzten Jagden durch Harlem, Sümpfe und bekannte Karibikexotik werden hier gleich mit unwirklichen tropischen Inseln ersetzt und dem surrealen Shootout-Labyrinth des Endes, welches zu Beginn gleich vorweggenommen wird. Aber von der verspielten Klammer und diversen ebenso wenig seriösen Auftritten des Kleinwüchsigen Schnickschnack abgesehen, macht Guy Hamilton klar, wie ideal er als Bond Regisseur war. Seine Inszenierung passt sich dem Drehbuch an, wo jeder Wahnwitz, jede kindliche Phantasie von Weltrettung und -domination mit der Steife eines englischen Gentlemans vorgetragen wird. Kurz unter Hamilton ist irgendwie alles auch trufte. Erst Lewis Gilbert sollte in den folgenden Filmen Bond wieder mehr Richtung Delirium schicken.
September
Freitag 30.09.
großartig –
Selten lässt Edwards die Kamera an irgendjemanden heran. Er inszeniert einen meist weiten Raum, der Peter Sellers die Bühne bietet um gekonnt hinzufallen und der David Niven Platz gibt um eine ordentliche Schleimspur zu hinterlassen. Gerade für Letzteres wird der rote Teppich ausgerollt. Erst am Ende wird der Slapstick aufgefahren, davor geht es vor allem darum, dass ein alter Schwerenöter die junge Claudia Cardinale mit Alkohol und aalglatten Bonmots verführen möchte. Niven und Robert Wagner sind in diesem Film Gentlemen der alten Schule, was heißt, dass sie mit einem Charme über Frauen herfallen dürfen, der einen schauern macht.
Donnerstag 29.09.
fantastisch –
Laut Bergman hat Tarkowskij eine Sprache gefunden, die dem Wesen des Films entspricht, nämlich das Leben als Traum. Wo die Dialoge und die Geschichten in dessen Filmen geradezu zwanghaft ihre Intellektualität mit Neonlicht anstrahlen und ihr Gewicht unterstreichen, so haben diese durchaus eine traumhafte Qualität. Es herrscht dieses leicht Entrückte des Träumens, wo wild Zusammengesetztes trotzdem vertraut erscheint. BLUE MOVIE folgt einem anderen Moment als dieser verzauberten Leichtigkeit… denn hier ist diese Vertrautheit zerschlagen. Es herrscht die Unsicherheit nach dem Aufwachen, wenn wir zusammenzusetzen versuchen, was da in der Nacht in unseren Köpfen los war. BLUE MOVIE ist ein fiebriges Kreuzverhör der Erinnerung. Sex, Gefängnisse, Ausbeutung oszillieren in abgestandenen, verkaterten, suchenden Bildern, die übrigbleiben, wenn der sanfte Pinselstrich des Schlafes wegfällt. Drei Situationen um einen Mann, der Frauen gefangen hält und ausnützt, alternieren, umkreisen sich und werden nie mit einem sicheren Boden ausgestattet. Zeit- und Handlungszusammenhänge werden nie geklärt. Vielmehr scheinen die Geschehnisse durchsetzt von neuen Konstrukten durch das Ausfüllen der Lücken der Erinnerung, durchsetzt von Echos und neuen Phantasien. Der Zusammenbruch der Realität, der Fall des träumenden Schleiers des Lebens als sinnlicher Rausch von Eindrücken bleibt. Am Ende soll das Ganze wahrscheinlich in einem Sinn münden, aber retten kann die Vertrautheit niemand mehr, der Traum ist aus. Zurück bleibt ein Pochen.
Mittwoch 28.09.
ok
Sonntag 25.09.
großartig +
Als Satire über sensationsgeile Medien und die unklare Linie zwischen Fiktion und Realität, die verschwimmt sobald die Realität immer mehr Formen von Fiktion annimmt, ist SERIAL MOM das bessere NATURAL BORN KILLERS. Aber als Familienvater kann ich zudem die Gefühle von Beverly R. Sutphin (Kathleen Turner) auch bemerkenswert nachvollziehen. Hach, einfach mal zustechen und blutig wegrationalisieren… oder lockerer werden, wenn jemand den Müll nicht richtig trennt. Schwer zu sagen.
großartig
Eine Fliege nimmt Rache an dem Mörder des jungen, verliebten Mannes, der sie selbst vor der Wiedergeburt war. Inklusive Trainingsmontagen, schicksalsträchtigem Gesang über offenbarenden Handlungen grundböser Menschen und anderen Dingen, die einem zeigen wie reichhaltig Filmsprache ist und wie wirksam eben diese sein kann, wenn ohne Rücksicht auf Zurückhaltung und guten Geschmack alles aufeinander gehäuft wird. Die Fliege lässt ihren Widersacher nicht schlafen, treibt ihn in den Wahnsinn, verursacht Unfälle und erklärt ihm offen den Krieg. Und er antwortet mit hochtechnischem Kriegsgerät und kompletten Nervenverlust. Die Dokumentation einer Eskalation, die nur durch ihre romantischen Zwischentöne davon ablenkt, dass sie ein apokalyptisches wie witziges Panoptikum männlicher Zerstörungswut zeichnet.
Sonnabend 24.09.
großartig
Das HUDSON HAWKsche, welches Tsui Hark in den beiden vorangegangenen Van Damme-Filmen in Besitz nahm, ist auch bei seiner Rückkehr in Hongkong zu spüren. Aber schon allein die Abwesenheit von Rob Schneider nimmt TIME AND TIDE den aaaaaaaaaa-was-ist-das-denn-Anstrich. Durch sein Hollywoodabenteuer hat er sich aber vll letztlich von einer irgendwie gearteten Limitierung durch seine Wurzeln lösen können. Das bisschen Inhalt, welches sich Hark hier bewahrt hat, handelt von Neuanfängen und dem Ablegen der Vergangenheit. Was darin gipfelt, dass ein Bodyguard und ein Bankräuber, welche ihr Leben in geregelte Bahnen lenken wollen und deren Schicksale sich durch einen kurzen Moment gegenseitiger Sympathie verbandeln, um ihre beiden schwangeren Freundinnen (oder so was ähnliches) in wilden Schießereien kämpfen müssen. Am Ende sind die Neugeborenen da und TIME AND TIDE setzt den Weg Tsui Harks fort, gibt sich Texturen, Rhythmen und einer Montage, welche Grenzen immer mehr auflöst, hin. Film als Mosaik. Und da es eben ein Film seines Regisseurs ist, eines mit Hummeln im Hintern. Was das letztendlich ist, dieses Ding, mehr Oper als Actionpainting, muss sich jedoch bei mir erstmal setzen. Eine abermalige Sichtung dieses und der vorrangegangenen Filme bringt sicherlich mehr Aufschlüsse.
großartig
Mein Reich ist nicht von dieser Welt, scheint THE FUGITIVE uns sagen zu wollen. Denn raumgreifend lässt er seinen handelnden Figuren keinen Platz um sich zu entfalten. Eingequetscht sind sie zwischen Hyänen und Schafen … wie in einem Zementbällebad. Das gebotene Bild der mexikanischen Revolution ist trostlos. Speckige Profiteure empfangen hier in heruntergekommenen Zimmern die korrupten Mächtigen. Drakonisch werden Befehle durchgesetzte. Und den Bauern mit Dackelblick soll ihr letzter Zuflucht, der Glauben, geraubt werden. Wahrer sozialer Wandel, ein Ding der Unmöglichkeit. Jedenfalls mit solchen Leuten. Einer der Bauern hatte genug von seinem Leben und ist nun Polizeileutnant. Einer, der fanatisch die Wurzeln der Ausbeutung auch aus seines Gleichen ausreißen möchte. Einer, der seine Schäfchen unerbittlich liebt … wie Erich Mielke nach oder Torquemada vor ihm. Sein Weg, sein Kampf ist eine ebensolche Sackgasse, wie es die Revolution ist. Politisch ist nichts zu retten in dieser Welt der Schmeißfliegen und Lämmer… nur wird dies in diesem Film, der zumeist auf Straßen oder in Räumen spielt, die sich nur marginal vom staubigen Draußen unterscheiden, nicht von einem resignierten Adligen verträumt in den Himmel festgestellt. Leute im Elend bekommen es zu spüren. Was uns zum Flüchtigen bringt, einen Heiligen vom Format eines Jünger Jesu‘. Der Film beginnt mit ikonischen Bildern, mit einer triumphalen Rückkehr eines Priesters (Herny Fonda) in sein Dorf. Er ist der letzte verbliebene Geistliche in Mexiko nach der Revolution, so will es die Welt von THE FUGITIVE. Doch schnell zaudert er, findet keine Hilfe und flieht. Die verschwitzten Mächtigen und die undurchsichtigen, hanswurstigen Denunzianten werden ihn auf der Straße vorführen, werden ihn ausnutzen, verzagen lassen, wandeln seine Welt in einen unsicheren Ort obszöner Freuden, die im sich Ergötzen an seiner Qual bestehen. Und doch ist er, wie eben die Jünger, die vor Jesu Tod unverständig sind und jedes Fettnäpfchen mitnehmen, ein Heiliger. Wieso weiß ich nicht. Aber vll ist das Scheitern der Welt an ihm und sein Scheitern an der Welt sein Glorienschein. Und so sehr die Bilder zu Beginn und zu Ende eine Kirche bauen wollen scheinen, ist mittendrin alles klein, unklar und speckig. Der bedreckte Heiligenscheins des Scheiterns am Leben eines jeden von uns, wenn wir keine Hyänen und Schafe sind/sein wollen. Der besoffene Witz des Lebens.
Freitag 23.09.
fantastisch –
Das Schönste an diesem Film, der den Jiangshi-Film-Boom Ende der 80er Jahre auslöste, ist vielleicht seine hineingehauchte Liebesgeschichte. Die albernen Szenen kommen en gros. Jede Peinlichkeit wird mit Wonne mitgenommen. Die Gehilfen eines taoistsichen Mönchs sind selbstredend trottelig, dass Damen mit einer Prostituierten verwechselt oder Menschen unter Bann wie Puppen verwendet werden, wird genüsslich ausgekostet und nicht nur einmal piken spitze Dinge zur Belustigung in eines Menschen Po. Nonstop Nonsens, der in eine Geschichte um einen Jiangshi, einen durch seinen beim Tod verspürten Hass wiederbelebten Leichnam, der durch die Gegend hüpft und Menschen tötet/infiziert, eingebettet wird, die vor sich überschlagenden Kung Fu Kämpfen und schleimigen Geisterhorror nur so strotzt. MR. VAMPIRE ist ein Paradebeispiel für die überbordende Freude des 80er Jahre Hongkongkinos, dass nicht wie am Schnürchen läuft, sondern alles mitnimmt, was irgendwie passt und den Film, vll nicht plotmäßig, aber als Genuss bereichert. Und doch ist die Sahnehaube der romantische Schotterweg, der an mehreren Stellen nochmals hereingeschoben wird, obwohl er nur durch einen Hauch von Nichts mit dem Rest des Filmes verbunden wird. Die Geschichte eines weiblichen Geistes, der (wohl aus Liebe) einen der Gehilfen verführt und herzzerreißend vom Mönchen als böses Phantom bekämpft wird, ist tragisch, voller Gefühl und wird doch nie ausformuliert. Es ist nur noch ein Ton mehr in der überschwänglichen Gefühlspallette dieses Films. Und weil das Hongkongkino dies immer wieder macht und schafft und weil MR. VAMPIRE ein so reich blühender Schatz ist, müssen sie einfach geliebt werden.
großartig –
Getreu dem Motto Reality is just a crutch for people who can’t handle drugs lernt Jackie Chan den Umgang mit der Sauferei und wird so ein Popeye des Alkohols. Statt sich frustriert und aufschneiderisch durch eine ihn nervende Welt zu schlagen, wird er flexibel und entspannt und muss wahrscheinlich nur wie sein Meister mit einer Sucht bezahlen. Doch DRUNKEN MASTER hieß in Deutschland nicht umsonst SIE NANNTEN IHN KNOCHENBRECHER, ist die Schule des Alkohols doch eine harte. Die Seite des sich Fallenlassens braucht Ausgleich durch Züchtigung des Körpers und knallharte Disziplin für den Geist. Blumig werden sich, wie grundsätzlich im Genre verlangt, neue Brutalitäten für den Kung fu lernenden Helden erdacht, dass auch die perverse Lust nicht zu kurz kommt. DRUNKEN MASTER ist dabei eine ambivalente, sich krümmende Meditation über Trinken und Sucht, über mikrosoziologisch betrachtete Lebensentwürfe in einer grauen Welt, über die Poetik der Relaxation mit einem getrübten Kopf bei gleichzeitiger gieriger Forderung nach Unterwerfung des Körpers … und/oder einfach ein köstliches Fest aus Kung fu und Schabernack.
Dienstag 20.09.
nichtssagend –
Eine der erste Informationen des Abspanns von THE EXPENDABLES ist, dass Corey Yuen extra für die Choreographie der Kampfszenen von Jet Li eingestellt wurde… und dann haben diese eine genauso klare Arrangierung wie Kartoffelbrei … oder eben wie die Kämpfe des Rests des Films, die die Cutter wohl mit dem Pürierstab gefertigt haben. Schlicht kurze Brocken von diversen Aufeinandertreffen diverser Körperteiler diverser Menschen durcheinandergewürfelt, aneinander gepappt und Kampfszene genannt. Sehr traurig das. Ansonsten werden müde die guten alten Zeiten beschworen bzw DTV mit etwas mehr Budget gemacht, aber dafür mit weniger Herzblut. Der Camp der Botoxladungen in einigen Gesichtern hat durchaus Charme, kaschiert aber kaum die Selbstgefälligkeit dieses traurig stimmenden Abgesangs auf eine Ära, der eigentlich eine Feier sein soll.
Sonntag 18.09.
gut +
Sonnabend 17.09.
verstrahlt
Lukas F. hat in einer Facebookgruppe diesen Film unter der Kategorie Das Gehirn gibt auf eingeordnet. Mehr kann ich in einer sortierten Form zu THE GORLLA nicht sagen. Irgendwo das Bindeglied zwischen den Marx Brothers, die hier nur mehr über ihre einheitliche Dämlichkeit definiert werden, und SCOOBY-DOO, WHERE ARE YOU… und vll auch MURDER BY DEATH. Ein Haus, 3 wenig taugliche Detektive, ein Gorilla, eine Familie mit Geheimnissen, Bela Lugosi, diverse Verbrecher und Menschen, die nicht sind, was sie scheinen, eine Suche nach der Wahrheit, eingewickelt in einer Kalauerdichte von unglaublicher Direktheit und einer sehr wenig analen Qualitätskontrolle. Anything goes in diesem Wahnsinnspotpourri der Krimi- wie Schenkelklopferversatzstücke … wunderschön inszeniert.
großartig
Weil Cheung (Sammo Hung) wert darauf legt, der Mutigste zu sein, und weil dessen Chef eine Affäre mit seiner Frau hat, geschehen wenig strukturierte Dinge bei denen Geister, taoistische Priester, hüpfende Leichen unter deren Kontrolle (Jiangshi) und Kung fu eine Rolle spielen. Aber vor allem ist es Hongkongkino ohne Grenzen. Keinen Sinn für das Gerade und Ebene. Ein wildes Feuerwerk des entspannten Wahnwitzes.
fantastisch –
Zerknautscht. Wenn Will Rogers zu Gericht oder auf seiner Veranda sitzt und eine institutionalisierte Justiz zur Farce macht, dann träumt JUDGE PRIEST von einer, wenn nicht idealen, so doch beneidenswerten Gemütshaltung. Row, row, row your boat, Gently down the stream. Merrily, merrily, merrily, merrily, Life is but a dream. ist möglichweise im Hintergrund des eigenen Bewusstseinsstroms zu hören, wenn Richter Priest lakonisch den Beschwerden, Einsprüchen und Vorwürfen seiner Mitmenschen zuhört … oder eben auch nicht … immer mit einem nachsichtigen Lächeln, dass umso breiter und trauriger wird, je mehr sein Gegenüber auf Buchstaben im Gesetz, moralischen Anstand und Empörung besteht … und wenn der Richter dann entsprechend seinem Herzen gewitzt und entschieden (ohne Fanatismus) handelt. JUDGE PRIEST träumt von einem Guten (Wahren und Schönen), das nichts mit dem Richtigen zu tun hat. Vll heißt er deshalb auch Priest, weil er nicht an die Früchte der Aufklärung und an die institutionalisierter Dogmen glaubt, sondern an Rücksicht und Verständnis. Ein Traum von Menschlichkeit. Dementsprechend hat Ford auch keinen Film mit einer klaren Struktur gedreht, sondern einen der mäandert. Einen, der dem verständnisvollen Lachen eines alten Oppas mit Sinn für die Albernheit des Lebens gleicht und dem jeder Sinn für Hysterie abgeht. Einen Film, wo der Richter ganz Humörbombe lieber mit dem Angeklagten angeln geht, als der Anklage zu erklären wie engstirnig sie ist. Wahrscheinlich kann JUDGE PRIEST auch deshalb in den Südstaaten spielen und zur Rettung des Tages Dixie zum Marsch fröhlicher Veteranen anstimmen, ohne dass einem der liebevolle Witz im Halse stecken bleibt. Weil Will Rodgers/Richter Priest die Doktrinen eines jeden Staats/Glaubens schon wieder lächelnd unterminiert. Anders als bei Adorno, der nicht an die Möglichkeit eines richtigen Lebens im falschen glaubte, wird hier eben weder an richtiges Leben noch an ein falsches geglaubt. Es gibt nur ein Leben, in dem wir (mitunter) von Idioten umgeben sind, selbst an Idiotisches glauben und allzu oft töricht bis schrecklich handeln, in dem sich aber eine lakonische Gelassenheit bewahrt werden kann … und in dem selbst ein Staat, der seinen ritterlichen Sozialismus blutig auf den Schultern versklavter Menschen bauen wollte, eine anderen Richterspruch verdient, als ihn verkürzte Verteufelung, blinde Freisprechung oder einfach ein einziger Film in Peto haben. Und so steht Richter Priest am Ende des Tages/Mitten im Film vor dem Bild/Grab seiner toten Familie und erzählt ihnen mit einem traurigen Lachen von den Geschehnissen des Tages und einem wird unmerklich klar, wie schwer es sein muss, in einer solchen, in unserer Welt sich das Lächeln zu bewahren.
fantastisch –
Ähnlich mit bebenden Oberkörper schnaufend wie zuletzt CRANK. Auch mit einem ähnlichem Maß an Adrenalin, welches aus der Nase läuft. Nur ist DANGEROUS ENCOUNTERS: 1ST KIND keine überzogene Groteske. Kein Spaß, sondern Tollwut. Die Post-68-Apokalypse eines Poliziottesco im ungedämmten Wahn und ohne moralisches Gefrickel. Niemand macht hier einem verweichlichten Staat Vorwürfe zu nett zu sein, weil nur mehr agiert wird. Selbst die Skrupel dreier Studenten nach begangener Fahrerflucht und einer wohl (leider nicht den Director’s Cut gesehen) von ihnen gelegten Brandbombe in einem Kino haben einen gesellschaftlich umgreifenden Charakter. Es ist nur individuelle Furcht. Und so wird zu Beginn einer Maus eine Nadel in ihren Schädel gestochen, in Großaufnahme draufgehalten. Ein Film in ohnmächtiger Raserei. Sadistische Mädchen, aufschneiderische Studenten, skrupellose Söldner, gierige Triadenmitglieder, wütende Polizisten in einem bleigeschwängerten Panoptikum eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs in Comicformat, das nicht distanziert analysiert, sondern egal was immer porträtiert. Am Ende stehen Maschinengewehrsalven, aktuelle Schlagzeilen und Leere. War der deutsche Herbst klaustrophobisch, ist das Ende der 70er in diesem Hongkong vormoralische Unschuld und kochendes Blut.
Freitag 16.09.
gut +
Der etwas ausschweifend erzählte Plot, der nur da zu sein scheint, damit ein Polizeichef den fälschlicherweise gesuchten Jackie Chan geblendet von Seife an den nackten Arsch grapschen kann, als sie sich unbemerkt voneinander eine Dusche teilen, sorgt immer wieder für dahintrübende Stellen, die die (obszönen wie schönen) Witze zusammenhalten sollen. Und am Ende dann ein Kampf in dem Jackie Chan solange auf Maul bekommt, bis er unbesiegbar ist. Was durch seine Unwirklichkeit für Rätselfalten auf der Stirn sorgt, junge Mitsehende, welche langsam Genreregeln verstanden haben, komplett verwirrt, und wieder in einem genüsslich albernen Gag mündet.
gut
Marianne geht mit zwei Lebemännern nach Paris und wird dort als Lustobjekt an Herren und Etablissements verkauft, nur um sich am Ende von der verderbten Großstadt in den fröhliche Einfachheit der Provinz zu retten. LES TENTATIONS DE MARIANNE will Mädchen wohl auch vor den Versprechungen gelangweilter Männern retten, die in den Metropolen (der Lüste) eh schon alles erlebt haben und nun nur noch perverse Spielchen treiben. Doch vor allem versandet Marianne in Paris in einer Beziehung zu einem der beiden Bonvivants, der nicht wirklich etwas mit dem Mädel, noch mit perversen Lüsten anfangen kann… während sein Partner, möglicherweise Liebhaber, wartet, dass endlich schlimme Dinge passieren. Und so liegen die Figuren wie faulender Fisch in der Ecke und keiner kann sich aufraffen etwas zu ändern, bis die Strukturen der Großstadt zugreifen und die Beziehung in Perversion und Verrat enden lassen.
Donnerstag 15.09.
großartig +
Am Ende steht eine knarzende Tür mit eigenwilligem Schließverhalten zwischen dem in unterschiedlichen Zimmern im Bett liegenden Nochehepaar Warriner (Irenne Dunne & Cary Grant). Und wenn die Tür durch den Wind wieder aufgestoßen wird, dann sitzen sich die beiden, die den ganzen Film einen liebevollen Rosenkrieg aufgeführt haben, indem das Paar die jeweils neuen Liebschaften des Anderen ganz trocken an den Klippen der Lächerlichkeit zerschellen lässt, wieder von Angesicht zu Angesicht, schauen sich mit verschämten Hundeblicken an und kommen nicht voneinander los. THE AWFUL TRUTH bietet von Beginn an eine übermütige Facepalmparade ohne Sinn für Hysterie. Hier wird jeder ganz langsam und genüsslich abgekocht. Nur wieso es zum Bruch kam, bleibt vergleichsweise unklar, weht doch schon von Beginn jede Menge Romantik zwischen den beiden durch den Film. Die neuen Beziehungen sind offensichtlich auch nur durch Trotz motiviert. Ganz pragmatisch gibt es zu Beginn einen Grund: Cary Grant kehrt von einem vorgetäuschten Floridatrip nach Hause zurück und findet mit einer kurzerhand eingepackten Partygemeinde eine leeres Heim vor. Nur wenige Minuten später erscheint seine Frau in Begleitung ihres Gesangslehrers. Was wirklich vor Filmstart geschah wird nie aufgeklärt werden, nur sind die moralischen Fesseln einer guten, christlichen/bürgerlichen Ehe so stark, dass der Mann, um Spaß zu haben, sich anscheinend verdrücken muss, während die Frau nicht mit anderen Männern reden darf. Die Liebe zwischen den Warriners ist im Grunde nie angegriffen, aber durch die Kratzer in der eigenen Reputation gehen sie zärtlich und sprachfreudig aufeinander los. Und so ist gerade die verliebt Verspieltheit des Ganzen in seinen Konsequenzen umso bitterer, wenn nur die Ketten der Gesellschaft solch eine Liebe zerstören können. Trotz alledem glaubt THE AWFUL TRUTH schlicht an die Liebe zwischen zwei Menschen… und an die Lächerlichkeit eines jeden von uns.
Montag 12.09.
uff
Mit Betroffenheit ist der überwiegende Gefühlszustand beim Schauen von MISSION TO MOSKAU am ehesten beschrieben. Gerade wenn wieder eine Pointe ins Nichts ging und der Film eine Pause macht, wie ein Clown auf der Bühne, der sich umschaut und darauf wartet, ob nicht doch noch jemand lacht, und dann überstürzt mit einem Grinsen weitermacht, bevor das hoffnungsvolle Lächeln gänzlich aus dem Gesicht verschwunden war… gerade dann wollte ich diesen verlassenen Scherzbold in den Arm nehmen und ganz fest drücken.
Sonntag 11.09.
fantastisch –
CRANK macht das Gleiche nochmal und jagt ohne Sinn und Verstand durch ein komplett überzogenes, auf fast forward laufendes Abziehbild der Realität… nur diesmal auf der Suche nach Strom, statt Adrenalin um ein Herz am Laufen zu halten. Dabei vll eines der treffendsten Bilder des Hyperkapitalismus zeichnend, wo die Tabus sich in Lachnummern auflösen und Menschen nur noch Hintergrundrauschen sind. Wenn Machogangster wie Chev Chelios sich aber in aller Öffentlichkeit an älteren Damen reiben, um dadurch den sich schnell entladenden Akku ihres künstlichen Herzens aufzuladen, dann ist das genau meine Vorstellung von Spaß.
Sonnabend 10.09.
gut +
Bei der reichhaltigen Innenausstattung fällt es ab und zu schwer, sich noch auf den Rest des Films zu konzentrieren, wo Frauen in Himmelbetten mit sehnsuchtsvollen Blick auf Fenster starren und hoffen, dass endlich ein Lüstling durch das viktorianische Deutschland wandelt.
großartig –
Richard Harris‘ kantiges Gesicht gewahrt einen daran, dass Lindsay Anderson mit THIS SPORTING LIFE vll eine Variation von FRANKENSTEIN gedreht hat. Mit einem brandoschen existenziellen Leid und mit grobschlächtiger Direktheit kämpft der sensible Rugby-Spieler mit wuchtigem Körper für Anerkennung und Liebe. Eloquent inszeniert Anderson den Schmerz seines Kämpfers gegen die Welt als raue Lyrik und doch versteckt er seine schönste Poesie am Rand … wenn Andeutungen quer im Film stehen gelassen werden und eben nicht mit Beredsamkeit sprechen. Denn die Auslassung verwandelt noch die kleinsten Dinge in Elefanten und Paläste.
Freitag 09.09.
großartig
Dass Detroit mal zur Hochburg für Backwoodhorror wird, war vor nicht allzu langer Zeit kaum vorstellbar. Wäre eine der beständigsten Tropen im Western nicht die Durchsetzung von Recht und Ordnung im Chaos, die verlassenen Viertel würden auch nach diesem Genre schreien. So dringt jedoch das Chaos in die Ordnung ein bzw okkupiert den Platz der sich auflösenden Gesellschaft. Drei jugendliche Einbrecher steigen in DON’T BREATHE in ein Haus ein, welches von diversen Reihen unbewohnter Häuser umschlossen ist. In diesem wohnt ein blinder Irakveteran und sitzt mutmaßlich auf einer Menge Kohle. Doch das leichte Ziel stellt sich schnell als tödliche/höllische Sackgasse heraus. Vor dem zornerfüllten und nahkampferprobten Ex-Soldaten, der nur ahnen kann, wie viele Eindringlinge in seinem Haus sind, gibt es nur ein Versteck, nämlich keine Geräusche zu machen. Dieses Setting verspricht irgendwo eine ruhige, atmosphärische Spannung, die sich langsam wie eine Würgeschlange um einen legt. Für das Halten von Spannung ist DON’T BREATH allerdings zu hibbelig. Stattdessen schlägt es aufgeputscht und spastisch immer wieder zu, betrachtet die Überreste und Folgen seiner Exzesse, um darauf wieder schnell und hart zuzupacken. Nicht unschuldig an dieser Struktur ist Stephen Langs blinde Figur, die wenig bis nichts von Michael Myers und Konsorten hat und kein übermenschliches Phantom ist. Ein enttäuschter Bürger, der für Argumente oder rationale Überlegungen nicht mehr empfänglich ist, der zu keinem Plan fähig scheint, schlägt hier schlicht blind vor Wut um sich. Er nagelt die Türen und Fenster des Hauses zu und macht aus diesem ein enges, klaustrophobisches Gefängnis, das von der Kamera zu Beginn systematisch abgemessen wird, wobei diverse Werkzeuge zur Flucht oder zur Verteidigung offenbart werden, aber in dem für etwas außerhalb dieses wilden Zorns kein Platz bleibt. Fern jeder geistigen Gesundheit fordert er biblisch Auge um Auge. Ein bisschen ist es, als ob hier ein paar Jugendliche verzweifelt und fehlgeleitet nach Alternativen oder Hoffnung suchen und in einer Welt landen, in der Donald Trump oder die AFD reale Chancen haben, in Ämter gewählt zu werden. Der Horror.
Donnerstag 08.09.
ok
Mittwoch 07.09.
großartig
Subtextlich geht es darum, dass es vielleicht manchmal gut ist, als Vater für seine Kinder nicht da zu sein. Sie könnten ja sonst sonstwo mit reingezogen werden. Deshalb rennt Liam Neeson durch die Nacht, um zu beweisen, dass er nicht nur ein von Gewissensbissen zerstörter Säufer und (ehemaliger) Killer ist, sondern immer auch ein liebevoller Vater war, wenn auch nie da… während Ed Harris vor dem Scherbenhaufen seines Lebens steht, weil er, der Gangsterboss, immer anwesend war und nun einen kleinkriminellen wie toten Sohn zu betrauern hat. Die kuschlige Geschichte von Vätern, Söhnen und Freunden, von Verantwortung und der Unaussprechlichkeit des eigenen Glaubens jagt Menschen zerfleischend dahin, findet immer schönere, dynamischere Bilder für die blutigen Bahnen, die sich Neeson bahnt um seinen Sohn vor korrupten oder getäuschten Polizisten, vor Killern und Gangstern und dem Sündenfall ins Verbrechen zu schützen. Hier im Blutrausch wird er ganz Papa, der nun einmal im Leben zeigen darf, was in ihm steckt, der endlich zum gekitteten Menschen werden darf. Kierkegaard hätte in RUN ALL NIGHT vll eine Variation seiner Ausführungen zu Abraham in FURCHT UND ZITTERN erkannt, da Neeson schweigen muss, weil er sich in den ethischen Bahnen der materiellen Welt nicht mehr ausdrücken kann. Er glaubt, an das was er tut, nämlich sich zu verkriechen und seinen Sohn dadurch zu schützen, auch wenn alle und allen voran sein Sohn ihn dafür verachten. Erklären kann er seinen Glauben an seine Taten nur mit der Pistole und mit seinen Fäusten… und RUN ALL NIGHT bietet ihm ausgiebig die Chance im sequenziellen Mord zur Reinigung zu finden. Ein mystisches Märchen im wunderschönen Gewand.
Dienstag 06.09.
großartig
Ein Hauch von Nichts weht über die Leinwand. Castellano & Pipolo erzählen fast apatisch ihre Version von EIN HERZ UND EINE KRONE und bieten neben ein paar Albernheiten nur Celentano seine Raum für seine Albernheiten. Aber ein Film, der dies hier zu einem seiner Highlights zählt, mag aus heutiger Sicht undenkbar sein, aber er ist trotzdem wunderbar. Unaufdringlichkeit, die sanfte Abwechslung.
Sonntag 04.09.
fantastisch
New Orleans kurz vor der Sezession der Südstaaten. Eine Romanze zwischen glühender Irrationalität, Sturheit und Emotionalität (Bette Davis) und kühler Rationalität, fehlender Durchsetzungskraft und Nüchternheit (Henry Ford) scheint das große Glück zu versprechen, aber nach nur kurzem Anlauf zerreißt sie tollwütig. Julie (Davis), stets darauf aus ihre prüde und steife Umwelt zu brüskieren, geht auf ein gesellschaftliches Großereignis, den Olympus-Ball, in rotem Kleid, in der Farbe der Dirnen, wo doch alle unverheirateten Fräuleins weiß zu tragen haben. JEZEBEL ist Schwarz-Weiß, aber durch das Entsetzen im Angesicht des Kleides und dadurch, wie kalt Julie beim Ball geschnitten wird, scheint es feuerrot zu leuchten. Preston (Fonda), der zuvor noch ganz keck vorgeführt wird, weil er vergaß die Peitsche mit zum Weibe zu nehmen, und dem Julie mit ihrem Aufzug beschämen wollte, weil er es wagte Geschäfte neben ihrem Willen nach Liebe zu haben, tanzt mit ihr erbarmungslos durch einen Saal, der nicht mehr mit Luft, sondern mit Gift gefüllt scheint. In wenigen Minuten ist JEZEBEL ein riesiger Aufruhr der Gefühle. Demütigung, Reue und Liebe, die immer mehr Hass gleicht. Die folgende Trennung bringt zwar etwas Ruhe, aber eine Liebe, die solche Gefühle hervor zu rufen weiß, endet auch nicht einfach so und findet auch nicht einfach das Glück. Irgendwann wird zwangsläufig das Fieber in New Orleans ausbrechen und die feine Gesellschaft einschließen. JEZEBEL ist dann schlussendlich an einem Punkt angekommen, der dem in DIE MASKE DES ROTEN TODES gleicht… nur dass es nicht die Pest ist, die unausgesprochen hinter den Wällen aus guter Laune lauert, sondern die Sezession, die alle sehr offen in Raserei versetzt. William Wyler inszeniert und Warren Low schneidet wie Preston beim Tanz. In uneingeschränkter Bestimmtheit packen sie, lassen kurze dramaturgische Pausen damit wir wie Julie zum Ausdruck zu bringen können, dass es nun gut sei, dass es sonst zu viel wird, die einen hoffen lassen, nur um dann doch mit uns im Arm weiter tanzen, dorthin wo alles zu viel ist. Das Drehbuch, unter anderem von John Huston, gleicht da mehr Julie. Es spielt mit der Gleichsetzung Julies und Prestons mit den Klischees der beiden gegensätzlichen, aber grundsätzlich zueinander gehörenden Teile der USA. Nutzt dies als Resonanzkörper. Von immer neuen Ansätzen schlägt es auf diese Romanze und der mitlaufenden Bedeutung ein. Vor allem die Südstaaten kommen dabei nicht gut weg. Wie in den immer wiederkehrenden Geschichten von Generälen und Politikern des Südens, die stets betonten auch gegen die Sklaverei zu sein, diese aber selbst abschaffen zu wollen und nicht auf den Befehl eines anmaßenden, unmännlichen Nordens hin, erzählt JEZEBEL von der Verachtung Julies für ihre Umwelt. Sie lässt nicht ab, die Galanterie des Südens als Sumpfleiche zu brandmarken. Doch ihre Geringschätzung ist eine mit sich selbst verbundene. Sie verachtet, wie nur etwas Eigenes verachtet werden kann. Es grenzt an schizophrenen Selbsthass. Dementsprechend ist ihre kindliche, überbordende Emotionalität die ihrer Heimat, die sich nur aus Trotz dem Fortschritt, der Hygiene und den Argumenten verschließt. Und so gärt die Romanze zwischen Julie und Preston, zwischen Nord- und Südstaaten, dreht sich, berauscht sich an Liebe und Hass, verdichtet sich immer mehr, bis der Film endet, als ob er in eine Hitzeschlag induzierten Ohnmacht fällt. Als ob alle einfach unter der Last zusammenbrechen… vll mit etwas Hoffnung in der Erschöpfung.
nichtssagend –
Ein Sofa unter einer Plasteschutzhülle, ganz praktisch, aber irgendwie total unsinnlich. Aber ein Film mit dem passenden Hauptdarsteller, denn Ed Skrein spielt mit dem Charme einer Teflonbeschichtung.
Sonnabend 03.09.
großartig +
Von der Sehnsucht nach einer Religion, wie sie sein sollte… zumindest von jemanden der mehr auf Eskalation steht, als auf Knäckebrot. Die Askese wird augenscheinlich ein paar Priestern überlassen, während der innere Aufruhr der Beteiligten, sei es durch Verlust, durch das Gefühl nicht normal zu sein oder durch die Ahnung, dass mit dieser Welt doch etwas nicht stimmen kann, zu einem wilden Kampf zwischen Kreuzrittern, gottgefälligen Verlorenen, irrenden Seelen und einem übermächtigen Verführer externalisiert wird. Religion wird hier nicht wie ein abstraktes Buch und die bescheidene Suche nach ein paar Wegweisern im Leben behandelt, sondern eben wie ein Kampf, der für die Welt tatsächlich von Bedeutung ist. Einer Welt, die hier vornehmlich aus düsteren, kalten Gassen, verwahrlosten Wohnungen/Wohnräumen, Hinterzimmern voller verschworener Menschen und einer langen Nacht besteht. Einer Welt, die verlorenen ist, am Ende, in der ein entgrenzter Kampf voller Qual, Blut und einem dahinjagenden Schnitt herrscht. Und auch wenn END OF DAYS sein Herz am richtigen Platz hat und den immer bescheidenen wie schlecht rasierten Muskelprotz, Säufer und Tunichtgut Arnie zum Held macht, der zwar an der Welt leidet, aber, egal wie er motzt, verachtet und sich gehen lässt, nicht zu korrumpieren ist, zeigt einem END OF DAYS anschaulich wieso etwas wie ISIS und Terrorismus existiert. Zudem geht Gabriel Byrne in seiner Rolle als Verderber völlig auf. Als Sinnbild für eine verkommene Welt, zieht er eine ungemein charmante Show ab. Sprachgewandt, selbstbewusst und von einer unbändigen sexuellen Macht (auf Frauen, die nach seinem Küssen ihm verzaubert hinterherschauen und denen er verspricht, dass er sie nicht vergewaltigen muss, weil sie es haben wollen, wenn er nur in ihrer Nähe ist), gibt er eine polymorphen Reigen männlicher Ängste und Wünsche. Um seinen dreisten wie geilen Küssen zu widerstehen, da müssen wir schon aus einem besonderem Schrot und Korn sein.
großartig –
Larry Cohen verzichtet fast völlig darauf Räume zu inszenieren. Zwischen den Szenen fliegt die Kamera über New York, wahrscheinlich die Sicht des riesen Reptilvogels bzw des vorzeitlichen/göttlichen Wesens Quetzlcoatl einnehmend. Die Szenen selbst sind schmerzhaft flach und eingeengt. Q führt einem halbbewusst vor, wie beengt und klein das Leben als Mensch so ist und wie luftig das eines Vogelgottes. Die Geschichte begibt sich dementsprechend auch nicht wie beispielsweise bei GOD TOLD ME TO ins Herz des Wahnsinns altertümlicher Kulte, die ihr altvorderes allmächtiges Wesen wiederbelegen. Immer wieder deutet sich an, dass sich Q auf den Highway einer wilden Melange aus Anthropologie, Evolution und Religionsmonsterfilm begeben wird, mit hohen Priestern, Menschenopfern, Jahrhunderte alten Sekten sowie einzelnen Irren, doch er bleibt auf der Landstraße eines Seelendramas um einen kleinen Gauner. Dieser findet das Nest Quetzlcoatls und verlangt Reparation für die Qualen seines Lebens. Den Aufenthalt des Menschenfressers möchte er nur gegen Geld, Ruhm und Straffreiheit offenbaren. Er, dieser notorische Verlierer, dieser schwitzende und sich verhaspelnde Hans Wurst, genießt die Macht und bekommt gar nicht mit, dass er sich nur noch mehr zum Hampelmann macht. Und so bekommen wir einen engen, kleinen Film, der sich irgendwann nicht mehr für seinen Aufhänger interessiert. Der irgendwann kein großer Film mit großen Themen und großen Gefühlen sein möchte, sondern ein ranziger kleiner Film über klägliche Gefühle wird.
großartig +
Ein bisschen erinnert SPL 2 an die Filme von Julio Medem. Zufälle mit brutalen Wahrscheinlichkeitsquoten geschehen, Menschen laufen sich so unwahrscheinlich über den Weg, dass es wie der Wink des Schicksals anmutet uswusf. Doch wo Filme wie LUCIA Y EL SEXO erzählerisch geschlossene Systeme bilden, wo Figuren wie die Schnörkel in einem verschlungenem, symmetrisch-erhabenem Jugendstilbusch wirken, da ist es hier nur Teil des brutal tearjerkenden Widerstreits aus verzweifelter Ausweglosigkeit und den sich aus diesen Tiefen erhebenden Möglichkeiten des Glücks. Sprich, da wo Medem im Sinne der Kunstfertigkeit alles und jeden festzurrt, da ist es bei Cheang Pou-Soi nur Teil der emotionalen wie inszenatorischen Eskalation. SPL 2 verlangt es immer nach mehr. Aberwitzige Plansequenzen, die durch chaotische Knastrevolten/-keilereien schweben, immer noch brutalere Schlägereien, noch knappere Entscheidungen am Rande zur Selbstparodie, immer noch mehr Leiden, noch größere Kulleraugen bei kleinen an Krebs erkrankten Mädchen, die gegen jede Chance ankämpfen, und zwangsläufig noch mehr gorige Späße. Zeigte MOTORWAY Cheang weiter auf dem Weg zur Sittsamkeit, lässt er hier nun wieder vermehrt die Hunde von der Leine.
Freitag 02.09.
großartig
Vom verkrüppelten Kloputzer zum internationalen Gefängnisfightchampion – nur durch den Willen. Zumindest fast. Antipode des zweiten Teils, Boyka (Scott Adkins), ist nun der Held, der das im vorherigen Teil einmal durchgebrochene Knie gegen Dinge schlägt und mittels diesem Wassereimer anhebt, um es zu stärken und wieder brauchbar zu machen. Mit seinem eisernen Willen unterwirft er seine Anatomie, um sich beweisen zu können, dass er wirklich der ultimative Kämpfer ist. Inhaltlich handelt es sich um Martial-Arts-Trainings-Einerlei, dass der Körper nur die harte Knute braucht, um alles zu schaffen, die Isaac Florentine einem mit direkter Dringlichkeit um die Ohren haut. (Es passt nicht, aber dies hier sei empfohlen.) Aber die frohe Kunde ist, ein eiserner Wille alleine hilft nichts. Es muss sich anderen Menschen geöffnet werden. Neben den abermals intensiven, direkten Schlägereien ist es herzerwärmend zuzusehen wie Adkins und Mykel Shannon Jenkins auftauen und ihre männlichen Panzer fallen lassen, um Freunde zu werden und lächeln lernen. Also, entsprechend diesem Film für schorfige Fingerknöchel und das Wärme bedürftige Herz, verkloppt nicht nur eure Mitmenschen, wenn sie euch im Weg stehen, sondern habt auch einige von ihnen lieb.
*****
Wer jetzt den siebten Police Academy Teil erwartet hat, kann sich nicht meinen Bammel vor diesem vorstellen.
Donnerstag 01.09.
ok +
Der Film in dem Captain Harris schlussendlich zur Hauptfigur wurde … und der Film, welcher die Infantilisierung der Reihe in klare Bahnen lenkt. Das Mabuse-Substitut, welches zur Strecke gebracht werden muss, ist hinter seinem Schirm so debil wie seine Handlanger verspielte Kinder sind. Fast ist es wie ein Besuch im Kindergarten. Das Ding ist jedoch, dass der Inhalt zwar verspielt ist, aber eben klar aufgebaut. Hightower, Tackleberry, Hooks, Callahan und Jones werden als ihre eigenen Klischees, die sie ja schon immer waren, nochmal deutlicher akzentuiert. Sie, eh schon Running Gags, werden nun auch als solche verwendet. Fackler zerstört beispielsweise sobald er ins Bild kommt von ihm unbemerkt seine Umgebung wie ein Frank Drebin im Quadrat oder Callahan ist in jeder sie bezüglichen Szene von Männern umgeben, denen im Angesicht ihrer Brüste das Hirn komplett aussetzt, beispielsweise. Und damit wird nicht nur der Geist der Serie unterlaufen, handelt es sich nunmehr doch um ein Produkt von, zugegebenermaßen lockeren, Erwachsenen und nicht mehr um das infantile Chaos, welches sich schnell etabliert hatte. Den Vergleich von vor ein paar Zeilen wieder aufgreifend: es wirkt wie ein Besuch im Kindergarten, der von den Erziehern anschaulich organisiert wurde.
August
Mittwoch 31.08.
großartig –
Wäre der 5. Teil der Entwicklung der beiden Vorgänger gefolgt, hätte er noch mehr Fleisch von den Knochen der ewig gleichen Variation desselben verdunsten lassen. Etwas Irres, monumental Entsetzliches, ein Koloss unendlichen Spaßes wäre die Folge gewesen. Doch es folgt der zweite Teil, nachdem seit dem ursprünglichen Erfolg gesucht wurde. Im Originalton wahrscheinlich so trüb, wie ich ihn seit meiner frühen Jugend in Erinnerung hatte, doch mit einer komplett von jedem Ernst befreiten Synchro, die unbekümmert und unverkrampft den Film mit einem Fluss an genüsslichen Bonmots durchzieht, ein entspannter Trip in den Urlaub.
Sonntag 28.08.
verstrahlt +
Der vierte Teil gleicht einer Studie über Police Academy Filme und deren Aufbau. Die Struktur von Teil 1 und 3 wird gnadenlos offengelegt. Gerade der Hauptteil mit der Ausbildung ist bloß Vortäuschung von Inhalt. Von einer wunderbaren Voodooszene abgesehen, liegt hier nur rum, was irgendwie dazugehört. Am deutlichsten die obligatorische Blue Oeyster Bar-Szene. Harris und Proctor sind irgendwann vor dem Etablissement. Mahoney soll sie dorthin geschickt haben, das reicht schon als Erklärung …und dann wird eben getanzt. Es ist einfach nur da, um da zu sein. Wie Teile eines Baukastens, die niemand versucht mit Leben zu füllen. Die finale Gangsterjagd ist mit seinen Ballons und Doppeldeckern ganz lebhaft und die Exposition mit von Stacy Peralta gedrehten Skateszenen, inklusive des jungen Tony Hawk, ungemein sympathisch, aber doch handelt es sich beim vierten Teil um einen postmodernen, strukturalistischen Experimentalfilm im Zoten- und Schenkelklopfergewand.
großartig –
Shredder bekommt endlich ein passendes Aussehen und wird gnadenlos verheizt um Krang einzuführen. Bebop und Rocksteady dödeln rum. Die doofen Sprüche nehmen zu und Meister Splinter spielt zunehmend keine Rolle mehr. Der Witz, das Unbefriedigende, alles wird immer mehr wie die End-80er Serie in Groß. Sicherlich müssen die vier Teenager wichtige personelle Probleme lösen und ganz ernst sich zum Team formen, aber das ist vll der Film auf den ich mit 10 Jahren gewartet habe. Wie ein zweiter Pilotfilm für eine Serie, die leider nicht kommen wird.
radioaktiv
Das Grauen beim Bummeln im Paradies. Die toxische Männlichkeit eines Schnurrbartträgers hat sich in dessen Körper in Form von Prostatakrebs hineingefressen. Vom schlechten Gewissen getrieben geht er auf die Suche nach einer alten Liebe, die er betrogen, belogen und verlassen hatte. Phantome werden ihn heimsuchen, er wird aber weiter blind auf seinen selbsthassenden, hypermännlichen Potenz- und Vernichtungspfaden wandeln und von einer irrealen Vergangenheit träumen. Ein Hardcore Horrorporno mit Korken am Strohhut. Die Karibik als Ort von einer solchen Hitze, dass alles langsam wird und das Denken immer schwerer fällt. Ein pulsierender, drückender Ort, wo Worte ihren Sinn verlieren. So dreht D’Amato im Grunde auch nur zwei Sexszenen, die immer wieder variiert werden und wodurch die Formen und Konstellationen von Ausnutzung, Lust und Machtgebaren sich ändern und kommentieren. SESSO NERO, die Lyrik eines geschlechtspolitischen Kopulierens.
Sonnabend 27.08.
großartig –
großartig –
Frankenstein, der Unsichtbare, der Wolfsmensch, Dracula, die Gremlins vom Amazonas und Godzilla. Mit Blitzen wird hier jedes tote Haustier zu einem Verwandten der großen Universalmonster (+ eben japanische Nationalmonster und Dantes liebenswerte Kinder) belebt. Ein Schauermärchen, bei dem das Prinzip der Addams Family ein ganzes Dorf übernommen hat und folglich fast jeder wie ein Monster oder Psychopath aussieht. Ein bissiger Traum von der Schönheit der Wissenschaft und der Brutalität von Ignoranz. Ein Märchen über die Liebe, der keine irdischen Grenzen gesetzt sind.
Freitag 26.08.
großartig +
Stellt euch eine LETHAL WEAPON-Variation mit einem Rookie spielenden Sylvester Stallone und einem Jim Carrey als Slackercop vor und ihr habt das Gerüst von TIGER ON A BEAT. Dieses wird aber nicht wie bei Donners Film mit zwischenmenschlichen Charakterzeichnungen aufgefüllt, sondern ist sich als Cartoon zu denken, in dem erst jeder noch so billige Witz mitgenommen wird und der dann die Anzeichen von Konflikte immer mehr verdichtet bis ein Orkan wilder Action über einen schwappt. Und diese sieht auch nicht nach einem hingeworfenem Haufen wie bei LETHAL WEAPON aus (es sein nur als Höhepunkt des optischen Quarks im finalen Kampf zwischen Gibson und Busey verwiesen), sondern hier wird mit scharfem Messer geschnitten. Nicht umsonst endet hier alles mit wohl einem der besten Kettensägenduellen der Filmgeschichte.
Mittwoch 24.08.
fantastisch –
In seinem Buch über Melodramen schreibt Georg Seeßlen Folgendes: […] um die Gefühle eines Helden im Männer-Genre kennenzulernen, muß man seine Konflikte verstanden haben; um Konflikte von Melodramen-Helden kennenzulernen, muss man ihre Gefühle verstanden haben. Und noch einmal anders ausgedrückt: Der Held des Männer-Genres verdrängt seine Gefühle, in dem er pausenlos Konflikte austrägt; die Helden von Melodramen verstehen ihre Konflikte nicht, weil sie an ihren Gefühlen zu ersticken drohen. Und genau diese Gegensätze spielt A BETTER TOMORROW gegeneinander aus. Ti Lungs Triaden-Gangster Sung Tse-Ho hat sein Leben damit zugebracht Konflikte (mit Gewalt) zu lösen. Doch nachdem er den Tod seines Vaters verschuldet und sein Bruder Kit (Leslie Cheung), ein Polizist, nichts mehr mit ihm zu tun haben möchte, will eben dieser Sung Tse-Ho ein ehrliches Leben führen. Sprich er will/muss zum Held eines Melodrams werden, der seine Gefühle, seine Schuld, die Unmöglichkeit einer Einigung mit der Welt ertragen muss. Sein Bruder hingegen geht blind vor Hass auf Gangsterjagd, um seine Gefühle zu betäuben. Aber statt dem obsessiv gejagten Gangster Shing (Waise Lee) habhaft zu werden, erfährt er nur Erniedrigung und stößt immer wieder auf seinen Bruder, dem er jähzornig unterstellt, sich nicht ändern zu können. Er ist der Held eines Melodrams, der gerne der Held eines Actionfilms wäre, aber diese Erlösung von seinen Emotionen nicht bekommt. Und dann ist da natürlich noch Mark (Chow Yun-Fat), die große Liebe von Sung Tse-Ho, deren Blicke untereinander nur so Funken schlagen. Bei einer Racheaktion für den hintergangenen Ho wurde er zum Krüppel geschossen. Doch er will sich wieder mit seinem alten Partner zusammen tun und das alte Leben wieder aufnehmen. Auch er ist in seinen Gefühlen gefangen und kann seine Konflikte nicht lösen. Und so ist Hos Kampf um ein ehrliches Leben eingekeilt zwischen Gangstern, die ihn wieder zum Actionhelden machen wollen, allen voran sein heruntergekommener Galan Mark, der ihm nicht auf seinem Weg zur Passivität folgen möchte, und zwischen der Verbitterung seines Bruders, der ihm seine Wandlung eh nicht abnimmt und ihn für alle seine Probleme verantwortlich macht, stellvertretend für eine Gesellschaft, die ihm misstraut. Und so vermengen sich Gefühle und blutig ausgetragene Konflikte in A BETTER TOMORROW zu einem Tanz auf dem These-Antithese-Synthese-Vulkan, wo Konflikte erst gelöst werden, wenn sie kaum noch auszuhalten sind, wenn sie das emotionale Äquivalent zur Schönheit der Inszenierung zerreißender Körper erreicht haben. Filmgewordene Intensität. Ein Film für, salopp nach Seeßlen gesagt, ganze Menschen.
Dienstag 23.08.
fantastisch –
Tausend Tränen tiefes Melodram, zauberhafte Romanze, billige Klopperei, edle wie epische Kämpfe und natürlich albernste Albernheiten… ganz normales Kino aus einem leider vergangenen Hongkong, dass zu einem seiner Höhepunkte uns mehrere Strategien an die Hand gibt, was zu tun ist, wenn wir mit einem kaiserlichen Beamten an einem Tisch sitzen müssen, der uns nicht sehen darf, weil er weiß, dass wir Anführer einer Rebellion sind…
Sonntag 21.08.
großartig –
Sonnabend 20.08.
großartig +
Ozu lässt geradezu überschwänglich über Politik, Feminismus, Lesben und halt so Dinge reden, die in seinen Filmen sonst eher nicht vorkommen. Das enge, erdrückende Korsett der Gesellschaft, diese unmerklich zudrückende Würgeschlange tarnt sich hier in einem spritzigen Gewand. Oder vll sagt sich Ozu auch nach dem Krieg: Alles Mist. Let’s party. Vielleicht.
ok –
Der Horror von THE AMITYVILLE HORROR ist ein möglicher Alptraum meiner Freundin. Irgendwie bestimmt. Das Okkulte abgezogen bleibt ein Stiefvater, der im neuen Heim mit seiner neuen Frau und ihren drei Kindern verbittert/verbiestert, sein lockeres Ich verliert und der zunehmend Nervenzusammenbrüchen nah geistig umnachtet, um zum Psychopathen zu werden, und die Kinder zeigen plötzlich auch neue, garstige Seiten im neu sortierten Zusammenleben. Das Happy End wird vll auch das der Sabrina Z. sein (bin ja ein Netter), was THE AMITYVILLE HORROR aber verdeutlicht: suche keine Hilfe bei der Kirche. Hilft eh nichts und liegt dem Film komplett unnötig quer im Magen.
Freitag 19.08.
nichtssagend
Verrätselte Allgemeinplätze über Realität und Wahrnehmung im verrauschten VHS-Schick. Nur: ist es die Form, die zu esoterisch-abstrakter Tiefenforschung philosophischer Themen einlädt oder könnte so auch ein Film über … sagen wir, die Wonne eines sich langsam öffnenden Schließmuskels und das simultane Entfleuchen eines trompetenden oder zischenden Windstoßes entstehen?
Donnerstag 18.08.
großartig
Der dritte Teil geht zurück ins Training, da der Spagat des zweiten Teils, eine Ansammlung fortlaufender Situationen mit einer zu erzählenden Geschichte zu verbinden, nicht ganz aufging. Statt weiterhin den Weg der Absolventen im Polizeidienst zu verfolgen, wird also das Original geklont. Zurück auf Los… mit der Variation, dass die alten Auszubildenden nun die Ausbilder sind und die neuen Auszubildenden Spiegelbilder ihrer Vorgänger. POLICE ACADEMY 3 ist POLICE ACADEMY im Spiegelkabinett… und durch eine Art Nostalgiebrille betrachtet. Sprich: die Rückschau auf den ersten Teil merzte die letzten Anzeichen von Leben aus und erinnerte sich nur noch an eine bereinigte Version seiner selbst. Mehr als all die anderen war beispielsweise Mahoney im ersten Teil noch ein Mensch mit Problemen, jemand der bei allem Sonnenschein ein (passiv-aggressives) Aggressionsproblem hatte, jemand der litt und sich in seinem Leben zurechtfinden musste. Nun ist er ein ebensolches Abziehbildchen, wie seine Mitfiguren auch. Mit dem dritten Teil ist die POLICE ACADEMY-Reihe schlussendlich zu einem Cartoon geworden. Zu einem Cartoon mit billigen Witzen, viel Herz und Jet Skies. Einem Cartoon, der die einfachen Dinge des Lebens genießt.
Sonntag 14.08.
ok –
Bevor sich Frank Darabont durch den künstlerischen und den verspäteten kommerziellen Erfolg von DIE VERURTEILTEN kurzzeitig in Hollywoods Olymp angekommen sah, drehte er BURIED ALIVE fürs Fernsehen. Darin ist noch wenig von der rührseligen humanistischen Hoffnung zu spüren, die seine folgenden Filme auszeichnen würde. Stattdessen wird sich hier auf unschöne Charaktereigenschaften sowie emotionale und körperliche Wunden fixiert. Wenn Bauunternehmer Clint Goodman (Tim Matheson) sich wie Andy Dufresne in einer regnerischen Nacht aus dem Matsch wieder an die Oberfläche und in die Freiheit erhebt, dann findet er nicht seinen Frieden, sondern eher unschöne Entdeckungen. Beständig sind nach seiner Flucht auch die abhängenden Hautfetzen, das Blut und die offenen Wunden an seinen Händen zu sehen. Symbolisch stehen sie nicht nur für seine emotionale Lage und seine Rachegedanken gegenüber seinen Fastmördern, sondern auch für die Unterhaltung, welches BURIED ALIVE sein möchte. Diabolisch will es von Hinterhältigkeit, Egoismus und manischer Rache erzählen, sieht dabei aber eher wie eine Folge von MORD IST IHR HOBBY aus.
großartig +
Die Gier nach Gold als schillerndes Diptychon. Erst ein klaustrophobisches Kammerspiel in einer Bar, bei dem Banditen, der unumgängliche Fremde und diverse zufällig hereingestolperte Kutschenpassagiere auf die Ankunft der Beute eines Überfalls warten. Zwietracht wird gesät, obsessive Hasslieben entstehen und die Figuren vollführen einen fiebrigen Eiertanz umeinander. Aufeinanderhockend kochen sie langsam weich. Im zweiten Teil ziehen dann die dezimierten Banditen mit dem Fremden als Führer durch die Wüste nach Mexiko. Es ist als ob das Fieber nun aus seiner Beengung herausbricht und zu einem flirrenden Traum wird, in dem Menschen trunken von Gold und benebelt von Angst sich ihrem Sadismus und ihrer Hinterhältigkeit hingeben. Schlingernde Bildern, die eine drückende, schwummrige Atmosphäre schaffen, Menschen voller kleiner Gefühle, voller ekliger Gefühle, voller Gefühle, die ihnen die Zivilisation und die Gier wie zu enge Fesseln ins Fleisch binden und die nun hier in der Sonne unter Druck wie Blumen der (Auto-)Aggression ihre Blüten tragen und die vom Wind verweht werden.
gut
Jet Li und Jackie Chan nicht nur in einem Film gemeinsam, sondern sie kämpfen auch gegeneinander. Ein feuchter Traum eines jeden Fans des Martial-Arts-Kinos. Passenderweise nicht aus Hongkong, sondern aus den USA, wo Träume schließlich wahrgemacht werden. All das in einer etwas weniger metaigen Version von DIE UNENDLICHE GESCHICHTE, wo ein Martial-Arts-Fan nach einer Tracht Prügel in einem Fantasywelt aufwacht und tatsächlich von Li und Chan Kung-Fu beigebracht bekommt. Kino der leuchtenden Augen.
Sonnabend 13.08.
großartig +
Die Tsai Ming-liang Experience ist ein Jetlag… oder eben wie der Tag nach einer durchgemachten Nacht. Alles ist ein bisschen taub, langsamer und immer wieder schleichen sich unmerklich Schlaf, Träume und andere Wahrnehmungsabzweigungen in eine sonst als normal erlebte Realität. Scheint mir bisher. WHAT TIME IS IT THERE? ist dabei ein Film der Chronometer… wie der flavor-flavsche Brustbehang unter den Filmen Tsais. Lee Kang-sheng sitzt in Hongkong und verkauft Uhren auf der Straße und träumt von Paris. Ab einem Punkt stellt er alle Uhren auf die Pariser Zeit. Gleichzeitig sitzt Chen Shiang-chyi mit unbekannten Motivationen in Paris mit einer von Lees Uhren. Ihre Erlebnisse spiegeln sich gegenseitig und sind doch nicht zu verbinden. Während der eine beispielsweise einem jungen, vergangenen Jean-Pierre Léaud in einem schwarz-weißem Paris in LES QUATRE CENTS COUPS zuschaut, sitzt die andere neben dem realen, alten Léaud in einem Friedhof auf der Bank. Die Vermessung der Welt als Sehnsucht, um in dieser zu bestehen, und als Ding der Unmöglichkeit… als Traum. Und selbstredend gibt es wieder eine Szene, die zumindest mir offenbart, dass ich noch nicht richtig gelebt habe. Nämlich als Lee mit einer großen Uhr vor der Brust im Kino sitzt, diese ihm geklaut wird, er den Dieb bis ins Klo verfolgt, wo dieser mit heruntergelassener Hose und der Uhr vorm Gemächt schon in verschämter Hoffnung auf seinen Verfolger wartet. Aber so ist es eben mit der Sehnsucht, wenn man vor einer Leinwand oder einem Bildschirm sitzt. Es gibt einem einen von Begierde und Illusion verklärten Blick, auf etwas, was nicht zu greifen ist, was aber unsere Wahrnehmung bestimmt.
gut
Ich hatte den Plan einen dieser fiesen, düsteren Märchenfilme zu schauen, welche es früher so gab. Kurzerhand habe ich mich für DAS SINGENDE, KLINGENDE BÄUMCHEN entschieden, weil ich mich noch lebhaft an den Terror erinnern konnte, den der Film in meinem jungen Gemüt hervorrief. Dunkel, kalt und voll ohnmächtiger Angst waren meine Erinnerungen… weshalb mich die naive, moralische Geschichte in etwas epischen Kasperletheaterkulissen doch sehr überraschte. Irgendwie war alles anders als das, was ich mit mir rumgetragen habe. Eine hochnäsige und verwöhnte Prinzessin will unbedingt das singende, klingende Bäumchen und endet in ihrer Gier so hässlich aussehend, wie sie innerlich ist, im Zauberland. Einzige Hilfe ist ein Bär, der in Wahrheit ein Prinz ist, der erst wieder Mensch wird, wenn sie ihn liebt. Und so lernt sie nett sein und Hilfsbereitschaft, weil ihr als hässlichem wie hilflosem Persönchen nichts anderes übrig bleibt. Nirgends war es in der bunten Pappmachéfarbenbracht einer komplett blauäugigen Welt auch nur ansatzweise so erschreckend und trostlos wie in meinen Erinnerungen. Was mir als Kind schon Angst machte, war aber, wenn Dinge nicht so waren, wie sie schienen. Ich hatte eine Heidenangst nach TOD AUF DEM NIL, weil am Ende die nettesten, am unschuldigst erscheinenden Personen eiskalte Killer und wahnwitzige Irre waren. Hinter allem Leid in DAS SINGENDE, KLINGENDE BÄUMCHEN steckt ein fast omnipotenter Zwerg, der zwar gegen Ende in seiner Niedertracht dem glücklichen Ende stets in die Hand spielt und eher wie ein mit Zauberkräften ausgestatteter Schläger wirkt. In einer Szene konnte ich die Angst von damals jedoch nachvollziehen. Als der Prinz/Bär erkennt, wie schrecklich die Prinzessin unter ihrem noch schönen Aussehen ist, lacht der Zwerg sein fieses, helles Bösewichtlachen, ob der Desillusion des Prinzen. Dabei schaut er entweder aus einem riesigen Schneckenhäuschen oder beispielsweise hinter einem Felsen hervor. Er ist immer in der Nähe der Protagonisten, diese können ihn aber nicht sehen. Prinz und Prinzessin sind ihm körperlich wie emotional bis auf die Knochen ausgeliefert, wussten es aber nicht. Sie hörten nur den Hohn und den Spott. Welche Hornhaut ich auf den Nerven entwickelt habe, um solch eine fiese Szene heute nur noch als niedlich zu empfinden… es ist sagenhaft.
ok +
Schon zu Zeiten als die POLICE ACADEMY-Reihe mit das Größte für mich war – es muss so kurz nach der Anschaffung des ersten Videorekorders gewesen sein, also mit ca. 10 oder 11 Jahren – und ich die Filme nie einzeln sondern meist mit möglichst kurzen Abständen hintereinander weg schaute, fand ich den zweiten Teil so eher zweite Wahl. Es war für mich der Film, der geschaut werden musste, um endlich zu den Freuden des dritten Teils zu gelangen. Diesmal war aber viel Vorfreude dabei. Gerade weil das Thema der die Gesellschaft überflutenden und die Welt gen Apokalypse drängenden Punks meist ein wunderbares ist. Jedoch es war wieder der selbe Film … der trotz so toller Figuren wie dem verzogenen Bengel im existentiellem Überdruss Zed, dem kleinen kleinbürgerlichen Ladenbesitzer Sweetchuck, der wie eine liebevolle Parodie auf die Ängste vor dem nahenden Untergang der amerikanischen Gesellschaft wirkt, dem viel zu kurz kommenden Comicnarr mit den sehr hohen Ekelgrenzen Schtulmann und der Cartoon-Slapstick-Waffen-und-Fäuste-liebenden Familie Kirkland seine Spielzeit immer wieder verschenkt. Das große Problem vll neben der fehlenden Klassenfahrtsatmosphäre: Mahoney ist zu sehr selbstgefälliger Schnösel um den Film als Hauptfigur zu tragen und Lt. Mauser ist kein Lt. Harris. Er ist zwar ein hemmungsloses Arschloch, bekommt aber kaum Chancen, die heftigen Streiche gegen ihn zu rechtfertigen. Ich hatte jedenfalls Mitleid mit ihm… mit Lt. Mauser. Und das ist irgendwie falsch.
Freitag 12.08.
fantastisch –
Karg und widrig. Eine Insel im Nirgendwo der See, auf der es nur Felsen und ein kleines Dorf von Fischern gibt. Letzteres wird im Winter vom Handel abgeschnitten. Verschlingende Wellen umgeben die magere Zivilisation. Das stille Lodern von Hunger und Pein in einem verkrampften Alltag bebildert Staudte wie einen Stummfilm. Entlegen und knochig werden so die Gesten der Verzweiflung. Fancks und Pabsts höllischen Berge von Piz Plü sind hier Wellen geworden, Dreyers VAMPYR zu einem Alltag, in dem das Hoffen und Träumen langsam erstickt, weil der Sauerstoff unmerklich ausgeht. Nur niedergeschmettertes Träumen bleibt, das ebenso schleichend blind macht und beim Fabulieren von einer Vergangenheit, als ein Schiff mit Vorräten an den Klippen zerschellte und der Strand voller Proviant war, ein Leuchten in den Augen der Phantasierenden entstehen lässt, das wie Feuer lodert. Doch der Leuchtturmwärter will sein Licht nicht löschen… Deutschland nach dem Krieg in einer Fabel eines existentiellen Leids, das wie aus der Zeit oder von der Landkarte gefallen scheint. Deutschland vor dem Krieg als Melodram der falschen Entscheidungen, dessen Happy End brutal verbaut wird… als Entsetzen, ob der Beiläufigkeit der eigenen Erosion.
ok +
Es gäbe wohl viel zu sagen, aber alles wird davon überschattet, dass Shredder so unfassbar hässlich ist. Vier Schildkröten gegen ein verchromtes Kofferradio mit einer größer als normalen Messerauswahl.
großartig +
Ein Film für die Jugend eines jeden so wichtig wie Nächte mit Freunden an Lagerfeuern.
Donnerstag 11.08.
uff
Kein Mensch ist unschuldig. Das ist das Weltbild, dass uns RUF DER MACHT vermitteln möchte. Mehrmals wird darüber diskutiert werden, ob das Gute auch mit illegalen, moralisch falschen Mitteln erreicht werden kann. Immer wieder von Menschen vorgetragen, die sich ganz offensichtlich selbst die Taschen vollhauen. Kleine und große Gauner, die sich eine dünne Oberfläche gebaut haben, die sie respektabel nennen. Aber unter dieser ist hier alles verkommen. Am verkommensten ist dabei, dass Shimosawas Thriller durch wohldurchdachte und –designte Hochglanzmüdigkeit tingelt. Wie ein hochrespektabler Werbefilm fühlt sich alles an, der vortäuscht etwas über Menschen erzählen zu wollen, aber nur davon kündet, wie hoch die eigene Kunstfertigkeit sein soll.
ok
Es ist faszinierend, dass Gefahr fast durchgängig durch Nahaufnahmen einer sich fürchtenden Frau dargestellt wird. Aber nach der Logik wäre doch die Bedrohung noch viel größer, wenn sich auch mal einer der Helden in die Hose machen würde… Aber man kann nicht alles haben.
Mittwoch 10.08.
gut +
Wahrscheinlich die besten Pupswitze dieses Jahrhunderts. Leider nur dezent eingesetzt.
verstrahlt –
Road Movies sind ein Kino der Bewegung. Verbildlichungen einer inneren wie äußeren Reise. „Die Anhalterin“ ist so gesehen der perfekte Titel für seinen Film, weil die Tour des Modells Dany per Autostopp von Rom nach Paris nur aus narrativen Aufenthalten besteht. Sprich, es gibt zwar unzählige Aufnahmen vorbeifliegender Landschaften beziehungsweise von Automobilen die durch diese rasen oder schlendern, die aber keine Geschichte erzählen. Sie betten schlicht Episoden ein, die einander nicht berühren. Egal ob Dany in den einzelnen Vorkommnissen misshandelt wird oder eine neue Art der Liebe entdeckt, im nächsten Moment steht sie wieder unverändert vergnügt an der Straße und wartet auf das nächste Fahrzeug mit einem willigen Chauffeur. Und so ist Willy Roziers Film eine Mischung aus Sketch-Parade und luftiger Phantasie, die es beide darauf abgesehen haben die schöne Sandra Julien in der Rolle der Dany zu entkleiden und in immer neue missliche Situationen zu bringen. Sie wird betatscht, ausgetrickst, ausgepeitscht und vergewaltigt und alles nur weil sie schön ist und dies die Vorstellungskraft sowie die Gier der mobilen Lustgreise und notgeilen Jünglinge befeuert. Doch bevor Sie sich abwenden, auch wenn Sie es wohl besser tun sollten, DIE ANHALTERIN trägt genauso sehr die eigene Entlarvung in sich wie es perverse Phantasie ist. Schon der erste Autofahrer spricht Bände, ein katholischer Italiener, der sich zwanghaft bei jedem der Kruzifixe am Straßenrand bekreuzigt und davon träumt beim Schmetterlingefangen auf sonnigen Wiesen auch Dany einzufangen. Nackt hüpft er mit Schmerbauch und Netz in seinem Tagtraum durch Felder und Weiden und ist vielleicht von den folgenden Männern, die ihre immer biedereren Phantasien über das Model ergießen, noch am wenigsten ein dummer August.
Dienstag 09.08.
gut
Montag 08.08.
großartig –
Besessen ist GHOSTBUSTERS von GHOSTBUSTERS. An allen Ecken Cameos und Anspielungen. Das Friedensangebot an die Fraktion, die ihre Kindheitserinnerungen geschändet sehen, in Form der Botschaft, dass doch hier genauso viel Liebe gegenüber dem Original herrscht, ist wie ein Klotz am Bein. Vergleiche werden so geradezu heraufbeschworen. Dabei ist genau die Unabhängigkeit, die neue Interpretation das Schöne an Ghostbusters. Es ist ein bisschen wie mit der Figur der Jillian Holtzmann (Kate McKinnon). Ihre ikonische Aufmachung sorgt schon in Bildern und Trailern für Vorfreude, jedenfalls ging es mir so, der vor allem wegen ihr ins Kino lief. Das musste eine Figur werden, die sich ins kollektive Gedächtnis brennt oder wenigstens mega wird. Doch um nicht zwischen den zentralen, den Film einnehmenden Figuren von Kristen Wiig und Melissa McCarthy unterzugehen gibt sie nicht den coolen Egon, sondern springt mit kindlicher Freude durchs Geschehen. Sie hat Spaß wie ein Kind, ungläubig wirklich hier zu sein. Das ist mitunter so kindisch, dass es peinlich ist, aber das hat eben auch mehr Herz als die ständigen Reminiszenzen. Und so verhält es sich eben auch mit dem neuen GHOSTBUSTERS, statt abgeklärt ein Monument oder einen Film für Generationen zu machen, will er etwas Spaß mit Schleim, der eigenen Idiotie und irrsinnigen Waffen. Supergimmick nebenher ist übrigens, dass der Scopefilm letterboxt im Kino lief, damit Schleim, Laser und sonstiges Geistiges das Bild verlassen konnte (also den schwarzen Rand oben und unten betrat). 3D-Quatsch, super.
*****
Notiz: beim nächsten Mal darauf achten, warum besonders zu Beginn die gerade sprechenden Figuren immer alleine im Bild waren. Distanz schaffende Absicht oder hässliche Mise en Scène?
Sonntag 07.08.
großartig +
MORD IM ORIENT-EXPRESS als Abrechnung mit den blühenden Landschaften die Helmut Kohl nach der Wende versprach. Diamanten werden von der Stadt Leipzig erpresst und die Ermittlungen führen in ein verbleichendes Dorf, zu verdorrenden Wurzeln einer sich auflösenden Welt, zu Gift in den Adern der Geschichte, das trotz aller Umwälzungen noch immer wirkt, zu dem ewig Gleichen im sich Wandelnden und zu knuffig-notgeilen, zumindest wenn angetrunken und harmlos, russischen Mafiosos. Dominik Graf, vll der Georges Simenon des Kinos und Fernsehfilms?
Sonnabend 06.08.
verstrahlt
Ein Film wie Tollwut. Der Schaum spritzt einem beständig ins Gesicht. Rasende, coole, durchgedrehte Asozialität inszeniert wie eine glitzernde Discokugel. Das ist wirklich nicht schön, aber auch mal eine Erfahrung.
ok
Freitag 05.08.
großartig
Eine Geschichte wie tausend andere auch. Wirklich nichts Neues. So oft gesehen. Demut finden und gegen alle anderen triumphieren, wie gehabt. Das ist komischerweise etwas, was einem beim Sehen völlig verschütt gehen kann, weil es sich so frisch anfühlt, erzählt wie das erste Mal … und mit dem fehlenden Budget geht auch netterweise die Größe verloren. Geht es in Mulitmillionen Tentpoles zwangsläufig um nichts geringeres als die Rettung der Welt, des Universums, allen Lebens, handelt UNDISPUTED II nur von kleinen Menschen. Zwar fast auch Supermenschen, aber eben die von nebenan… aus menschenverachtenden Gefängnissen.
Donnerstag 04.08.
großartig
Manchmal ist es eben schöner den Müll hinter, vor und neben dem Kühlschrank liegen zu lassen. Ein Mann und eine Frau treffen sich hier, ohne sich näher zu kommen. Melancholisch erzählen sie von der Vergangenheit und ihren Plänen, diese wiederzuholen … oder sie pöbeln, meist sie. Der seelische Müll wird in KANAKERBRAUT lieber liegen gelassen. Stattdessen gibt es ein Bier. Anmutig wird hier versagt, als ob Fassbinder seine Figuren in den Arm nimmt.
nichtssagend
Im Jahr 1902 drehte Georges Méliès DIE REISE ZUM MOND. Irwin Allen inszenierte fast 60 Jahre später einen ähnlichen Film. Ein Forscher bricht in eine fremde Welt auf und findet psychedelische Spezial Effekte, Dinosaurier und einen kannibalischen Stamm Wilder, vor denen wieder runter in die normale Welt geflüchtet werden muss. Nur braucht Allen fast das Zehnfache der Laufzeit, welche er mit einer Rachegeschichte, etwas Liebe und vor allen Dingen Trübnis und Leere anfüllt. Mit voller Verzückung werden die Kämpfe zwischen Dinosauriern (dargestellt von Echsen und jungen Alligatoren, denen Hörner und Steinplatten aufgeklebt wurden) und zwischen diesen und Menschen ausgekostet. Ansonsten sprechen die Figuren in der routinierten Trübnis nur Offensichtlichkeiten aus.
großartig
Hing die Ablehnung der Apartheid im ersten Teil noch am Kühlschrank, sind die weißen Südafrikaner in Teil 2 das, was Nazis in Hollywood halt sind: das zu bekämpfende abgrundtief Böse. Und sie stecken selbstredend hinter allen Traumatas, welche Riggs verfolgen. LETHAL WEAPON 2 verfeinert den ersten Teil, macht aus Murtaugh und Riggs eine Familie, hat ein Drehbuch mit langem Atem (beispielsweise wird zu Beginn eine Szene eingebaut, die liegen gelassen wird, nur damit am Ende noch eine Pointe untergebracht werden kann), aber all dies ist egal. Im Herzen befindet sich der finale Amoklauf Riggs, welcher soviel Schmerz zu spüren bekommt, was ihm einen Freifahrtsschein gibt alle sozialen Schranken abzuwerfen und sich dabei phantastisch zu fühlen. Vll dadurch auch weniger faschistoide Rachephantasie, als romantische Vorstellung davon mal nicht auf Moral, soziale Zwänge und Über-ich achten zu müssen. Eine filmlange Befreiung durch Nazis.
Mittwoch 03.08.
großartig –
Menschen explodieren zu lassen, das ist das hehre Ziel von FRANKENHOOKER. Dafür wird sich in das Spannungsfeld aus bürgerlicher Vorortsiedlung und heruntergekommenem Stadtviertel in Form des Straßenstrichs begeben. Zweiteres ist ein drogen- und anabolikageschwängerter Sumpf, der einem in Fleisch und Knochen übergeht. Ersteres eine idiosynkratische Irrenanstalt, wo irgendwo zwischen Bildung, Verklemmung und Zwang zum glücklichen Familienleben ein Elektriker mit Anatomie als Hobby einen Weg findet, um aus Straßenhuren einen perfekten Körper für den Kopf seiner toten Freundin zu basteln und zum Leben zu erwecken. Aber irgendwie ist es eben in dieser Splatstickfeier am schönsten, wenn gierige, brutale, miefige, obsessive, normale Körper zerrissen werden und sich herb verteilen … der Freiheit entgegen.
großartig –
Ich sage es ungern, aber ohne die Synchro, welche den Piraten einen dicken plattdeutschen Dialekt verpasst, ist das Ganze nur der halbe Spaß.
nichtssagend
Zwei Faulenzer kämpfen nach Jahren im Untergrund gegen die beiden Erzfeinde ihrer Väter. Der große Betrug: die beiden können schon alles. Keine Trainingsmontage und so. Einfach erst die Kämpfe und die Flucht der Väter mit ihren Kindern, dann langgezogene Juxstafetten über die beiden, wie sie sich durchs Leben schlagen, und dann der Endkampf. Nicht dass ich sie schwitzen sehen möchte, weil sie faul sind, sondern als ausgleichende Gerechtigkeit für den überzogenen Versuch die Dollereien in eine Geschichte zu integrieren. THE FEARLESS HYENA 2 fühlt sich wie eine Zwangsjacke für eine Sammlung kautziger Nickelodeons an, vergleichbar mit dem ersten WERNER-Film.
Dienstag 02.08.
verstrahlt +
Nixe Annette Kellerman (Esther Williams) ist auf dem Trockenen gelandet. Kultiviert und ins Ballett strebend ist sie nach England immigriert, wo sie aber nur Armut findet. Der maschinengewehrbezungte Agent James Sullivan (Victor Mature) ist Schausteller mit Leib und Seele und ein Abenteurer und Träumer, der immer nach dem neusten Trumpf sucht, um den Massen die Taler aus den Westen zu ziehen. MILLION DOLLAR MERMAID ist wie alle Biopics bis in die Neuzeit. Eine Erfolgsgeschichte wird erzählt, hier die von Annette Kellerman und wie zu einem der größten Stars des New Yorker Hippodroms wurde, doch die ungleiche Liebe zwischen der Dame und dem Großmaul hält die Erzählung zusammen und bildet den emotionalen Kern. Doch im Gegensatz zu I WALK THE LINE beispielsweise wird hier nicht auf erdige Authentizität gesetzt, sondern auf bunten Camp. Absolutes Highlight dabei, wenn Busby Berkeley eine Schwimmshowszene entwirft, die mit ihrem farbigen Rauchschwaden, aus denen halbnackte Männer und Frauen epochal choreographiert ins Wasser springen, durchaus riefenstahlig ist, nur eben bunt, feucht, fröhlich und ulkig.
fantastisch –
Mein erster Bond. Gesehen wohl bei meinen Großeltern. Die zweite Szene hat sich mir in deren Wohnzimmer jedenfalls eingebrannt. Was es noch so zu sagen gibt, ist hier zu lesen.
gut
Zu einer Zeit, als ein Name wie Bongo Herbert einem Sänger den Wege zum Starruhm noch nicht versperrte, sucht der maschinengewehrbezungte Agent Johnny Jackson nach dem ultimativen Trumpf, der es ihm ermöglicht sich für immer zur Ruhe zu setzen. In besagtem Bongo Herbert (Cliff Richards) findet er ihn und der Express rauscht los. Jeder versucht den anderen tot zu quatschen, seinen Gewinn zu maximieren und über den Tisch zu ziehen. In der Hand von Howard Hawks wäre das wohl hyperaktiver Wahnsinn, bei Val Guest nur ein kleiner Koffeinrausch … der auch nur solange ungetrübt losjazzt, wie es um die Vertreter der Musikindustrie geht. Die Karrieren und Gefühle der Sänger und Stripper sprechen eher von einem Kater. Endende oder nicht startende Karrieren, das Gefühl der Leere im Ruhm … im konstant flottem Ton von Überzeichnung und Spaß an den Ränken von Machern sind sie der melancholische Kleks einer romantischen Idee: die Künstler wollen doch nur singen und geliebt werden.
Montag 01.08.
nichtssagend
Die Rückkehr des ewigen Gleichen. Ich kann diese arme Gottheit des heroischen Selbsthasses nicht mehr sehen.
großartig +
Das Management Elvis Presleys durch den Colonel und die inzwischen abschwappende, aber noch deutlich spürbare Beatlemania verarbeitet PRIVILEG zu einer unbehaglichen Doku, bei der ein Kamerateam den größten Popstar einer nahen Zukunft porträtiert. Anders als später bei STRAFPARK ist der fiktive Moment aber jederzeit spürbar. PRIVILEG ist Pop Art, bunt, wild phantasierend und sehr verbittert, was die Zukunftsaussichten angeht. Im Zentrum von allem steht Steven Shorter (Paul Jones). I need my freedom / Not your sympathy / Look, you needn’t love me / Just set me free, singt, nein fleht er bei seinen Auftritten, die er mit Handschellen auf der Bühne in einer von Wärtern umringten Zelle vollführt. Der Generationenkonflikt der 60er in ein Bühnenspektakel gepackt. Und die Jugend liebt ihn. Vor der Bühne sieht es aus, wie bei den Beatles 1964. Doch er ist nur ein Produkt, ein Image und, wie das ihn verfolgende Kamerateam offenlegt, nur eine Puppe. Kein rebellischer Geist, ein Nichts, das die unendliche Bevormundung angeekelt erträgt … was seiner Performance selbstredend auch dessen Authentizität verleiht. Gerade bei dem epochalem Managerstab, der sein Produkt hegt, pflegt, entmündigt und aus diesem jeden Heller aussaugt, und (vll noch mehr) bei den absurden Marketingstrategien ist PRIVILEG geradezu visionär. Was seine politische Komponente angeht, aber eher lachhaft. Die Regierung, auf einem Parlament gründend, welches aus Parteien besteht, zwischen denen es keinen Unterschied mehr gibt, instrumentalisiert das Produkt Steven Shorter erst um die Jugend mit Entertainment zu beruhigen und von der Politik abzulenken und dann um die Wende zu bringen. Der Rebell soll öffentlich widerrufen, sich zu Staat und Kirche bekennen. Die Initialen seines Namen, die Steven Shorter auf seinen Kragenecken trägt, sind plötzlich alles andere als unschuldig. Was folgt ist wahrlich überschwänglich. Priester, die wie Hitler die Menge aufputschen, christliche Beatgruppen die Jerusalem endgültig zum Fascho-Lied machen, Fackelmärsche, Soldaten und Hitlergrüße … der zur Konformität führende Auftritt ist die durchgedrehte Pop Art-Version von TRIUMPH DES WILLENS. Da bleibt kein Auge trocken. Das Zeitalter der Konformität und Manipulierbarkeit, welches PRIVILEG jedoch ausrief, ist aus heutiger Zeit (gerade für die 60er) schwer nachvollziehbar. Es erscheint eher wie das Produkt eines fanatischen, die Masse verachtenden Linksaktivisten. Es ist folglich kein Wunder, dass die DDR-Funktionäre diesen Film mit Kusshand in ihre Kino nahmen, wurde doch der Kapitalismus und die Kirche mit Faschismus gleichgesetzt und vor den Auswüchsen der Beatmusik gewarnt. Kein Wunder aber auch, dass er dort ein riesen Erfolg wurde. Weil was für England eher abwegig war, zeigte den Bürgern des realexistierenden Sozialismus doch sehr deutlich, unter welchem manipulativen, kontrollsüchtigen Regime sie lebten. Hier war der Schrei der Verzweiflung, den PRIVILEG darstellte, karge Realität. Sie alle befanden sich wie Steven Shorter in streng gemanagten Zellen.
Juli
Sonntag 31.07.
gut +
Japan gegen Ende der großen Bürgerkriegszeit. Schlacht auf Schlacht zieht durchs Land. Herrschaftshäuser steigen auf und fallen. Bauern sind Spielball oder schließen sich in Hoffnung auf Ruhm einem der Herrscher als Soldat an. Fünf Generationen einer Bauernfamilie oszillieren in DER FLUSS FUEFUKI zwischen Krieg und dem Verharren im einfachen Leben. Reichtümer werden dabei angehäuft, Familienteile ausgelöscht oder vom Wahnsinn befallen, sinnlos wird gemordet oder sich mit eskalierendem Engagement einem Herrscher verschrieben, wenn nicht schlicht im Familienhaus, dem sogenannten Insektenhaus, gelitten wird. Massenszenen mit rasanten Schlachtgemälden durchschneiden die sich verstrickenden Schicksale, die wie in einem Shakespeare-Drama um sich greifen und kunstvoll-distanziert im Kleinen leiden. Die Einstellungen seines schwarz-weiß gedrehten Films lässt Kinoshita ferner komplett einfärben oder legt Folien mit Tusche über diese, wodurch Himmel, Feuer oder Leichen grob eingefärbt werden.
Sonnabend 30.07.
gut +
Die erste und die letzte Rollen fehlen, deshalb kann A MOTHER SHOULD BE LOVED nur als Fragment gesehen werden. Ein Stiefsohn fühlt sich von seiner Mutter zu gut behandelt und deshalb als Klotz am Bein, weshalb er alle Brücken hinter sich abbrennend ins Bordell flieht, während ihn sein Halbbruder für das Brechen des Mutterherzen verachtet. Wenn Menschen einander so sehr lieben, dass es wehtut.
Freitag 29.07.
fantastisch –
Stellen Sie sich vor: THE WILD BUNCH klopft sich den Staub ab und geht in einen Schneiderladen. Was dann in feinem Zwirn heraustritt ist kein innerer Widerspruch wie es bei Bud Spencer und Terence Hill zuweilen der Fall ist, sondern die Ausgeburt von Stil. Unverschämt viel Stil. So viel, dass alberner Witz und (freuden-)tränenrührende Sentimentalität problemlos in diesem aufgehen. Vll den Stil noch vermehren. Dies vor Augen sind Sie EXILED ansichtig geworden. Fünf Freunde reite… fahren in den Tod. Eine Ode an wehende Vorhänge bei Schießereien, an die herbe Schönheit von Ausweglosigkeit und Freundschaft. Für Genießer.
(gut –)
ok
Den dahin-gehen-wo-es-wehtut-Humor von Ulrich Seidls Filmen oder IDIOTERNE hat Mare Ade den Zahn gezogen und in ein Wohlfühlmilieu verpflanzt. Vater und Tochter ähneln sich sehr und sind doch verschieden. Beide blocken jegliche Auseinandersetzung mit Emotionen, zwischenmenschlichen Beziehungen und dem Leben völlig ab. Ausnahmslos verstecken sie sich hinter Humor beziehungsweise ihrem Beruf. Durch den Tod seines Hundes sucht der Vater die Nähe der Tochter und aus der Distanz beobachten wir stoisch, wie dieses infernalische Aufeinandertreffen von verzweifelter Professionalität und Schabernack, beide schon weit in die Selbstverleugnung hineingetrieben, vonstattengeht. Am Ende gibt es eine große Umarmung, wo dann einfach mal gut ist. Beide haben irgendwo ihre Grenzen überschritten und ihr Pendent erkannt und dann ist die Welt auch fast in Ordnung.
Donnerstag 28.07.
gut
EIN ENGEL AUF ERDEN als elegische Geistergeschichte, in der eine Frau mit ihrem toten Ehemann loszieht um Seelen zu retten. Meditativer Kitsch, einer Andacht zum Abschied von geliebten Personen gleichend.
fantastisch –
Nach der deutschen Kinoversion nun auch den kompletten Film gesehen… Es ist konsternierend. Die Viertelstunde, welche herausgeschnitten wurde, besteht weniger aus scheinbar obszönen Albernheiten und der Szene, wo Jackie Chan mit seinem Bruder Hand in Hand durch die Stadt geht und beschimpft und ausgelacht wird (wobei spannend ist, wo der Anstoß lag, in der Andeutung von Schwulsein oder in den Beschimpfungen). Nein, Jackie Chan Schlägereien wurden entfernt, damit zumindest im Hauptteil eine … Komödie entsteht und der Film nicht zwischen Action und irrer Chaplineske schwankt. Aber trotzdem: Wieso nur werden aus einem solchen Film Kampfszenen entfernt? Man fasst es nicht.
großartig
Nicht ansatzweise die wirre, durchgedrehte Qualität von GOD OF COOKERY oder SHAOLIN SOCCER. Fast ein nachvollziehbarer Film. Aber bei dieser Liebeserklärung an Kung-Fu-Filme, die hier ins unermessliche Überzogen werden, handelt es sich dabei allemal um Jammern auf hohem Niveau.
Mittwoch 27.07.
großartig
DREILEBEN 2: Der passende Film zu Petzolds Auftakt, der die Atmosphäre aus Andeutungen und Vagheit noch mehr vorantreibt. Zwei alte Freundinnen treffen sich und finden heraus, dass sie, bevor sie sich kennenlernten, parallel eine schnell versandete Affäre mit demselben Mann hatten. Vor dem Hintergrund von korrupten Polizisten, Verschworenheit in ländlichen Gebieten/Dörfern, die Fremde zur Anpassung zwingen, der Renovierung eines geschichtsträchtigen Hauses und der Barbarossa-Sage, wonach dieser einstmals aus dem Kyffhäuser mit seiner Armee losreiten wird um Deutschland zu einen (die Graf so wichtig ist, dass er den Kyffhäuser von den thüringisch-sachsen-anhaltinischen Grenze nach Südthüringen verlegt) reden die Polizeipsychologin Jo, ihre Studienfreundin Vera und deren Mann und Schriftsteller Bruno über die Vergangenheit, über Zwang in Beziehungen und verpasste Chancen, während Impressionen des umherstehenden Ramschs und von Handlungsbrocken alles zu einem Geflecht weben. KOMM MIR NICHT NACH verfolgt weniger einen Plot, als dass es ein MOSAIK ist, dessen Bild flirrt und sich in Schatten verliert. Irgendwo resigniert, aber doch hoffnungsvoll.
nichtssagend
DREILEBEN 3: Finnlay O. schaute die letzten Minuten mit und sagte, dass er diese ebenso gut fand wie den DREILEBEN-Film gestern. Der Krimi über die Aufrollung eines alten Falls sowie das Psychogram einer eskalierenden Verzweiflung, die parallel ablaufen und sich bedingen, wollten mir aber nicht viel sagen.
nichtssagend +
Stand der Dinge: vertraut aufeinander, macht gute Dinge und lasst euch nicht von eurem Hass oder eurem Selbstmitleid verführen. Tja. So lautet die frohe Kunde menschlichen/mutantischen Zusammenlebens im fünften Teil der X-Men. An diesem Abend im Rogue-Cut gesehen, wo die Hauptdarstellerin des ersten Teils einen schuldbewussten Kurzauftritt hat, damit sie auch mal wieder mit von der Partie ist. Was passt, da all diese Filme mir eher als reuiger Dienst erscheinen.
Dienstag 26.07.
gut
Hundecontent bei der wunderschön bebilderten Verlorenheit an den Rändern der modernen Welt.
großartig
Ganz offensichtlich einer der Lieblingsfilme von Jean-Luc Godard. Dessen Stil sich ansatzweise von der ersten Hälfte des LODGERS ableiten lässt … die ständig wiederkehrenden Texteinblendungen, die das Geschehen kommentieren und dieses mit einer manischen-delphischen Qualität versehen vor allem. In der zweiten Hälfte bindet Hitchcock dann alle Schnüre zusammen, auch wenn er die Auflösung mit diversen Twists hinauszögert. Hier lässt sich eher das moderne Thrillerkino seit Ende der 90er ableiten.
großartig –
DREILEBEN 1: zart-bittere Liebeselegie über einen Krankpfleger mit ungeklärter Vergangenheit, der im Liebeskummer die Fesseln seines steifen Umfelds abstreifen möchte und es vielleicht doch nicht kann … auch weil er zu tief drin steckt, ohne dies wahr haben zu wollen, und über ein Zimmermädchen, dass jede Äußerung und Handlung des Krankenpflegers, die sich irgendwie als Bekundung eines Zweifels an ihrer und ihrer gemeinsamen Liebe interpretieren lässt, als solche interpretiert und den Arztanwärter aus höheren Kreisen daraufhin ordentlich mit kompromissloser Bockigkeit malträtiert, nur um daraufhin wieder sein Leben weitestgehend einzunehmen.
*****
Besonders seltsam war als sich Finnlay O. (fast 11) nach 10 Minuten hinzusetzte und bis zum Ende blieb. Sicherlich auch wegen den nackten Tatsachen, aber mit 11 Jahren wäre mir der Preis für diese mit der ganzen Unbestimmtheit/Langeweile zu hoch gewesen.
Montag 25.07.
großartig +
Männern, die nicht gerne andere männliche Schritte vor ihrem Gesicht haben, dabei zusehen, wie sie männliche Schritte vor ihrem Gesicht haben und die Schönheit darin erkennen. Die köstliche Auflösung von Geschlechterklischees, die ihren frühzeitigen Höhepunkt findet, wenn zwei Männer ihre Kür damit beenden, dass sie mit ihren gespreizten Schritten ineinander rauschen.
Sonntag 24.07.
großartig
Hiermit sei unbedingt NIKKATSU DIAMOND GUYS VOLUME 2 von Arrow empfohlen, weil in dieser nicht wieder die ewigen Meister, Neuen Wellen, die Kunst oder die Samurai-, Yakuza- und Gangsterfilme zu finden sind, sondern Komödien. Alberne, überdrehte Filme, wie sie auch zu tausenden in den USA, Deutschland oder sonst wo veröffentlicht wurden und die auch dort nicht immer ernst genommen wurden. Wer also etwas über die japanische Filmkultur wissen möchte, neue Einblicke braucht oder einfach etwas Spaß haben möchte, hier findet er all dies. Vor allem aber auch einen Eindruck bzgl der Abkehr von den klassischen japanischen Werte, wie sie während des Zweiten Weltkriegs propagiert wurden. Kobayashi Akira spielt einen aus Paris rückgekehrten Küchenchef, der ein Restaurant öffnet und mit arroganten Politikern und Yakuza aneinandergerät, weil er das einfordert, was ihm zusteht … mit Campfeuergesang und Schlagerverve.
ok –
Ein Film über (Stief-)Väter, die für ihre Töchter Helden sein wollen/müssen, über Töchter und Ziehsöhne, welche die Anerkennung ihrer Väter suchen … oder wegen der fehlenden Anerkennung brutal werden. Nur Mütter spielen keine Rolle. Unfassbar dabei wie slick das gemacht ist. Witzig, traurig, absurd, dramatisch, liebevoll, on point, alles wohltemperiert… schlicht perfekte Unterhaltung. Somit aber auch komplett egal, weil es nirgendwo eine Möglichkeit gibt, hängen zu bleiben.
ok
großartig
Ken Russells Biographie von Dante Gabriel Rossetti (Oliver Reed) strotzt erst vor Übermut – nur ab und zu fehlt noch ein ordentlicher Pupswitz, um den ganzen gesetzten Lebensaufarbeitungen bedeutender Künstler endgültig den Mittelfinger zu zeigen – aber mit dem zunehmender Verzweiflung über die Liebe und das Leben setzt ein gestelzter Gang ein. Erst kommen die Gedichtsrezitationen, welche eher Symptom einer Entfremdung zu sein scheinen, und dann mit der einsetzenden Laudanumsucht Rossettis verlieren sich die Einstellung, die selbst aussehen, als ob sie pompöse Gemälde sein wollen, und die Szenen in einem überkandidelten Symbolismus. Ein alberner, froher Mann beraubt sich seines Glücks und Ken Russell baut ihm ein Gefängnis aus Kunst und getragenen Gefühlen. Man fasst es nicht.
ok –
Gleich am Abend nochmal geschaut, weil dieses Mal Ben Z., der nachmittags unterwegs war, ihn sehen wollte … aber auch weil ich mich schon gar nicht mehr wirklich an Bilder erinnern konnte. Und ANT-MAN ist tatsächlich gekonnt inszeniert, er wird auch bei einer zweiten, schnell nachgelegten Sichtung nicht langweilig … aber so unterhaltend er ist, so schön die Schauspielkunst und das, was erzählt werden soll, vorgeführt werden, so wenig bleibt es haften. Das filmische Äquivalent zu einem McDonalds-Burger. Schmeckt ganz ordentlich, aber satt und befriedigt hinterlässt einen dieses Produkt nicht, dass designt ist niemanden zu missfallen. Irgendwann gibt es einen Kampf in einem Aktenkoffer, wo als Witz am Handy die Urlaubswiedergabeliste ausgelöst wird. PLAINSONG von The Cure geht los und passt stimmungsmäßig so gar nicht. Doch das Awkwarde dieses Witzes wird schnell in den nächsten komischen Moment übergeführt, statt dies mal auszuhalten… kein Stopp für den Unterhaltungszug.
Sonnabend 23.07.
fantastisch –
Der Vater eines der Kinder ist Alkoholiker und schlägt seine Frau. Es ist nicht zentral, aber wie mit ihm umgegangen wird, so geht Helmut Dziubas Film mit all seinen Figuren um. Er wird nicht verteufelt, es wird nicht erklärt, es ist einfach so, mit seinen Schrecken und (enttäuschten) Hoffnungen, mit dem Zauber des Besoffenfühlens, mit der Peinlichkeit der Außenansicht, mit Scham, mit Hass… in wenigen Strichen, wenn er in der Menge tanzt, wenn die Kinder den Sohn hänseln, wenn sie drüber reden und wenn sie Angst haben, dass andere auch so enden. Wie gesagt, dieser Alkoholiker taucht nur in der ersten Hälfte ein paarmal auf, aber er webt sich in alles rein, einfach weil er Teil des Lebens der Beteiligten ist. Ganz undogmatisch, undramatisch und doch wirkungsvoll wird selbst den dogmatischen Charakteren etwas Lebendiges abgewonnen. Wie die Menschen reden, was wie passiert … die Onkeligkeit der DEFA-Filme entkernt … DER UTNERGANG DER EMMA, einer dieser seltenen Onkel, die einem die tollen Dinge zeigen.
großartig –
Ehrenvolles Psychogramm eines Sammlers. Eines Mannes, der mit Erektionen und Frauen nicht umzugehen weiß, also mit dem Leben, und es deshalb ordentlich in Bücher klebt. Erst in Form von Schmetterlingen und dann in Form einer Frau, in die er sich aus der Ferne verliebt hat und die er nun in einen Keller sperrt, um sie bei sich zu haben und sie betrachten zu können. Nur selten werden das Haus des Sammlers und der Keller verlassen. Seltenst treten andere Figuren auf. Sammler und Gesammelte umkreisen sich und ihre Situation, sie verhandeln und reden über Kunst und die Welt, auf das wir sie kennen lernen, auf das wir uns mit ihren Charakteren und ihren (gesellschaftlich relevanten) Typologien bekannt machen können. Wie ich gerade sehe, ist DER FÄNGER laut Wikipedia ein Thriller mit Ansätzen zum ernsthaften Drama. Das psychologisierende Drehbuch, d.i. das ernsthafte Drama, ist dabei durchaus bräsig, aber Wyler macht eben einen Thriller, der einen nicht mit steifer Analyse alleine lässt, sondern eben auch einen luftig inszenierten Film über ein ganz netten Triebtäter macht, der einem unerreichbaren Ziel nachjagt, und über eine Flucht, die sich immer wieder in die Hoffnung auf Menschlichkeit verheddert.
Freitag 22.07.
fantastisch –
Der Untergang des Abendlandes.
Donnerstag 21.07.
großartig +
CHIHIRO’S REISE INS ZAUBERLAND offenbarte mit den Hexen Yubaba und Zeniba, mit dem Mustern im Badehaus, wo der größte Teil der Handlung spielt, mit den drei springenden Köpfen ohne Körper und in gruseligen Nebenfiguren wie einem Greifvogel mit Damenkopf einen starken Einfluss russischer Märchen und fast scheint es, als ob Miyazaki sich aufmacht, ein ebensolches Volksmärchen neu zu entspinnen. Eines, welches die Generationen überdauern und sich ins kollektive Gedächtnis brennen müsste. Ein Film voller furchteinflößender Momente, voller bitterer Fiktionalisierungen des Erwachsenwerdens, wenn die Eltern plötzlich Schweine sind und man auf sich selbst gestellt ist, voller lebendiger Gleichnisse und eben mit einer luftigen Atmosphäre trotz all der Schwere. Das Traurige nur: kein Badehaus in meiner Nähe. Nirgends.
Mittwoch 20.07.
uff
Das Remake von José Ramón Larraz‘ VAMPYRES hat die Schlafkrankheit. Einschlafende Darsteller schnarchen sich durch eine schläfrige Geschichte. Aber Vítor Matellano hat eine Entschädigung dafür: müden Gore.
Dienstag 19.07.
großartig +
Die Dynamik von VAMPIRES hat etwas von klassischer Musik. Ein lesbisches Vampirpaar entführte in diesem Anhalter und verging sich sexuell wie blutreißerisch an diesen. Entspannt träumt er von Lust und Grauen und kuschelten mit diesen, wie es Rollin oder Franco ähnlich zu der Zeit taten. Die Figuren und die Themen von Lust, Macht, Neugier und Verdammnis umkreisen einander, umschmeichelten sich. VAMPYRES lullt einen ein, baut einen verträumten Sog auf und kredenzt dazu kleine Irritationen in Schnitt und Ausstattung. Und dann, wenn es doch ganz gemütlich ist, baute sich der Film plötzlich auf und fällt über einen her. Schnitte jagten nur so durch das ekstatische Geschehen, atemlos hetzt die Geschichte. Laut kreischt das Orchester … nur um wieder damit zu beginnen zu träumen, zu tänzeln und ganz unbedarft entrückt sich einer sanften Melodie hinzugeben.
Montag 18.07.
ok –
Acht Feiertage, acht Episoden, die den Grauen der jeweiligen Tage einfangen sollen. Ganz fein schangelt sich HOLIDAYS mit heidnische Extravaganzen und mysteriöse Festen durchs Jahr und löst die schon immer dringliche Frage auf, was Jesus‘ Auferstehung mit Hasen zu tun hat, als ein dornenbekronten hasengesichtiger Jesus ein Mädchen des nachts bedroht. Je näher das Ende des Jahres kommt, desto goriger und gesitteter werden die Episoden aber. Die Freiheit seltsam zu sein, war den Hauptfeiertagen dann doch nicht gegönnt.
Sonntag 17.07.
ok –
großartig
Irgendwo im Kugel- und Sprüchehagel: LETHAL WEAPON versöhnt die Post-Vietnam-USA mit sich selbst. Drei nackte Menschen führen in den Film. Erst eine Frau, die nach einer mit Rohrreiniger versetzten Line Koks lächelnd von einem Hochhaus springt. Ihr Tod, wie wir lernen werden, ist nicht Folge ihres sozialen Abstieges ins Porno- und Prostitutionsmilieu, sondern liegt in der Erpressung ihres in Drogenschmuggel verwickelten Vater begründet. Er, ein gutbürgerlicher Firmenbesitzer, importiert mit seiner ehemaligen Eliteeinheit Heroin, will aber aussteigen. Sollte er es wirklich tun, stirbt auch seine andere Tochter, so die Botschaft seiner Kumpane. Zerfressen ist die USA an dieser Stelle durch Korruption und durch den Vietnamkrieg ermöglichte illegale Strukturen, die hinter der glänzenden Oberfläche von Normalität und Prosperität in Stripklubs und nassen Kellern die sinnlose Kriegsverwicklung pervers und gierig spiegeln. Soldaten, bestens ausgerüstet und ausgebildet führen weiter, was sie gelernt haben. Besonders sympathisch: nicht die Niederlage in Vietnam ist hier das Problem. Der zweite Nackte: Sergeant Murtaugh (Danny Glover), der in der Wanne sitzend, von seiner Familie ein Ständchen zum 50igsten Geburtstag erhält. Ein ordentlicher, liebevoller, gesetzter Mann, die Ausgeburt der Normalität, der seinen Dienst in Vietnam scheinbar ohne Grund für Narben und Folgen verlebt hat und bei dem nun alles in Butter ist. Nur etwas steif eben. Zuletzt: Sergeant Riggs (Mel Gibson), der mit einer Zigarette im Mundwinkel im Bett liegend ins Bild kommt, dann durch seinen abgewrackten Wohnwagen schlendert und pisst. Durch den Tod seiner Frau randvoll mit suizidalen Tendenzen, sucht er in seiner Arbeit einen Sinn im Leben und den Tod. Er ist eine im Krieg ausgebildete Kriegsmaschine, aber eine gebrochene. Ein martervoller Scherzbold, der nichts mehr ernst nimmt. Diese beiden, die zerrissenen USA finden im Laufe des Films zueinander. Riggs, der bei seinem Partner und dessen Familien vorsichtig Halt sucht, und Murtaugh, der moralische Biedermann, der schließlich in einen Blutrausch verfällt und sich Riggs deutlich annähert, nachdem seine Tochter von eben dem Schmugglerring im Laufe der Ermittlungen bzgl des Sprungs vom Hochhaus entführt wird. Die Geschichte und ihre Zusammenhänge erzählt Donner dabei schlampig. Er setzt die Chemie von Glover und Gibson in den Mittelpunkt. LETHAL WEAPON ergötzt sich am ungläubigen Japsen Murtaughs, im Angesicht der schelmischen (Selbst-)Zerstörungswut Riggs, und ist ganz herber Kitsch, wenn Riggs wie ein traumatisierter Hund, langsam zutraulich wird. Aber es ist auch der nachdrückliche Traum, dass beide, trotz der augenscheinlichen Unterschiede, nicht viel trennt. Es muss sich nur Bomben und Kugeln ausgewichen und in die nassen Keller begeben werden, wo Vietnam lauert.
Sonnabend 16.07.
großartig
Ein Film wie ein Flummi mit ADHS. Ein Gangstersyndikat klaut unbedrucktes Notenpapier, woraufhin sich drei Malefizbuben denken, dass sich Gefahr bezahlt machen muss. Sie versuchen Japans besten Geldfälscher (♥ Hidari Bokuzen ♥) zu kidnappen, um ihn dem Syndikat zu horrenden Preisen zu verkaufen. Ein Wust aus Plänen, Gegenplänen und Widrigkeiten – wie Hidaris Forderung nach einem erotischen Umfeld, um dort inspiriert arbeiten zu können – überschlagen sich. Schlumor, Jux und Dollerei, die final in ein Massaker und gutmütigen Quatsch führen.
gut
DIAMANTENFIEBER jagt durch einen Zirkus, durch Kasinos, hat eine Autoverfolgungsjagd durch Las Vegas und einen Parkplatz, noch eine mit einem moon buggy in der Wüste, fast fatale Krematoriumsbesuche, Besuche beim Amsterdamer Sekretariat eines Schmuggelrings, Howard Hughes-ploitation, Kämpfe Bonds mit zwei halbnackten Martial-Arts-Damen, Laser aus dem All und natürlich das Beste: Mister Kidd und Mister Wint. Eine tolle Nummernrevue, die ihre Aufmachung schneller wechselt als Bond-Girl Tiffany Case ihre Perücken und die in Form des Hughes-Epigonen Whyte sogar gunther-philippschen Stahlhumor sein eigen nennt, … nur ist das Pulver irgendwann verschossen und zurück bleibt ein öder Blofeld, der eher verklemmte Witzfigur ist, als ein ernsthafter Gegenspieler.
Freitag 15.07.
großartig –
VIAGGIO IN ITALIA trifft BEFORE SUNSET trifft WHO’S AFRAID OF VIRGINIA WOOLF? trifft LETZTES JAHR IN MARIENBAD trifft BEING JOHN MALKOVICH. Ein Paar läuft durch Italien und redet über seine Beziehung sowie über Original und Fälschung, wobei nichts originär und alles schon bekannt scheint.
Donnerstag 14.07.
nichtssagend –
Polemisch könnten über 9. APRIL gesagt werden, dass jeder, der sich einmal darüber beschwert hat, dass etwas in einem Film unrealistisch wäre, dies hier schauen müsse, die Hölle der Authentizität. Vor dem Abspann kommt der Offenbarungseid, wenn diverse Zeitzeugen nochmal zu Wort kommen und wiederrum unterstreichen, was die 85 Minuten davor schon schmerzlich offenbar war, nämlich dass es die Macher von 9. APRIL bei der Geschichtsaufarbeitung sehr genau nahmen. Damit soll nicht gesagt sein, dass sich nicht doch historische oder anderweitige Ungenauigkeiten eingeschlichen haben, sondern dass hier ein Gefühl vorherrscht, als würden wir ein paar Szenen zur Untermalung einer Doku sehen. Dänische Soldaten bereiten sich am Vorabend des 9. Aprils 1940 darauf vor, dass irgendwann die Nazis an der Grenze stehen und mit einer riesigen Kriegsmaschine ihnen keine Chance lassen werden. So beginnt der Film damit, dass die Soldaten darin getrimmt werden, ihre Fahrräder zu reparieren. Fahrräder mit denen sie am nächsten Morgen gegen Panzer in den Krieg ziehen müssen. Sie werden gezeigt, wie sie unter der Anspannung anfangen zu mobben, zu leiden und doch ihren Job machen. Wie sie rauchen und hoffen. Es fehlt nur der guido-knoppsche Erzähler und wir wären im uninspirierten Teil des Programms von ZDFinfo. Nur der finale Twist, der dem ganzen vorherigen Aufbau etwas die Luft rauslässt, verdient keine Polemik. Aber so ein Twist ist auch ein bisschen wenig, für das Leiden davor.
Mittwoch 13.07.
fantastisch –
Nicolas Winding Refn hat es geschafft das filmische Äquivalent zu einem klimpernden Kronleuchter zu schaffen. Selbst im Soundtrack glitzert und blinkt es beständig. Irgendwo ist THE NEON DEMON in seiner Erzählung eines Mädchens, dass sich frisch in der Modewelt angekommen von einem unsicheren Mädchen (vom Kostümdesign und Makeup zu Beginn ganz sachte in Richtung ABBA-Video gedrückt) zu einem Vamp wandelt und von dieser dog-eat-dog-Welt aufgefressen wird, eine Meditation über Schönheit, Ausstrahlung, Oberflächlichkeit und Unsicherheit. Aber Refn verirrt sich anders als noch in ONLY GOD FORGIVES nicht in unsere Welt … oder ist es die kristallene Modewelt, die keinen Weg nach draußen lässt. Jedenfalls ist THE NEON DEMON ganz Fetisch. Ein geiler Blick, der sich in einem Spiellabyrinth seiner eigenen Reize befindet. Der selbst in der Erzählung über Unsicherheit und Selbstzweifel, ob der Ungewissheit was unter der Oberfläche denn eigentlich lauert, nur wieder Oberfläche und Außenwirkung findet. Die meist emotionslose Sprache, dargebracht wie von bewusstlos wandelnden Hüllen, die beständige Aufnahme der Figuren durch Spiegel, die stilisierten Aufnahmen von Auflösung und surrealen Träumen wie traumatischen Randzonen dieser Modewelt … was vor uns geschieht ist unweltlich und es mutet mitunter seelenlos an, aber es kündet von einem verloren Blick, der gierig in den Spiegel starrt, grinst und geil sich selbst betrachtet. Luftdicht … oder um es mit Shirley Bassey zu singen:
Diamonds are forever
Hold one up and then caress it
Touch it, stroke it and undress it
I can see every part
Nothing hides in the heart
Dienstag 12.07.
ok
Von der Inszenierung Fassbinders Lachen abgesehen, wenn Eric dann endlich überschnappt, einem kurzen Moment ganz großer Kunst, also davon abgesehen, sieht es eben wieder alles so aus, wie ein gut geharnischter moderner Superheldenfilm mit ernstem Hintergrund eben aussieht. Solide und gekonnt, dass auch möglichst wenige nörgeln können. Spannend ist nur, wie sich das Blatt wieder wendet. Denn X: FIRST CLASS ist Magnetos Film, ein Film der durchaus zu vermitteln weiß, wieso Eric mit Dr. Xavier und der Menschheit bricht. Wer würde nach diesem Film nicht alle Hoffnung verlieren?
Montag 11.07.
fantastisch –
In meiner frühen Jugend konnte ich Sammo Hung nicht leiden. Tauchte er in einem Film auf, den die Fernsehzeitschrift als Jackie Chan Film ankündigte, hieß das, dass nicht viel von Jackie Chan zu sehen sein wird. Ich habe die Lucky Stars Filme alle nur ausschnittsweise gesehen und habe meist irgendwann weggeschalten, weil es zu wenig Kung-Fu gab, aber dafür zu viele Witze, für die ich damals noch nicht reif genug war. HEART OF THE DRAGON oder eben POWERMAN III (wie er in Deutschland hieß) habe ich ebenfalls irgendwann ausgemacht. Was gewiss ein Fehler war, verpasste ich doch Sammo Hungs Meisterwerk, was Action Inszenierung angeht. Wenn Jackie Chan als Polizist Ted seinen geistig behinderten Bruder Dodo (Sammo Hung) aus der Hand von Gangstern befreit, dann sind die Schnitte, die Bewegungen der Schauspieler und der Kamera in einem Fluss. Ich weiß nicht wie lang es ging, aber es war ein extatisches Festmahl, das einem beständig ins Gesicht klatscht. Sehr lecker. Doch HEART OF THE DRAGON ist ein Melodram. Als Kind habe ich das Ende verpasst, welches mir sicherlich gefallen hätte, was ich aber sah, war schlicht zu aufwühlend. Die Verzweiflung Teds, der gerne zur See fahren möchte, aber auf seinen Bruder aufpassen muss, lässt Jackie Chan alleweil platzen, schimpfen und Beschuldigungen um sich werfen. Ein Mann konstant am Rande zum Nervenzusammenbruch. Und Sammo Hung wird in Form von Dodo in jeden Quatsch herein gezogen, weil er allen helfen möchte, dabei aber entweder bösartig ausgenutzt wird oder alles nur schlimmer macht. Seine hilflosen Blicke, wenn die Menschen um ihn aggressiv werden und er nicht weiß wieso oder schon alles bereut und nur weg möchte, dann bricht es einem das Herz. Sammo Hung legt alles in diese Rolle, will mir scheinen. Und so ist HEART OF THE DRAGON oft unerträglich. Ein Film, der die Nerven seiner Zuschauer strapaziert und der fast nur von sehr ruppigen Menschen bevölkert wird, deren soziale Fähigkeiten gegenüber Schwächeren vor allem aus Anschnauzen und Zuschlagen besteht … es macht einen fertig, was emotional auf einen losgelassen wird. Auch weil es eben als Komödie inszeniert wird. Ein Chaplin-Film, dem das Fleisch durch die Gefühlsflut von den Knochen birst. Es ist zum Lachen, zum Weinen und alles bis zum Anschlag. Es ist total irre (gut).
Sonntag 10.07.
gut +
Ein Film für die Hängematte. Bud Spencer als einfacher Mensch aus dem Dschungel, der ins Haus das Verrückte macht, sprich eine Bürokratie, geschickt wird. Ein naiver Traum davon zu beobachten, wie eine Dampframme diese ganzen komplizierten Aspekte der Moderne ad absurdum führt und einfach mal klein haut. Begleitet von einem dieser Lieder der De Angelis, das einem noch Tage nach der Sichtung auf den Lippen liegt.
großartig +
Die Dramaturgie ist faszinierend einfach und starr. Es gibt sechs Segmente, drei mit den Lucky Stars, drei mit Jackie Chan und Yuen Biao, welche jeweils alternieren. Erst kommen die schlüpfrigen Kalauerparaden notgeiler Witzfiguren, selbstredend ganz großer Spaß, und dann virtuos aufs Maul von den drei Brüdern. Irgendwo gibt es auch eine Geschichte, aber Sammo Hung extrahiert zuvorderst die beiden Hauptbestandteile der Lucky Stars-Reihe und stellt sie formal streng nebeneinander.
Sonnabend 09.07.
großartig +
In THE GLASS BOTTOM BOAT gibt es diverse Momente, wo sich Doris Day getragen nach Liebe und Zuneigung sehnt … ganz sauber … unterm Sternenhimmel. Aber diese Momente sind wie Inseln in einem Meer aus Übermut. Einem zwielichtigen wie albernen Übermut, der seinen Höhepunkt in einem dreisten wie kaum maskierten Cumshot findet. Edward Andrews und Dick Martin sind in einem Bett im Dunkeln und denken jeweils mit Doris Day im Bett zu sein. Als Rod Taylor das Licht anschaltet und beide sich sehen, ergießt sich die Champagnerfalsche in der Hand von Dick Martin schäumend über Edward Andrews. Und vll wäre das sogar noch ganz unschuldig, wenn nicht alle vorm Bett nicht so vieldeutig schauen würden.
großartig +
Vier Größen aus Adel, Politik/Wirtschaft, Religion und Justiz schließen sich während der Republik von Saló in einem Haus mit ausgesuchten jugendlichen Jungen und Mädchen ein, um sich an diesen zu verlustieren. Anders als in de Sades Roman überschlägt sich die Perversion in Pasolinis Film jedoch nicht, sondern geht völlig im Ritual auf. Im kalt beobachteten Zeremoniell von Demütigung und Machtmissbrauch. Es sei an dieser Stelle Klaus Theweileits DEUTSCHLANDFILME herzlichst empfohlen, auf dass sich das beständige Gleiten der Darstellung der entwürdigenden Freuden des perversen Machtgenusses durch diese Anregungen noch mehr entfalten möge. Wer ansonsten gerade Probleme hat, sich an seine Diät zu halten, denjenigen werden die kulinarischen Anregungen zu überzeugen wissen.
Freitag 08.07.
großartig
Hitchocks frühes Melodram ist ein Plädoyer gegen voreilige Schlüsse und moralische Überheblichkeit. Eine Liebe wird unter Klatsch und Tratsch zertrampelt bis die tears gejerkt sind … was Hitchcock aber nicht davon abhält, seine Schauspieler ständig zu Grimassen anzuhalten und sichtlich die gute Laune nicht zu kurz kommen lassen will.
großartig +
Zwar nicht aus dem Herzen des Zweifels und der Rebellion erzählt, aber doch etwas THE WILD ONE in bunt. Kiefer Sutherland als Anführer von Außenseitern ist in THE LOST BOYS Punk und Vampir, also jemand der die Gesellschaft verzehrt und die Jugend ansteckt. Er ist der Agent der Perversion, der uns auf seine verwesenden Wege zerren möchte. Der neben all den anderen gesellschaftlichen und kindlichen Verweisen, die von der Schönheit eines bürgerlichen Lebens und der Geborgenheit einer Familien erzählen, auch von Freiheit, Gefahr und Spaß kündet. Mit dem in dunkle Tiefen gesprungen werden kann. Er ist der Two-Face aus Lust und Sucht, aus Unabhängigkeit und Skrupellosigkeit. Joel Schumacher erzählt eine Coming-of-Age-Geschichte von zwei Brüdern, von Unschuld und beginnender Verlorenheit in einem neuen Leben, zu welchem einen die Wegweiser fehlen. Er erzählt von Abenteuern und dunkler Romantik. Er erzählt mit Comics, bunter Absurdität, 80er Jahre Extravaganz, satten Flüssigkeiten … und von der Erkenntnis, dass es nur eines mehr zu fürchten gibt, als auf die schiefe Bahn zu geraten … Schwiegereltern und gesetzte Spießbürger. Und so schippert THE LOST BOYS auf einem schmalen Weg zwischen dem Sturm der Verrücktheit von der einen und dem trockenen Untot eines normalen Lebens auf der anderen Seite … und vertraut schlicht drauf, dass etwas Seltsam sein einen Film und das Leben durchaus gut tut.
Mittwoch 06.07.
großartig –
Wenn ich jetzt als Erwachsener diese Filme sehe, die mich durch meine Kindheit begleitet haben, dann fällt mir wie im Fall von ZWEI HIMMELHUNDE AUF DEM WEG ZUR HÖLLE beispielsweise auf, dass diese tatsächlich eine Geschichte erzählen. Im Fall von VIER FÄUSTE GEGEN RIO, den ich wirklich ewig nicht mehr gesehen habe, fiel mir auf, dass anders als in Erinnerung gerade gar keine Geschichte erzählt wird. Eher ein Mosaik, wo die Steine oder eben hier Szenen nichts miteinander zu tun haben, aber zusammen doch ein schönes Ganzes ergeben.
Dienstag 05.07.
großartig
Sammo Hung als tollpatschiger Möchtegerndetektiv, der mit Minipli und Hut wie ein etwas obskures Michael Jackson Double aussieht, schießt mit den netten Fast-Food-Entrepreneuren Jackie Chan und Yuen Biao ein Slapstickfeuerwerk ab, wo es am meisten Spaß macht. Nämlich in Taschendieb getränkten Tourimeilen, im Rotlichtmilieu, in Klapsmühlen oder eben zu Hause, wenn die letzteren beiden in zurückhaltend, verschämter Aufdringlichkeit versuchen Lola Forner ins Bett zu bekommen. Und die naive Magie bei diesem weiteren Versuch der drei Brüder das Erbe von Chaplin, Keaton und Lloyd mit feurigen Tritten und Schlägen anzutreten geht davon aus, dass all diese gesellschaftlichen Sphären genauso albern wie selbstverständlich Schauplätze des normalen Zusammenlebens sind, wie der Supermarkt von nebenan.
Montag 04.07.
großartig –
Plattfuß pendelt ohne Geschichte im Gepäck touristisch durch Südostasien. Etwas Kultur, etwas Klischees und eine Klopperei und ab ins nächste Land, wo das Gleiche geschieht. Mit Entspannung gegen Korruption, die Drogenbarone und verengte Geiste.
Sonntag 03.07.
großartig –
gut
Drei Dinge: 1. Wenn auf dem Asteroiden dramatische Dinge mit Dingen geschehen, sprich Meteore regnen uswusf, dann stellt Bay sofort in den Actionpaintingmodus, wo im Schnittgewitter abstrakter Einstellungen nur das Gefühl von Kaboom bleibt. Nur der Ton gibt einem Hinweise, was passiert und nach dem Geschehen muss sich neu orientiert werden. Nichts Überraschendes. 2. Zwischen dem Auftakt, bei welchem Asteroiden die Erde verwüsten, Bruce Willis Ben Affleck aufgrund familiärer Animositäten erschießen möchte und das Team zusammengestellt wird, und dem Hauptteil nach dem Start Richtung Asteroid gibt es eine riesige Pause. Hier menschelt es. Es wird sich Träumen hingegeben. Das letzte Mal das Leben genossen. Vll ist hier auch das Herz von ARMAGEDDON, weil hier verhandelt wird, was Menschen wirklich wichtig ist … Angesichts des Weltuntergangs. Eine, wenn ich mich nicht irre, fast 20 minütige Fläche der Gefühle. 3. Wenn nicht gerade Sex mit Minderjährigen verharmlost wird, ist ARMAGEDDON vor allem ein Werbevideo für Familie, Treue und Aufrichtigkeit … weil Bay vll kein großer Geschichtenerzähler ist, aber eben Gefühle vermitteln kann. Vll ist er eben doch ein Romantiker … der seinem MTV beschienen Kinderzimmer nicht entwachsen ist.
Sonnabend 02.07.
ok
Notiz nebenbei: wenn zwei oder höchstens drei Figuren in HEARTLESS in einem Bild interagieren, dann stellt sie Ezaki meist eng zusammen und lässt die Ränder völlig verwaist, als ob er in Vollbild aufnehmen würde. Beim Rest, bei handelnden Gruppen, Establishing Shots oder was es eben noch so im Filmhandwerk gibt, da wirkt alles kunstfertig dem Scopeformat angepasst. Ein Regisseur, der auf Intimität wert legt, kann kein schlechter sein.
Freitag 01.07.
verstrahlt
Spätestens wenn dann Kitano selbst den nun, wie er sagt, mittelalten Künstler Machisu spielt, dann ist klar, dass es sich bei ACHILLES UND DIE SCHILDKRÖTE um eine Groteske handelt. Davor schreiten sentimentale Klavierfiguren über lange Einstellungen, die mit dem Blick eines hilflosen sowie resignierten Zaungastes verfolgen, wie Pflegeeltern, Schule uswusf versuchen einen Träumer zu brechen und ihn in die Gesellschaft einzugliedern. Nur kurze Momente voll Farben, Überschwang und Neugier schleichen sich in die ansonsten rührselige Erzählung, nämlich wenn der junge Machisu völlig naiv die Möglichkeiten der Kunst erkundet. Die fast schon radikale Kraftlosigkeit dieser Leidensgeschichte schlägt aber unmerklich um. Irgendwann verfolgen wir mit denselben langen Einstellungen, wie ein völlig von sich und seiner Kunst entfremdeter Machisu wahnhaft versucht ein berühmter Künstler zu werden. Er kopiert jeden lebenden und toten Künstler, er lässt seine Frau, die in einem weißen Ganzkörperanzug steckt, von einem Boxer mit Farbe auf den Handschuhen verprügeln, er lässt sich für die Inspiration einer Nahtoderfahrung ertränken und und und. Seine manisches Verlangen nach Anerkennung hat ihn zu einer absurden Figur gemacht, die Kitano Unmengen an Irrwitz veranstalten lässt … der seine Schildkröte so aber nie einholen wird. Mit ACHILLES UND DIE SCHILDKRÖTE versuchte Kitano wohl auch seine eigenen Dämonen auszutreiben, er, der nach DOLLS oder ZATOICHI im Limbus der Selbstreferentialität gelandet war und dem die Filme nicht wie früher einfach von der Hand gingen. Er hat dabei aber auch den ultimativen Kitano-Film geschaffen, in dem sein melancholischer Naivismus und seine lakonische Clownerie völlig zu sich kommen. Es ist sicherlich nicht sein bester Film, aber ACHILLES hat die vollkommene Kitano Takeshi Experience, sag ich mal so, …in der nebenbei noch nahegelegt wird, dass die Natürlichkeit des Künstlers etwas von einer geistigen Behinderung hat.
großartig
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