STB Robert 2013 (II)

„Cheap thrills set fire to my soul / Cheap thrills like a story untold / ’bout Cheap thrills up and down my spine / I need it, I need it, ’cause it feels so fine.”


Wertung: Ich kann nichts mit Zahlen zur Bewertung anfangen. Deshalb gibt es hier ein System der euphorischen Aufnahme des Films. In Zahlen übersetzt wäre es wohl ungefähr: fantastisch 10,0 – 9,4 / großartig 9,3 – 8,2 / gut 8,1 – 6,8 / ok 6,7 – 5,0 / mir zur Sichtung nichts sagend 4,9 – 3,0 / ätzend 2,9 – 0,5. Diese Skala ist mit der Qual verbunden, Filme in eine lineare Skala zu quetschen. Deshalb hat die Wertung eine Y-Struktur für freieres Atmen. Ab ca. 7.9 kann ein Film eine Wertung der Verstörung erhalten: radioaktiv 10,0 – 9,2 / verstrahlt 9,1 – 7,9.

Legende: Ist im Grunde selbst erklärend. Wenn hinter der eckigen Klammer eine Zahl steht, dann gibt sie die Anzahl der Sichtungen wieder. Je höher die Zahl, desto mehr ist sie geschätzt. Da ich mit Fernsehen und Kino aufgewachsen bin, wo nur gekennzeichnet wird, wenn ein Film nicht in deutscher Sprache kommt, tue ich das schändlicherweise auch. (OmU=Originalfassung mit Untertiteln, OmeU=Originalfassung mit englischen Untertiteln, OF=Originalfassung, EF= englischsynchronisierte Fassung, OZmeU=Originalzwischentitel mit englischen Untertiteln)


Das Sehtagebuch von 2012 findet sich hier.
Den ersten Teil des Sehtagebuchs von 2013 findet ihr hier

 

Dezember
Montag 30.12.

Der Alte: Tote Lumpen jagt man nicht
(Günter Gräwert, BRD 1982) [DVD]

gut

Sonntag 29.12.

Home Movies / Home Movies – Wie du mir, so ich dir
(Brian De Palma, USA 1980) [DVD, OF]

radioaktiv

Jon Rubin Revisited. Fast scheint es sein Vermächtnis zu sein. Nicht sein bester Film, aber der, in dem er in überbordender Hysterie Strenge und Verzicht absagt und einen Film macht, der eher einem Sumpf aus Ideen gleicht, der sich jeder Kultivierbarmachung durch Struktur und gutem Geschmack verwehrt. Und auf den Weg nach oben in Hollywood solchen einen aus dem Rahmen fallenden Quatsch zu machen, der Mumm muss erstmal aufgebracht werden.

Spider Baby or, The Maddest Story Ever Told
(Jack Hill, USA 1968) [blu-ray, OmeU]

großartig

Sicherlich übertreibt der Titel etwas, aber wenn Virginia Spinne spielt und ihre Messer in Position bringt, dann ist das verführerisch wie eine überreife Frucht, welche uns obsessiv zum beißen lockt, obwohl wir wissen, dass wir den nächsten Tag auf dem Klo zubringen werden … auch wenn die Folgen von Virginias manischen Messerstreichen wohl etwas ernster sind.

La sindrome di Stendhal / Das Stendhal Syndrom
(Dario Argento, I 1996) [DVD, OmeU]

großartig +

Soviel Verständnis für alle Seiten, dass es einem im Kopf rauscht. Meine Güte.

Sonnabend 28.12.

Jal aljido mothamyeonseo / Like You Know It All
(Hong Sang-soo, ROK 2009) [DVD, OmeU]

großartig

Beim Sehen fühlte sich der soziophobe Teil von mir bestätigt und ich hatte das dringend Gefühl aus diesen Situationen fliehen zu müssen. Situationen in denen Menschen noch keinen status quo der Kommunikation gefunden haben, ergo wissen was sie sagen und deshalb einen peinlichen Hauch von Nichts quasseln … oder in denen diese Menschen eben jeden Anstand hinter sich lassen und ihre unreflektierte, glorreich anmaßende Seite einem ins Gesicht drücken. So nah, dass es weh tut.

Fah talai jone / Tears of the Black Tiger
(Wisit Sasanatieng, TH 2009) [DVD, OmeU]

ok

Ich mag, wenn Filmemacher Naivität ernst nehmen und diese nicht schon von vorne herein als Witz preisgeben.

Freitag 27.12.

Ein Herz voll Musik / Heimat-Melodie
(Robert A. Stemmle, BRD 1955) [DVD]

verstrahlt +

Es verengt mir das Herz, dass die einzigen Anzeichen von Leben in Albert-Speer-artigen Kulissen von statten gehen … zu einem Lied um Hüte. Formell in Austattung und Bildkompostion fast schon manisch unmanisch, aber schöne, sehr schön … und dazu Menschen, die Leben vortäuschen. In tausenden Jahren wird es ein Äquivalent zu HÖHLE DER VERGESSENEN TRÄUME geben und EIN HERZ VOLL MUSIK sollte enthalten sein.

Ha-shoter / Policeman
(Nadav Lapid, IL 2011) [DVD, OmU]

ok +

Ich mag diesen Realismus nicht, der denkt, dass lange Einstellungen einem Zeit zum Denken geben und Dinge offenbaren, wenn gleichzeitig alles so offensichtlich nach Schema-F psychologisiert wird. Wenn jede Szene etwas bestimmtes über die Eliteeinheit und die jungen Terroristen sagt. Statt sich damit zu begnügen, dass es ein tolles Stilmittel ist, dass die Geräusche, wenn sich Polizisten begrüssender Weise auf den Rücken hauen, in einem anderen Film die Geräusche eine Schlägerei wären, wird hier drauf gehalten bis das Testosteron schal geworden ist. Das ist mitnichten eine ausweglose Erfahrung, die das Gesehene noch intensiver macht, sondern meist etwas öde. Besonders da es um zwei so Gruppen von Menschen geht, die als einzige Gemeinsamkeit ihre bierernste Humorlosigkeit haben. Aber dafür bei weitem nicht so lächerlich wie DIE FETTEN JAHRE SIND VORBEI, der im Grunde ein ähnliches Thema behandelt. Und das muss jedem Film angerechnet werden.

The Hobbit: The Desolation of Smaug / Der Hobbit – Smaugs Einöde
(Peter Jackson, USA/NZ 2013) [hfr 3D]

nichtssagend

The Desolation of Robert W. durch Peter Jacksons Einöde.

Donnerstag 26.12.

The Bling Ring
(Sofia Coppola, USA 2013) [blu-ray, OmU]

großartig

Alles ist nur Schein. Die Prominenz der Stars. Die Leben der Protagonisten. Ihre Facebookaccounts. Es gibt kein Fundament. Jeder Griff endet am eigenen Haar, aus dem man sich aus dem Sumpf zieht. Das ist unbefriedigend wie leer, wie es auch süß und verführerisch ist. Einmal Wäsche waschen oder den Abwasch machen ist eine Leid aus einer anderen Dimension, die hier nicht mal angerissen wird. Alles ist nett, schön wie langweilig. Als die Jugendlichen aber anfangen in die Villen der Stars einzubrechen, die eben auch nur ihre Prominenz und kaschierendes Blingbling haben, dann schaffen sie sich das erste Mal eigene Werte, eigenen Erfahrungen, eine wirkliche Welt der Aufregung, die einen Griff in einen erdigen Boden erlaubt. Die Verarbeitung des ganzen endet zwar wieder in Scheinwelten, weil mit dem Verlassen der Villa auch die wirkliche Welt endet und die Selbstinszenierung beginnt, aber der Grund bleibt als Sucht nach Einbrüchen in die Welt des Besonderen bestehen. Und selbst nach der Verhaftung bleibt nur diese Dekadenz. Eine allumfassende polymorphe Dekadenz, die in einfachen Parties schon kaum noch einen Kick findet, die nur auffregenden und klitzernden Dingen Wert zuspricht, die wie Hohn selbst die Strafe der Gerichte noch zum glitzernsten Diadem in der Öffentlichkeit macht, eine Dekadenz die auch die meine ist … und vll auch die von Sofia Coppola, denn „The Bling Ring“ steht vor dem ganzen Treiben und bewundert es, wie es dieses abstoßend findet. Die Musik, die Montage, die popkulturellen Referenzen und die Darstellung des Internets, alles an „The Bling Ring“ liebt diesen Grund der eigenen Übelkeit. Es ist so nicht nur ein Film über eine Welt, in der Paris Hilton ein Star sein kann, sondern auch ein Film mitten aus dieser Welt, der das alles mehr als versteht und anziehend findet. Ein überreife, wunderschöne Sackgasse.

Mittwoch 25.12.

20 ans d’écart / It Boy – Liebe auf französisch
(David Moreau, F 2013) [DVD]

ätzend

Ein Film so bescheuert wie sein deutscher Titel.

Marie Antoinette
(Sofia Coppola, USA 2006) [DVD, OmU]

großartig

Wäre die Megalomanie nicht nur in den Dekors, sondern auch im Erzählen … So stopft Coppola dieses süße Nichts aus Überdruß, sexueller, wie zwischenmenschlicher Unfähigkeit im goldenen Käfig, zwischenzeitlicher Dauerparty, Rousseaunaturverbundenheit und Weltfremdheit in einen Indiefilm, der immer schön zwischen mauen Dialogszenen und vergnügten Montage- und Videoclipszenen gewechselt. Vll auch die nichtssagende, zuckersüße Verpackung zum Inhalt, der sich überraschend wenig platt an dem Mythos Marie Antoinette abarbeitet.

Montag 23.12.

Die Deutschmeister
(Ernst Marischka, A 1955) [DVD]

verstrahlt +

Großväterchen Zar … äh Kaiser Franz, scheinbar der nette Opa vom Dienst im damaligen Österreich, der immer wieder eingreifen muss und das Gute bringen, was seine engstirnigen Beamten verbocken. Und wenn er dann mit dem ebenso netten Wilhelm II plaudert und alles nie außerhalb der Butter zu sein scheint, dann spottet das der Geschichte wie Millionen von Menschen. Aber irgendwas Schönes und Gutes muss es ja in der Vergangenheit gegeben haben. Wenigstens gab es auch Juxerein mit dem guten, alten Baron Zorndorf. Uff.

Sonntag 22.12.

Walking with Dinosaurs 3D / Dinosaurier 3D – Im Reich der Giganten
(Barry Cook, Neil Nightingale, USA 2013) [3D]

nichtssagend

Yi boh lai beng duk / Ebola Syndrome
(Herman Yau, HK 1996) [DVD, OmeU]

radioaktiv

… vor allem die Szene mit der Banane. Albernheiten und Widerlichkeit, eine Symbiose des Herzens.

Sonnabend 21.12.

Man of Steel
(Zack Snyder, USA 2013) [DVD, OmU]

ok

Ich finde vor allem diesen Wald aus Wegweisern spannend. Während Captain America eine naiv integre Figur ist, die Superkräfte erhält, weird sich hier ein Bein ausgerissen, um zu erklären, warum Superman Superman werden konnte und nicht ein emotionalgeschädigter Psychopath. Diese realistische Psychologisierung lässt diese langweiligste aller Comicfigur vll nicht ganz so platt erscheinen und Kevin Costner als dackelblickiger Megadad ist schon neiderregend, aber … hm irgendwie ist es eben auch langweilig nur Supermoms und -dads zu sehen, die im Labyrinth stehen und dem armen Kal-El sagen, ob er links oder rechts abbiegen muss. Dazu Action wie beim A-TEAM, wo immer schön spannungserregend Menschen durch die Schlachtlaufen, aber nie jemanden etwas geschieht. Oder anders: zu Hans Zimmer immer selben Brei gibt es etwas sauberes Tun, dass schnell abgeputzt ist.

Nine 1/2 Weeks / 9 1/2 Wochen
(Adrian Lyne, USA 1986) [DVD, OmU]

verstrahlt

Die große Adrian-Lyne-Selbsthassszene als Klimax finde ich verwirrend. Wieso setzt einer der Großwesire der eitel-künstlichen Oberfläche ins Zentrum seiner Geschichte eine Szene, in der ein alter Mann, der nur für Natürlichkeit und Ursprünglichkeit steht (d.i. er holt sein Wasser noch von der Pumpe 20 km vom Haus entfernt und weiß noch, was es ist ein Mensch zu sein), in der also dieser Mann in einer 80er Jahre Kunstgalerie verloren steht und Kim Basinger durch seine Verlorenheit klarmacht, dass das was ihr Spaß macht, ihr keinen Spaß macht. Nicht das es aus Kim Basingers Sicht nicht irgendwie nachvollziehbar wäre, aber was will Lyne damit sagen? Mag er sich nicht?

Freitag 20.12.

Man tam / Blind Detective
(Johnnie To, HK 2013) [blu-ray, OmeU]

großartig

Ich mag MONK irgendwie, auch wenn es immer in der unansehnlichen Adidastrainingsanzugszwangsjacke einer nette Fernsehserie steckt. Mit MAD DETECTIVE zeigten To und Wai wie es in unglaublich wäre. BLIND DETECTIVE schafft das nicht, ist aber noch deutlich das bessere MONK.

Donnerstag 19.12.

Yau doh lung fu bong / Throw Down
(Johnnie To, HK 2004) [blu-ray, OmeU]

großartig +

Wie ONLY GOD FORGIVES nur in Meisterwerk … und ganz anders.

Mittwoch 18.12.

Man jeuk / Sparrow
(Johnnie To, HK 2008) [blu-ray, OmeU]

fantastisch

Die schönste Grünphase an einer Fußgängerampel der Filmgeschichte und der sinnlichste Lippenstift auf einer von einer Frau für einen Mann angesteckten Zigarette.

Dienstag 17.12.

Ying hung boon sik II / A Better Tomorrow II
(John Woo, HK 1987) [blu-ray, OmeU]

großartig

Die Etablierung der Charaktere kann es in der Form wahrlich nur in Hong Kong geben. Was für ein Wahnsinn aus triefenden Gefühlen und albernen Quatsch. Und dann beginnen die Schießereien und alles macht BOOM. Es drückte mich in die Polster hinter mir. Mit anderen Worten er übte für HARD BOILED.

Montag 16.12.

Inside Llewyn Davis
(Ethan & Joel Coen, USA 2013) [DCP, OmeU]

ok

Llewyn Davis steht in der Mitte des Films in einem Schneetreiben. Er unternimmt gerade eine Reise nach Chicago. Eine Reise, die den Film (ebenso wie die Klammer, sprich der Anfang und das Ende) fast rettet. Llewyn Davis ist ein Folksänger kurz vor Beginn des Folkbooms und frustriert, weil er von seiner Leidenschaft nicht leben kann und weil er von nervigen Menschen umgeben ist. So gesehen machen die ganzen skurrilen, leblosen Figuren um ihn auch Sinn, die wirken als hätten die Coens lieblos und gelangweilt von sich selbst angekupfert. Aber sie sind auch unfassbar frustrierend. Dass alles nur ein Problem der eigenen Perspektive ist, dass lernt er in Chicago auf die harte Tour. Nachdem er John Goodman auf der Hinreise an lebloser Skurrilität allem die Krone aufsetzte und an Nervigkeit nicht mehr zu überbieten war, als er in Eis, Schnee und Wind vor die Hunde geht, da kommt ein ruhiger, wunderbarer F. Murray Abraham. Er flucht nicht, biedert sich nicht an, nervt nicht, er sagt ihm nur, dass es nichts wird, weil er keine Verbindung zu seinem Publikum aufbauen kann. Wie sollte er auch. Plötzlich ergibt alles Sinn, was erzählt wurde. Nett mit netten Lachern schlägt der Erzählrhythmus keine Purzelbäume, sondern schleicht unbemerkt vor sich hin, wie Llewyn Davis‘ Leid auch nur unbemerkt neben ihm herschleicht. Wie gesagt macht es Sinn, aber es ist auch Tortur, die netten, schönen Bilder, die skurrilen Momente, da es ohne Inspiration erzählt wird. Hier machen zwei Filmemacher einen Film, von dem sie wissen, wie er auszusehen hat … und diese Routine, diese emotionale Uninteressiertheit lässt alles irgendwie falsch wirken.

Sonntag 15.12.

Robin Redbreast
(James MacTaggart, GB 1970) [DVD, OmeU]

großartig +

Hässlich wie die Nacht. Wobei die Nacht ja nicht hässlich ist. Eher hässlich, weil es wie eine Ohnsorg-Theater-TV-Übertragung ausgeleuchtet ist. Es ist ja auch eine PLAY FOR TODAY-Übertragung. Nur die Bilder der Baumkronen und Büsche im Wind, genauer der fast nackten Zweige im Wind … des nachts und am Tag, sie kratzen beständig an der unbefangenen optischen Unattraktivität und deuten an, in welchen Abgrund Redakteurin Norah Palmer geraten ist. Aber vll fängt ROBIN REDBREAST nur den normalen Horror ein, der es ist in ein Dorf zu ziehen, in all die engen, festen Rituale einzudringen und nicht zu verstehen, was eigentlich los ist. Warum die Putzfrau, die über alles Bescheid weiß, uns in die Kirche drängen möchte und Widerworte gar nicht versteht. Warum der ansätzige Hohepriester der Verschrobenheit uns mit Infos über Vögel malträtiert, die düstere Andeutungen zu beinhalten scheinen. Warum wir mit dem Typen im Bett landen, der halbnackt im Wald Karate übt und uns alles über die Waffen-SS erzählen kann. All die beklemmenden Vorkommnisse, die uns gefangen nehmen, die uns ahnen lassen, dass die Dorfbewohnern eine Gemeinschaft sind, die sich gegen uns verschworen hat. Und dann die Hand, die unbemerkt am Türrahmen lauert. All das ist vll ganz normal, aber fertig macht es einen doch. Und vll war deshalb das Hässliche auch so passend.

…E tu vivrai nel terrore! L’aldilà / Die Geisterstadt der Zombies
(Lucio Fulci, I 1981) [blu-ray, OmeU]

großartig +

Viel schöner als der ROBIN REDBREAST. Viel schöner. Auch wenn der Gore wirklich schleimig ist und mitunter bei mir ein mulmiges Gefühl auslöste. Hatte ich Hunger. Hatte ich keine Lust zu essen. Ein Hotel auf einem der sieben Tore zur Hölle. Der Eingang wird aufgestoßen und die Menschen sterben und wandeln. Doch bis sie wandelnherrscht nur ein kaum greifbares Drohen, dass hinter jeder Ecke und in jeder Wand lauert. Die Realität bricht zusammen. Blinde erzählen von den Bedrohungen. Kleine Mädchen werden von ihnen befallen. Und diverse Menschen fallen ihnen brutal zum Opfer. Nichts greifbares bleibt, an dass sich im Fallen festgehalten werden kann. Bilder und Bücher versprechen (Er-)Lösungen, aber sie sind so wenig greifbar, wie Nebel. Wie Staub zerfallen die Hoffnung. Okkult schwurbelt die Hoffnung dahin. Doch dann wandeln die Toten. Es folgt Handeln und Rennen. Das ist dann etwas schade, weil wenn der Feind ein Gesicht hat, dann hat der Tag Struktur … und keinen Schrecken.

In This Our Life / Ich will mein Leben leben
(John Huston, USA 1942) [DVD, OmU]

großartig

Bette Davis ist verwöhnt. Sie ist dickköpfig, egoistisch, rücksichtslos, intrigant, hemmungslos und wenn es nicht nach ihrem Kopf läuft, wird sie hysterisch. Sie ist wie ein kleines Kind, dass im Supermarkt losschreit, weil es nicht bekommt, was es will. Wie ein Kind, dass nie an etwas Schuld sein will. Immer die anderen. Und so nervenaufreibend so ein Kind, so ist es dieser Film. Aber da wir nicht die Erziehungsberechtigten von Bette Davis sind, können wir uns wie ein Passant im Supermarkt freuen und das schaurige Treiben sogar genießen.

Sonnabend 14.12.

The Spoilers / Die Freibeuterin
(Ray Enright, USA 1942) [DVD, OmeU]

großartig

Wenn Marlene Dietrich in einem edelen Kleid, überall wabbert der Plüsch, auf einer Blanke durch den Morast schreitet, zu dem die Straßen des alaskischen Goldsuchernests geworden sind, wenn sie also voll Freude durch die Kloake schreitet und der Saum voller Spannung über den Matsch dahingleitet, immer in Gefahr der Beschmutzung, dann sollte jeder wissen, dass er nicht irgendeinen ottonormalen Western schaut.

Frankenweenie
(Tim Burton, USA 2012) [TV, OF]

großartig

L’angelo bianco / Frauen hinter Gittern
(Raffaello Matarazzo, I 1955) [DVD, OmeU]

verstrahlt +

Durch eine wilde See schickt uns Matarazzo abermals. Die eh schon zerbrochenen Liebenden aus MUTTERLIEBE, MUTTERLEID treiben orientierungslos durch Schmerz, Leid und dem Kampf mit dem Lebenswille. Doppelgänger und Hoffnungsschimmer lassen das Schicksal natürlich nur noch brutaler zuschlagen und wenn es kaum noch aushaltbar scheint, da kommt ein weißer Engel.

Mademoiselle
(Tony Richardson, GB/F 1966) [DVD, EF] 2

fantastisch +

Nach 5 Minuten wurde die von den ersten Bildern schwellende Ahnung zur Sicherheit. Ich hatte MADEMOISELLE schon gesehen. Wahrscheinlich im Zuge der European Sixties Reihe auf 3Sat. Würde passen. Jedenfalls dachte ich mit jedem Bild, mit jeder Wendung, mit all den Momenten, die mir das Herz enger machten, die mich erledigten, erfreuten, schwelgen liessen, in Retrospektive bis jetzt: „Wie konnte ich so einen Film so achtlos beiseite legen und um seine Sichtung vergessen? Wie nur?“

The Image
(Radley Metzger, USA 1975) [blu-ray, OmeU]

verstrahlt

Die Stimme des Erzählers, die sich anhört als ob sie gecastet wurde, weil sie sich zum Playboy-Leserbriefe vorlesen eignet, bringt die Trübnis. Wie die Bilder aus dem Männermagazin, die immer bemüht sind die Lüsternheit nicht überschwappen zu lassen, sondern Erbarkeit auszustrahlen und damit aussehen wie langweilige/lächerliche Hochglanzsülze, so wird THE IMAGE durch die Stimme immer wieder um seinen Sex beklaut, um seine vielen tollen Momente. Ein Kampf zwischen Mief und Begierde.

Freitag 13.12.

Eine Reise ins Glück
(Wolfgang Schleif, BRD 1958) [VHS]

radioaktiv

Der Wunschtraum von Lebensglück … geträumt von einem sehr gemütlichen und genügsamen Geist. Eine wonnige Mußestunde voll beklemmender Arglosigkeit. In vino veritas.

Johnny Suede
(Tom DiCillo, USA 1991) [DVD, OF]

ok

Brad Pitt hat eine komische Frisur und muss lernen mit seinen Bindungsängsten umzugehen. ERASERHEAD in skurril.

Donnerstag 12.12.

3615 code Père Noël / Deadly Games – Alleine gegen den Weihnachtsmann
(René Manzor, F 1989) [VHS]

verstrahlt

THE SHINING vs FIRST BLOOD durch die Augen eines abgebrannten Argentos ist das fehlende Glied zu HOME ALONE.

Mittwoch 11.12.

The Black Dahlia / Black Dahlia
(Brian De Palma, USA/D/F 2006) [blu-ray, OmeU]

fantastisch

Unter der Fassade warten die Abgründe. De Palma macht sich nicht mal die Mühe, dass großartig zu begründen. Ist einfach so. Ein Cop verschwindet aus dem Film, weil er sich plötzlich in eine kaum gezeigte Leiche und ihre Geschichte verrennt, was ihn zerrüttet und zu einem Wrack macht. Wahrscheinlich kann sich De Palma gar nicht vorstellen, dass es anders sein könnte. Deswegen brütet er über der Figur von Josh Hartnett, der bei dem Fall ruhig bleibt. Sich vll verrennt, aber eben nur langsam seine geistige Gesundheit gefährdet sieht. Und wenn es dann soweit ist, dass er zu zweifeln beginnt und ob seiner eigenen Obsession aus den Gleisen gerät, dann ist wieder nichts Aufregendes passiert. Ich bin ratlos. BLACK DAHLIA ist unglaublich, aber es fehlt soviel. Als ob alles im Rücken des Zuschauers geschieht, weil De Palma das alles vorraussetzt. Irgendwie habe ich das Gefühl auf eine Oberfläche zu starren unter sich etwas bewegt. Vll ist es auch nur eine Ahnung. THE BLACK DAHLIA ist schlicht, aber elegant erzählt, und doch hat es etwas sehr Abstraktes. Was ist das nur, was mich so fesselt?

Dienstag 10.12.

The Exterminator / Der Exterminator
(James Glickenhaus, USA 1980) [blu-ray, OmeU]

ok +

Glickenhausen formuliert alles aus. Vor allem weil er nicht weiß wohin. Hier gibt es etwas Liebe, da Kulturpessimismus, hier etwas Vietnam, da eine Verbrecherjagd. Beliebig reiht er Dinge aneinander, die so bekannt, wie nett sind. Wenn nicht ab und zu diese Elipsen einen aufrütteln würden… Noch sitzt der Exterminator verzweifelt im Krankenhaus und in der nächtsen Minute foltert er schon ein Gangmitglied. Das rüttelt auf. Ein Paukenschlag, der aber wieder in Einerleih endet … nur um dann wieder Politiker mit Kindesmissbrauch in Verbindung bringt … in einer Form, dass geschluckt werden muss. Aber dann wieder lange nichts. Fader Pudding, der ab und zu tolle Klumpen von Wohlgeschmack hat.

Exterminator II
(Mark Buntzman, USA 1984) [DVD, OF] 2

fantastisch

Ein protofaschistischer Angsttraum um faschistische Rache von ein paar Müllmännern, die den Dreck der Gesellschaft wegräumen, weil sie ihre Frauen nicht befriedigen können.

Montag 09.12.

Breathless / Atemlos
(Jim McBride, USA 1983) [DVD, OmU]

radioaktiv

Ein irrlaufendes perpetuum mobile der Kulturkritik.

Sonnabend 07.12.

Out of the Blue / Explodierende Träume
(Dennis Hopper, CA 1980) [DVD, OF]

großartig +

Ein Kommentar zur fortschreitenden Demenz: Der deutsche Titel kam mir irgendwie bekannt vor. Es lag mir auf der Zunge.

Frozen / Die Eiskönigin – Völlig unverfroren
(Chris Buck, Jennifer Lee, USA 2013) [DCP]

nichtssagend

Der ständige Gesang! Der ständige, nervtötende, aalglatte Schlager! Alle guten Ansätze werden so auf Nimmerwiedersehen begraben. Gänsehaut des Unbehagens. Würgreiz durch zu viel makellose Schönheit.

Frauen ohne Unschuld / Wicked Women
(Jesús Franco, CH 1978) [DVD]

Morpheus, ich hasse dich! Nach 10 Minuten eingepennt und als ich nachvollziehen wollte, was ich in den 5 Minuten Schlaf verpasst hatte, vom Ende überrascht worden.

Freitag 06.12.

Kôkaku Kidôtai / Ghost in the Shell
(Oshii Mamoru, J 1995) [DVD, OmeU] 3

(großartig)

Ich bin gegen Ende weggenickt und habe den großen Vereinigungs- bzw. Entwicklungskram verpasst, aber auch so bin ich mir fast sicher, dass es darum ging, ob eine Maschine mit Bewusstsein ein Lebewesen ist.

Donnerstag 05.12.

The Lickerish Quartet / Das lüsterne Quartet
(Radley Metzger, I/USA/BRD 1970) [blu-ray, OmeU]

gut

Zu Beginn sitzen drei Leute vor einer Leinwand in einer prunkvollen Villa und schauen einen blue movie. Die Grenzen zwischen Film, Phantasie und Realität fransen schnell aus. Radley Metzgers Quartet ist aber weniger wollüstig als keimfrei in seiner Begierde. Wobei es natürlich nur drei sind und die vierte Figur, die Projektion der sterilen Gelüste der Anderen. Der Hausherr mag Sex als intelektuellen kunstvoll-surrealen Akt, während sein Stiefsohn lieber mit einer nackten Frau über eine sonnige Wiese rennt und dort Dinge tut, die keins der nicht vorhandenen Ungeziefer stören würde. Zuguter Letzt ist da die Dame des Hauses, die ihre kinky Fantasien nur auf der Leinwand vor ihr ausleben kann, aber nicht in Realität. Das alles ist schön in Reih und Glied inszeniert, mit Sinn und Verstand. Was manchmal in tollen surrealen Momenten und Dekors endet, aber vor allem etwas zu clean ist. Als ob wir nach dem Essen eines halben Hähnchens keine fettigen Finger haben. Da kann etwas nicht richtig gelaufen sein.

Mittwoch 04.12.

Midnight Heat
(Roger Watkins, USA 1983) [VHS, OF]

großartig +

Diese filmische Diskussion um Weltschmerz und Existenzialismus mit dem Leumund von Leonard Cohen und Freud in einer dünnen Pulpgeschichte, die auf einer Streichholzschachtel Platz findet, hat, was sonst existentiell für ein solches Unterfangen fehlt: Hardcoresexszenen. Sexszenen, die von tristen Straßenszenen unterbrochen werden, in denen aus der sitzenden Ozu-Perspektive verlorenen Menschen auf nassen urbanen Asphalt in Zeitlupe gezeigt werden. Es sind Impressionen, die deprimierte Mensch sehen, wenn sie nichts mehr Besseres zu tun haben, als rum zu sitzen und ihre Verlorenheit auf die Straßen der Welt zu projezieren. Melancholie verdrängt die Ekstase des Sexes und fast wird einer meiner Träume war. Sexszenen bei denen Menschen auch mal weinen und nicht immer vor Ekstase explodieren (wollen). Denn dieser Sex geschieht nicht aus Lust, sondern weil er noch etwas Trost und Geborgenheit bietet. Wenn schon nichts anderes mehr.

Montag 02.12.

Daai zek lou / Running on Karma
(Johnnie To, Wai Ka-Fai, HK 2003) [blu-ray, OmeU]

verstrahlt

Das Reich des Buddhismus ist nicht von dieser Welt. Ist Karma Gerechtigkeit, blutige Rache oder Aktion und Reaktion? Ein megabemuskelter Stripper und ehemaliger Mönch wird es klären, wie so manchen Mord, welche er für eine Polizistin mit schlechten Karma löst, während die Fabel wilde Haken schlägt und Schlangen- und Spinnenmenschen wie nichts verheizt bis alles in einem quatschig bis erhabenen metaphysischen Endkampf um Mord und Seelenfriede endet.
*****
Die blu-ray aus Hongkong hat dabei ein dermassen digital eingeglättetes Bild, dass die Realität wie aus dem Wachs scheint, aus dem Andy Laus Muskelsuit gefertigt wurde. uärgs.

Sonntag 01.12.

Che? / Was?
(Roman Polanski, I/F/BRD 1972) [DVD] 6

fantastisch

Demenz, der Film. Wenn der Lustgreis in uns durch kommt. Wenn uns alles so bekannt erscheint. Wenn es uns auf der Zunge liegt. Wenn nichts mehr Sinn zu machen scheint. Dann sind wir im Reich des Vergessens. Das Spannenste an WAS? sind aber die Reaktionen der Mitschauer. Von Auslachen, über gähnen bis zu sich diebisch freuen oder dem Schreiber dieser Zeilen die Hosen vom Leib reißen, alles dabei.

The BQE
(Sufjan Stevens, USA 2009) [DVD] 3

großartig +

The Brooklyn-Queens Expressway, die Sinfonie einer Schnellstraße, ist vll nur das Musikvideo zur Musik Sufjan Stevens, der keine Musik mehr machen wollte, aber sein Film hat KOYAANISQATSI oder DER MANN MIT DER KAMERA genau eines voraus, nämlich hula-hoop-schwingende Damen in seltsamen Superheldinnenkostümen. Ein Kaleidoskop mit Rhythmus.

The Pleasure Girls / Die Goldpuppen
(Gerry O’Hara, UK 1960) [blu-ray, OmeU]

großartig

Alles was I VITELLONI immer versprach, aber nie hielt. Das entstehende Swinging London ist erst dabei groovy zu werden. Hier wollen die Frauen noch Liebe, Ehe und Geborgenheit. Sie landen bei Abschaum, liebenswerten Sprücheklopfern und entdecken, dass die schwulen Trostspender an ihrer Seite auf Männer stehen, dass creepy Miethai Klaus Kinski doch ein Herz aus Gold hat. Im Grunde passiert nichts von dem, was der Titel nahelegt. Er ist wie etwas Pril in die Spannung.

Bad Timing / Blackout – Anatomie einer Leidenschaft
(Nicolas Roeg, UK 1980) [DVD, OF]

fantastisch

Jemand erinnert sich wie es aufhörte und wie es anfing. Wer sich erinnert ist schwer zu sagen. Die Geschichte verläuft aber nicht im Fluss der Zeit, sondern in dem der Gefühle. Die Zeit läuft weiter, aber immer wieder kommen die Fetzen zurück und setzen ein Puzzle zusammen. Durcheinander, einer eigenen, besessenen Chronologie gehorchend. Wahrscheinlich ist es Art Garfunkel, der diesem Fluss das Bett bietet, der einen amerikanischen Psychologen spielt, der Ordnung in seinem Leben braucht … oder jemanden zum beobachten und bestrafen. Er verliebt sich natürlich in das Chaos, in Theresa Russell, die ihn mit schweren Geschützen aufreißt, die ihren Mann in der Tschechoslowakei zurückgelassen hat und nun sich durch Wien treiben lässt. Garfunkel ist anscheinend ihr einziger Ruhepol. Wer sie ist, können wir aber kaum sagen, da alle ihre Bilder von Garfunkels Sucht verdorben sind. Er sagt in einer Vorlesung, dass wir wissen müssen, wer wir sind, damit wir wissen können, wozu wir fähig sind. Das wir Voyeure sind, die isoliert uns und die Welt beobachten. Doch er weiß offensichtlich nicht, wer er ist. Der zuweilen manische Schnitt deutet es an … wer er ist und wozu er fähig sein könnte … bis er am Ende nackt mit Öl eingerieben an Voodoo erinnernd kurz über die Leinwand tanzt, dann wissen wir es. Er aber vll immer noch nicht. Er will nicht wissen, wer er ist. Nur wer Theresa Russell ist, das interessiert ihn scheinbar. Er beobachtet sie aus dunklen Winkeln und ist auch in der Menge allein, weil seine Sucht nach Schmerz und sadistischer Bestrafung ihn in eine düstere, paranoide Welt wirft, in der Theresa Russell, so freilebig sie ist, zu einer promisken Ungeheur wird, in der jeder Mensch um ihn ein potentieller Liebhaber. Siechtum überkommt ihn und den Film. Alles frisst sich langsam auf. Selbst Harvey Keitel, der den zu Beginn stehenden Selbstmord von Theresa Russels Figur untersucht, verliert sich. Zurück bleibt der sich selbst quälende Garfunkel, dessen kantenlose Glätte eine der größten Castingideen dieser Welt zu einer bedrohlichen Ekligkeit verdichtet. Wir hören nur seinen blinden Schrei aus Roger Daltreys Mund: Who are you? Who? Who?, doch dessen I really wanna know! ist wie Hohn, die penetrante Lüge eines sich besessen Kratzenden vor sich selbst, dessen Fingernägel sich durch Blut und Fleisch graben und der sich immer wieder fragt, wieso sie ihm das antut.

November
Sonnabend 30.11.

Jidu zhongfan / The Suspect
(Ringo Lam, HK 1998) [DVD, OmU]

nichtssagend

Jenny J. erzählt immer, dass Ringo Lam sein Mojo verloren hat. Dies hier ist wohl sein erster Film in der Postmojoära. Von einem Film (FULL ALERT) auf den nächsten (THE SUSPECT) passt nichts mehr. Gefühlloses und ratloses Aufstellen eines Gerüsts, dass sich auf die uninteressanteste Figur des Films konzentriert.

Inspektor Perrak greift ein
(Alfred Vohrer, BRD 1970) [DVD]

großartig +

Immer wieder Kalauer. Immer wieder wird PERRAK zur Revue … mit netten bis lächerlichen Scherzen, voll schalem Ulk. Immer wieder versichert er uns, dass hier nichts schlimmes passiert. Mord, Erpressung, Perversion, Rache, Neid, Gier, Rassismus, der Spaß an Demütigungen, Strangulation, Maschinenpistolen. PERRAK schmiert durch einen Sündenpfuhl sonders gleichen. Er präsentiert transsexuelle Stripper und Prostituierte, als ob es in jeder Show von Rudi Carrell nicht anders aussehen würde. Horst Tapperts Perrak und dessen Sohn Joshi scherzen aber und ziehen allem den Zahn. Es tut weh und garniert so diese Sause mit der beklemmenden Unsicherheit eines Nachkriegsdeutschlands, das jede Düsternis erhellen muss … vll weil dort die Erinnerungen an Leichenberge lauern. Und gerade hier liegt vll der größte, der wunderbarste Schrecken von PERRAK.

Yella
(Christian Petzold, D 2007) [DVD]

großartig

Das Georgel des Inspirationsgebers hat mir gefehlt. Am Ende brauch man eben doch, was man früher zum Kotzen fand.

La nuit des traquées / The Night of the Hunted
(Jean Rollin, F 1980) [blu-ray, OmeU]

großartig

Im Zuge der Vorbereitung auf den 12. außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos wurde diskutiert, ob Christian Petzold der wahre Erbe von Jean Rollin ist. Dieser Tanz der Demenz ist aber von ganz anderer Poesie als der davor gesehene Tanz der Seelen. Dort ahnt Yella bestenfalls, dass irgendwas nicht stimmt. Ihre Gefühle deckelt sie und sucht die Ruhe, die Befriedigung in der rationellen Welt des modernen Finanzbetrugs, die nur durch rauschendes Laub, Wasserrauschen und Krähenschreie Irritationen erhält. Ruhige Musik versichert Yella, dass die Harmonie, nach der sie sich sehnt, wirklich da wäre. Bei Rollin jedoch ist Panik pur. Da wo Verfall, Fäulnis und Blutarmut immer etwas Süßes, Verträumtes haben, vll sogar von einer Utopie der Befriedung des inneren Wallens künden, da ist hier bloße Paranoia. Alles Wissen zerstört hier nur das Seelenheil. Keine Devotionalie des Vampirismus kann einen hier retten, nur durch Vergessen kann das Unheil überwunden werden. Durch ein irrationales, romantisches Aufgeben der Suche nach Wahrheit kann es Glück geben. Wahrheit ist nichts. Nur Abgrund und Unsicherheit. Wie sollen wir auch wissen, wer wir sind oder wer der uns gegenüber. Da wo also Petzold die falsche Ruhe durch Verdängung zeigt und wo die Erlösung in der Akzeptanz der Wahrheit liegt, da ist Rollin ein Romantiker der Demenz, der nur in der Aufgabe der Wahrheit das Glück findet.

Tagebuch einer Siebzehnjährigen
(Jürgen Enz, BRD 1979) [DVD]

radioaktiv

Die Erotik der Unerotik. Dieses zwangneurotische Deutschland in seiner Verklemmung, in seiner verklemmten Suche nach Coolness. Nie wurde es besser analysiert. Nie war es so beklemmend schön Nachzufühlen in seiner vollkommenen Beklemmung.

Donnerstag 28.11.

The House of the Devil
(Ti West, USA 2009) [blu-ray, OmU]

gut

Die erste Stunde ist außerordentlich. Ganz viel wird einem versprochen. Die Erwartungen steigen. Und dann … ja und dann kommen nur noch Ausflüchte. Hastiges Wegrennen. Eine geplatzte Blase.

Dienstag 26.11.

Dredd
(Pete Travis, GB/ZA 2012) [blu-ray, OmU] 3

großartig +

Montag 25.11.

Pickup on South Street / Lange Finger – Harte Fäuste
(Samuel Fuller, USA 1953) [DVD, OF]

großartig +

Der Kalte Krieg vom Staub der Straße aus gesehen. Unterhalb der Gesellschaft, in einer romantischen Unterwelt, wo niemand zusammenhält, solange das Geld das schlechte Gewissen beruhigt, wo Bier noch im East River gekühlt werden muss, wo nur noch die Hoffnung auf ein schönes Grab herrscht, von da sieht der Kalte Krieg lächerlich aus. Ist doch egal, wer einen unterdrückt … ob es nun die hysterischen, verschlagenen Roten sind oder die gefälligen Spießbürger und Schläger des demokratischen Kapitalismus. Richard Widmark, stets psychopathisch und wie ein geschlagener Hund auf das höchste Maß an scheinbarer Großkotzigkeit bedacht, spielt Skip McCoy, einen Verlierer, wie er im Buche steht. Der sein Glück mit Füßen tritt, weil er nur noch kläffen kann. Er lebt in dieser wunderschönen Unterwelt aus Schweiß, verquerer Herzensgüte und morschen Hütten, wie ein traumatisierter Huckleberry Finn. Er lässt es sich am beschaulichen Pier gutgehen. Wenn da nur nicht dieses nagende Unbehagen wäre, weil die Menschen mit Geld und Macht, die Normalos, auf ihn herabgucken … und der knurrende Magen tut sein übriges. Deshalb geht er los und stiehlt tagein tagaus, bis er seine Chance auf Reichtum in Form eines Mikrofilms bekommt. Doch mehr als Hoffnung hat er nicht gegen eine verschworene Welt, in der die Roten und die us-amerikanischen Patrioten zwar Angst voreinander haben, aber auch wissen, dass so jemand wie Skip McCoy immer unter ihnen im Staub hausen wird. Dementsprechend treten sie ihn und leben ihr lächerliches Leben in Häusern, in denen Fuller von seiner elegischen Kamera zur Inszenierung einer übergeschnappten Sitcom wechselt, ohne ihn mehr zu beachten als einen Kakerlak. Es gibt Spannung, Blut und lädierte Knochen in PICKUP ON SOUTH STREET, aber für Skip McCoy wird sich nichts ändern, er wird immer in diesem romantischen Traum der New Yorker Unterwelt feststecken. Einem süßen Traum, der durch den Rest der Welt zum Kotzen ist.

Sonntag 24.11.

Manhunter / Blutmond
(Michael Mann, USA 1986) [blu-ray, OmU]

großartig +

Freitag 22.11.

9 Lives of a Wet Pussy
(Abel Ferrara, USA 1976) [VHS, OF]

verstrahlt

Schundphantasien um Stalljungen und um kurze Abenteuer mit einem Tankwart, während draußen im Auto der Freund wartet, mit dem es sich nicht so toll lebt, aber der wenigstens ein Hengst ist … was aber natürlich nicht heißt, dass das dann auch reicht. Um lesbische Gypsies, die sich nach den Briefen mit den Abenteuern und deren Autorin verzehren. Um einen alten italienischen Einwanderer (Ferrara), der von seinen lüsternen Töchtern betäubt und missbraucht wird. Voll naivem Zauber erzählt, von jemanden der Sex Sex sein lässt und nicht zwangsläufig ständig Genetalien zeigen muss, solange die Menschen nur nackt sind und sich eben durch dieses Allerlei an Schundphantasien verlustieren, die vielleicht gerade ohne Sinn für Originalität in den populärsten aller Tropen baden, weil … ja weil das was sagt. Sollte Kathy Acker gewidmet sein.

Montag 18.11.

Lèvres de sang / Lips of Blood
(Jean Rollin, F 1975) [blu-ray, OmeU]

fantastisch

Ein Mann flieht vor seinen Erinnerungen ins Kino. Eine wunderbare Szene, wenn er durch eine Tür unter der Leinwand, traumwandlerisch scheinbar nur von ihm gesehen, in die Welt der Phantasie gelangt. Eine Welt in der Rollins Obsessionen von Romantik und Morbidität Wahrheit geworden sind. Lieber eine kranke, anämische, unendliche Liebe ewig von den Wellen des Meeres hinundher geworfen leben … in einer Welt des Verfalls … als mit diesen modernen Menschen an der Zukunft der Welt zu bauen. Ein gemächlicher Tanz zu Musik, die niemand hören kann.

Sonntag 17.11.

Hausu / House
(Ôbayashi Nobuhiko, J 1977) [DVD, OmeU] 2

großartig

Diese wunderbare Musik, wenn KungFu kämpft … all die Erinnerungen an Sonic 2. Ansonsten des Wahnsinns fette Beute in Sachen Megakitsch.

Bronco Bullfrog
(Barney Platts-Mills, GB 1970) [blu-ray, OmeU]

großartig

Diese engen Räume! Sobald sich jemand bewegt, finden sich die Anderen an die Wand gedrückt. Da bekomme ich beim Zusehen Klaustrophobie. Es kann kein Wunder sein, dass alle frustriert sind. Die Jugendlichen können wenigstens noch fliehen und nach Aufregung suchen. All die bornierten Eltern … bei diesen Heimen, die sie ihre eigenen nennen … wer könnte da in der Lage sein, seine Kinder nicht anzukeifen? Es ist traurig.

Eureka
(Nicolas Roeg, GB/USA 1983) [DVD, OF]

radioaktiv +

Wo ist die Landkarte für dies hier? All die Lügen, das Falsche und Künstliche, all die Schönheit, die Übertreibung, das Peinliche, das Menschliche, das esoterische und kitschige Geschwurbel. Unfassbar toll.

Sonnabend 16.11.

The Purple Rose of Cairo
(Woody Allen, USA 1985) [web, OF] 2

nichtssagend

Im Gegensatz zum später am Abend gesehenen AM BLAUSTEN ALLER MEERE so kultiviert, gekonnt und in seiner netten, zauberhaften Atmosphäre so dressiert … nicht meine Tasse Tee.

Myra Breckinridge / Myra Breckinridge – Die Sexgöttin Hollywoods
(Michael Sarne, USA 1970) [DVD, OmeU]

großartig +

Yee-haw!!!

U samogo sinego morya / Am blauesten aller Meere
(Boris Barnet, UdSSR 1935) [DVD, OmeU] 2

fantastisch +

Über allem stand erst einmal die Enttäuschung. Er war nicht so verzaubernd, wie damals in Bologna. Aber er hatte mich verzaubert, nichts Übergroßes sein wollte, sondern einfach diese verträumte Geschichte erzählte. Diese war nun auch etwas geerdeter … die Schieflage etwas eingeebnet. Aber trotz alledem ein wunderbarer Film. Ein naiver Film. Fast schon kindlich … in seiner Moral, in seiner Art die Kamera zu halten, die Realität zu träumen und zu entdecken, in seiner zumindest vorgetragenen Vorstellung von Liebe … und dabei eben nicht unschuldig.

Freitag 15.11.

Above the Law / Nico
(Andrew Davis, USA 1988) [blu-ray, OmU]

großartig

Der fast noch junge Steven Seagal, der nicht unähnlich eines Storchs aus der Augsburger Puppenkiste tänzerisch, aber kurz vorm umfallen, durch diesen Film tappst, verlässt die Pfade des Gesetzes um gegen Menschen zu kämpfen, die glauben, dass sie über dem Gesetz stehen. Schlecht gerundet. Überall franst das Bedenkliche, Merkwürdige und Schöne.

Mittwoch 13.11.

Flesh+Blood / Fleisch & Blut
(Paul Verhoeven, E/USA/NL 1985) [blu-ray, OmU]

großartig

Unter Gore, Sex und Völlerei, kaum versteckt, befindet sich eine Welt, die gerade den Weg vom Mittelalter in die Frühe Neuzeit anbricht. Die Renaissance blüht in den Leuchttürmen der Kultur, doch Verhoeven wäre nicht Verhoeven, wenn er sein Glück nicht ganz weit weg von diesen suchen würde. Huren, Aussätzige und ordinäre Schläger, die nichts können, außer überleben, treffen auf einen bäuerlichen Adel, der auch nur entfernt von den Wonnen eines Bades gehört hat. Nur langsam brechen die alten Gewissheiten auf und manchmal braucht es dazu Pest, Weib und Gesang. Doch eines stört. FLESH+BLOOD ist auch Missionarstätigkeit. Gegen Gott und (blinden) Glauben (jeder der hier an Gott und dessen Weisungen glaubt, wird ein brutales Ende finden). Und auch wenn gegen die Diffamierung der Kirche nichts einzuwenden ist, so ist FLESH+BLOOD dennoch in Ansätzen bestrebt fehlgeleitete Menschen ins Unrecht zu setzen und die eigenen Glaubensätze zu verbreiten … und Missionare sind die Pestbeulen dieser Welt.

Dienstag 12.11.

Prisoners
(Denis Villeneuve, USA 2013) [DCP]

nichtssagend

Die Figuren sitzen alle in ihren persönlichen labyrinthischen Gefängnissen. Die unablässig … kurz vor penetrant … auf die Leindwand geworfenen Labyrinthe, Schlangen und Zellen lassen keinen Zweifel, dass dies zumindest so wahrgenommen werden soll. Grenzenlose Trauer, Folter, Hass, perverse Spiele, hilflose Suche usw usf, jeder gräbt sich ein, doch die Verliese der Einzelnen sind wahrlich nicht verwinkelt. Kleine Einzelzellen sind es, die jedoch fast ausschließlich als plot device genutzt werden. Dabei ist es mitunter schon tragikomisch wie alles fein säuberlich aufgebaut und angedeutet wird, wodurch schnell klar ist, dass es hier in zwangsneurotischer Uninspirirtheit nur um Twists und Taschenspielertricks geht, die auf dem Niveau von Wegrennen nach einem gekonnten „Guck mal da!“ liegen.

Montag 11.11.

Fascination / Das Blutschloss der Frauen
(Jean Rollin, F 1979) [blu-ray, OmeU]

großartig +

Rollin Filme bleiben mir wie Träume in Erinnerung. Einzelne Momente, die sich im Kopf festnagen und über Tage, Wochen haften bleiben … kurz unter der Gefühlswatte, die einen im Alltag abschirmt. Die Handlung, so simpel sie beim Gucken scheint, bleibt nur rudimentär hängen. Sie liegt mir auf der Zunge, aber ich bekomme sie nicht mehr zusammen. Statt Vampiren gibt es adlige Damen, die Rinder- und Menschenblut gegen ihre Anämie trinken. Finde ich behaglicher, nachvollziehbarer, bedrückender. Und Brigitte Lahaie im schwarzen Umhang und mit Sense … drei Tage später lief sie mir hier in der Uni über den Weg … ok, es war nicht Lahaie, weshalb ich meinen Impuls zum Rennen überwinden konnte … oder war es ein Impuls auf sie loszurennen?

Sonntag 10.11.

Ein Tag an der Oper

The Phantom of the Opera / Das Rätsel der unheimlichen Maske
(Terence Fisher, GB 1962) [DVD, OmU]

ok

Das Phantom als enttäuschter Bilderbuchbürger. Die erste Hälfte ist super. Die Opernaufführungen tuen ein wenig weh, so absurd sind sie. Michael Gough als Lord Ambrose d’Arcy zieht eine wunderbare Schleimspur hinter sich her. Und in den Gemäuern wandelt ein obsessiver Künstler, der sich an der Welt für die Bewunderung der Scharlatanerie d’Arcys rächen möchte. Als aber sein Geheimnis aufgedeckt wird, sein Unrecht bekannt, dann ist wieder alles gut … als sei nichts passiert wirft Terence Fisher einfach seinen ganzen Film weg, pappt ein humanistisch-schönes Ende der tragischen Gerechtigkeit und Buße dran und hinterlässt einen arg faden Beigeschmack.

Phantom of the Opera / Phantom der Oper
(Arthur Lubin, USA 1943) [DVD, OF]

ok +

Das Phantom als eskaliertes Mauerblümchen. Violinist Erique ist besessen von seiner platonischen, aufopferungsvollen Liebe zu Christine. Nichts will er, nur sie bewundern und zu sehen wie sie durch die von ihm heimlich bezahlten Gesangsstunden immer mehr glänzt. Doch nur ein kleines Missverständnis legt offen wie angespannt er war. Er tickt völlig aus und sucht fortan seinen alten Arbeitsplatz heim. Der perverse Lüstling, den er durch Unterdrückung formte, bricht aus ihm hemmungslos, immer brutaler hervor. Nur Superheldenmusiker Franz Liszt kann ihn stellen … zumindest fast, wir sind ja nicht bei Russell. Mit Slapstick um zwei sich wie ein Ei dem anderen gleichende Verehrer angereichert und fast einen tollen Film gemacht, wenn Lubin nicht Kunst betreiben wöllte. Er legt seinen Fokus auf Fülloperszenen, in denen dem Zuschauer mal etwas Kultur beigebracht werden soll. Das ist wirklich gruselig.

The Phantom of the Opera / Phantom der Oper
(Dwight H. Little, USA 1989) [DVD, OF]

nichtssagend

Das Phantom als dämonischer Dorian Faust. Wieder super Anfang, der sich verliert. Erste bittere Pille, der Zeitsprung, weil Phantome und Opern anscheinend nicht zeitgemäß sind. Dafür Zwerge, Puffs und feuchte Gassen. Doch da die zweite Hälfte des Film aus einem uninspirierten finalem Aufeinandertreffen besteht, bleibt einem nur Robert Englunds Maske zum angucken. Und das ist nicht viel.

Phantom of the Paradise / Das Phantom im Paradies
(Brian De Palma, USA 1974) [DVD, OF]

gut +

Das Phantom als Faust, als Dorian Gray, als Elton John, als Freak im Kampf gegen Christian Dior, als leichtgläubiger Verzichter, als mordender Maniac auf den Ruinen seines Verzichts, als Andrew Lloyd Webber, als Antagonist für Rocky Horror im Geist Rocky Horrors, als Verführer der Massen zum leeren Radiopop, als sich überschlagender Hampelmann im Bildschangel, als …

The Phantom of the Opera / Das Phantom der Oper
(Rupert Julian, USA 1925) [blu-ray]

großartig

Das Phantom als roter Tod. Wenn es eine Erklärung für das Phantom, für Erik gab, dann fiel sie der Schere zum Opfer. Es ist hässlich, orgelt und sucht die Oper heim. Sopranistin Christine hört gern auf seine Verführungen. Sie singt besser, hat Erfolg. Warum also hinterfragen? Nur sein Gesicht, sobald sie es sieht, ist es vorbei. Mens sana in corpore sano. wirft sie ihm an den Hut, statt ihn weiterhin Herr zu nennen. Im Grunde ist einfach nur ihre Lüsternheit dahin. Mehr als in den Filmen zuvor sind das Phantom und die Katakomben nur ihr Unterbewusstsein. Hier liegen Dinge verschüttet, die an ihrer Oberfläche wirken. Sie sind wie ein Museum ihrer Gier, Lüstern- und Skrupellosigkeit, das mit den Klauen um sich schlägt.

Il fantasma dell’opera / Das Phantom der Oper
(Dario Argento, I 1998) [DVD]

fantastisch

Das Phantom als Trieb. Christine, diesmal hin und her gerissen zwischen Baron Raoul De Chagny und dem Phantom … oder viel mehr zwischen reiner, verzichtender Liebe und ihren triefenden Lenden. Die Katakomben stehen deshalb auch nicht mehr voller halber Kulissen, Fallen, Statuen und Waffen, sie sehen vielmehr wie ein Darm von innen aus. Hier ist nichts mehr verschüttet, hier herrscht nur das Drücken, die dumpfen Gefühle der Innereien. Während auf dem Dach eine surreale Kulisse alles abstrakt und entgrenzt, ja rein von der Wirklichkeit zeigt. Und dazwischen befinden sich Christine und ihr rasendes Umfeld, das ihre niederen Instinkte jagt. Doch mehr als sich an dieser wagen Psychologisierung zu ergötzen, lässt Argento dieses Biest von der Leine. Beklemmung und Lust strömen aus den Bildern, aus den ungebändigten Handlungen. Wie Pierre Souvestre und Marcel Allain bei FANTÔMAS denkt er nichts durch, sondern lässt passieren, was passieren muss.

Sonnabend 09.11.

Rolling Thunder / Der Mann mit der Stahlkralle
(John Flynn, USA 1977) [DVD, OF]

großartig

You learn to love the rope. That’s how you beat ‚em. That’s how you beat people who torture you. You learn to love ‚em. Then they don’t know you’re beatin‘ ‚em. Es ist vll die schönste Szene, wenn William Devane dem Liebhaber seiner Frau erklärt und vorführt, was ihn so richtig anmacht … und wie es so in Kriegsgefangenschaft war. Es ist unfassbar, wie Devane sein unbedarftes Gegenüber auffordert, ihn doch bitte etwas doller zu misshandeln. Und wie der besagte all-american Bürger, der nur nett über die Situation reden wollte, erkennen muss, dass es Dinge in der Welt gibt, die er sich nicht mal vorstellen kann. Dinge wie Tommy Lee Jones, der durch den ganzen Film nur als Zombie mit Bedeutungsschwangeren Blick ins Leere schlürft, bis es zum finalen shoot out kommt, wo er plötzlich voller Leben und Freude ist. Die Magie, die entsteht, wenn zum persönlichen Glück umkonditionierte Qualen wiederkehren. Wie Linda Haynes, die immer nur wieder die verrückten Männer liebt. Und vor allem wie dieser Rachefeldzug gegen die Banditen, die Frau und Kind von Devane töteten, der wie eine frühzeitige Ejakulation abrupt endet … als hätte er ihn nur unternommen, um etwas zu tun zu haben … um den netten amerikanischen Vorstädten zu entkommen.

Hell and High Water / Inferno
(Samuel Fuller, USA 1954) [DVD, OF]

ok +

Ein netter Abenteuerfilm, der nicht viel zu bieten hat, für Fuller-Verhältnisse geradezu konventionell ins Ziel schippert, aber es gibt eine U-Boot-Crew die diskutiert, ob weibliche Wissenschaftler nun Frauen oder Crew sind. Voll Verständnis erörtern sie es auf unterschiedlichste Weise über den ganzen Film.

Tote Taube in der Beethovenstraße
(Samuel Fuller, BRD 1972) [TV] 2

radioaktiv

Eine hemmungslose Exzentrikbombe in der Nichts so offensichtlich, nachvollziehbar oder einfach ist, wie der Name des verbrecherische Fechtmeisters Mensur.

Videodrome
(David Cronenberg, CA 1982) [DVD, OF] 4

fantastisch +

I live in a highly excited state of overstimulation.

Freitag 08.11.

Der Fan
(Eckhart Schmidt, BRD 1982) [DVD]

nichtssagend

Ich habe meine Adoleszenz während der Hochzeit von Take That und den Backstreet Boys verlebt. Vll konnte mir DER FAN deshalb nichts sagen, was ich nicht schon in Berichten der Bravo viel härter erlebt habe.

Tonari no Totoro / Mein Nachbar Totoro
(Miyazaki Hayao, J 1988) [blu-ray]

fantastisch

Es ist vll kein Wunder, dass Parallelen zwischen TOTORO und Geschichten von Kindesentführung und -missbrauch gezogen werden. Denn anders als bei PANS LABYRINTH, wo alles möglichst ausformuliert wird und sich dadurch eher selbst erstickt, da schwelt es hier nur … unter diesen reichhaltigen Momenten in diesem warmen, simplen Zeichenstil. Kinder verschwinden im Wald und finden in der Düsternis der eigenen Gefühle und ihrer bedrohlichen Umgebung haarige Monster von wunderbarer Arglosigkeit. Alles Schlimme verwandelt sich hier in einen niedlichen Regenbogen … ohne dass schlussendlich geklärt wird, woran der Zuschauer wirklich ist. Düsternis und Frohsinn stehen dadurch so eng nebeneinander, dass kein Blatt Papier dazwischen passt.

Donnerstag 07.11.

Watch on the Rhine / Die Wacht am Rhein
(Herman Shumlin, USA 1943) [DVD, OmU]

ok

Ein Einspieler zur Nomminierung für den Schauspieloscar nach dem anderen.

Baba Yaga / Exorcismo de amor
(Corrado Farina, I/F 1973) [DVD, OmeU]

großartig

Ein lüsterner, schwebender Alptraum um Flüche und lesbische Hexen. Was nützt eine Verankerung in der Zeit und im Rationellem, wenn dafür teuflische Dominakinderpuppen und endlose Löcher unter Teppichen aufgegeben werden müssen? Farina weiß darauf zum Glück keine Antwort.

Mittwoch 06.11.

Der Skorpion
(Dominik Graf, D 1997) [DVD]

großartig +

Die beklemmende Ecstasy-Version von ANOTHER 48 HRS. in der Reggie Hammond durch eine dysfunktionale Familie ersetzt wurde. Und dort wo Walter Hill auf schnörkellose Action setzt, da zerfließen hier die Realitäten. Da ist die Action keine Ablenkung, sondern eine Zuspitzung. Da wird nicht bei leeren Genreformeln stehen geblieben, aber diese auch nicht überwunden. Ein dreckiger Thriller voller dreckiger Charaktere, die ich fast zu riechen meine. Ein Thriller zwischen Klaustrophobie und mitunter plakativer Spannung, der sich so einfach anfühlt, aber trotzdem soviel Fleisch auf den Knochen hat.

Kabe atsuki heya / The Thick-Walled Room
(Kobayashi Masaki, J 1956) [DVD, OmeU]

ok

A lament. Ein Nachkriegsdrama, bei dem etwas gelernt werden kann … oder mit den Schultern gezuckt.

Dienstag 05.11.

Mafia Girls / Der Zerstörer
(Norbert Meisel, USA 1975) [VHS]

gut

Ich denke in Gegenwart des Hofbauer-Kommandos hätte mich die 2. Hälfte nicht so angetrübt, wenn aus Schmier, markiger Verstrahltheit und verkrampfter Flippigkeit Liebe und Tragik in blassen Farben wird. Statt Zerstörung erlebte ich nach dem markanten NEEEEEIIN! SCHEIIIIISSE! nur noch Bilder. Vll kam der Verzicht nach dem Regenbogen zu unvermittelt.

The Gang’s All Here / Banana Split
(Busby Berkeley, USA 1943) [DVD, OmU]

verstrahlt +

Bananen!

Kalter Frühling
(Dominik Graf, D 2004) [DVD] 2

fantastisch

Anders als der Titel vermuten lassen könnte gibt Graf hier so eine Art Anti-Ozu. Zwischen den Handlungen hat er zwar Panoramen und unbeteiligte Atmosphärenaufnahmen, doch bei ihm zeigen diese keine ruhige, beständige bzw gleichgültige Natur, sondern Wespennester, Tierquäler und die Kälte. Vll ist es etwas bedeutungsschwanger, aber sie sind wie die Beulen im Teppich, unter dem die eigene Verletzbarkeit verschwinden gelassen werden soll. Anders als bei Ozu hat hier nämlich niemand gelernt zu schlucken oder sich für die (Familien-)Routine zu opfern. Wie Gockel oder kleine Papierschiffchen auf einem Fluß reagieren die Menschen in KALTER FRÜHLING und torpedieren jeden Versuch eines aufrichtigen Zusammenlebens. So sind die Bilder auch von ausgesuchter Kälte und es will mir scheinen, dass ich sie während mancher Schnitte klirren hörte … aber nur ab und zu, da viel zu oft die fehlende Wärme leer und körperlos an einem Frass. Kurz: ich fühlte mich ständig an einem Abgrund, der mir arg bekannt vorkam, der aber nicht direkt ausmachbar war … da zuviele Falltüren lauerten … wohingegen ich mich bei Ozu meist in einer wärmenden Decke wiederfinde.

Montag 04.11.

The Old Maid / Die alte Jungfer
(Edmund Goulding, USA 1939) [DVD, OmU]

großartig +

I crashed down on the crossbar and the pain was enough to make a shy, bald, buddhist reflect and plan a mass murder würde wohl jeder andere singen. Bette Davis brescht ein Schlag nach dem anderen ins Gesicht. Immer schlimmer werden diese, so dass vor unseren Augen aus einem lebensfrohen Mädchen eine verbitterte Jungfer wird, die sich nur mit letzter Kraft von einem Amoklauf abhalten kann. Kurz vorm überschnappen opfert sie sich aber immer weiter für die Anderen auf. Wer nun denkt, dass Bette Davis hier ein Opfer ist und bemitleidet werden soll, der hat noch nie in die Abgründe ihrer Augen geschaut. Ihre Selbstaufopferung ist nämlich nur oberflächlich selbstlos. Vielmehr ist es eine zunehmend verbitterte Selbstgerechtigkeit, die in Selbsthass oder durch Masochismus die Knutte der brutalen Gefühlsstürme über ihren Rücken knallen lässt. Warum auch fröhlich sein, wenn das süße Leid einen geil an die höchste Höhen der Moral fesselt. Und Edmund Goulding baut dafür eine wunderbare Bühne. Das Haus, in dem fast alles geschieht, bietet Unmengen an Logen, immer am Rand oder im Hintergrund sichtbar, in denen Bette Davis nur für den Zuschauer sichtbar steht und sich wiedereinmal anhört, was ihre Familie so zu sagen hat. Die Räume um sie werden immer dunkler, immer wieder rettete sie sich in die kühlen Schatten, um nicht von ihrem Hass verbrannt zu werden. Und alles nur, weil sie sich genötigt sieht für den unschicklichen Sex ohne Ehe und ein uneheliches Kind zu bezahlen. Mehr als sie eh schon dazu gezwungen wird.

Treffer
(Dominik Graf, BRD 1984) [DVD]

großartig

Ein bißchen wie DER FAHNDER ohne Krimi … dafür mit LEDERJUNGEN ohne Leder …

The Wild Angels / Die wilden Engel
(Roger Corman, USA 1966) [DVD, OF] 2

großartig

THE WILD ANGELS will natürlich Sex, Gewalt und Motorräder ausbeuten um etwas Geld mit Aufregung zu machen. Bruce Dern als der Loser meiselt sein Starpersona in Stein. Roh wechselt das unbeholfene, aber wie mit leuchtenden Kinderaugen betrachtete Geschehen zwischen wilden Orgien aus Tönen, Körpern und ambivalenten Handlungen und geradezu puritanischen Momenten trockenen Handwerks. Ein Film, der beim Erinnern und auf der Zunge Zergehen lassen mehr Spaß macht, als ihn selbst zu gucken. Ein Film, dem einfach alles verziehen werden kann, außer der Musik zwischen dem Vorspann und der Beerdigung am Ende. Wer diese fröhlich Gedudel ausgesucht hat, wollte die Stimmung des Films entweder konterkarieren, durch den Kakao ziehen oder war einfach inkompetent. Denn Irrationalität, Rebellion, Sex und Gewalt bekommen so etwas niedliges … als ob diese Hells Angels Welpen streicheln, während sie denken, dass sie möglichst assig durch die Lande fahren.

Sonntag 03.11.

Die Story
(Eckhart Schmidt, BRD 1984) [DVD]

großartig +

Drei Lieder kommen immer wieder. Wie Schorf liegen sie über der Handlung und Jounalist Raoul Miller (Tom Davis) fängt immer wieder an daran zu puhlen, zu kratzen, seine Wunden aufzureißen. So manisch wie dieses kleine, unstillbare Gefühl, so manisch ist DIE STORY. Koksschmuggel und Mediendystopie rinnen wie Eiter aus den Wunden, die nicht oberflächlich heilen können, weil er nicht ablässt, weil seine Freundin ermordert wurde, weil er Rache möchte. Seinen Schmerz macht Raoul zunehmend zu dem der Schickeria, der Gesellschaft. Es überschlägt sich, alles will zerbersten, aber die drei Lieder und ihr kreisender Sog lassen Scheuklappen entstehen, auf dass sich alles wie im Tunnelblick des zunehmend rasenden Journalisten anfühlt.

Femme Fatale
(Brian De Palma, F 2002) [DVD, OmU] 3

großartig

In der Mitte von FEMME FATALE steht ein Spiegel in Form eines Resetbuttons. Links und rechst davon steht das Gleiche nur einmal in weiß und einmal in schwarz, einmal in gut, einmal in böse. De Palma, Großmeister der Lüge … oder besser des Lügenoffenlegens, und sein ewigen Träume. Doch es sind nicht die Träume Buñuels oder Bergmans, es sind nicht unsere nächtlichen Phantasien, sondern die Tagträume Hollywoods. Falsche Hochglanzschäume, die De Palma laufen lässt … bis vor die Wand. Hier will er sich nicht entscheiden, sondern sie alle leben lassen, die Extreme von Gut und Böse mit falscher Moral zusammengeschustert.

Sonnabend 02.11.

Der rote Kakadu
(Dominik Graf, D 2006) [DVD]

großartig

Es ist im Grunde recht konventionell. Ein DDR-Sittenbild, ein betroffener Historienschicken über Aufstand, Unterdrückung, Jugend und den Verlust der Unschuld aus Sicht einer Dreiecksbeziehung vor dem Hintergrund des baldigen Mauerbaus. Nichts was als erstes über DER ROTE KAKADU gesagt werden kann, scheint Lust zu wecken oder irgendwas anderes als Standardware zu versprechen … und doch ist er toll. Universelle Momente werden nicht einfach nur mit Details der Zeit angereichert und die DDR ist auch nicht nur der Hintergrund für Betroffenheit und eben universellen Humanismus. Echte Menschen habe ich gesehen, echte Gefühle, die irgendwie zwischen positiver wie negativer Nostalgie immer die Oberhand behalten. Wenn die Menschen im Roten Kakadu mit dem Ruf „Freundschaft“ sich zuprosten, dann tun sie es wie in einem Konrad Wolf Film, voll Bitterkeit und Ironie, weil sie wirklich damit traktiert zu werden scheinen.

Gake no ue no Ponyo / Ponyo: Das grosse Abenteuer am Meer
(Miyazaki Hayao, J 2008) [blu-ray, OmU]

nichtssagend

Vll versperrt mir die fürchterliche Musik („Bringen wir den Kleinen doch etwas Klassik näher, nur halt alles etwas simpler und fröhlicher“) einen guten Film, aber mit ihr ist PONYO nur erträglich.

The Letter / Das Geheimnis von Malampur
(William Wyler, USA 1940) [DVD, OmU]

großartig +

Der Mond und wie Bette Davis ihn ansieht. Gleich zu Beginn als sie einen Mann über den Haufen schießt. Wie sie wahnsinnig erst abdrückt und dann den Mond betrachtet, als ob er es gewesen wäre, der sie gezwungen hat. Kein Erklärung, die dann tatsächlich geboten wird, kann bei diesen atavistischen Ahnungen aus billigen Horrorgeschichten mithalten und die Getriebenheit und die Verlorenheit, die anscheinend größer und heimtückischer ist, als ein Mensch alleine sein kann, einen so fühlbar machen.

Aus der Tiefe der Zeit
(Dominik Graf, D 2013) [web]

großartig

Graf auf den Spuren von Samuel Fuller und seiner Beethoventaube und auch auf seinen eigen. Aber eben nur auf der Spur, da er hinter seinen letzten Polizeirufen und DAS UNSICHTBARE MÄDCHEN zurückbleibt. Selbstredend ist das Jammern auf hohem Niveau und er nähert sich mit seiner Versetzung von Bild und Ton einer Erzählweise, bei der ich mich komplett entspannt zurücklehnen kann. Wie eine Achterbahn, wo jeder eh nichts mehr gegen machen kann.

Freitag 01.11.

Orphée
(Jean Cocteau, F 1950) [DVD, OmU]

nichtssagend

Eine jugendliche Phantasie, die sich vor den aufkommenden ungeheuren Gefühlen in Schönheit und Edelsinn rettet. Alles Weltliche soll abgestreift werden, alles Körperliche … und nur die triste Schulbubenromantik sollte bestehen bleiben. Wenn ich zugreifen wollte, zog sich ORPHÉE zurück … auf seinen Sockel, von dem es in eine weiße Toga gehüllt voll Großmut herunter schaute. Die optischen Spielereien sind natürlich sagenhaft, aber darunter war nur eine triste Umgehungsstraße, die sich in impotenten Postkartenkitsch rettet.

The Package / Die Killer-Brigade
(Andrew Davis, USA 1989) [DVD, OmU]

großartig +

1989, der Kalte Krieg ging seinem Ende zu und wer es noch nicht ganz glauben konnte, der schaute THE PACKAGE. Russische und amerikanische Militärs verbünden sich und wollen ein zweites Dallas inklusive eines neuen Lee Harvey Oswalds. Gene Hackman tastet sich durch die vor ihm entstehende Paranoia-Maschine, wobei vor allem der Staub der Chicagoer Straßen geschmeckt werden kann. Mich hätte es nicht verwundert, wenn ich hätte hineingreifen können. Andrew Davis braucht kein 3D, nur Atmosphäre. Allein dass Tommy Lee Jones beim Flug von Ostberlin nach Washington nicht irgendwas, sondern die Neue Revue liest, nicht einfach nur witzig, schön oder gut recherchiert, sondern Zeugnis eines lustvollen Detailreichtums.

Kaze no tani no Naushika / Nausiccäe aus dem Tal der Winde
(Miyazaki Hayao, J 1984) [blu-ray, OmU]

großartig

Die süße Botschaft verdrehte mir schon hier und da die Augen. Dafür braucht es nicht mal die Durchwälzung des Luhmannschen Hauptwerks, schon Miyazakis Naturverständnis ist endlos verkitscht. Als ob die Natur ein ausgleichende Kraft ist, in die der Mensch eingreift und Zerstörung bringt. Als ob ihr Mord und Vernichtung ohne diesen fremd wäre. Aber trotzdem ist NAUSICCÄE prächtig. Die Mischung aus Escher- und Giger-Optik und Herbert-Welten ist einfach zu zu atemberaubend. Da hat jedes Bild, jedes Mal wenn sich die Ringe des Omu ineinanderschoben und auseinanderzogen, alles vergessen machen und ich habe Miyazaki gerne alles geglaubt.

Oktober
Donnerstag 31.10.

All This, and Heaven Too / Hölle, wo ist dein Sieg?
(Anatole Litvak, USA 1940) [DVD, OmeU]

radioaktiv

Auf der DVD befindet sich als Bonus Warner Night at the Movies mit fast allem was um 1940 zu einem Kinobesuch dazugehört. Trailer, News Reel, Kurzfilm, Cartoon und Hauptfilm. Das ist zwar alles nicht sonderlich interessant im Einzelfall, aber zusammen schon recht faszinierend. Wenn auch nur auf nostalgische Weise.

Wolf / Wolf – Das Tier im Manne
(Mike Nichols, USA 1994) [TV, OF]

gut

In etwas findigeren Händen wäre WOLF super geworden, nicht so steif.

L’été meurtrier / Ein mörderischer Sommer
(Jean Becker, F 1983) [DVD, OmU]

ok

Das französische Kino und wenn es coole Ideen hat. Dass endet schnell recht schlimm. Und da der Plot hier alles ist, wird das Innenleben nach Formeln konstruiert. Diesen seltsamen Formeln von Skurrili- und Normalität, wie bei Beineix in seinen schlimmsten Momenten.

The Searchers / Der schwarze Falke
(John Ford, USA 1956) [DVD, OmU]

großartig +

Das erste Mal THE SEARCHERS mit Originalton gesehen und noch dazu in größer als bei meinem alten Fernseher. Hat ihm gut getan. Konnte den Film aus meinem Kopf auch gar nicht mehr erkennen. Wo war der Rassismus geblieben? Viel ambivalenter war er. Viel subtiler. Viel rasender unter der ruhigen und wunderschönen Oberfläche.

Dienstag 29.10.

Her Private Hell
(Norman J. Warren, GB 1990) [blu-ray, OmU]

großartig

Die Hölle wird nur im Titel prominent besetzt. Am Ende wird sich mit der wenig überraschenden Erkenntnis aus dem Film gestohlen, wonach eine schäbige Modelagentur ihr Geld mit den nebenher geknipsten Nacktbildern verdient, von denen sie behauptet, dass sie diese niemals verkaufen würden. Wenn in HER PRIVATE HELL die Hölle zu sehen war, dann war es eine süße wie bei Hieronymus Boschs GARTEN DER LÜSTE. Auf den ersten Blick ist das bunte, verdorbene Treiben nämlich viel lustvoller, als dass es durch ein paar Nacktbilder madig gemacht werden könnte.

Singapore Sling
(Nikos Nikolaidis, GR 1968) [DVD, OmeU]

(großartig +)

Das Anpissen nach Elektrostößen habe ich verschlafen und trotzdem ziemlich viel Erotik gesehen. Erotik beim schweinischen Essen und dem darauffolgenden Kotzen, sowie Inzest mit Mumien. Und und und in edelster Noir-Optik, die kein Zweifel daran lässt, dass das alles nicht zum Schocken inszeniert ist, sondern weil so das Idyll des netten Perversen von nebenan aussehen kann. Fast schon ein Heimatfilm, wo alles in Ordnung ist.

Montag 28.10.

The Raven / Der Rabe
(Louis Friedlander, USA 1935) [DVD, OF]

radioaktiv

Bela Lugosis Name steht im Abspann in deutlich kleineren Lettern unter dem von Karloff (nichtmal Boris, es gibt nur einen). Doch in Lugosi steckt alles, was den Film ausmacht. Er ist hier auf seinem Höhepunkt, ein raving madman, der geistige Gesundheit nicht mal vom Sagen her kennt. Wer nach dieser Performance in der Nähe von Lugosi keine Angst hatte, der muss ihn für einen riesen Schauspieler gehalten haben. Ich wäre mir da nicht so sicher. Zu sehr rollen sich mir bei seinem Lachen die Zehennägel hoch. Und die ganze Atmosphäre ist fast so am Überschwappen, wie bei Ulli Lommels Panoptikum totalen Irrsinns des gleichen Namens. Doch etwas stört. Kurz dachte ich die Hände von Ed Wood hätten die letzten Reste von Vernunft weggeschabt, aber das ist es nicht. Louis Friedlander setzt alles daran, diese loszuwerden. Aber Karloff und alles wofür er in diesem Film steht, der ganze triste Humanismus, die ewige Hoffnung, dass die guten Menschen in den entscheidenden Momenten das Gute tun, all die abgestandenen Kämpfe seiner Seele, all das ist ausgetrocknet wie austrocknend.

Dressed to Kill
(Brian De Palma, USA 1980) [blu-ray, OmeU] 3

fantastisch +

Schmuddel-Brian auf seinem dekadenten Höhepunkt. Jeder kleine Witz wird minutiös, ohne Rücksicht auf kompaktes Erzählen vorbereitet. Jeder triefende Kitsch wandelt sich in Horror. Voll Liebe malt er die Hoffnungen auf Glück in Bildern, die direkt aus den billigsten, den schmalzigsten Soup Operas zu kommen scheinen. Kein Gramm platonischer Gefühle hat er für diese übrig. Er wälzt sich zärtlich mit ihnen auf den Boden und lässt sie nicht in Grauen enden, weil er sie verachtet, sondern weil er eine perverse Freude hat, sie so noch reißerischer, noch geiler zu machen.

Sonnabend 26.10.

Sleep, My Love / Schlingen der Angst
(Douglas Sirk, USA 1948) [DVD, OmU]

großartig

Das Kratzen eines Fingernagels an einem alten Sessel und eine dicke Brille, mehr braucht Douglas Sirk nicht um Nerven zu zerreißen. Das sind beides Dinge, die leicht zu erklären sind, ein Geräusch und eine Sehschwäche, mehr nicht, aber trotzdem schleichen sie in einen und entwickeln monströse Schatten, welche jedes Gefühl von Geborgenheit hinweg sägen. Ein Mann steht vor Alison Courtland und kratzt mit seinen Nägeln an ihrer Seelenruhe, während seine Brille, nur die Vorstellung seiner Brille ihre Wahrnehmung der Realität verzerrt. Eine ruhige Welt wird es für sie nie mehr geben und sie wie der Zuschauer werden davon gejagt. Ich drückte mich in meine Couch, während Alison auf eine Balkonbrüstung flüchtete. Von außen gesehen völlig gesunde Reaktionen, innen aber, und Douglas Sirk lässt uns nur ungern bloß zusehen, sind es schreckliche Momente, die zumindest auf Couch und Sessel weich abgefangen werden.

Der Verlorene
(Peter Lorre, BRD 1951) [DVD]

großartig

Peter Lorre, der alte Nestbeschmutzer, inszeniert sich in seiner Paraderolle, als sich kaum kontrollieren-könnenden Triebtäter. Vor allem die ersten Minuten, als er noch nicht von den Nazis gedeckt Frauen tötet, als er nach dem Krieg einen alten Freund trifft und diesem in repetitiven, einem Thomas Bernhard würdigen Andeutungen und Abstraktionen, von dessen baldigen Tod kündet, da kriecht es einem unter die Haut, das Totgeschwiegene, über das niemand mehr reden konnte.

Cloudy with a Chance of Meatballs 2 / Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen 2
(Cody Cameron, Kris Pearn, USA 2013) [3D]

ok +

Ein Auto, das durch Niedlichkeit angetrieben wird. Ooooh. Sogar noch besser als die Schrimpansen und das U-Brot.

Commando / Das Phantom Kommando
(Mark L. Lester, USA 1985) [DVD; OmU]

radioaktiv

Arnie als asexuelles Muskelwesen, das mit seiner Tochter Rehe streichelt und alles Schmutzige aus seinem Wesen getilgt hat. Eine Frau, die von allen Männern des Films billig angemacht wird, rennt ihm hinterher. Nicht aus Liebe, sondern weil er sie eben in Ruhe lässt. Seine Muskeln machen einen ehemaligen Kameraden wild. Dieser möchte mit ihm kämpfen, mit ihm ringen, seinen heißen Körper spüren. Eine in einem arglosen Actionfilm versteckte Meditation über die Verzichtsideologien der 80er … vll auch aller Zeiten … und dem Verlangen, welches den Schurken vorbehalten bleibt.

Dienstag 22.10.

Yama no oto / Sound of the Mountain
(Naruse Mikio, J 1954) [DVD, OmeU]

gut +

Der Ehemann bekommt bei seiner Frau seltenst einen hoch, weil sie ihm zu gütig und verständig ist. In seinen Worten ist sie zu kindisch, weil von ihr keine Erotik ausgeht. Er braucht Frauen, die auch ein Luder in sich tragen. Sein Vater ist da ganz anders, er liebt seine Schwiegertochter … so platonisch, wie eine solche Liebe nur sein kann … und trotzdem ist es Liebe und tut weh. Die Ehefrau leidet unter den Abweisungen ihres Mannes, kann aber nur mit immer mehr Herzensgüte reagieren, weil es ihre Form der Verbitterung ist. Deutlich wie selten bei Naruse werden hier Probleme und Abgründe, wenn auch nicht gezeigt, so doch diskutiert. Und trotzdem verbirgt sich immer noch mehr in den Schatten. Die fast inzestuöse Beziehung zwischen Schwiegervater und Schwiegertochter ist so subtil, wie wage, wie die Beteiligten es vielleicht auch nur wage spüren, weil sie es vor sich verstecken. Der Mann, so offen er doch spricht, so werden seine wirklich wilden Rasereien nicht gezeigt. Wenn er seine Geliebten an den Haaren über den Flur schleift, sie schlägt und die Nachbarn besoffen anpöbelt, dann wird es nicht gezeigt, weil nichts zu zeigen ist. Es sind weiße Blindstellen der Wahrnehmung, die so direkt wirken, dass sie erst im Nachgang geklärt werden können. „Was ist denn hier passiert?“, fragen sich die Leute, erklären es sich in ihren Köpfen und erzählen. Naruse wagt nicht zu zeigen, was nur mit verwässerter Intensität zu zeigen möglich ist. Was nur im Rückspiegel zu sehen ist. Die Raserei und den Wahnsinn, er lässt ihn nur aus den Poren, aus den Schatten hervordringen und gibt ihm mit dieser Form von Ahnungen nur noch mehr Macht.

Sonntag 20.10.

Nihon no higeki / Eine japanische Tragödie
(Kinoshita Keisuke, J 1953) [DVD, OmU]

gut +

Akibiyori / Spätherbst
(Ozu Yasujirô, J 1960) [blu-ray, OmeU]

gut +

Statt dem Vater versucht hier eine dreier Bande netter alter Männer ihre Freundin und deren Tochter zu verheiraten. Neben GUTEN MORGEN einer der wenigen Filme aus Ozus Spätwerk, wo er sich von seinen Spielereien und Clownerien bestimmen lässt. Statt Schicksalsschlägen und einem finalen Moment der Güte, ist hier schnell zu merken, dass sich unter den Oberflächen der Verhandlungen alle im Grunde lieb haben, aber trotzdem nicht nachgeben wollen. Ein Film voller old chaps und good sports, die nur durch die divergenten, widersprüchlichen Konventionen der Gesellschaft von ihrem letzten Glück getrennt sind. Ein netter Wunschtraum … was vll das Urteil eines verbitterten Paranoikers ist.

Sonnabend 19.10.

Das Wirtshaus im Spessart
(Kurt Hoffmann, BRD 1958) [TV]

gut +

Gravity
(Alfonso Cuarón, USA 2013) [3D]

gut +

Die großen Symbole und Gesten, die Evolution am Ende, die plakative Rückeroberung des Lebenswillen in der Mitte, war mir alles zuviel. Ein einfacher, nackter Kampf ums Überleben hätte mir besser gefallen. Da Besagtes aber nie die Oberhand gewinnt und vor allem durch die wahnsinnig gute Inszenierung von Schwerelosigkeit, die mir erst auffiel als Sandra Bullock am Strand lag und sich plötzlich alles so schwer anfühlte, ohne das sie sich auch nur bewegte, einfach weil sich nichts mehr bewegte … nichts durch die Luft schwebte … diese also war atemberaubend. Und Sandra Bullock hundeheulend ist natürlich toll.

Freitag 18.10.

The Addams Family / Die Addams Family
(Barry Sonnenfeld, USA 1991) [blu-ray, OmU]

großartig +

Barry Sonnenfelds Spielfilmdebüt ist vielleicht der beste Film, den Tim Burton nie gemacht hat. Sicherlich hätte die Hommage unter der Fuchtel dieses hemmungslosen Phantasten anders ausgesehen, aber besser hätte diese Version kaum sein können. Denn Sonnenfeld holt nicht nur eine alte Serie aus der Gruft, sondern er nimmt sich ihrer mit vollem Herz an. Fast ist zu spüren, dass der kleine Barry vor dem Fernseher gesessen und die Figuren für voll genommen haben muss. Diese makaber-morbide Familie, mit ihren Vorlieben für gotisch-barocke Gimmicks und Foltermethoden scheinen für ihn nicht der Lieferant für spleenig-skurrile Witze gewesen sein. Das was an der Serie immer etwas hölzern war, das füllt er mit Leben. Die Modelleisenbahnstrecke, mit der Gomez gerne Unfälle nachstellt, steht hier nicht nur lieblos herum und macht ab und zu etwas Feuer. Hier sind wir mitten darin und die Explosionen lassen Gomez und wohl auch einigen von uns Adrenalin aus Ohren, Mund und Nase laufen. Die ganzen sadomasochistisch aufgeladenen Turtellein und Tänze sind nicht nur ein Ulk. Gomez, Morticia und Fester werden ganz unschuldig in ihren perversen Freuden gefeiert. Mit welchem Mass sie von der Leinwand lechzen und schmieren, überrascht mich jedesmal. Da fühl ich mich gleich zu Hause. Und wenn dann noch die Kinder voll morbider Freude ihre Schule den Splatstick lehren, dann können wir uns sicher sein, Barry Sonnenfeld wäre gerne einer von ihnen … und nicht nur er.

Mittwoch 16.10.

Jôi-uchi: Hairyô tsuma shimatsu / Samurai Rebellion
(Kobayashi Masaki, J 1967) [DVD, OmeU]

großartig

Wie Heinrich von Kleists Michael Kohlhaas zerstört ein Samurai hier sein Leben, weil er Gerechtigkeit will. Erst wird er gezwungen, dass sein Sohn eine ehemalige Geliebte seines Daimyō heiratet, nur um diese wieder abgeben zu müssen, nachdem sein Sohn glücklich mit ihr geworden ist, weil der Daimyō sie zurückhaben möchte, damit er nach Hofprotokoll gut aussieht. Mifunes Sasahara tobt und will dies nun endlich nicht mehr mit sich machen lassen und der Streit eskaliert. Heilig und rein pocht er auf sein Recht … auf Gerechtigkeit, was dazu führt das sein Haus in Flammen steht, alle die er liebt tot sind und alle anderen sich von ihm abgewendet haben. Doch er kämpft und kämpft. Gerechtigkeit ist ein großes Wort und wo es bei Kohlhaas einfach nur ein Farce ist, die bei mir vor allem den Glauben an sie zerstört hat (und daran das Heinrich von Kleist Novellen nicht unsagbar träge sind), da lässt Kobayashi den Kampf als etwas ehrenvolles erscheinen. Als letzten Strohhalm am Ende von einer Kette von Verpflichtungen und Selbstopferungen … endlich nicht mehr schlucken und wenn es einen auch zerstört, es geht nicht anders. Deshalb kämpft Sasahara auch im Grunde gar nicht für dieses große Wort, dass imho nur blinden Hass und heruntergeschluckte Unzufriedenheit bringt, sondern für seine Würde. Ein kleiner, aber feiner Unterschied.

Dienstag 15.10.

Bakumatsu taiyô-den / A Sun-Tribe Myth from the Last Days of the Shogunate
(Kawashima Yûzô, J 1957) [blu-ray, OmeU]

großartig +

Das Drehbuch stammt von Imamura Shôhei, der in Interviews früher immer geprahlt hat, dass er während seiner Zeit als Regieassistent nicht nur nichts lernen wollte, sondern sich auch davor schützen. Aber dieser wilde, unsortierte Haufen an Albernheiten, bitterbösen Abrechnungen und melancholischen Momenten trägt nicht nur seine spätere Handschrift, weil er es verfasst hat, sondern weil er alles von Kawashima gerlernt hat, was ihn mal ausmachen sollte.

Montag 14.10.

Yogoto no yume / Every-Night Dreams
(Naruse Mikio, J 1933) [DVD, OZmeU]

großartig

Was für ein düsterer Schlag in die Magengegend. Ich fühlte den ganzen Happy-end-Zucker in meinem Körper, wie die drohende Diabetes wenn ich nach zuviel Süßigkeiten herzhaft esse.

Behind the Candelabra / Liberace – Zuviel des Guten ist wundervoll
(Steven Soderbergh, USA 2013) [DCP, OmU]

gut

Der Pomp und Kitsch von Liberace entschädigt doch sehr für das sonst wenig überraschende Biopic. Eine wenig inspirierte Fingerübung zum Schluss, die von den riesig aufgelegten Schauspielern und dem Thema lebt. Aber die ganzen Höhen und Tiefe von Liebe, Betrug, Paranoia, Ruhm und Drogen bieten nur Schema F.

Sonntag 13.10.

Ibun Sarutobi Sasuke / Samurai Spy
(Shinoda Masahiro, J 1965) [DVD, OmeU]

gut +

Ein Gespenst geht um in Japan. Es ist der Hefezopfmann, seines Zeichens oberster Yagyū und damit oberster Schwert- und Spionagemann des Shōgunats. DER SPION DER AUS DER KÄLTE KAM als völlig im Labyrinth der Täuschung und Gegentäuschung, des Verrats und der Doppelspionage verlorenes Irren. Helden gibt es nicht, wo niemand verstehen kann, was eigentlich passiert. Die Kampfszenen sind zwar maximalst gelangweilt inszeniert, aber sonst ein herrlicher, schattiger Wald zum drin verlaufen.

Bushidô zankoku monogatari / Schwur der Gehorsamkeit
(Imai Tadashi, J 1963) [DVD, OmeU]

ok

Sieben Generationen, ein Schauspieler, ein Schicksal. Diverse Samurai durch die Geschichte hören auf ihre Pflicht gegenüber einem indifferenten Daimyō. Der Bushidō ist schlimm und Kamikaze nicht toll. Für alle die es noch nicht wußten, ein Lehrstück.

Adauchi / Revenge
(Imai Tadashi, J 1964) [DVD, OmeU]

gut

Aus einer kleinen Beleidigung erwächst eine riesige, bittere, absurde Fehde. Wenn Nakamura Kinnosuke nach ewigem wie hilflosem Warten, Wegrennen, Kämpfen und Verhandeln erkennt, was hier mit Ehre gemeint ist, da möchte er am liebsten heulen, aber er rennt weiter zwischen den Feiglingen mit Messer und Bogen und hofft auf Gnade. Und im Zentrum dieser in Elipsen und Zeitsprüngen erzählten Geschichte sitzte ein buddhistischer Mönch, der es von Anfang an wusste und sagte, dass Witwen trösten besser ist als mit Menschen für seine Ehre zu kämpfen. Eine tiefe Wahrheit.

Shura-yuki-hime: Urami Renga / Lady Snowblood: Love Song of Vengeance
(Fujita Toshiya, J 1974) [blu-ray, OmeU]

ok +

Der schönste Moment ist, als ein geschundener Körper unter Schwertstichen beginnt aus den Wunden zu weinen. Ansonsten zu oft gelangweilt vorgetragene Sackgassen, die ihre Interessenlosigkeit hinter exploitativen Irrwitz verstecken.

Sonnabend 12.10.

Arigatô-san / Mr. Thank You
(Shimizu Hiroshi, J 1936) [DVD, OmeU]

gut

Arigatô-san ist Busfahrer und sehr höfflich. Wir fahren mit ihm seine Strecke und lernen all die unterschiedlichen Menschen mit ihren Problemen kennen, die mit ihm mitfahren. Hört sich schrecklich sympathisch und nach einer Soße Nettig- und Nichtigkeiten an. War im Grunde auch so, aber Nettigkeiten bei Shimizu sind anders als im kontemporärern Hollywood. Lustgreise und Frauenversteher, welche die Augen nicht von der jungen Dame lassen können, die auf dem Rücksitz die ganze Strecke mit ihrer Mutter zubringt, um in die Prostitution verkauft zu werden, sind hier so normal und grenzsympathisch, wie ihr unstillbarer Wunsch, also der Greise und Versteher, der Dame sofort auf den Schoß springen zu wollen. So normal und nicht am Wohlfühlschaum kratzend, wie die ständigen Passagiere, die auch ihre Töchter verkaufen mussten, um in der Depression zu überleben und von dieser Notwendigkeit taurig erzählen, wie sie von einem Fernseher oder Auto erzählen würden, den sie heutzutage verkauft hätten.

Shurayukihime / Lady Snowblood
(Fujita Toshiya, J 1973) [blu-ray, OmeU] 3

großartig

Freitag 11.10.

The Words / Der Dieb der Worte
(Brian Klugman, Lee Sternthal, USA 2012) [blu-ray, OmU]

nichtssagend

Verrückter Kitsch ist die Rettung, hat zumindest Sirk mal behauptet. Ich glaube ihm. Rührseliger Kitsch aber ist die Hölle auf Erden.

Mittwoch 09.10.

Erosu purasu Gyakusatsu / Eros Plus Massacre
(Yoshida Yoshishige, J 1969) [DVD, OmeU]

großartig

Mich nicht von den Erwartungen befreien können. Ich hatte schon das fantastisch plus im Geiste eingetragen und natürlich auf die Fresse gefallen. Erst nach der Pause nahm er Fahrt auf und hätte eine solche Wertung verdient gehabt, aber auch das endet irgendwie fad. Aber die Stunde nach der Pause … atemberaubend.

Dienstag 08.10.

Ningen jôhatsu / A Man Vanishes
(Imamura Shôhei, J 1967) [DVD, OmeU]

ok

Imamura sucht per Doku einen verschwundenen Mann. Er findet aber eine nervige Frau, die ihn mehr interessiert. Er sucht und beobachtet und sucht und beobachtet und weiß nicht wohin oder wo das alles enden soll. Und als sich alles nur noch im Kreis dreht und Menschen sich über viele, viele Minuten und Szenen hinweg streiten, wer sich hier wohl richtig erinnert, da wird es wirklich garstig … aber Imamura setzt nur ein faules „Es ist eine Doku, aber trotzdem konstruiert, damit hastte nich gerechnet, was Alder?!“ dran, dass es einem sauer aufstößt.

Junkie
(Adam Mason, USA 2012) [DVD, OF]

ätzend

Wenn ich nochmal einen Film sehen muss, in dem sich herausstellt, dass eine der Figuren nur die imaginäre Materialisation einer Eigenschaft oder der Wünsche der Hauptfigur ist, dann breche ich. Das alles dann noch mit supercoooolen Skurilitäten umgerührt … ich weine noch immer.

Sonntag 06.10.

Hatsukoi: Jigoku-hen / Inferno of First Love
(Hani Susumu, J 1968) [DVD, OmeU]

großartig

Am Anfang scheitert die Liebe/der Sex an den inneren Umständen. Am Ende werden es die äußeren geworden sein. Doch diese Meditation über Sex und Biographie, über die eigenen ungeheuren Gefühle und die düsteren Vermutungen der Anderen ist besser als sein großes Konzept, dass von Anfang und Ende aus gesehen seine Figuren in Bedeutung einschnüren will. Doch die Lunge der beiden Figuren ist stark und tief genug, um am Leben zu bleiben.

Sonnabend 05.10.

Little Thirteen
(Christian Klandt, D 2012) [DVD]

nichtssagend

Hätte er doch Mut ein richtig triefendes Melodrama zu machen. So verwechselt er das Anhäufen von gut recherchierten Fakten, von denen nur die Reißerischsten ausgewählt werden, und seine lupenreine, anständige Inszenierung mit etwas Wahrhaften. Er erkennt gar nicht, dass er im Grunde eine RTL2-Assi-Proll-Scripted-Reality-Sendung für das ZDF-Nachtprogramm gemacht hat.

Freitag 04.10.

Ningen no jôken (I-II) / Barfuß durch die Hölle – 1. Teil
(Kobayashi Masaki, J 1959) [DVD, OmeU]

gut

Die Perversion des Humanismus der Mächtigen. Der unaufgelöste Widerspruch eines Sklavenhalters, der dies nicht aus Spaß macht, sondern weil er nicht in den Krieg möchte, der im besetzten China chinesische Zwangsarbeiter gut behandeln möchte, aber eben auf der Seite der Unterdrücker stehen bleibt. Wo soll er auch anders hin … freiwillig.

Ningen no jôken (III-IV) / Barfuß durch die Hölle – 2. Teil: Die Straße zur Ewigkeit
(Kobayashi Masaki, J 1959) [DVD, OmeU]

nichtssagend

Der arme Kaji muss nun unter den Gepflogenheiten der Armee leiden. Nur ist er diesmal der Unterdrückte, der immer das richtige tut, an dem jeder (moralische) Konflikt wie geschmolzene Butter an einer Teflonbeschichtung abgleitet. Er ist unser strahlender Held in einer korrupten Welt. Das ist ziemlich langweilig.

Ningen no jôken (V-VI) / Barfuß durch die Hölle, 3. Teil: …und dann kam das Ende
(Kobayashi Masaki, J 1961) [DVD, OmeU]

gut

Statt den offensichtlichen Spiegel zu suchen und ihn nun in die Kriegsgefangenschaft zu stecken, kommt nun ein nicht enden wollender Marsch durch eine kaputte Welt. Allgegenwärtige Verzweiflung, in der die Frauen an Kajis Seite sterben wie die Fliegen. Doch neben solch offensichtlichen Schlimmheiten, ein wirklich seltsamer Trip, durch Hunger, Moos und Lotusfuß-artige Gesellschaften, die keinen Platz zum Atmen lassen.

Donnerstag 03.10.

Tenshi no harawata: Nami / Angel Guts: Nami
(Tanaka Noboru, J 1979) [DVD, OmeU]

großartig +

Eine Reporterin beutet vergewaltigte Frauen für ihre reißerischen Reportagen aus. Die diffusen Wege der Misshandlung. Hinter Müllhaufen lauert sie, um ihre Opfer immer wieder durch den Abgrund ihrer Erinnerungen und Gefühle zu jagen. Doch sie spielt natürlich mit dem Feuer und der Alptraum, den sie direkt vor ihren Augen hat, aber nicht mal ansatzweise wahrnimmt, wird langsam in sie hinein schleichen, bis der Alptraum zum Horror wird, der alles auffressen wird. Und alles wieder voll Wasser, Feuchte und Glitsch – ein Fest.

Tenshi no harawata: Akai inga / Angel Guts: Red Porno
(Ikeda Toshiharu, J 1981) [DVD, OmeU]

großartig

Der Tanz auf dem Vulkan, der an seinen Rändern überraschend feucht ist. Ein Stalker, der seine feuchten Traum jagt. Eine Verkäuferin, die durch Zufall Nacktmodellsuperstar wird und mit ihrer Feuchte die ehrhaften Männer verstört. Die ehrhaften Männer, die ihre Feuchte nur ausleben, wenn diese ihrem trockenen, ausgedörrten Leben nicht im Weg stehen. Ein Mob, der die feuchten Grauen in sich auf die Anderen projiziert. Alle rutschen sie aus.

Mittwoch 02.10.

Hakujitsumu / Träume im Zwielicht
(Takechi Tetsuji, J 1964) [DVD, OmeU]

großartig

Ach, wäre ein Zahnarztbesuch nur so schön, wie hier … bzw. auf diese Weise unangenehm.

September
Montag 30.09.

Akai kami no onna / The Woman with Red Hair
(Kumashiro Tatsumi, J 1979) [DVD, OmeU]

großartig

Warum denken diese Menschen nur nicht an die Zukunft? Wahrscheinlich ist sie zu weit weg. Jetzt sind der Schmerz und die Lust und sie verlangen nach Linderung oder Stillung. Und irgendwie zieht der Schmerz immer die Lust nach sich, die wiederrum wieder nur den Schmerz bringt … oder ein fragiles Glück, dass ohne einen Blick auf die Zukunft verdammt ist. So tun sich hier die Menschen in einem Fort weh, selbst aber vor allem anderen, und sie wissen, ganz genau, was los ist. Ändern können sie aber nichts.

Kawaita hana / Pale Flower
(Shinoda Masahiro, J 1964) [blu-ray, OmeU]

großartig +

Zu sehen ist ein im Großen und Ganzen ödes Yakuza-Drama. Das Große und Ganze interessiert aber nicht. Es sind die Blicke und was sie auslösen, was sie ahnen lassen, die hier die Menschen bestimmen. Mit Scheinwerfern wird grelles Licht auf die Figuren und ihre Umgebung geworfen … und das, was wir zu sehen bekommen, wirft vor allem Schatten. Leerstellen und Schatten, in denen sich die Menschen verkriechen, in denen das Wichtige steckt, die durch die Unklarheit Krallen und Zähne entwickeln, die in unserer Phantasie zu Abgründen werden, aber vielleicht nicht so schlimm sind, wie die Realität.

Sonntag 29.09.

Tôkyô sensô sengo hiwa / The Man Who Left His Will on Film
(Ôshima Nagisa, J 1970) [DVD, OmeU]

fantastisch +

Ôshima schließt den Bogen zu NACHT UND NEBEL ÜBER JAPAN. Mal abgesehen von DIE ZEREMONIE zieht er einen Schlusstrich unter diese Periode. Ein Spiegelkabinett und Labyrinth lässt er seinen Hauptdarsteller durchlaufen. Voller wunderbarer Repetitionen. Die Turnschuhe, die er dabei trägt, sehen so bequem aus, dass ich nie einen Sinn in diesem Testament finden möchte. Immer mehr und immer wieter. Alles bewegt sich. Der Horror der Identitätssuche, nie war er schöner, nie lustvoller.

The Lost Virgin / Shojo sôshitsu
(Satō Toshiki, J 2002) [DVD, OmeU]

großartig

Mann und Frau. Alle fünf Jahre treffen sie sich und schlafen miteinander. Einmal sucht sie ihre Entjungferung und später nur Ablenkung von der Tristess des Lebens. Ihre Existenzen und ihr Sex bewegen sich dabei lakonisch, wie ein toter Fisch auf der Meeresoberfläche … bei moderatem Wellengang.

Lolita vib-zeme / Lolita Vibrator Torture
(Satō Hisayasu, J 1987) [DVD, OmeU]

großartig

Am Ende zeigt die junge Dame mit der lockeren Moral ihrem Entführer einen brummenden, scheinenden Metalvibrator. Er hatte sie und andere in einer Zwischenwelt … einem Raum aus riesigen Photographien von Menschen im Moment ihres Todes … wo er sie foltert und vergiftet. Er lässt sich aber auf besagte junge Damen ein und fängt it ihr an zu spielen, wie sie mit ihm spielt. Sie zeigt ihm also den Vibrator und macht ihm klar wie unnütz er ist. Diese Jugend …

Raigyo / Die Frau in schwarzer Unterwäsche
(Zeze Takahisa, J 1997) [VHS, OmeU]

großartig

Muss die Unterwäsche verpasst haben. Schicksale die um einander tanzen, teilweise in weitem Bogen, dass es nicht erkenntlich ist. Hört sich furchtbar an. Die unmittelbaren Gewaltausbrüche, die mehr aus Neugier zu entstehen scheinen, statt aus Rache oder Entfremdung, sind aber dermassen verführend, dass beängstigend wird.

Shojo sôshitsu / Tandem
(Satō Toshiki, J 1994) [VHS, OmeU]

gut

Einer der beste Einführungen in einen Pinkfilm wird verschwendet. Ein plätschernder Road Movie, statt der lakonischen Barszene, die sich durch Fantasien und Erinnerungen windet.

Chikan waisetsu nozoki / Under the Carp Banner
(Sano Kazuhiro, J 1992) [DVD, OmeU]

ok

Bei dem Namen nur Skurrilitäten, wie kann das sein?

Sonnabend 28.09.

Erosu gakuen: Kando batsugun / Eros School: Feels so Good
(Kurahara Koretsugu, J 1977) [DVD, OmeU]

verstrahlt +

Ein neuer Schüler steht vor der Klasse und stellt sich vor. Ständig muss er die Schule wechseln, weil er macht, wozu er Lust hat. Meistens hat er Lust Frauen zu misshandeln … und er ist stolz darauf. Der Film, die Lehrer und die Mitschüler sind beeindruckt und verhalten sich, als ob Vergewaltigen wie Abschreiben ist, nicht ganz korrekt, aber was soll man tun. Nach und nach fällt er über Mitschülerinnen und Lehrerinnen her. Jeder ist ein good sport und niemand nimmt ihm etwas krumm. Nur die männlichen Mitschüler sind sauer. Sie wären gern wie er und würden sich nehmen, was sie wollen, aber sie sind Jammerlappen und Trüblinge. Herrlich wie seltsam die Dramaturgie sich wieder durch dieses Exploitationfest schlängelt. Irrsinn wie dieser Film so lockerleicht daher kommen kann. Was ist das nur immer wieder? Entsetzlicher Höhepunkt ist übrigens mal wieder Sex mit einem Tier, aber hier … uff.

Sex mashin: Hiwai na kisetsu / The Strange Saga of Hiroshi the Freeloading Sex Machine
(Tajiri Yûji, J 2005) [DVD, OmU]

ok +

Wenn ein pinku eiga in Deutschland auf DVD veröffentlicht wird, dann ist das wie ein Gütesiegel für belanglose Skurrilität. Solange es nur süß unterstreicht, wie seltsam die Japaner sind, dann hat es noch Chancen auf ein paar Zuschauer, dass es sich lohnt. Vll haben solche Veröffentlichungsstrategien nicht ganz unrecht, aber sie sind traurig.

Mittwoch 25.09.

Yatsuhaka-mura / Das Dorf der acht Grabsteine
(Nomura Yoshitarô, J 1977) [DVD, OmeU]

großartig

H.P. Lovecraft geistert durch ein japanisches Bergdorf, wo das Blut mit Verdammnis und Racheflüchen verseucht ist. Wo das Wasser in den Tropfsteinhöhlen giftgrün ist. Wo die Bilder elegisch das Geschehen begleiten bis, ja bis das Grauen kommt. Dann wird durch die Realitäten, die Ort, die Gefühle gehetzt, abgehackt. Geschnitten mit der Axt. Nach Gefühl zusammengeschnitten.

Kyua / Cure
(Kurosawa Kiyoshi, J 1997) [DVD, OmU] 2

großartig

Wieso läuft ein Ottonormalbürger Amok, warum nimmt er oder sie ein Messer und fängt an Menschen aufzuschneiden? Ein Mysterium. Hier läuft es herum und hat Amnesie.

Sonntag 22.09.

Orpheus in der Unterwelt
(Horst Bonnet, DDR 1975) [70mm]

verstrahlt +

Wenn es die Künstler eines Landes drauf hatten einen Stock im Arsch locker leicht aussehen zu lassen, dann die Damen und Herren der DDR. Dieser Herrenwitz, durch den Rolf Hoppe wie ein vor Schüchternheit und überschäumenden Glück platzender Lüstling hopst, will Karneval in Rio mit Hochkultur nach Hause fahren, und scheitert so bravourös wie er es auch fertigstellt.

Chitty Chitty Bang Bang / Tschitti Tschitti Bäng Bäng
(Ken Hughes, GB 1968) [70mm; OF]

großartig +

Die erste Hälfte ist voll teflonbeschichteter Freude. Süß, wie eine Tasse Zucker. Nach der Pause muss sich aber immer weniger Sorgen um Zähne und Diabetes gemacht werden. Alptraumhafte Kinderfänger, magische bis beunruhigende Musiknummern. Gerd Fröbe verführt mit seinem Gesang genau wie das Knarzen der Musikbox, die der sogar erträgliche Spielzeugmacher Benny Hill gebaut hat. Wie Phoenix aus der Asche erhebt sich TSCHITTI TSCHITTI BÄNG BÄNG, sobald Dick van Dycke immer mehr an den Rand gedrückt wird.

Neděle
(Jan Špáta, CSSR 1965) [70mm]

gut +

DEFA 70
(Wolfgang Bergmann, DDR 1967) [70mm]

ok

Auto-E-Motion
(George Moorse, USA 1982) [70mm]

nichtssagend

Close Encounters of the Third Kind / Unheimliche Begegnung der dritten Art
(Steven Spielberg, USA 1977) [70mm] 2

ok +

Spielberg hätte mehr Berge aus Kartoffelbrei bauen lassen sollen.

Sonnabend 21.09.

Seven Brides for Seven Brothers / Eine Braut für sieben Brüder
(Stanley Donen, USA 1954) [70mm]

großartig +

Hinterwälder- und Frauenraubromantik. Höhlenmenschen holten ihre Frauen mit der Keule, Römer raubten Sabinerinnen und wurden von ihnen geliebt, im japanischen Film verlieben sich Frauen in ihre Vergewaltiger. Es ist so einfach wie unverschämt. Hier tanzen die Räuber der Bräute aber wunderschön und tun so, als ob das alles so normal sei. Als ob es wirklich so eine Welt einmal gab, wo die Täter ein Herz aus Gold haben, und die Frauen, von Männern eh nichts anderes gewöhnt, dies erkennen und sie lieben lernen. Kernige Schlägereien und beschwingte Tanzwettbewerbe mit den Rivalen kommen hinzu. Im Herzen ist es ein Horrorfilm, der aber soviel naiven Glauben an die ungeheuren Gefühle darauf legt, dass es nur mehr ein riesen Spaß ist.

Du bist min – Ein deutsches Tagebuch
(Andrew & Annelie Thorndike, DDR 1969) [70mm]

befummelnd +

Die schönste Kopie des 70mm-Festivals zu Karlsruhe. Wunderschöne Bilder. Schöne Geschichten von der erotischen Anziehungskraft von Grenzbeamten und Schlaubischlumpf-artigen russischen Soldaten. Die Verklärung der DDR zum netten, kleinen Utopiestaat von nebenan, während die BRD zum Hort des Faschismus stilisiert wird ist historisch in der Form nicht ganz korrekt, aber belustigend. Was aber an Verkennung von Kultur und Schönheit da von der Leinwand und aus den Boxen trieft, dass ist Folter. Ich hätte alles gestanden, wenn es nur aufgehört hätte.

Le grand bleu / Im Rausch der Tiefe
(Luc Besson, F 1988) [70mm] 2

ok

Nicht so fürchterlich wie der Directors Cut. Vll war er deshalb erträglich. Diesmal.

Spartacus
(Stanley Kubrick, USA 1960) [70mm] 2

ok

Die schönen schmierigen Szenen zwischen der ausgetrockneten Heldenverehrung, die sich Kirk Douglas da penetrant auf den Leib schneidert, sind der nötige Süßstoff im unsagbar Ekligen.

Freitag 20.09.

The Great Waltz / Der große Walzer
(Andrew L. Stone, USA 1972) [70mm]

verstrahlt +

Wie kann ein Festival besser begonnen werden, als mit einem Delirium? Einem plakativen Delirium. Herzblut statt perfektioniertem Können. In jeder Tanzszene tummeln sich die selben Backround-Tänzer und einer, mit Halbglatze und am Kinn offenen Klodeckelbart, bestand quasi nur aus guter Laune. Er grinste breit und schaute stolz zu den Zuschauern im Kinosaal. Die Fröhlichkeit strahlte von der Leinwand, sobald die Kamera auf ihn gerichtet war und die verkrampft gezeigten Zähne offenbarten die am Rand der Bilder lauernde Depression.

Goya – oder Der arge Weg der Erkenntnis
(Konrad Wolf, DDR 1971) [70mm]

fantastisch

Uff. Goya ist reich und berühmt. Als Hofmaler am Hof des spanischen Königs, die Inquisition immer um die Ecke, ist es nicht leicht zu leben. Leben schon, aber nicht leben. Er will Leidenschaft, ficken, Ekstase, dieses Ziehen im Bauch, das einem zeigt, dass das Adrenalin noch fließt. Aber er ist aus gutem Grund Opportunist und quält sich. Vll will er auch deshalb die Ekstase, weil er es eigentlich besser weiß. Er tanzt auf diesem Vulkan, halbtrunken, und weiß nicht, ob er sich wegwerfen soll oder kämpfen. Er verliert sich in seinen Geistern, in der Welt. Das Herz geht einem vor Düsternis und schönster, witzigster Qual schon etwas schwerer.

Khartoum / Khartoum – Aufstand am Nil
(Basil Dearden, GB 1966) [70mm]

gut

Wüste. Kampf auf verlorenen Posten. Englisches Militär. Kein zweiter LAWRENCE VON ARABIEN, auch wenn er es gerne wäre. Aber wunderschön anzusehen. Vor allem Lawrence Olivier als arabischer Wüstenfürst.

Donnerstag 19.09.

Die Kali Filme
(Wilhelm Hein, Birgit Hein, BRD 1987/88) [16mm]

gut +

Fürchterlich, zumindest fast, war der Anfang. Klassische Musik, getragen und erhaben, übermalte asiatische Kaligraphien, die von riesigen, harten Penissen träumten. Das Tendenziöse, die vielsagende Gegenüberstellung von bürgerlicher Impotenz und natürlicher Sexualitätsdarstellung, die vll Ersteres in den verdienten Dreck ziehen sollte, das schwang jedenfalls für mich in diesem Moment mit, dass fand ich nicht wirklich spannend. Was mich aber deutlich mehr anödete, waren Masse dieser ewig eregierten Penisse. Wo war die Schlafheit, das Scheitern, das Atmen, zumindest ab und zu. So eine penetrante Überflutung von Potenz ist ja irgendwo auch schon wieder impotent. Dann kam das Schwumrige. Bilderkram, der von wunderbaren Filmkollagen abgelöst wurde. Frauengefängnisse, Krieg und andere Gemütlichkeiten, die Filme uns aus Schrecken weben.
*****
Die von Wilhelm Hein mitgebrachten Kurt Kren-Filme habe ich komplett verschlafen. Stand wie die Sau vorm Uhrwerk, als Christoph und Sano sich in Euphorie ergingen. Ärgerlich.

Mittwoch 18.09.

Onimasa
(Gosha Hideo, J 1982) [DVD, OmeU]

großartig

Es trieft und trieft. Onimasa ist ein Yakuza-Boss, hat meist ein Herz aus Gold, ist aber ein einfälltiger Proll. Sein Welt geht langsam vor die Hunde und er trauert. Ein feucht-wattiger Soundtrack, Onimasas Sentimentalität über die Vergänglichkeit und den Schmerz des Lebens, legt den Zuschauer in ein weiches, bequemes Himmelbett, aus dem es keine Fluchtmöglichkeit gibt. Im Gegensatz dazu und zu ES WAR EINMAL IN AMERIKA ist Gosha aber garstig gegenüber seiner Hauptfigur. Er zeigt uns ein Arschloch, dass sicherlich seine Qualitäten hat, mit dem ich aber so gerne befreundet wäre, wie mit Joe Pesci. Was aber wirklich toll ist, sind die ganzen Perspektiven auf die Frauen. Seine Ehefrau, seine Adoptivtochter, deren Geschichten genauso zentral stehen, sind in die Ambivalenz ihrer Gefühle verstrickt. Sie werden durch Onimasa in der Gesellschaft bestimmt und suchen einen eigenständigen Platz. In diesem Kitschfest müssen sie aber ebenso scheitern, wie ihre wenigen, bebenden Momente des Glücks finden.

Montag 16.09.

Vulkan der höllischen Triebe
(Peter Häuser, BRD 1968) [35mm]

gut

Eine schöne erste Hälfte über die erfolgreichen Versuche alte Geschäftsmänner aus tristen Kneipen zu tristen Partys (fast Orgien) zu locken, um ihnen Geld abzuknöpfen, endet in einer jagt nach dem Geld, die der Benny Hill Show wohl so einige Ideen geliefert haben könnte, wenn Benny Hill dies gesehen haben könnte. Leider ist dies dann aber nicht mehr meins.

Porco mondo
(Sergio Bergonzelli, I/E 1978) [VHS]

großartig

Ein Schweinestall, diese Welt. Politiker sind korrupt und/oder pervers. Ihr Nachwuchs nicht viel besser. Und jeder denkt nur an seine Lust und sein Vorankommen. Diese Farce über die Schlechtigkeit der bourgeoisen Welt, die hinter ihren seidenen spitzen Vorhängen den Dung menschlichen Miteinanders versteckt. PORCO MONDO hat dabei etwas Plotitis und erzählt seine Geschichte haargenau, aber vor zu hieße der Regisseur sonst Bergonzelli, wenn nicht alles in frohen Kaleidoskopstürmen des Glücks und der Entrücktheit aufgelockert würde.

Es war nicht die Nachtigall
(Sigi Rothemund, BRD 1974) [DVD]

fantastisch +

Sigi Rothemund, was habe ich dich unterschätzt. Welch ein Juwel aus deiner Hand, der scheitern musste, weil es zu schön für diese Welt ist. Zu albern und locker für den großen (ausgedörrten) Kunstbetrieb. Zu düster und sensibel für die Schenkelklopfer des Landes. Unvermittelt lässt du einen sympathischen jungen Mann sterben. So willkürlich, wie nicht zurücknehmbar. Es ist der vll tragischste Tod, den ich je auf einer Leinwand erlebte, weil nicht wie aus einer Erzählung kommt, sondern wie aus dem Leben. Dein Umgang mit der Lust der Frauen, so frei von Schrecken. Dein Umgang mit dem Schrecken der Männer vor der Lust der Frauen, so frei von Scham. Dein Umgang mit der Ratlosigkeit beim Aufblühenden der ungeheuren Gefühle, so weise. Dein Peter Berling, der nackt am See mit nackten Frauen auf dem Klavier eine Oper über Lesben komponiert, so ohne Ernst und Seriosität. Deine Bilder, dein Rhythmus so ohne große Geste, aber dafür mit einem Gespür für die Menschen, die du darstellst. Ich entschuldige mich für alle ungebührlichen Dinge, die ich über dich sagte und dachte. Du bist ein unnachahmlicher Poet.

Laß jucken, Kumpel 5: Der Kumpel läßt das Jucken nicht
(Franz Marischka, BRD 1975) [VHS]

befummelnd +

Ich komme nicht darüber hinweg. Er hat glaube ich etwas sehr menschliches, aber ich weiß nicht ob ich die Kraft besitze so tief ins Herz der beiläufigen, kalauernden menschlichen Unansehnlichkeit zu sehen.

Abashiri Bangaichi / Prison Walls of Abashiri
(Ishii Teruo, J 1965) [DVD, OmeU]

ok

Auf der morgentlichen Heimfahrt im Zug geschaut und wie ein Wunder nicht eingeschlafen. Takakura Ken gibt abermals den Winnetou und flieht an einen Mitgefangenen gekettet gegen seinen Willen aus dem Knast. So viel Ehrbarkeit verbunden mit den pösen, pösen Menschen, die ihn in Schwierigkeiten bringen, ist zwar öde, aber hier wenigstens ganz nett anzusehen.

Sonntag 15.09.

Where the Boys Are / Dazu … gehören zwei
(Henry Levin, USA 1960) [35mm]

verstrahlt +

Sping Break Forever. Ein Manifest in eloquenten Albernheiten und moralisch wenig luftdicht abgepackten Abenteuern. WHERE THE BOYS ARE beginnt quasi wie SPRING BREAKERS an der Uni, nur das die Mädchen hier nicht apathisch ihre Zeit absitzen und auf das zum greifen nahe Abenteuer Fort Lauderdale warten. Hier wird das Thema DAZU … GEHÖREN ZWEI (sic!) verschnupft eingeführt. Ist Sex vor der Ehe in den noch jungen 60er Jahren möglich? Merritt fordert von ihrer Professoren einen offen, unverklempten Diskurs … und wird dafür fast von der Uni geschmissen. Sowas gehört sich nicht in einer USA, die sich moralisch noch mitten in den 50er Jahren befindet. Die folgenden Abenteuer im Männerangeln sollen wohl zeigen, dass sich das Aufheben für den Richtigen und warten bis zur Ehe lohnt, weil sonst die Männer mit einem machen was sie tun. Nicht ganz zart wird hier quasi mit Vergewaltigung gedroht, wenn sich diesen triebhaften Objekten genannt Männer geöffnet wird. Doch unbemerkt oder ganz schön kess nebenher läuft eine Abrechnung mit den moralischen Käfigen (der kontemporären USA). Die Ehe ist nicht der Hafen in der Not, sondern der Grundstein der Qualen des Films. Das Primat der Ehe über den Sex macht aus Frauen orientierungslos Umherirrende, die mit dem Damoklesschwert Schlampe und gesellschaftlicher Isolation bedroht werden. Locker-fluffig vor allem wie Merritt von einem Abenteuer mit Trübling George Hamilton abgehalten wird, weil sie ihn erst in die Ehe locken muss. Es ist traurig mit anzusehen, dass sie ihr Leben mit diesem Schleimbolzen verbringen muss, nur weil die Lenden gerade jucken. Vll noch heftiger als der Einsatz der Vergewaltigung. Aber nicht irritieren lassen, ein lockig-flockiger Film über Sommer, Sonne, Sonnenschein … mit den dazugehörenden Schatten.

How I Lived As Eve / Ich lebte wie Eva
(Zygmunt Sulistrowski, USA 1963) [35mm]

verstrahlt

Scripted Reality heißt das heute wohl … obwohl Realismus wirklich ohne Belang bleibt. Ein paar Nudisten wetten mit ihrem unmütigen Vermieter um ein königliches Anwesen. Wenn sie sechs (?) Wochen auf einer tropischen Insel vor Brasilien ohne moderne Hilfsmittel überleben (schließlich sind sie Naturalisten und wer sich auszieht, der muss halt ohne Herd auskommen können, ganz einfach), dann können sie es behalten, ansonsten müssen sie ausziehen. Naiv ist gar kein Ausdruck. Wunderschön.

Sonne, Meer und nackte Menschen / Töchter der Sonne
(Alexander Swiagenin, CH/BRD 1964) [35mm]

ok +

Und nochmal eine Handvoll Nudisten auf Urlaubsreise. Diesmal ist Korsika das Ziel und es braucht etwas lange um dorthin zu gelangen. Zu oft war es einfach nur ganz nett. Vll war ich auch nur zu müde.

Kinjirareta tekunikku / Unersättliche Triebe
(Mukai Kan, J 1966) [35mm]

großartig

Wunderschön fotografierte Geschichte über einen vor Schicksalsschlägen impotent gewordenen Boxer. Wie er zu retten ist, mag sich jeder, der zwei, drei ältere pinku eigas gesehen hat, denken können. Aber in dieser düsteren Welt (Film Noir) kann Rettung nicht von langer Dauer sein.

Ying han / Der Todesschrei des gelben Panthers
(Joseph Velasco, TW/HK 1972) [35mm]

gut

La señora dell oriente express / The Lady of the Orient-Express
(Mukai Kan, J 1966) [VHS]

nichtssagend

Erst die dritte Nacht bringt den ersten Videoknüppel des Kongresses … und dann wollte er mir gar nicht munden. Trüb wie eine Sitcom aus der Hand von Pro7.

Une femme spéciale / Sabine S. – Durch Liebe weg vom Stoff
(Jean-Marie Pallardy, F 1979) [VHS]

radioaktiv

Jean-Marie Pallardy hat das Drehbuch geschrieben, Regie geführt und spielt die Hauptrolle. Auch wenn es um Sabine S. geht, die aus Eifersucht eine Großladung Heroin ins Meer kippt, die sie für ihren Dealerfreund geschmuggelt hatte, so ist doch Pallardy der Held. Er ist der raue Proll mit dem Herz aus Gold. Er rettet sie vor ihren Verfolgern und gibt ihr einen Sinn im Leben. Und wenn er die bösen Finger (allen voran Gordon Mitchell als Actionzombie mit dem Grinsen, um das ihn selbst Charlton Heston beneiden musste) auch wirklich zum Glück der fassungslosen Zuschauer entrückt zu Dämon mit jedem Fehl und Tadel macht, so sind es nicht ihre Taten und Dialoge, die einen völlig fertig den Glauben an die Welt verlieren lassen, sondern die Szenen am Strand, als er seine Vorstellung eines reinen, puren Glück ausstrahlenden Sex ohne Sünde in Postkarten des Grauens festhält.

Sonnabend 14.09.

Barbara – Wild wie das Meer
(Frank Wisbar, BRD 1961) [35mm]

fantastisch

Ein Arzt tritt eine Stellung auf den Faröer-Inseln an. Ob er einen guten Grund für einen solchen Schritt hatte, weiß ich nicht mehr, aber dieser muss sein, wie vieles in diesem Film einfach so sein muss. Es muss einfach hingenommen werden. Dass er eine Beziehung mit der wilden, so wird ihm von der ersten Szene an berichtet, Barbara eingeht, sie gar heiratet und das alles schief geht. So muss es einfach sein. Mit offenen Augen taumeln hier alle in ihre ganz eigenen Abgründe, mit jeder Faser des Köpers kämpfen sie dagegen an … nur um dann doch nur wieder die Prophezeihungen zu erfüllen, die von außen und ihnen selbst auf sie niederprallen. Vll ist das auch der Grund für das alles, dass die Anderen einem sagen, wie wir sind und wir deshalb voll Wut dagegen ankämpfen. Dass wir ahnen, dass wir doch so sind und dann der Angst nachgeben und in die bekannten Muster flüchten. Dieses unsichere Hin und Her aus wollen, zaghaftem verweilen und fluchtartigem davonrennen macht die Handlungen jedenfalls aus. Arzt Paul will diese Beziehung nicht und rennt doch hinein. Barbara will das geordnette Glück, weil niemand es ihr zutraut und rennt dann doch in fremde Arme … hier am deutlichsten weniger aus der Antrübung des Käfigs der Ehe als vielmehr durch die Angst an diesem Glück zu scheitern. Ihr Liebhaber/ihre Jugendliebe will, was er nicht haben kann, und als er es hat flattert er wie ein Blatt im Wind … bereit zum Fallen. Und fallen tun hier alle … sie fallen auf sich zurück … oder eher auf das, was sie nicht (sein) wollen. Am Ende hat es mir förmlich das Herz zerdrückt … deshalb muss dies auch alles auf den Faröer spielen. Diese wenigen Landmassen in mitten eines weniger unerbittlichen als undurchsichtigen Meeres. Ich glaube es wird kaum geweint … wurde kaum geweint? … weil die Beteiligten schon von genug Tränen umgeben sind. Etwas schauen sie aus ihren unergründlichen Gefühlen heraus, aber letztlich verschwinden sie darin. Aber die, die nicht einmal dies gewagt haben, die sind eigentlich in BARBARA am schlimmsten dran.

Menschen von Morgen
(Kees Brusse, BRD/NL 1964) [35mm]

gut

Ein Jahr nach Bertrand Blier Regiedebüt nimmt sich Kees Brusse dessen Konzept an und interviewt Jugendliche in einer Industriehalle. Jeder kommt für sich zu Wort, aber der Schnitt lässt den Eindruck einer Talkshow entstehen, in der jeder ruhig sich selbst offen legt bzw. sein Selbstbild darstellt, ohne das Befindlichkeiten durch die ja nicht existenten Anderen aufkommen könnten. Im Gegensatz zu VON HITLER KEINE REDE lockert MENSCHEN VON MORGEN sein Setting durch wunderbare Tanzszenen oder posieren in Automobilen auf … jedenfalls kann ich mich an keine im Original erinnern, während sie hier das Beste sind, da die Jugendlichen mehr Platz zum Ausdruck haben.

Venusberg
(Rolf Thiele, BRD 1963) [35mm]

großartig +

Wer es nicht am Titel erkennt, VENUSBERG ist natürlich der Zauberberg unter den Venushügeln. Diverse Frauen treffen sich in einem abgelegenen Haus und warten auf ihren Godot namens Alphonse. Sie alle haben unterschiedliche Beziehungen mit ihm und obwohl er nie auftaucht, dreht sich alles um ihn. Vll ist der Film ein abstraktes Dokument einer Emanzipation von diesem Phantom Mann, da alle nach und nach abreisen. Vll sehen wir einfach nur Frauen zu, die miteinander reden, Dinge tun und in einem klaustrophobischen Ambiente ihre Zeit verbringen, das durch die elegisch-traumhaften Bilder entspannend und lösend wirkt, wie eine Massage … das Glück der Tagträumerei im Vakuum der Zeit (Nichtstun kombiniert mit nichts zu tun haben).

Roulette d’amour / Baron Pornos nächtliche Freuden
(Frits Fronz, A 1969) [35mm]

radioaktiv

Das perfekte Pendant meiner verträumten Sichtung von DIE SEX-SPELUNKE VON BANGKOK. Die repetitiven Szenenwechseln kamen zurück. Ein älterer Stadtstreicher schaut in einer Silvesternacht in die ihn umringenden Schaufenster und träumt von den vergangenen Tagen, als er mit Geld, Frauen und einer verhängnisvollen Liebe beglückt war. Erstickend in seiner Tristesse sind aber auch die Phantome der Vergangenheit nur hölzerne, trübe Zerrbilder des Glücks. Sie wirken so steif und morsch, dass sie bei selbst zaghaften Berührungen einem unter der Hand zerbröckeln müssen. Das ganze Blinken des warmen Lichts der Vergangenheit mit seinen muffig grellen Farben ist traurig wie absurd. Ein selbstmitleidiges Gespenst zieht durch die Straßen und träumt den Traum von Größe und Spaß … begleitet von einem traurigen Summen, das jede Lebensfreude negiert und Lachsalven und geweitete Pupillen generieren muss.

Das liebestolle Internat
(Jürgen Enz, BRD 1982) [35mm] 2

verstrahlt

Auch in 35mm trübt Enz gewohnt vor sich hin. Ein Brecher der Kalauer. Da freut man sich doch direkt wieder auf den ausgezuzelten Sex.

Freitag 13.09.

Shôwa zankyô-den / Brutal Tales of Chivalry
(Saeki Kiyoshi, J 1965) [DVD, OmeU]

nichtssagend

Eine völlig reine, blankgeputzte Jungsphantasie von bösen Menschen, die den armen, gerechten, stets edlen Takakura Ken und seine schwachen Mitmenschen malträtieren. Am Ende schafft er aber selbstaufopfernd, diesmal mit einem Schwert, statt wie im Rest des Films mit der anderen Wange, das alle Guten glücklich sind und alle Bösen abgestraft werden … oder tot sind. Der japanische Winnetou mit Tattoos wird dabei größtenteils in Standard-ganz-nett-ausseh-Bilder gesteckt, die der Langeweile den letzten Schliff geben.

Eugenie (Historia de una perversión) / Lolita am Scheideweg
(Jesús Franco, E 1980) [35mm]

fantastisch

Vll das genaue Gegenteil des Stinkers, den ich in der Bahn Richtung 11. außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer Kommandos gesehen habe. Ein perfekter Einstiegsfilm, der einen gleich in eine andere Welt katapultiert. Aber sanft und unbemerkt … nur um umso mehr, umso eklatanter den Geist frei zu spülen … von Ansprüchen wie Plot, Schauspiel und dem ganzen anderen rationell erfassbaren Kram. Ein Film für die Sinne, ein Film zum Riechen, Atmen, drin Plantschen, zum Streicheln, zum Genießen. Am Anfang stehen seltsame Hochhäuser an einer sie förmlich ausschließenden Strandlandschaft. Dort lebt die jugendliche Katja Bienert (Diplomatentochter Eugenie) noch unberührt von der Moral einer Gesellschaft, die ihre Nacktheit nicht mehr akzeptieren kann. Ein Nachtmahr, in Form des inzestuösen Lebemannes Alberto (inklusive nützlicher Sexschwester Mabel und entwürdigte Sexsklavin Sultana/Lina Romay), legt sich über diese noch klare Szenerie … gleich den düster-lüsternen Gedanken, den ein solcher junger, erblühender Körper erweckt oder erwecken kann. Untadlige, besorgte Menschen mögen von Alberto träumen, ihn zusammen fantasieren, wenn sie so viel Unschuld in einem jugendlichen, nackten Körper sehen. Er ist die perverse Versinnbildlichung der Schuld … aber das ist schon zu viel gedacht. Der Film flieht vor dem Verstand und seinen Ketten wie der Vampir vor dem Licht. Seine Bilder und die enthaltenen Menschen und Gegenstände verlieren zusehends ihre Grenzen und ehe der Zuschauer es gemerkt hat, ist er eingeschlafen … er, sein rationeller Intellekt. Ohne diesen wird geträumt, gefühlt, gewandelt. Es ist schön und lässt aufatmen, auch wenn das zu Sehende einen beklemmen mag. Danach war ich bereit. Sollte kommen was wollte …

Les avaleuses / Entfesselte Begierde
(Jesús Franco, F/B 1973) [35mm]

radioaktiv

Die Autopsie stellt fest, dass einem Mann das Gemächt abgebissen und ALLES Sperma ausgesaugt wurde. Dies Letzte hörte sich schlicht endgültig an, wie es nur geht. Dieser Mann war nicht nur des Lebens, sondern auch seiner Zeugungskraft beraubt … für immer. Es rührt einen zu Tränen und freudigem Schluchzen. Sonst kreisen Lina Romays Schamlippen und suchen einen zu hypnotisieren. Sie wollen/sollen einen versklaven wie Franco davon besessen war. Ich war gefangen in der Atmosphäre, im Nebel, im Schreiten und die einsetzende Müdigkeit sollte es nur verschlimmern. War ich noch wach?

??? / Geschäftliche Reise zur Erholung in Afrika
(Vernon Whitten, (SAU) 1960) [35mm]

befummelnd

Eine Werbevideo für eine geschäftliche Erholungsreise nach Südafrika. Der Titel lügt insoweit nicht. Worauf er nicht gefasst macht, ist schlicht, dass der Film wirkt, als ob er aus einer Welt zu kommen scheint, in der die Nazis den Krieg gewonnen haben, und dabei die Vorzüge der neuen Welt preisend so tut, als ob hier alles ok wäre. Ok, dass die ganzen reichen weißen Menschen sich wie selbstverständlich von den niederen Rassen bedienen lassen und nichts mehr schlimm in der Welt ist.

Die Sex-Spelunke von Bangkok
(Erwin C. Dietrich/Peter Grau, CH 1974) [35mm]

(verstrahlt)

Fest geschlafen und immer wieder aufgewacht … repetitiv in den zwei sich scheinbar ewig abwechselnden Sexszenen. Entsetzt gefangen in der Dunkelheit dieses bizarren goldenen Käfigs.

Donnerstag 12.09.

Stille dage i Clichy / Stille Tage in Clichy
(Jens Jørgen Thorsen, DK/GB 1970) [DVD, EF]

großartig

Der Erzählstimme des Buches beraubt, kämpft Thorsen damit Bilder, Ton und Schrift irgendwie mit dem Miller-Feeling auszustaten. Er scheitert grandios. Aber dafür ist STILLE TAGE IN CLICHY frech und locker leicht. Scheiß auf eine akkurate Adaption. Das geht eh nicht. Statt dessen laufen die beiden Bohèmes durch das kontempöräre Paris und suchen nach Sex, Aufregung und vll ab und zu etwas zu Essen. Dabei reden, schreien und leben sie vll nicht so gegen die Grenzen des Möglichen an, aber wer braucht Subversion, wenn er unbekümmerten Spaß haben kann … wenigstens ab und zu.

Mittwoch 11.09.

Duo ming ke / Der Mann mit dem Karateschlag
(Chan Tung-Man, HK/TH 1973) [VHS]

gut

Jemand hat vergessen umzurühren. Giallo und Eastern liegen unvermischt nebeneinander. Erst kommen die verstrahlten Taten eines Handschuhträgers und die darauf folgende Suche nach dem Mörder. Immer absurdere Nuancen bekommen die potentiellen Täter verpasst. Ein Klischeeparade an absonderlichen Menschen und Handlungen, fast muss es realistisch genannt werden … besonders der verachtende, vorurteilsbehaftete Blick der Kommissare und Helden. Und dann hauen sich alle auf die Fresse und vom Giallo will niemand mehr etwas wissen.

Dienstag 10.09.

Naked Fear
(Thom E. Eberhardt, USA 2007) [blu-ray, OmU]

nichtssagend

Meterware aus dem Ramschladen menschlicher Verkommenheit. Vll am schlimmsten ist die Angst, als unprofessionell, als Trash gebrandmarkt zu werden, weshalb sich niemand etwas traut.

Ricco / Der Clan der Killer
(Tulio Demicheli, I/E 1973) [DVD, OmU]

ok

Eine Kastration hier, Blutfluten da. Aber nichts ist so verstrahlt, wie Christopher Mitchums Gesicht, dass wie das seines Vaters mit einer Entstellung zum Clown und Glöckner von Notre-Dame aussieht. Gruselig. Der Rest dümpelt leider zu oft dahin.

Montag 09.09.

Scary MoVie / Scary Movie 5
(Malcolm D. Lee, USA 2013) [DVD]

ätzend

Das Faszinierende ist ja, dass ich den ganz erträglich fand. Scheiße, aber durchhaltbar. Als nach 20 Minuten mein Mitbewohner reinschaute und sitzen blieb … und ich plötzlich quasi mir vorstellte, wie der Film wohl aussieht, wenn er nicht so nachsichtig, debil konsumiert wird, wie von mir, da wurde es wirklich unangenehm.

Sonntag 08.09.

La banda del gobbo / Die Kröte
(Umberto Lenzi, I 1978) [DVD, OmU] 2

fantastisch

Hat mir in Italienisch jetzt tatsächlich deutlich besser gefallen. Vll ist mir aber auch einfach nur mit etwas Abstand unter der Oberfläche aus famoser Hysterie sowie Jux und Dollerei diese faszinierende existentielle Anklage der Welt offenbar geworden. Wie hier die Grenzen zwischen Schweinen und Helden verwischt werden … bis sie nicht mehr existent sind … wunderbar. Jeder ist hier Täter, jeder Herr seines eigenen Geschicks, aber dabei vollkommen hilflos. Selbst Kant würde stehend applaudieren.

Sonnabend 07.09.

Tian bian yi duo yun / Das Fleisch der Wassermelone
(Tsai Ming-liang, TW/F 2005) [DVD, OmeU] 2

fantastisch

Vll das poetischste, wundertollste Ende, dass je einen Film beschloss. Selbst jetzt, wo es nicht so überraschend kam (hihihi), wie beim ersten Mal, bin ich unendlich verliebt.

Mittwoch 04.09.

Koruto wa ore no pasupooto / A Colt Is My Passport
(Nomura Takashi, J 1967) [DVD, OmeU]

gut +

Shishido Jô hat als Auftragskiller eine seltsame Art von Humor, der seinem Auftraggeber, seines Zeichens Yakuza-Boss, nicht gefällt. Shishido wird zum Freiwild in einer Welt, in der nur der überlebt, der nicht nur das Können und die Muskeln hat, sondern derjenige der dazu noch durch den Wald aus Intrigen und double crossing sehen kann, ohne überrascht zu werden. Lakonisch wird verfolgt, was Nikkatsu Action halt an Männergeschichten so zu bieten hat, vll nicht mit dem Tick Wahnsinn den Kurahara drüber goss oder Masuda aus den Ritzen triefen ließ, aber dafür mit diesem netten Hang zur Übertreibung.

Gokudô no onna-tachi / Wives of the Yakuza
(Gosha Hideo, J 1986) [DVD, OmeU]

verstrahlt

WIVES OF THE YAKUZA hat viel von DER PATE. Die Ernsthaftigkeit im Erzählen, die teilweise Lächerlichkeit in den Momenten der Ernsthaftigkeit. Vor allem aber das Professionelle. Hier will jemand (anscheinend) einen ehrbaren Film machen. Aber irgendwas liegt schief. Vll ist es diese ewige Trope, dass sich die Frauen in ihre Vergewaltiger verlieben … weniger schrecklich, als schrecklich öde inzwischen. Nein, es ist die Nähe zum DENVER CLAN, denke ich. Die Familien und ihre verschlungenen, weit ausgebreiteten Rivalitäten. Die grellen Vorstellungen davon, was dramatische Ereignisse sind, welche direkt für die Boulevardpresse entworfen scheinen. Kurz, die Schulterpolster von Joan Collins sind es die diesem Patenversuch schwere Breitseite verpassen. Leider will er keine Soup Opera sein und bremst sich dabei zu sehr aus.

Dienstag 03.09.

Shin jingi no hakaba / Graveyard of Honor
(Miike Takashi, J 2002) [DVD, OmU] 2

nichtssagend

Miike verkennt das Original und zähmt den Tiger. Er psychologisiert Rikio durch und macht besonders die wichtigen Stellen klar verständlich. Miikes Rikio ist vll in seiner Selbstzerstörung krasser und auch in den Spitzen in heftigen Bildern eingefangen, aber er ist nachvollziehbarer und somit langweiliger, weil ich erzählt bekomme, wieso es passiert. Er ist vll nicht so glatt und heldenhaft wie Takakura Ken in seinen Yakuzastreifen, aber er wird zu einem tragischen Helden stilisiert, der ein paarmal voreilig Entscheidungen fällt (da Anerkennungssüchtig/Paranoiker) und diese wegen dem ganzen giri-Kram ausbaden muss … von melancholischer Musik untermalt … ach der Arme … in getragener Geschwindigkeit und langweiligen Bildern … bei Fukasaku weiß ich bis heute nicht wirklich wie mir geschieht, während ich hier irgendwann lieber nebenher Wäsche aufgehangen habe.

Sonntag 01.09.

Jingi no hakaba / Graveyard of Honor
(Fukasaku Kinji, J 1975) [DVD, OmU] 3

fantastisch

Abschließend sagt der Erzähler, dass Ishikawa Rikio, dessen Leben als Grundlage für den mit Reportagemitteln spielenden GRAVEYARD OF HONOR diente, eine Legende geworden ist. Allein deshalb schau ich mir immer mal wieder diesen seltsamen Tumult an. Ich kann schlicht nicht nachvollziehen, was es ist, was ihn zu einer Legende macht. Rikio ist ein aufbrausender Schläger, der es sich mit allen verscherzt bevor er wirklich Erfolg in seiner Yakuza-Gruppe haben kann. Nach leichten anfänglichen Erfolgen liegt er meist im Dreck und wird von immer mehr Menschen, Drogen und Tiefschläge im Nacken verfolgt. Sein Leben ist ein einziges blutiges Scheitern. Doch darin liegt vll seine Faszination, weil er und sein Leben der polymorphe Abgesang auf die Yakuza und Japan sind. In ihm werden nicht nur giri (sehr grob: die ehrbringende Pflicht gegenüber der Familie) und ninjō (sehr grob: das Mitgefühl gegenüber den Mitmenschen … und sich selbst) zu einem erschreckenden Nichts zerbröselt, auch das alte wie das moderne Japan verkommen zu elenden Chimären hinter deren Schattenspielen nur das wilde Treiben von Ameisen wartet. Rikio erscheint als letzter seiner Art. Er glaubt wirklich an den alten Geist von giri und würde alles für seinen Boss tun. Doch wenn er wieder die Nerven verliert und auf Taktik und Anstand scheißt, dann spricht aus ihm ein unbändiger, moderner Individualismus. Er ist nicht weniger als ein tragischer Held alter japanischer Werte und eines neuen individuellen Japans, der aus der lauwarmen Gemütlichkeit seiner Zeitgenossen herausbricht. Denn die ihn umgebenden Yakuza sind nur zum Schein an Ehre und Verpflichtungen interessiert, damit es schön aussieht. Selbst nach Reichtum und Machtausbau streben sie nur oberflächlich, wenn auch mit brutalsten Mitteln. Vor allem sitzen sie einfach rum und tragen ihren Anschein spazieren. Es sind lächerliche Gockel, die von Fukasaku in chaotische, wimmelnde Bilder gepresst werden, die niemanden mehr herausstellen, sondern nur den besagten Ameisenhaufen übrig lassen. Und Rikio ist der Fuß der herein tritt und der Grund dafür das Fukasaku seine Kamera über das chaotische Treiben reißen lassen kann. Ambivalent ist es also diesem Versager zuzusehen, dessen einziger Funken ninjō (s)eine Frau zugrunde richtet, dessen Motive extrem wage und rätselhaft bleiben, der sich aber in seinem Umfeld eine perverse Art von Anstand bewahrt.

August
Sonnabend 31.08.

Bijitâ Q / Visitor Q
(Miike Takashi, J 2001) [DVD, OmU]

radioaktiv

TEOREMA weht durch das Geschehen des schmierig überdrehten VISITOR Q. Ein Besucher nistet sich bei einer dysfunktionalen Familie ein, die nur durch Inzest, Gewalt und gegenseitiges ignorieren zusammengehalten wird, und lässt alles eskalieren. Immer absurder, immer wahnwitziger verhalten sich Vater, Mutter und die fast erwachsenen Kinder … und werden glücklich. Spätestens wenn der Vater mit dem Messer über den Schädel eines Rowdies schabt, wissen wir, endlich hat er seinen würdevollen Platz im Sumpf des Menschseins gefunden. Gleiches gilt für die Mutter, die ihre Muttermilch endlos durch die Szenerie spritzt und diese darin ertränkt. Sie nehmen vll ihre klassischen Rollen im Gefüge ihrer Familie ein, aber so das Konservatismus und der naiv-wahnwitzige Frohsinn einen seltsamen Ringkampf begannen.

Freitag 30.08.

46-okunen no koi / Big Bang Love, Juvenile A
(Miike Takashi, J 2006) [DVD, OmU]

großartig +

Mir fehlen die Worte. Schön.

Donnerstag 29.08.

Izo / Izo: The World Can Never Be Changed
(Miike Takashi, J 2004) [DVD, OmU]

verstrahlt

Miike zeigt Lommel was eine Harke ist … oder zumindest ein Rechen. Wild fuchtelnd schneidet er mit einem Katana einen saftigen Obstsalat aus mehr oder weniger kitschig-philosophisch-theologischen Versatzstücken, Schwertkampf, unvermittelten Zeitsprüngen und kernigen Dialogen über die Romantik des Reiben des Penisses in den Löchern der Frau. Oft treibt einem die fruchtige Säure die Schamesröte ins Gesicht („Meint der das ernst?“), aber meist habe ich einfach nur entspannt und staunend zugeguckt, wie IZO ohne einen Anflug von Dramaturgie, fast redundant, seinem Helden durch undefinierbare Räume und Treffen begleitet. Herrlicher Quatsch.

Mittwoch 28.08.

2LDK
(Tsutsumi Yukihiko, J 2003) [DVD, OmU] 2

großartig

Das Duell der Duellfilme 2LDK und ARAGAMI gewinnt Tsutsumi haushoch. Die drastischen Dinge bei 2LDK laufen vll nicht mit Blut und Gedärm ab, aber die scharfen Messer in den Diskussionen, Blicken und Gedanken der beiden Schauspielerinnen, die in ihrer Wg auf eine Castingentscheidung warten, sind erschreckender und faszinierender als all das Blut, das ab einen Punkt unausweichlich zu fließen beginnen muss.

Dienstag 27.08.

Onna kyôshi: Seito no me no maede / Female Teacher: In Front of the Students
(Uegaki Yasuaki, J 1982) [DVD, OmeU]

radioaktiv

Im Grunde ein Film für den Hofbauer-Kongress. Ein Puzzle über eine Vergewaltigung. Lehrerin Reiko ist ein heißer Feger und wird deshalb in einem fort vergewaltigt … von Schülern wie Lehrern. Doch der Reihe nach. Zuerst wird sie in der Schuldusche von einem mysteriösen Maskenträger missbraucht. Garstig eingefangen. Daraufhin ist sie ein seelisches Wrack. Schatten und Schrecken scheinen überall zu warten. Auf der Suche nach dem Täter wird sie für eine Nacht … vll auch für Tage, es ist nicht klar, von einem ihrer Schüler sowie einer Schülerin gefangen gehalten und zur Sexsklavin entmenschlicht. Ihre Pein nimmt kein Ende bis sie in diesem Schüler meint ihren ersten Vergewaltiger zu erkennen … und plötzlich löst sich etwas. Als ob die Unsicherheit, die düstere, nagende Phantasie der Möglichkeiten viel schlimmer ist, als der tatsächlich zu ertragende Akt der Gewalt. Es ist ein Moment des Schreckens, wenn es einen überkommt, dass sogar Hoffnung während einem Akt der Gewalt einen überschäumen kann, da klares Wissen den Moment zwar unangenehm aber den Tag wieder schön macht. Ein Alptraum in flutschigen Bildern. Reikos Odyssee geht unterdessen aber weiter … eine Reise an deren Ende nur Ambivalenz steht. Kommt sie aus diesem Treck des Unbehagens selbstermächtigt heraus oder gebrochen … nur Blicke können entscheiden.

Cobra / Die City Cobra
(George P. Cosmatos, USA 1986) [blu-ray, OmU] 2

radioaktiv

COBRA ist nichts anderes als Stallones (und/oder/bzw Ronald Reagans und/oder/bzw Til Schweigers) feuchter Traum einer gerechten Welt. Jeder der etwas gegen ihn sagt, steht sofort da wie ein Doofie. Stahl und Funken und Explosionen bilden einen Lorbeerkranz des Edelmuts und ewigen Gerechtigkeit. Alle die gegen ihn waren (und es sind fast alle) müssen erkennen, wie falsch sie lagen, weil Cobra, der Rächer mit dem zarten Herzen/Vornamen, ihnen am Ende die Trophäe des Sieges bringen wird. Es ist verkommen ohne Ende … und wunderschön eingefangen. Der Höhepunkt des protofaschistischen Actionkinos der 80er Jahre. Aber als Zuschauer fühle ich mich immer, als ob ich Stallone und/oder/bzw Ronald Reagan und/oder/bzw Til Schweiger in Kleinkindergröße in einem Bett schlafen sehe. Wie sie dabei die Decke freudig unters Kinn ziehen und glücklich mit den Beinen strampeln, sieht so niedlich aus. Wie sie die offensichtlich bröckelnden Spalten in ihrem Traumpanzer übersehen und das alles für bare Münzen nehmen … ich kann nicht anders, als es zu lieben.

Montag 26.08.

Monsutâzu kurabu / Monsters Club
(Toyoda Toshiaki, J 2011) [DVD, OmeU]

ok

Der Una-Bomber war Mitglied des Freedom Club (FC). Eita lebt wie Ted Kaczynski und verschickt ebenso Briefbomben, doch sein ideologischer Überbau ist nur Makulatur. Ein Familiendrama aus Selbstmorden und verlorenen Bezugspersonen macht ihn zum Mitglied des Monsters Club (MC). Er sitzt im Wald und folgt seinen Dämonen und den Geistern seiner geliebten Verstorbenen. In ein Labyrinth hat er sich gewunden und in diesem windet er sich weiterhin. Auf meinem Desktop liegt eine PDF-Kopie des Manifests des Una-Bombers. Mehr als ein Widerspruch auf Kalauerniveau. Trotzdem interessiert mich mehr, was er zu sagen hatte, als ein Film, der sich an das offensichtliche klammert, nämlich dass irgendwas nicht mit ihm stimmt. Vll auch weil ich hoffe, dass der Teufel in seinen Gedanken steckt und nicht so ordinär in seinem Leben.

Pain & Gain
(Michael Bay, USA 2013) [DCP, OF]

radioaktiv

Aus dem Kino gekommen und den Tränen nah gewesen. Vll ist er wirklich unmenschlich oder einfach zu viel in seiner garstigen Abrechnung mit dem amerikanischen Traum. Daniel Lugo (Mark Wahlberg) hat es satt, dass er den amerikanischen Traum lebt, aber von ihm ausgeschlossen bleibt. Er glaubt daran, nein er weiß, dass wer sich anstrengt auch belohnt wird. Und er macht und macht. Seine Muskeln sind der Beweis. Sein Managementkonzept eines Fitnessclubs beweist es. Er rackert, aber er kommt nicht voran. Wo bleibt der lange versprochene Lohn, wann wird er nicht mehr von der Realität aus dem amerikanischen Traum aufgeweckt, der kein Fantasiegebilde sein darf, sonst stimmt diese Welt nicht, sonst stimmt nichts von dem, was er gelernt hat, woran er glaubt, wofür er lebt. Sein Problem dabei ist vll nicht so sehr, dass er grenzenlos naiv ist, sondern einfach dumm. Dumm wie jede Figur in diesem Film dumm oder grenzenlos unsympathisch ist. (Ausnahme bleibt Ed Harris, dessen Haut selbst dem triumphal aufspielenden The Rock die Schau stiehlt.) Vll will uns Michael Bay ja wirklich sagen, dass die Idioten, die die Welt bevölkern vll nicht die hellsten sind, aber wenigstens sind sie keine Arschlöcher wie die Intelligenten/Reichen. Die Trennlinie ist jedenfalls kaum zu übersehen, und egal wieviel ätzende Herablassung über die drei grenzdebilen Helden geschüttet wird, egal wie skrupellos sie den Traum irgendwann erreichen wollen beziehungsweise sich vor der Skrupellosigkeit ihrer Mitstreiter und den Widersprüchen der eigenen Wünsche ins Koksdelirium retten, also egal wie schlecht der Film seine Figuren behandelt, so bleiben sie doch die Sympathieträger, die Helden von PAIN & GAIN. Michael Bay wird Daniel Lugo gegen Ende auf eine amerikanische Flagge gucken lassen, die hinter Stacheldraht weht. Es ist vll Symbolismus aus der Formelhandbuch, aber die eingeklagte Ungerechtigkeit bleibt echt. Vll ist Pain & Gain wirklich der Aufschrei gegen die Versprechen, welche die USA seit Jahrhunderten bereithält, die perfekte Vorführung eines von innen verrotteten amerikanischen Traums, der seine Gläubiger verhöhnt und zerkaut wieder ausspuckt … durch Bay auch noch in der perfekten Form gebracht, als populistisches Musikvideo voll cooler Witze und als Feier von Oberflächen, knappbekleideten bitches, heißen Karren und grellem Aufschneidertum. Vll ist es Bay, der gar nicht merkt, was er da macht, wie er sich, seine Filme und Wertsysteme ad absurdum führt. Vll ist es aber auch nur ein grenzdebiler Film. Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist das ich aus dem Kino kam und mich nur noch ins Bett legen wollte. Kein einfacher Film. Ein heftiges Erlebnis über die Bitterkeit des Lebens im Jahre 2013 … mit all seinen Widersprüchen, Vorurteilen und Unwägbarkeiten. Potthäßlich in seiner Schönheit, wunderschön in seiner verschlungenen Idiotie.
(Gegen Ende kam dann ein Loch, das mich wieder daran erinnerte, dass ich kaum einen Film von Michael Bay geschaut habe, bei dem ich nicht irgendwann hoffte, dass er endlich vorbei ist. THE ROCK ist da vll die Ausnahme, aber besonders der erste TRANSFORMERS und BAD BOYS finde ich kaum zu ertragen. Ich glaube ich komme nicht mit Bays Witzverständnis zurecht. Wenn er witzig sein will, da möchte ich immer lieber woanders sein. Was spannend ist, weil dies so etwas wie eine Komödie sein soll und er mir vll am besten in Bays Œuvre gefällt.)

Sonntag 25.08.

Gyakufunsha kazoku / Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb
(Ishii Sôgo, J 1984) [DVD, OmU] 2

großartig +

Ein Plädoyer für eine Familie ohne Grenzen. Die Utopie eines Lebens unter der Autobahn. Ein Abgesang auf eingefahrene Traditionen. Das neue Familienhaus zwängt alle in althergebrachte Familienrollen und damit in eine Zwangsjacke. Der allumfassende Wahnsinn ist der Lohn. Ishii macht aus TOKYO MONOGATARI ein Tollhaus. Luftsprünge durch den, für den und mit dem Wahnsinn.

Minagoroshi no reika / I, the Executioner
(Katô Tai, J 1968) [DVD, OmeU]

gut +

Rap & Revenge der anderen Sorte, denn hier rächt sich der Mann. Doch leider ist seine Rache nur ein Vorwand, den er gar nicht zu verdecken weiß. Der Executioner ist auch nur wieder der altbekannte Serienmörder auf dem Kreuzzug für Reinheit und Unschuld. Doch da wo die Geschichte im Tristen fischt, da weiß Kameramann Maruyama Keiji wie Menschen von Bildrahmen zerstückelt werden. Er fragmentiert die Bildausschnitte und gibt sich einer kunstfertigen Schludrigkeit hin. So reißt er das Korsett der netten Geschichte auf.

Sonnabend 24.08.

Tange Sazen yowa: Hyakuman ryo no tsubo / Tange Sazen: The Million Ryô Pot
(Yamanaka Sadao, J 1935) [DVD, OmeU]

ok

Vll ist es einfach nicht mein Fall. Schlimm genug, dass er ein herzensguter Wohlfühlfilm ist. Aber das ist ok. Yamanaka ist dabei nicht penetrant und sogar talentiert. Aber ich hasse Spannung. Wenn der Zuschauer weiß, dass der Pot Unmengen an Geld wert ist, die sympathischen Protagonisten aber nicht und deshalb mit ihm spielen, immer in der Gefahr ihn zu zerbrechen. Oder jemand will ihn verkaufen, während ein anderer mit der Nachricht des Wertes auf dem Weg zu ihm ist. Und dann warte ich ungeduldig, dass das endlich aufgeklärt wird. Nicht weil ich es unbedingt wissen möchte oder der Film mich gekonnt emotional manipuliert, sondern damit die Geschichte endlich weiter geht. Diese Art von Spannung ist ein Vakuum, wo nichts geschieht, nichts zu sehen ist, nichts fasziniert. Es ist wie unter Zeitnot bei rot an der Ampel zu warten.

Freitag 23.08.

Oni no kaen / The Devil’s Feast
(Hanyû Kenji, J 2007) [DVD, OmeU]

gut

Beunruhigend. Hanyû Kenji verfilmt eine Geschichte von Dan Oniroku und rätselt mit ein paar Fesselspielen, was dies nun ist, dieses Mysterium weibliche Lust. Es ist schön den angestrengten Denkfalten auf seiner Stirn und den diese verdecken sollenden lässig hingeworfenen Antworten zuzuschauen.

Donnerstag 22.08.

Kimi to wakarete / Apart from You
(Naruse Mikio, J 1933) [DVD, OZmeU]

fantastisch

Ungestühm fährt die Kamera immer wieder auf die immer wieder entsetzten Gesichter der Beteiligten zu. Naruse ist 1933 noch voller jugendlichem Elan und strotzt vor Energie. Seine Filme waren ja durchaus nie so streng wie die von Ozu, eher lakonisch, aber hier nutzt er sein Handwerk noch vorbehaltlos und voller Staunen. Gleichzeitig ist APART FROM YOU aber auch so erwachsen. Hier muss fast jeder erkennen, dass das Leben nicht so will, wie wir selbst. Träume zerplatzen und dem Ernst des Lebens muss in die Augen geschaut werden. Der Rowdy, der seine sich prostituierende Mutter verachtet, wie die Mutter, die das nicht erträgt, oder die Frau, die sich gerade verliebt, aber ihre Schwester vor den Übergriffen des Vaters retten muss, für sie alle ist es als ob sie mit dem Kopf gegen die Wand rennen müssen, um ihre Wünsche zu erhalten. Naruse-Filmen (aber auch denen von Ozu) lastet etwas der Ruf an, dass sie das Aufgeben und die Akzeptanz der bestehenden Verhältnisse verherrlichen, aber die Protagonisten geben nicht einfach auf … sie kämpfen … bis aufs Blut … aber irgendwann reicht es auch. In Würde ertragen sie ihren Schmerz und Naruse, bitter wie voller Lust aufs Erzählen, sing vll kein Loblied auf die Möglichkeiten der Veränderung, aber dafür auf den Trotz.

Kiru / Kill!
(Okamoto Kihachi, J 1968) [DVD, OmeU]

großartig

Vll das Äquivalent zu einer Bud Spencer und Terence Hill Italo-Western-Komödie. Die Chanbaras ihrer Zeit sind dreckig und desillusioniert. Hier wird auf dem Grab der ehemals so ehrenwerten Samurai getanzt … mit einem wahnsinnigen und einem albernen Lächeln in den beiden Mundwinkeln.

Mittwoch 21.08.

Kurutta kajitsu / Crazed Fruit
(Nakahira Kô , J 1956) [DVD, OmeU]

großartig +

Eine ungeduldige, unzufriedene Jugend voll Energie, Lebenslust und Selbstzerstörung eroberte die japanischen Kinos und nichts sollte wie bisher sein. Wo sich REBEL WITHOUT A CAUSE und THE WILD ONE noch affektiert in die Geste retten, da wird hier am offenen Herzen operiert. Ein Melodram, der garstigen Sorte. Eine Frau, oder eher noch ein Mädchen, die ihrer Rollen als Ehefrau entfliehen will … auch der Schmach, dass ihr Mann ein alter Amerikaner ist. Affäre auf Affäre hat sie und landet schließlich zwischen zwei Brüdern, einem Halbstarken, der sie mehr mit Gewalt ins Bett zerrt, und einem jungen, schüchternen Romantiker, der ihr kaum ans Bein zu fassen wagt, wenn sie schon halbnackt am Strand liegen. Ein erstickendes, tristes Land, dass einem alles zusammenziehen lässt, das die Raserei aller beteiligten nur umso verständlicher macht. Ein Aufschrei, dem sich kaum zu entziehen ist. Heute noch.

Dienstag 20.08.

Empire Me – Der Staat bin ich!
(Paul Poet, A/L/D 2011) [DVD, teilweise OmU]

nichtssagend

Die Portraits von 6 Mikrostaaten (von esoterischen Theokratien bis hin zu esoterischen Selbsthilfegruppensexkolonnien in Europa und Australien) könnten wirklich spannend sein, wenn Paul Poet sich mehr auf seine Objekte konzentriet hätte, statt rührig-esoterische Wortkolonnen auf den Zuschauer loszulassen, die wohl seinem Namen Ehre machen sollen.

Montag 19.08.

Invasion
(Dito Tsintsadze, D/A 2012) [DVD]

ätzend

Es gibt diese Filme, die einen daran erinnern, dass Michael Haneke Filme von Michael Haneke noch am besten sind … die Michael Haneke in der Wertschätzung (wieder) steigen lassen. Diese Filme sind fürchterlich.

Kuroi taiyô / Black Sun
(Kurahara Koreyoshi, J 1964) [DVD, OmeU]

fantastisch

Es ist vll eine der traurigsten Szenen aller Zeiten. G.I. Gill ist in Japan stationiert, er ist schwarz, ihm wird vorgeworfen weiße G.I.s erschossen zu haben, er ist auf der Flucht und angeschossen. Der unendliche Schweiß auf seiner Stirn, die Paranoia in seinen Augen und die große, unwahrscheinliche Schnellfeuerwaffe in seinen Händen, die er jedem panisch unter die Nase hält, setzen den manischen Ton des Films. Klar denken kann hier niemand, nur Gill hat zumindest einen guten Grund dafür, atemlos und gehetzt wie er ist. Er landet bei Akira (der kaum noch etwas mit dem Akira von THE WARPED ONES zu tun hat). Dieser hier gleicht mehr einem Jazz liebendem, kleinkriminellem Kleinkind, das nicht versteht, wenn sein scheinbar glücklichster Tag, als er einen sich versteckenden Afro-Amerikaner in seinem Zimmer vorfindet, nicht so läuft, wie er das gerne hätte. Weder kann Gill Trompete spielen, noch hat er, da er dringend einen Arzt braucht, den Nerv sich Jazz mit dem ignorant grinsenden Akira anzuhören. Ein überdrehter Anti-Buddy-Movie ist die Folge, der sich dermassen überschlägt, wie es sonst nur Fuller kann. (Positiver) Rassismus und die fehlende Bereitschaft, auf andere einzugehen, wird hier in ätzende, aberwitzige Bilder gebannt – poetisch und brutal zugleich. Und dann ist da diese Szene, wenn Gill … inzwischen weiß angemalt – von Akira in ein Jazzcafé geschleppt wird und alle umstehenden von ihm verlangen, dass er jetzt einen heißen Feger aufs Parket legt … als Schwarzer ja schließlich die geborene cool cat. Er schwitzt, ist panisch und braucht Versorgung und Ruhe und alle strömen auf ihn ein bis er tatsächlich anfängt zu tanzen. Es ist jämmerlich und der Kloß im Hals riesig…

Sonntag 18.08.

Kedamono no ken / Sword of the Beast
(Gosha Hideo, J 1965) [DVD, OmeU]

großartig

Wenn die Leute nicht immer Schwerter statt Colts ziehen würden und nicht eine Tonsur anstelle von Hütten tragen würden, der Spätwestern wäre unverkennbar. Selbst Goldschürfer gibt es.

Sonnabend 17.08.

Kenjû zankoku monogatari / Cruel Gun Story
(Furukawa Takumi, J 1964) [DVD, OmeU]

ok

THE KILLERS und THE KILLING als hipper Nikkatsu-Actionfilm. Glatte Bilder, die trotz oder vll wegen ihrer starken Kontraste wie geleckt die Tiefen verschwinden lassen. Taffe Männer, die taffe Dinge tun und am Ende alle sterben. Wer es braucht.

Bôhachi bushidô: Poruno jidaigeki / Boachi Bushido: Code of the Forgotten Eight
(Ishii Teruo, J 1973) [DVD, OmeU]

großartig

Ein Dämon bzw ein übernatürlich begabter Schwertkämpfer wird von einer Vereinigung, die einer marktwirtschaftlich optimierten Version des Clubs in den 120 TAGE VON SODOM ähnelt (die Mitglieder des Boachi müssen die 8 Tugenden der Samurai ablegen und trainieren, neben ihrer streng geregelten Untugend, gefangene Frauen durch S&M-Folter dazu, perfekte Gespielin zu werden), dazu eingesetzt die billige Konkurrenz im Prostitutionsgewerbe auszumerzen. Einige zweifelhafte Ereignisse, Catfights und opiumgeschwängertes Double-Crossing später staunen alle nur noch, was da passiert und passiert ist. Wie unverschämt Ishii solche Filme auch immer wieder aus dem Ärmel schangelt und dabei … zumindest hier … diesen seltsam erhabenen Ernst wahrt, es lässt mich ungläubig zurück.

Shirobara gakuen: Soshite zen’in okasareta / White Rose Campus: Then Everybody Gets Raped
(Ohara Kôyû, J 1982) [DVD, OmeU]

radioaktiv

Hihihi. Und dass Ohara diese unfassbare Busentführung des Entsetzens mit ihrem unsagbaren Scherzen und Späßen am Ende auch noch zu einem ernsthaften Konflikt zweier Menschen und damit der Gesellschaft umschlagen lässt … hihihi.

Freitag 16.08.

Kozure Ôkami: Meifumadô / Lone Wolf & Cub: Der weiße Pfad der Hölle
(Misumi Kenji, J 1973) [DVD, OmU]

großartig

Fünf Kämpfer warten auf Ogami Ittō, jeder hat ein Fünftel der Bezahlung und ein Fünftel des Auftrags. An ihnen muss er sein Können beweisen, damit er den Auftrag erhält. Erst wenn sie tot sind, wird er von den Auftraggebern für würdig empfunden. Das Prinzip von LONE WOLF & CUB, dass ein Leben nichts wert ist und hinter den Ritualen und symbolischen Gesten zurückstehen muss, wird hier auf die Spitze getrieben … und wie bisher ist es gleichzeitig Verehrung des Ganzen und ein makaberer Abgesang.

Kozure ôkami: Jigoku e ikuzo! Daigorô / Lone Wolf & Cub: Blutiger Schnee
(Kuroda Yoshiyuki, J 1974) [DVD, OmU]

großartig

Beginnt mit untoten Meisterkämpfern, die religiöse Eiferer aus der Erde entschlüpfen lassen und auf Ogami loslassen. Fängt entsprechend düster und überdreht an, aber das beschließende Treiben im Schnee zieht sich etwas.

Koshiben ganbare / Flunky, Work Hard!
(Naruse Mikio, J 1931) [DVD, OZmeU]

gut

Naruse schangelt wie nie. Aber ein fröhlicher Naruse ist irgendwie nicht das Wahre. (Die Musikunterlegung auf der Eclipse-DVD ist dafür wahrlich scheußlich.)

Donnerstag 15.08.

Meneko / She Cat
(Yamashiro Shingo, J 1983) [DVD, OmeU]

ok +

Wunderbare Musik untermalt einen muffigen Film … bzw treibt ihn voran. Der vielversprechende Anfang wird eine wenig reißerische/mitreißende Parade von Gewalt und Sex, die routiniert abgespult wird. Nicht dass SHE CAT nicht tolle Momente hätte, aber lässt er die außergewöhnlich langen 87 Minuten ungenutzt. Er wirkt aus- und breitgelatscht, wo sonst bei roman pornos Dichte herrscht und der normale Wahnsinn überschwänglich aus dem Korsett schäumt.

Anma to onna / The Masseurs and a Woman
(Shimizu Hiroshi, J 1938) [DVD, OmeU]

fantastisch

Beschwingt und ungehalten torkelt THE MASSEURS AND A WOMAN durch ein tristes Kurgebiet. Triste Leute machen Urlaub und wollen die Seele baumeln lassen, doch die blinden Masseure kneten ihnen die Krampfe in die Beine, lassen keine Möglichkeit aus Wettrennen zu starten und kämpfen jeden Kampf, der die anderen sie nicht bemitleiden lässt. Dazu kommen Diebe und eben die Frau, die mysteriös wie verführerisch allen die Augen verdreht. Doch der Plot ist egal. Es sind diese sympathischen kleinen Momente, die schwerelos und ungeschliffen wie bei einem kleinen Spaziergang durch die Berge an einem vorbeiziehen. Und trotzdem sie so unscheinbar sind, doch den Atem raubend charmant daherkommen. Großen Verdienst daran hat vor allem Kameramann Saito Masao, der mit schnörkellosen Bildern, die wenig auf den Putz hauen, eine tänzerische und aufputschende Atmosphäre schafft.

Kyonetsu no kisetsu / The Warped Ones
(Kurahara Koreyoshi, J 1960) [DVD, OmeU]

fantastisch

Ungehaltene Raserei. Akira drückt wie ein wilder auf den Tasten des Autoradios herum und sucht nach einem Sender, der Jazz spielt. Den richtigen Jazz. Nicht den weichgespülten Kram, der die Nerven beruhigt. Er will, er braucht Jazz, der wild durch die Lautsprecher krächztest. Das Schlagzeug muss voran gehen und die Bläser müssen ihn packen. Bebop und Hardbop haben sich vll nie mehr nach Delirium und Ektase angehört. Er braucht es um nicht zu platzen, um ein Ventil zu haben, denn Japan, die beginnenden 60er Jahre kotzen ihn an, langweilen ihn, umgreifen ihn wie ein Gefängnis. Er platzt vor Energie. Ein Drang zu leben, zu erfahren ist in ihm, der ihn zu einem Wahnsinnigen macht, zu einem Besessenen. Er muss handeln, er muss seine Triebe befriedigen. Rasend schnell sind auch die Ereignisse, er landet im Knast, wird entlassen, klaut sofort ein Auto, überfahrt denjenigen, der ihn verpfiffen hat, misshandelt dessen Freundin … Es gibt keine stillen, ruhigen Momente. Das klassische japanische Kino wird von diesem Vulkan hinweg gefetzt. Statt sich Gedanken zu machen, ob Schnitt oder Kamerafahrt, der bessere Weg ist um die menschliche Wahrnehmung darzustellen, lässt Kurahara die Kamera immer in Bewegung durch die die Szenerie fliegen … am besten wird zwischen zwei Einstellungen die Kamera über den Raum dazwischen gerissen und die entstehenden verschmierten Zwischenräume sind es die Akira und das Erlebnis THE WARPED ONES ausmachen, es gibt keine Ruhe, keinen Zeit Atem zu holen. Es ist immer der Jazz der Bilder, der einen mit den Finger schnippen lässt, der einen aufspringen und schreien lassen will, der einen vor der Leinwand voll Energie pumpt, der einen das Entsetzen spüren lässt, der einen zum Verbündeten dieses rasenden, tollwütigen Hundes macht, der das eigene Entsetzen um dessen irrationale Taten nur schweißtreibender macht. Und dann ist da immer die Sonne, die plötzlich bei den Kamera Bewegungen immer wieder einem im Gesicht landet. Die einen blendet, wie nie eine Sonne im Film einen geblendet hat. Durch Baumalleen blitzt sie im schnellen Rhythmus, durch Hände, die sie nicht aufhalten können, strahlt sie, die Kamera geht immer wieder gen Himmel, weil unserer Kopf ekstatisch in den Rücken fällt und dort wartet sie. Klarsicht ist in ihrer Hitze, in ihrem alles zersetzenden, augenauffressenden Weiß nicht möglich. THE WARPED ONES ist ein schweißtreibendes Fieber, ein unmöglicher Film, ein bestialischer Film, ein einmaliges Ereignis.

Dienstag 13.08.

Miyamoto Musashi kanketsuhen: kettô Ganryûjima / Samurai III: Duel at Ganryu Island
(Inagaki Hiroshi, J 1956) [DVD, OmeU]

gut

Miyamoto Musashi hat seine innere Ruhe gefunden. Er kehrt dem eitlen Leben eines Samurais den Rücken und lebt wieder als Bauer am Rand eines Dorfes. Er schnitzt Kunstwerke und kämpft nur noch, wenn es sein muss. Wirkliche Gegner hat er eh keine mehr. Selbst mit den Frauen respektive seiner Frau findet er sich zurecht. Ruhig im Einklang mit sich und seiner Umwelt lebt er. Dadurch ist er aber auch ein Held ohne Probleme. Hier und da muss er eine Dorf retten oder sich mit ebenbürtigen Gegnern duellieren – mehr wegen der Kunst, als weil er noch den Drang spüren würde – aber die wahren Kämpfe, die inneren, die sind vorbei. Ihm soll es gegönnt sein, wenn auch die Luft dadurch etwas raus ist.

Montag 12.08.

Poruno sutâ / Tokyo Rampage
(Toyoda Toshiaki, J 1998) [DVD, OmeU]

großartig +

Ein Film für, durch und über die 90er Jahre. Der die damalige Luft atmet und einem in die Atemwege bläst. Der längst verloren gegangene Asphalt kann in dieser Sonne wieder gerochen werden. Ein junger ungehobelter Film, der sein Lebensgefühl in jedem Bild vor sich her trägt. Eine verlorene Zeit zum Leben erweckt.

Sonntag 11.08.

Kimyô na sâkasu / Strange Circus
(Sono Shion, J 2005) [DVD, OmU]

großartig

Überspannt. Wie in EXTE gibt es diese Figur, diesen raving madman, der viel zu nah an uns steht, während er mit uns redet … uns angeifert und viel zu oft, viel zu exaltiert lacht. Der Rest ist barock und voller Schnirkel. Pompös kommt STRANGE CIRCUS auf einen zugewalzt, läd ein zu einem feuchtfröhlichen Alptraum im Irrgarten ihrer Majestät, doch sind wir einmal drin wartet der Unrat hinter jeder Ecke … und in der Mitte wartet er und lacht sein Lachen, welches Fingernägeln gleicht, die über eine Schiefertafel kratzen.

Kichiku / Dämon
(Nomura Yoshitaro, J 1978) [DVD, OmU]

großartig

Sokichi ist vll typisch. Er will immer die unangenehmen Situationen ausgleichen und niemanden etwas Unangenehmes zumuten. Jeden Streit sitzt er stumm aus … oder appeliert schüchtern an eine nicht vorhandene Vernunft. Ungerechtigkeit schaut er sich an. Den Widersprüchen des Lebens kann er nicht begegnen und schafft es nur den Schwächsten gegenüber zu handeln. Sokichi hat drei Kinder mit einer Geliebten. Als er ihr kein Geld mehr zur Unterstützung geben kann, da läd sie die Kinder kurzerhand bei ihm und der vor den Kopf gestoßenen Ehefrau ab. Diese geht in Hass auf. Sie ist der Dämon. Sie empfängt ihn mit einem Teppichcutter im Bett. Sie schlägt und maltretiert die Kinder. Nomura macht aus einer Familientragödie einen Horrorfilm, der etwas nach Pialat aussieht, etwas … mit den warmen Farben, den ungekünstelten, (be)ruhigen(den) Bildern. Doch die realistische Szenerie wird zu einer dröhnenden Hölle aus blindem Hass und grenzenlosem Opportunismus. Gegen Ende wird es dann doch noch eine eher konventionelle Tragödie, die seine Horrorelemnte aufgibt, aber dafür das Melo- des Dramas groß ausstellt und auf einen niederknallen lässt.

Zoku Miyamoto Musashi: Ichijôji no kettô / Samurai II: Duel at Ichijoji Temple
(Inagaki Hiroshi, J 1955) [DVD, OmeU]

gut +

Das große epische Gemälde über den Weg des großen Verzichters geht weiter. Er wird der größte Kämpfer seiner Zeit und Kultur und Zen-Buddhismus kühlen sein Herz ab. Nur als Feigling möchte er nicht gelten, weshalb er sich mit offenen Augen in einen Hinterhalt von 80 Gegnern begibt. Das folgende DUEL am Ichijoji Tempel wird der letzte Wendepunkt sein, der aus einem aufmümpfigen Bauernlümmel die Legende Miyamoto Musashi macht … so will es zumindest die Legende. DUEL AT ICHIJOJI TEMPLE atmet die Luft der großen Epen der 50er. Das deutlich erkennbare Studio macht alles nur noch größer … größer als das Leben. Das erste und letzte Mal wird sich Musashi eine Frau nehmen wollen bzw. sich ihr hingeben. Das erste und letzte Mal wird er Teil des Lebens sein. Doch dann wird aus dem protofaschistischen Keiler, der gegen das Leben kämpft, ein Jedi, der über ihm steht. Besiegen wird er es aber nie.

Sonnabend 10.08.

Chokugeki! Jigoku-ken / The Executioner
(Ishii Teruo, J 1974) [DVD, OmeU]

gut +

Möchtegern Bruce Lee Sonny Chiba legt den Ernst vom STREET FIGHTER ab und begibt sich mitten ins Herz eines Comic-Relief-Taifuns. Nicht in den Actionsequenzen, die zwar deutlich glatter sind als im Pendant aus dem selben Jahr (im STREET FIGHTER liegt das Augenmerk auf der Inszenierung, weshalb es teilweise so aussieht als ob sich hinter den atemberaubenden Schnitten und Einstellungen ein zweiter Michael Dudikoff versteckt, der eigentlich nichts kann, während im EXECUTIONER das Augenmerk auf dem Können von Chiba liegt), die aber doch nicht weniger schweißtriefend und zwangsneurotisch brutal daherkommen – alleine wie mit den Sidekicks umgegangen wird. Doch die Action wird von den Albernheiten zwischen den Kämpfen oder bei Kämpfen mit minderwertigen Gegnern an die Wand gepresst. Warum auch nicht der Gespielin des Gegner während des Kampfes unter den Rock gucken, wenn dieser keine Bedrohung darstellt? Warum keinen dusseligen pornösen Kraftprotz als Sidekick haben, der in einem Fort durch den Kakao gezogen wird? Das erreicht dann fast Hongkongniveau, wenn es auch etwas gewollter wirkt, als bei der naiven Großnation der Albernheit.

Gojira / Godzilla
(Honda Ishirô, J 1954) [DVD, OmeU]

gut

Noch vergleichsweise wenig von Godzilla, dafür mit Melodramen und komplexen politischen Botschaften, die tatsächlich weniger einfältig sind, als sie präsentiert werden. Aber vor allem sind es eher die Menschen, die an Handpuppen aus der Augsburger Puppenkiste erinnern. So wie sie handeln, so steif und tapsig, da sind fast Fäden an ihnen zu sehen. Wahre Helden.

Miyamoto Musashi / Samurai I: Musashi Miyamoto
(Inagaki Hiroshi, J 1954) [DVD, OmeU]

großartig

Die große japanische Verzichtersaga, die augenscheinlich einen großen Einfluss auf George Lucas und seine Vorstellung von Jedirittern gehabt hat. Miyamoto Musashi ist ein Energiebolzen. Er reitet zwanghaft um sich mit seinem Pferd zu messen und es niederzukämpfen. Er stürzt sich in aussichtslose Schlachten um den Gegner den Glanz von der Rüstung zu prügeln. Lieber stirbt er als auch nur ansatzweise die Knie vor jemanden zu beugen, als eine Erniedrigung zu ertragen. Er trägt sein Testosteron als Schaum vorm Mund spazieren. Da das Verkehren mit Frauen keine Ehre bringt, wird er nie von seinem zwanghaften Eifer befreit. Alle wollen sie mit ihm ins Bett und der Blutstau in seinem Schwanz lässt diesen augenscheinlich fast platzen, aber er jagt durch seine männliche Welt, wo die Furcht des Gegners, die eigene Ehre ausmacht. Never compromise. Doch als ihn alle Welt jagt, wird er von einem Mönch gefangen und ihm wird etwas Vernunft in den Schädel geschlagen. Doch sein Dasein als Verzichter nimmt nur eine andere Bahn, aber das ist eine andere Geschichte.

Ryôshoku / Debauchery
(Ito Hidehiro, J 1983) [DVD, OmeU]

großartig

Eine Art Remake von BELLE DE JOUR. Doch weniger auf Kunst bedacht, sondern auf triefende Lenden und Phantasien, ergo weniger rätselhaft, dafür aber auch nicht dermaßen steif, wie die erotische Phantasien eines Mannes, der seinen Sexualtrieb immer als Feind ansah. Sprich hier gibt es keine exotischen Japaner mit geheimnisvollen Folter- oder Lustboxen, sondern reale Erniedrigungen, reale Erregung (daran) und vor allem lustvolles Klitschen durch die Ausgangssituation.

Freitag 09.08.

Amai yoru no hate / Bitter End of a Sweet Night
(Yoshida Yoshishige, J 1961) [DVD, OmeU]

gut +

Jiro hat Komplexe, weil er sein Leben lang arm war und die Blicke von oben herab auch spürt, wenn sie gar nicht da sind. Wenn ihm das Adrenalin beim Fahren mit dem Motorrad auf einer stillgelegten Rennstrecke aus der Nase läuft, dann findet er etwas Beruhigung und ist vll für kurze Zeit sogar etwas sympathisch. Doch in der Gesellschaft von Menschen ist er kaum zu ertragen. Wenn er von seiner Chefin grausam verlacht wird und sich ein Meer aus Verachtung über ihn ergießt, dann ist das nicht nett, aber verdient. Er wird aber nie verstehen, dass die wenigsten ihn wegen seines fehlenden Status verlachen, sondern aufgrund seiner tristen Stehaufmännchenqualität, die alles um sich instrumentalisieren will um an Geld und Anerkennung zu kommen. Wie ein heuchelnder Hund rennt er den viel zu schnellen fahrenden Wagen seiner Träume hinterher (so naiv, dass es wehtut) bis sein ständiges Kläffen, sein ständiges Fordern auch den Dalai Lama nerven muss. Yoshida nimmt A PLACE IN THE SUN und lässt seinem Protagonisten nicht mal das kurze Erlebnis, dass seine Träume wahr werden. Wo mit Clift aber jeder mitfiebert, da wäre dies bei Jori nur Häme um seinen Fall nur noch tiefer zu machen. So zerschlägt er seinen Protagonisten noch mit etwas Schongang. Auf nebligen Seen, düsteren Ölfeldern und in schönen Apartments wartet sein Verderben … und in den Betten seiner drei Geliebten, die diesen trüben Sleazer mit den Dollarzeichen in den Augen entweder abweisen oder selbst seine sexuelle Dominanzgebaren mit Almosen zu ohnmächtigen Gesten machen, die ihm die bockigen Tränen in die Augen schießen lassen … aber wie es auch immer sei, das Hecheln nach Geld lässt nicht lange auf sich warten.

Karakkaze yarô / Afraid to Die
(Masumura Yasuzô, J 1960) [DVD, OmeU]

großartig

Mishima wollte für sein Image in einem Film mitspielen. Drei Elemente sollte dieser enthalten: 1. musste er einen Gangster spielen, 2. wollte er ständig eine Lederjacke tragen und 3. sollte seine Figur einen brutalen, tragischen Tod sterben. 1960 war seine Metamorphose schon abgeschlossen. Aus einem schmächtigen, sensiblen Außenseiter war ein muskulöser Star geworden, der seine Verletzbarkeit hinter einer coolen, sexy Fassade verstecken wollte. Dass die Wandlung aber nie vollständig war, davon lebt AFRAID TO DIE. Denn selbst wenn er seine Geliebte, die ihn von vorne bis hinten dominiert, in ohnmächtiger Raserei schlägt und tritt (deutlich brutaler und öfter als es im Drehbuch stand), dann verdeutlichen sich seine krampfhafte Versuche dieser starke Typ zu sein, der er gerne wäre. Nie ist er es. Der körperlich gebrechliche, zurückgezogene Junge in ihm ist schwer zu übersehen. Mishima spielt sich selbst, als einen windigen Mifune-Charakter und übertrifft sein Vorbild, weil er immer mehr ist als ein platter Aufschneider (der je nach Film ernstgenommen wird oder nicht). Seine Figur ist nicht eindimensional, weil er selbst immer durchstrahlt … selbst wenn niemand etwas über seine Biographie wissen würde. Er überlegt zu lange, er grinst zu verlegen, ist zu wenig Schauspieler um sich verdecken zu können und vor allem ist immer die Angst zu spüren. Es hätte kein besseres Drehbuch geben können, um Mishima zu besetzen, Lederjacken und Tod hin oder her. Hier lebt er seinen Traum noch unschuldig … unschuldig weil er ebenso scheitert und sein Traum eines stählernen Panzers noch brüchig ist … wenig später wird er verbissen gestählt auf der Suche nach Unverwundbarkeit zugrunde gehen.

Donnerstag 08.08.

Sono gosôsha wo nerae: ‚Jûsangô taihisen‘ yori / Take Aim at the Police Van
(Suzuki Seijun, J 1960) [DVD, OmeU]

ok +

Suzuki kann seine Drehbücher mit schönen Bildern versehen. Aber wenn es nur Standardware ist, scheint er auch nicht mehr liefern zu wollen. Es ist so schön, wie wenig interessant. Ein netter Krimi.

Ringu / The Ring
(Nakata Hideo, J 1998) [blu-ray, OmU] 2

gut

THE RING ist eine Liebeserklärung an den Horrorfilm und die Utopie eines Films der aus dem Fernseher kommt und keine Gefangenen macht. Leider ist er selbst nicht diese Utopie. Leider weckt er nur die Sehnsucht, die er dann nicht erfüllen kann.

Mittwoch 07.08.

Nihon eiga no hyaku nen / 100 Jahre japanisches Kino
(Ôshima Nagisa, J 1995) [DVD, teilweise OmU]

ok

Ôshima der alte Snob erwähnt Godzilla einmal in einem Nebensatz. Aber im Grunde scheint hier jede Strömung, jede Entwicklung nur eine Randnotiz zu sein, so wie er durch die Jahrzehnte jagt. Wenigsten ist die Zeit von roman porno und Fukasaku-Yakuzafilmen für ihn eins der goldenen Zeitalter des japanischen Films. Recht so.

Kozure Ôkami: Oya no kokoro ko no kokoro / Lone Wolf & Cub: Die tätowierte Killerin
(Saitô Takeichi, J 1972) [DVD, OmU]

gut

The Driver
(Walter Hill, USA 1978) [35mm] 2

großartig

Die Gegenüberstellung zu Beginn findet in einer Industriehalle statt. Die Polizei verhört ihre Verdächtigen und Zeugen in einer schäbigen Kneipe. Nur ein verloren wirkender Einsatzwagen strahlt etwas Professionalität aus. New York, zu seiner heruntergekommensten Zeit. Bruce Dern hat nie etwas zu sagen und redet wie ein Wasserfall um die unangenehme Stille mit den arroganten Phrasen eines geborenen Verlierers, der sich in Selbstüberschätzung rettet, zu füllen. Wo soll auch sonst seine Würde herkommen. Ryan O’Neal redet wie ein Zombie. Er spielt den Driver auch so. Nur der Kitzel des Katz und Maus-Spiels mit Dern lässt etwas Leben in seinem Mundwinkel erkennbar werden. Und Walter Hill inszeniert mit Brechstange und japanischer Sensibilität in seinen schluchtartigen Ellipsen. Der Motor schnurrt.

Dienstag 06.08.

Rofuto / Loft
(Kurosawa Kiyoshi, J 2005) [DVD, OmU]

großartig +

Ein Rausch aus grazilen, flatternden Realitäten. Alleine die Exhumierungsszene und ihre Folgen … wenn alles traumartig schwebt und schwankt. Betörend schön, der Wind in Bäumen und Sträuchern, die Farben, die traumatisch zerfallende Realität. Ultra.

Montag 05.08.

Chakushin ari 2 / The Call 2
(Tsukamoto Renpei, J 2005) [DVD, OmU]

nichtssagend

THE CALL 2 ist ein Actionpainting aus Humbug, der von jemanden an die Wand geworfen wurde, der dabei anscheinend nur an die Erwartungen der Zuschauer (und wie er sie erfüllen und gleichzeitig übertreffen kann) dachte. Einzig interessant ist, wie dämonisch Taiwan dargestellt wird. Da leben bestenfalls primitive Kannibalen, die in inzwischen verfallene moderne Gebäude gepresst wurden.

Sonntag 04.08.

Sono yo no tsuma / That Night’s Wife
(Ozu Yasujirô, J 1930) [DVD, OZmeU]

ok

Zieht sich ewig hin. Das Spiel mit Details, statt mit Plots setzt sich langsam bei Ozu durch, doch hier hat er noch keinen Stil um dies einzufangen. Sternberg hilft ihm nicht mehr dabei weiter Ozu zu sein. Ein Übergangsfilm.

Autoreiji / Outrage
(Kitano Takeshi, J 2010) [DVD, OmU]

gut

Vll neben MINBO eine der absurdesten Abrechnung mit dem giri-Mythos der Yakuza. Ein nihilistischer Ameisenhaufen, in dem jeder intrigiert und sich trotzdem an den Schein von Ehre und Bruderschaft halten will und muss. Dieser Schein lässt einen verrückten Zirkus aus strikt geregeltem Wahnsinn auf die Beteiligten los, der aus abgehackten Fingern und Löchern in Köpfen tropft, aber von keinen einzigen wirklich in Frage gestellt wird. Vll auch die traurigste Abrechnung mit den Yakuza.

The Shining
(Stanley Kubrick, GB/USA 1980) [DVD, OmeU] 4

großartig

Der einzige Kubrick, den ich immer mehr mag, je öfter ich ihn sehe. War er am Anfang lächerlich pompös in seiner geharnischten Kunstausrüstung, hinter der sich ein großes Nichts verbarg, fühle ich nun immer mehr große Unsicherheit aus den Bildern strömen … schon alleine der zwangsneurotische Bildaufbau(!) … und einen Bann, dessen Hauptdarsteller das Haus (und damit der Körper der Erinnerung) ist und nicht diese billige kleine Geschichte.

Sonnabend 03.08.

Hogaraka ni ayume / Walk Cheerfully
(Ozu Yasujirô, J 1930) [DVD, OZmeU]

gut

Zu Beginn seiner Karriere war der japanischste aller japanischen Regisseure der westlichste. Mit us-amerikanischen Filmplakaten in seinen Filmen und vor allem Gangstern, die in dieser Chicago-artigen Form wie hier nur importiert werden konnten. Josef von Sternberg weht auch mehr als deutlich durch WALK CHEERFULLY. Ein eleganter Tagedieb lebt von Diebstahl und Betrug, verliebt sich aber in eines seiner Opfer. Ein wunderschönes Melodrama zieht auf, das Gangster bietet, die zur Begrüßung kurze, campy Formationstänze aufführen. Doch nach der Hälfte wandelt sich WALK CHEERFULLY in einen Tendenzfilm, der uns aufzeigt, dass Lohnarbeit und ein legitimer Platz in der Gesellschaft viel glücklicher machen. Was auch wieder fasziniert, weil dies nicht unter dem Zwang einer staatlichen Propagandamaschinerie entstanden ist. Es hat vielmehr etwas von den Ausführungen eines neunmalklugen, neunjährigen Strebers, die uns erzählen, wie toll es ist dem Lehrer zu helfen, weil es toll ist, wenn alle sich helfen. Irgendwie süß.

Kôfuku no kane / Blessing Bell
(Sabu, J 2002) [DVD, OmU]

gut +

Besonders im Doppelpack mit WIE EINE KUGEL IM LAUF spannend, da sie eine Art Pfeiler seiner Bewegungsfilme bilden, an denen sich sein Werk aufspannt. Sein Debütfilm ist dabei der deutlich rasantere, während BLESSING BELL lakonisch dahin kriecht. Aber Letzterer ist eben der viel reichere … zumindest was Handlungen anbelangt. Komplett entschlackt ziehen wir durch Japan und bestaunen ebenso ungläubig wie Terajima Susumu, was alles passieren kann. Sein stummer Blick ist gleichzeitig das lebensmüde Schulterzucken, das jeden Tiefschlag nur noch als erwartbaren Hohn abnickt, aber eben auch die Verwunderung über die Auswüchse der seltsamen Hackenschläge des Lebens. Fast weht etwas Ozu durch BLESSING BELL.

Ninjô kami fûsen / Humanity and Paper Ballons
(Yamanaka Sadao, J 1937) [DVD, OmeU] 2

großartig

Ein Frisör, dessen verletzter Stolz, nur ein Wurm sein zu sollen, ihn antreibt auf der Nase der Yakuza (dem Schlägertrupp eines alle illegalen Geschäfte kontrollierenden Pfandleihers) rumzutanzen. Ein Ronin, der bei einem Günstling seines verstorbenen Vaters nach einer Anstellung oder wenigstens Geld betteln muss … aus Stolz, weil er ein ehrenvoller Samurai ist und keine Tagearbeit nachgehen kann. Dieser Stolz der beiden zeigt uns das Melodram der Menschheit, das so traurig ist, weil es hilflos zwischen zwei Polen verweilt. Entweder geben Sie sich und ihre Wünsche nach Würde auf oder sie rennen/kriechen mit offenen Augen in den Untergang voran. Hilflos wie ein Papierballon der im Abwasser davonschwimmt.

Kozure Ôkami: Shinikazeni mukau ubaguruma / Lone Wolf & Cub: Der Wind des Todes
(Misumi Kenji, J 1972) [DVD, OmU]

gut

Kôrei / Seance
(Kurosawa Kiyoshi, J 2000) [DVD, OmU]

großartig

Die Midlife-Crisis eines Ehepaars als Horrorfilm verdichtet. Die Frau kann Geister sehen und der Mann ist Toningenieur. Alles was Erwartungen aufbaute, verlief sich im Nichts. SEANCE ist von der ersten Sekunde an verstrahlt und seltsam, da können auch die altbackensten Motive (Gespenster mit verzerrten Gesichtern, Kinder und andere Gruselfiguren, die im Totenwinkel der Protagonisten rumtrüben usw.usf.) nichts ändern. Dieses Ehepaar macht sich seine ganz spezielle Hölle auf und Kurosawa ist weit weg von einer lupenreinen, seriösen Inszenierung. Letztere ist so seltsam wie der Plotverlauf, aber so schlüssig wie ein Traum. Zudem ein Film, bei dem ich zeitweise nicht still sitzen konnte, herumlief und das Paar beschimpfte, anflehte, sich doch nicht so zu verhalten, nicht so zu sein. Ich wollte sie schütteln, als ob sie real wären … und wahrscheinlich sind sie es, diese abgrundtiefen Spinner. SEANCE war eine physische Erfahrung. Ich bekomme nur beim Gedanken an sie einen Hals … und bin ob des seltsam-versponnen-zärtlichen Wankens von SEANCE verzückt.

Sono otoko, kyôbô ni tsuki / Violent Cop
(Kitano Takeshi, J 1989) [DVD, OmU]

großartig

Kitano auf den Spuren Hongkongs bei der Suche nach einer eigenen Stimme.

Donnerstag 01.08.

Aru kyôhaku / Intimidation
(Kurahara Koreyoshi, J 1960) [DVD, OmeU]

großartig

Nichts ist, wie es scheint. Der kleine, kriecherische Handlanger ist sowenig klein und unambitioniert, wie der saubere, engagierte Aufsteiger keinesfalls das Ideal japanischer Dienstleisterschaft ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Und so simpel die Geschichte ist, so virtuos spielt Kurahara mit ihr. Mal erinnert es an Melville, mal an eine garstige Mischung aus Ozu und Suzuki. Doch da wo Ozu an den Möglichkeiten menschlicher Güte interessiert ist und Suzuki so gut wie gar nicht an ihnen, da furcht Kurahara durch seinen Ackerboden Mensch und findet wie selbstverständlich düstere, komplexe Wesen, die einem nicht immer geheuer sind, die mit unglaublicher Leichtigkeit nach ihren Mitmenschen treten und nicht einmal mitbekommen, wie grausam sie dabei sind, die einem vor allem aber so verdammt bekannt vorkommen.

Zûmu in: Bôkô danchi / Zoom In: Sex Apartment
(Kurosawa Naosuke, J 1980) [DVD, OmeU]

großartig +

6 Antworten zu “STB Robert 2013 (II)”

  1. Lutz on August 12th, 2013 at 10:29

    Ich habe mir ja schon öfter überlegt, dich mal wieder wegen Filmabend zu fragen. Doch bei diesem ganzen nerdigen Japan-Zeug, das du zuhauf schaust, ist mir irgendwie gerade der durchaus bestehende Appetit eher vergangen.

  2. Robert on August 15th, 2013 at 10:02

    Lieber Lutz, komme doch gerne zu einem Filmabend vorbei. Vll gucke ich dann auch einen nichtjapanischen Film mit dir, denn ich bin flexibel und aufgeschlossen. 🙂 Ich finde es zwar schade, dass du trotz Vorliebe für DER WIDERLING immer diese Vorurteile mit rum schleppst, aber leider ist der japanische Film inzwischen ja wirklich wieder Nerdkram, was er nicht verdient hat. Vor 10 Jahren war es ja auch anders. Vll kann ich dir die Augen öffnen, auch wenn ich denke, dass es aussichtslos ist. 😛 Aber wie gesagt, bin ja nicht festgelegt.

  3. david on August 18th, 2013 at 13:51

    Also wenn Lutz nicht will, dann komme ich gerne mal zu einem Filmabend (gerne mit „nerdigem Japan-Zeug“) vorbei!
    Äh… wenn ich das so schreibe, klingt das irgendwie wie eine Drohung. Ist aber nicht so gemeint 😉

  4. Sano Cestnik on September 12th, 2013 at 09:34

    Interessant. Bei mir war es genau umgekehrt: Wähend mich Miikes Version von Graveyard of Honor auf einen verwirrenden emotionalen Trip zu schicken vermochte, hätte ich bei Fukasaku nebenher Wäsche aufhängen können, nur habe ich das nicht getan, weil ich dachte, dass da ja noch irgendwas kommen müsste, weil ich hoffte, dass bei der ganzen Normalität und Alltäglichkeit, irgendwo irgendwas im argen liegt. Und nicht nur, dass die Hauptfigur ein typischer Außenseiter und Grenzgänger ist. Bei Miike brachte Rikio sich selbst zum explodieren, bei Fukasaku war das für mich nur der generelle Nihilismus der 70er zu spüren. Bei Mikke Herzblut, bei Fukasaku Routine. Und formal fand ich Miikes Version sowieso wahnsinnig gut gemacht – für mich einer seiner besten Filme.

    Vielleicht sollten wir uns die zwei Filme mal zusammen ansehen, und uns gegenseitig die Faszination des jeweils anderen Werkes verständlich zu machen versuchen. Was du schreibst klingt sehr spannend – nur wären meine bisherigen Wertungen der zwei Werke, bei deinen Begrifflichkeiten verbleibend, genau umgekehrt ausgefallen.

  5. Robert on September 13th, 2013 at 10:49

    Er hat mir bei der ersten Sichtung auch nicht viel gegeben. Miikes Version auch nicht, aber den fand ich da noch gut. Bin wirklich nur wegen der Legendensache dran geblieben. Das fand ich wirklich faszinierend und je mehr ich ihn guckte, desto mehr war ich mir sicher, dass er nicht den generellen Nihilismus der 70er routiniert abspult, was ich zuerst auch so gesehen haben mag, sondern dass er ihn hier das erste Mal wirklich in eine Bildsprache überführen konnte. Wie er wirklich alles so überlädt und vollbaut, dass kein Platz zum atmen mehr ist. Ich bin inzwischen auch sicher, dass seine Bilder nach Größe schreien … wie Pollock-Bilder in kleinen Heften auch nicht so wirken, wie wenn ich dann vor diesen Brummern stehe. Und vll ist es wirklich ein Action-Painting, was er da macht. Er formuliert kaum aus und wirft einfach auf die Leinwand … was ich aber auch erst langsam so zu fühlen begann. Er hat für mich damit vll den konsequentesten Film des generellen Nihilismus der 70er 😉 gemacht … und vor allem auch den der mich am meisten in die Ecke drängt … Was seltsam ist, weil er mich vor 7 Jahren extrem kalt gelassen hat, wahrscheinlich weil ich durch die vielen ins Bild gepressten Ornamente draußen blieb. Aber inzwischen bin ich mitten in diesem Moshpit 😀

    Hatte eine ähnliche Diskussion auch erst auf moviepilot, wo mir nachdem ich Fukasakus Version bewertete genau die Miike-Version empfohlen bekam, aber schon zu diesem Zeitpunkt enttäuscht war. Überrascht mich immer wieder, aber dass dir der Miike besser gefällt, hätte ich mir fast denken können. Wie er die wichtigen Punkte durchformuliert (seinen Boss erschießt er, weil er die Hand im Kimono als Griff zur Pistole interpretierte, statt zum Geld, wie es wirklich war, weil er eben sich keine Nettigkeit ihm gegenüber vorstellen kann. Was auch gut vorbreitete war. Wie er seinen besten Freund jagd und töten möchte, weil er denkt er habe ihn verraten) Da wird alles so luftdicht erklärt, dass ich nur mit den blanken Handlungen … oder vielmehr mit den glanzlosen, für mich eklig melancholischen Bildern zurückgelassen war, was mir nichts gab. Aber das scheint eine von Miikes Strategien zu sein. Du solltest dir vll wirklich mal das HARA-KIRI-Remake von ihm ansehen. Da erklärt er sogar vorher alles, alle Gefühle, alle Entwicklungn und lässt einen dann die größten Teile des Films mit den Bildern und den Handlungen allein. Da ist nichts mehr. Nichts um mit zu spielen. Nichts um es zu fühlen. Ich glaube, dass gefällt dir sehr. Ich gucke da lieber SÁTÁNTANGÓ, da bleibt den Bildern noch etwas mysteriöses oder so verhaftet. Miike ist da viel kälter … oder einfach nur entspannter.

  6. Sano Cestnik on September 13th, 2013 at 13:05

    Das kann schon sein, dass ich mich da noch einarbeiten müsste. Mit Fukasaku habe ich generell meine Schwierigkeiten, und bin bisher noch mit keinem seiner Filme bei der ersten Sichtung warm geworden. Ich erinnere mich beispielsweise noch wie öde und schematisch ich Battle Royale bei der ersten Sichtung vor zig Jahren sah. Gottseidank hat mir dann irgendwann später (ich glaube kurz nach Fukasakus Tod, sozusagen als Hommage) irgendein slowenischer Filmliebhaber eine zufällige Zweitsichtung auf der Kinoleinwand ermöglicht, und ich war völlig baff und von allem überrollt, was ich beim ersten Sehen nicht gesehen hatte. Wahrnehmung is a bitch.

    Den Miike fand ich aber vor allem wegen seiner Bildsprache so brillant,und es war lange Zeit mein liebster Film von ihm (neben BIG BANG LOVE, JUVENILE A), bis ich letztes jahr in den Genuss von DEAD OR ALIVE kam. Sein HARA-KIRI Remake (allerdings nur in glanzlosem 2D) empfand ich als den ersten genuin nichtssagenden und völlig verschenkten Film von Miike, der mir bis dato unter die Augen gekommen war. Den würde ich mir nur noch in der 3D-Fassung noch einmal anschauen. Wie du schreibst, empfand auch ich ihn beinahe luftdicht abgeschlossen, in seinen Bildern eingesperrt, und in den Bildern selbst war nichts zu finden. Zumindest nichts was mich in irgendeiner Weise berührte. Nur noch ein leeres Ritual – vielleicht der (zynische) Bezug zum Titel?

    Tarr und das mysteriöse konnte ich bisher jedoch nicht zusammenbringen. Zumindest nicht in seinen bekannteren Filmen wie VERDAMMNIS, SATANSTANGO oder DIE WERCKMEISTERSCHEN HARMONIEN. Das war für mich nur luftdichte Konzeptfilmerei (beim SATANTANGO bin ich nach 3 Stunden auch gelangweilt aus dem Kino, um lieber die Sonne zu genießen und durch die Stadt zu spazieren). Lediglich bei THE MAN FROM LONDON ging das Konzept für mich auf, weil er da auch auf narrativer Ebene eine entsprechende (intensive und relevante) Geschichte zu präsentieren hatte. Den halte ich in der Tat für ein Meisterwerk, und durchaus mit dem Mysteriösen des Banalen durchsprenkelt. Miike erscheint mir allgemein in der Tat um ein vielfaches entspannter als Tarr, auch wenn diese Einstellung potentiell ohne die nötige Inspiration oder den Hunger auf einen Film in völliger Belanglosigkeit landen kann. Aber das ist mir immer noch lieber, als ein verkrampftes Auswringen der Leinwand, sprich: das Streben nach „Niederem“ (zum Beispiel Faulheit) erscheint mir erstrebenswerter als das Streben nach „Höherem“ (zum Beispiel Perfektion), und ich fühle mich in Filmen, die diese Distinktion von vornherein nicht machen (oder tendenziell vernachlässigen, z.B. Miike) generell wohler, als in Filmen die metaphysische Absichten verfolgen (z.B. Tarr). Ich denke, da kommen wir dann wieder zusammen (wenn ich jedoch die Wahl hätte mir in einem Kino entweder Miikes HARA-KIRI oder Tarrs WERCKMEISTERSCHE HARMONIEN anzusehen, würde ich vermutlich im Foyer sitzen bleiben und in einer mitgebrachten Filmzeitschrift blättern). 😉

Kommentar hinzufügen