Die neuen alten Visionen des Peter G.



Der in unserem Kreise der Mitblogger ja, wie kaum ein anderer Regisseur (außer vielleicht Godard) zum Zankapfel gewordene, von der Mehrheit von uns aber doch mehr oder weniger enthusiastisch gemochte Peter Greenaway scheut sich seit jeher nicht, seine persönliche Sicht auf das Medium Film als Kunstform in Interviews und Vortägen kund zu tun und stilisiert sich seit ca. 20 Jahren, darin stets zwischen Größenwahn und Selbstironie schwankend, zum visuellen Propheten eines „neuen“ Kinos des digitalen Zeitalters.

Seine rekurrenten Beteuerungen, dass das Kino tot sei, kann selbst ich als eingefleischter Fan des großen Maestro schon nicht mehr hören und zum Glück sträuben sich die besten Filme Greenaways gegen die rigiden Systematiken ihres saturnischen Schöpfers, was eigentlich auch in seinem Sinne ist, nur dass ihm dieser selbst manchmal zu entgleiten scheint vor lauter Abgesängen und Nekrologen auf das („alte“) Kino, dem er in seinen polemischeren Tiraden visuelles Analphabetentum bescheinigt.

Ob man diese und andere von Greenaways fixen Ideen wiederum bierernst nimmt und als ästhetischen Faschismus auslegt, oder analog zum Tenor seiner Filme als teils ironische, bewusste provokante Denkanstöße begreift, bleibt jedem selbst überlassen.

Hier seine neuesten Gedankenblasen, usrpünglich übers deutsche Fernsehen durch den Äther gepustet:

Und hier noch als Bonus der recht gut Greenaways bisherige Karriere resümmierende einleitende Beitrag aus Kulturzeit mit einem herrlich pathetischen Sprecher…

Dieser Beitrag wurde am Montag, Juni 22nd, 2009 in den Kategorien Alexander Schmidt, Blog, Blogautoren, Filmschaffende, Hinweise, Interviews veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

10 Antworten zu “Die neuen alten Visionen des Peter G.”

  1. Sano on Juni 22nd, 2009 at 17:46

    Ist schon ein drolliger Kommentar von Kulturzeit. 🙂
    Am besten gefallen hat mir der Ausspruch, (scheinbar aus Greenaways eigenem Mund entnommen) „Das Kino ist keine Spielwiese für Sharon Stone“ woraufhin der Kommentator noch einmal betont: „Seine Vision: Kino Total!“.
    Läuft parallel auch gut mit Greenaways Schlußbemerkung im Interview, daß er sich in einem seiner kommenden Projekte Sex und Religion auf pornographische Weise nähern möchte. Ich hatte das Gefühl, er kokettierte die ganze Zeit mit der Moderatorin, der alte Lüstling. Schon ein sehr lustiger Zeitgenosse.

    Kennst du zufällig eins der erwähnten 2 Tulse Luper Bücher oder 92 DVDs, Alex?

  2. Alexander Schmidt on Juni 22nd, 2009 at 19:36

    Leider kenne ich weder die Bücher noch die 92 DVDs, wobei es letztere glaube ich (noch) nicht gibt. Greenaway war schon bei seinen früheren Projekten immer ein wenig größenwahnsinnig, so dass man die meisten seiner Filme, Stücke, Projekte sozusagen als Ruinen seiner usprünglich immer noch umfassenderen und weitläufigeren Visionen sehen kann.
    Für das seit ca. 2002 laufende „Tulse Luper“-Gesamtkunstwerk hatte er auch 92 Opern geplant, von denen bisher immerhin eine, „The Children of Uranium“, inszeniert wurde. Es gibt auch eine mehr oder weniger interessante Website dazu: http://www.tulselupernetwork.com/basis.html

    Der Kommentator des Beitrags ist echt der Abschuss und ich glaube du hast recht, was Greenaways versteckte Avancen der Moderatorin gegenüber betrifft. Der laut Eigenaussage langsam impotent werdende legt ja auch eine äußerst belustigende Mimik an den Tag… *sich-an-bulesken-Details-erfreu*
    Vielleicht sollte er selbst mal in seinen (oder anderen Leute) Filmen mitspielen, wobei die Figur Phillip Emmenthal aus „8 1/2 Women“ ziemlich meinem Image von ihm entspricht.

    Sein neuester laut Ankündigung pornographischer Film wird übrigens „Goltzius and the Pelican Company“ heißen. Man darf gespannt sein, wobei ich fürchte, dass der wie sein Vorgänger gut, aber für seine Verhältnisse eher konventionell und zahm werden könnte. Vielleicht, weil er sowieso nicht mehr besonders an Kino interessiert ist und lieber als V-jay abdanced und sich in den neuen Medien kreativ austobt…

  3. Lukas on Juni 23rd, 2009 at 15:48

    dafür, dass Greenaway sich nicht mehr so richtig fürs Kino interessiert, dreht er aber doch eine ganze Menge. Laut imdb drei Langfilme (zT sehr lang) seit 2007…
    Da ich selber aus eher zufälligen Gründen bisher nur ältere Filme (bis einschließlich „The Baby of Macon“ – toller Film!) gesehen habe und da demnächst einmal etwas nachholen wollte: Was lohnt sich denn von den neueren Sachen besonders? Beziehungsweise, in welche Richtung geht das so ganz allgemein?

  4. Alexander Schmidt on Juni 23rd, 2009 at 17:06

    Ja, er macht schon noch Filme, aber laut eigener Aussage als Promotion für seine Multimediakunst… 🙂
    Wobei man das ja eh nicht alles ernst nehmen kann.

    Hast du zufällig „Prospero’s Books“ gesehen? Diesen „digitalen“ Frame-in-Frame-Look setzt er, wie ich finde gekonnt in „The Pillow Book“ ein. „8 1/2 Women“ find ich zwar auch recht gut, ist für Greenaway aber m. E. nach eher mau.

    Kommen wir zur „Tulse-Luper-Trilogie“… Nunja… Ich kann mich glaube ich immer noch nicht recht entscheiden, wie ich die finde. Die Ästhetik von „A TV Dante“, „Prospero’s Books“ und „The Pillow Book“ nochmal nen Schritt weitergetragen, gleichzeitig auch wieder weniger narrativ und mehr wie seine ganz frühen Sachen („The Falls“) und irgendwei faszinierend und nervtötend zugleich! Zumindest einen Teil sich mal anzuschaeun lohnt sich aber definitiv!!! Ich kann nur vom dritten wirklich abraten.

    „Nightwatching“ ist dann eher wieder ein Schritt in Richtung Mainstreamkino, gut, unterhaltsam, spannend: „The Draughtsman’s Contract“ meets „The Girl with the Pearl Earring“. Der Film ist tatsächlich eher ein Begleitprodukt einer Medieninstallation, die Greenaway unter Verwendung der originalen (!) „Nachtwache“ von Rembrandt im Rijksmuseum Amsterdam zu dessen 400. Geburtstag machen durfte. Mittlerweile haben ihn die Italiener glaube ich sogar schon an Da Vincis „Abendmahl“ gelassen. Gleichzeitig soll „Nightwatching“ laut Website von Greenaways Produzenten Kees Kasander der erste Film einer „Dutch Masters Series“ über niederländische Künstler sein, die er mit seinem neuen „Goltzius“-Projekt fortsetzt, dem über Sex und Religion. Hoffentlich gelingt ihm das so gut wie bei „The Baby of Macôn“!

    Ich persönlich warte ja immer noch sehnsüchtig auf den seit Jahren von ihm immer wieder verschobenen Film „Augsbergenfeld“ über Nekrophilie, den 30jährigen Krieg und die Suche eines Anatomen nach dem Sitz der menschlichen Seele im Körper…

  5. Christoph on Juni 23rd, 2009 at 19:17

    Gleichzeitig soll “Nightwatching” laut Website von Greenaways Produzenten Kees Kasander der erste Film einer “Dutch Masters Series” über niederländische Künstler sein, die er mit seinem neuen “Goltzius”-Projekt fortsetzt, dem über Sex und Religion. Hoffentlich gelingt ihm das so gut wie bei “The Baby of Macôn”!

    Oh mein Gott…

    Ich persönlich warte ja immer noch sehnsüchtig auf den seit Jahren von ihm immer wieder verschobenen Film “Augsbergenfeld” über Nekrophilie, den 30jährigen Krieg und die Suche eines Anatomen nach dem Sitz der menschlichen Seele im Körper…

    Himmel hilf!!! o_O

    Ich hab Angst.

    Wie hilflos wäre ich doch ohne meine Höhle…

  6. Alexander Schmidt on Juni 23rd, 2009 at 21:02

    😀

    Der Bär nölt…

    Ach Christoph, wann wirst du endlich dein Knie vor dem „Welsh-English Master“ beugen? 😉

    Aber warum verschwendest du deinen Eifer auf meine unwürdigen Fan-Ergüsse, statt deinen verbalen Speer dirket gegen die eloquenten Worte des obskuren Objekts deines Hasses zu richten? PG gibt dir in diesem Interview doch wahre Steilvorlagen für Polemik.

  7. Christoph on Juni 23rd, 2009 at 21:35

    Keine Lust (Aetsch!) da eher uninteressant (Du scheinst immer wieder zu vergessen, dass es nicht so sehr mein sporadischer Aerger ueber Greenaway denn mein schlichtes Desinteresse an seinem leidenschaftslosen Werk ist…) und vor allem keine technische Möglichkeit, das Interview zu hören. Dieser PC verbietet aufgrund seiner unguenstigen Positionierung (die ich nicht aendern kann), den Gebrauch von Kopfhörern und Boxen sind ebenfalls nicht vorhanden.

    Abgesehen davon ist Greenaway nicht arschig genug, zu gesetzt, understated und stiff. Ich glaube, dass noch eher Lars von Trier zu einem meiner Idole werden könnte, nachdem er den Kritiker-Schnöseln in Cannes so allerliebst den Kopf gewaschen hat. ANTICHRIST startet hier uebrigens offiziell schon am 24. 7. bei „Artificial Eye“ (d. h. bei einem der groessten Arthouse-Verleiher Englands), ich gehe davon aus, ihn dann in der ersten oder zweiten August-Woche im Kino bestaunen zu koennen, hoffentlich in der „protestantischen“ Fassung.8-)

  8. The Critic on Juni 24th, 2009 at 15:39

    „Wie hilflos wäre ich doch ohne meine Höhle…“

    Platons doch nicht etwa, mein angeketteter Freund?

    Just kidding. Stiffness kann man dem guten G. ohne weiteres attestieren, wobei imho die frühen Werke aus ästethischer Sicht Gewinn aus dieser Eigenschaft gezogen haben. Seit Baby von Macon, ach eigentlich schon seit Prosperos Büchern, schaue ich dem aber nicht mehr gerne zu, zu gespreizt und posierend kommen mir die Werke daher. Ändert aber nichts daran, daß ich alles davor immer noch ausnehmend gerne sehe.

    Wer will, kann sich mal Gedanken darum machen, warum die beiden großen G.s des europäischen Kinos die Zukunft desselbigen im Multimediageflimmer vermuten. Ich kann mir indes kaum vorstellen, daß der Mensch an diese Art der Informationsvermittlung adaptieren kann, rein unter biologischen Aspekten.

  9. Sam Spade on Juni 24th, 2009 at 18:59

    Lustig, Critic, an Platons Höhlengleichnis hatte ich beim lesen auch gleich gedacht. Liegt aber auch daran, daß ich mir demnächst Platon mal zum Lesen vornehmen will. Und an „Il conformista“ natürlich.
    Sehr richtige Bemerkung zum Multimediagefilmmere…

    Allgemein zu Greenaway: Genau wie Christoph kann ich das Interview nicht hören, im Moment zumindest nicht (was mehr mit meiner technischen Inkompetenz als irgend etwas anderem zu tun hat). Allerdings schätze ich das, was ich von ihm kenne, sehr – allerdings sind das auch nur drei Filme. „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ vermochte bei mir jedenfalls schon wegen des Stils zu punkten, „Der Bauch des Architekten“ gefiel mir ausgezeichnet, und „Der Kontrakt des Zeichners“ gehört ja sogar zum engsten Kreis meiner Lieblingsfilme. Allerdings habe ich andernorts auch schon die Meinung gehört, Greenaway sei in späterer Zeit zu einem arroganten Langweiler geworden. Ob was dran ist, werde ich demnächst wohl anhand der „Bettlektüre“ zumindest stichprobenartig überprüfen können…

  10. Lukas on Juni 24th, 2009 at 23:24

    da habe ich einiges nachzuholen. Greenaways konsequenter Antirealismus ist ja im gegenwärtigen Festivalbetrieb in jedem Fall eine interessante Position…

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