14. Hofbauer-Kongress, Aufriss #8
„Jedes Jahr kam sie und verbrachte mit ihrer Mutter den Sommer bei uns. Bei Tage tat ich alles, um ihr aus dem Weg zu gehen. Ich hielt mich ihr gegenüber stets bedeckt. Doch Abends, wenn sie nach oben ging, in ihr Schlafzimmer, stand ich oft vor ihrer Tür und stellte mir vor, wie sie dahinter in ihrem Bett lag…“, entsinnt sich schwermütig Marco, einer der Protagonisten von WO, WANN, MIT WEM? (Antonio Pietrangeli, Valerio Zurlini, 1969). Melancholisch und mit rumorender Hose gedenkt er jener Tage, als er von der Kindheit hinüber in die Adoleszenz trübte und erste zarte Knospen des Begehrens ihn umschwirrten und verwirrten. Nun, 40 Jahre und kein bisschen weise, jagt er ihnen immer noch nach, den seltsamen Schatten der ersten Lust, die durch sein Leben und die feudale Villa seiner Eltern geistern.
Jene Trutzburg des Verzichts bewohnt er mit seiner schönen Gattin Paola, doch seit sich in Marcos Kopf der süße Vogel der verflüchtigten Jugend niedergelassen hat, leidet das gutbetuchte Miteinander unübersehbar an Erschlaffungen und erotischer Konzentrationsschwäche. All das ändert sich, als Alberto, ein Jugendfreund von Marco, nach Jahren im argentinischen Exil nach Turin zurückkehrt und sich verständnisvoll Paolas Sorgen annimmt.
„In COME, QUANDO, PERCHÉ? ist das allseitige Fremdgehen längst zum Gesellschaftsspiel geworden, bei dem sich alle langweilen und keine größere Katastrophe vorstellbar ist als die wahre Liebe. (…) Die italienische Post-Boom-Besserschicht in ihrer ganzen gespreizten Schönheit und Selbstverliebtheit: überfordert von den Anstrengungen einer moderaten Libertinage, gefangen in den Konformismen ihrer Klasse, kosmopolitisch im Habitus, doch fast rührend provinziell in ihren Träumen. Ein buntes Werk über eine gräuliche Welt, dessen Milde und Geduld mit den Eitelkeiten der Menschen etwas zutiefst Trauriges hat.“ (Olaf Möller)
„Wo, wann, warum?“, wie der Originaltitel korrekt übersetzt lauten würde, ist erzwungenermaßen das Vermächtnis von Antonio Pietrangeli geworden, der sich mit vielen HK-affinen Komödien um die Nöte des Trieblebens wie DER JUNGGESELLE (1955) oder DER GROSSE HAHNREI (1964), aber auch mit empathischen, an den weichen Kern des Kommandos appelierenden Sittengemälden wie DAS MÄDCHEN AUS PARMA (1963) und ADUA UND IHRE GEFÄHRTINNEN (1960) sowie seinem monolithischen Meisterwerk um die Not des Seins, ICH HABE SIE GUT GEKANNT (1965), einen Platz im HK-Kosmos erobert hat. Im Alter von nur 49 Jahren verunglückte er am letzten Drehtag von WO, WANN, MIT WEM, der Film wurde von seinem Freund Valerio Zurlini fertiggestellt. Heute ist er, wie beinahe die gesamte Filmographie von Antonio Pietrangeli, der Vergessenheit und Unsichtbarkeit anheim gefallen. Wer ihn sucht, wird nicht einmal in den Weiten des sonst so gebefreudigen Internets fündig – der Film scheint vom Erdboden verschluckt. Umso größer war unsere Freude, als uns eine gute Macht im Frühling dieses Jahres eine ungespielte deutsche 35mm-Kopie in die Arme trieb, die der Vernichtung des ehemaligen Filmbestands der Columbia-Bavaria unversehrt entgangen ist und die wir am Sonntag, den 04.01. um 20 Uhr gemeinsam mit euch im Filmhauskino entjungfern werden. Obwohl sich die Kopie zwar ihre Unschuld über die Jahrzehnte bewahren konnte, haben sich ihre einst sicherlich strahlenden Eastmancolor-Farben inzwischen weitgehend verabschiedet – das soll angesichts der seltenen Gelegenheit, den Film überhaupt sehen zu können, die Freude allerdings gewiß nicht schmälern. Kommt also am 04.01., und vielleicht werdet ihr erfahren wo, wann und warum.
Kommentar hinzufügen