13. Hofbauer-Kongress, Aufriss #12





Einen Film, der „die Tür zu den verbotenen Leidenschaften und verborgenen Wünschen öffnet“, werde man sehen, das versprach dem frisch sensualisierten deutschen Kinopublikum des Jahres 1968 die Verleihwerbung der „Neue Fortuna Film Holger Nocke“.
Wie Kenner des Werks von Erotik-Pionier Joseph W. Sarno (1921 – 2010) bestätigen werden, eine nicht einmal unpassende, sondern beinahe kongeniale Tagline. Ungeheure Gefühle, erzwungenermaßen heimlich hinter Hosenställen und Miederwaren köchelnd, die sich irgendwann unweigerlich und gegen alle gesellschaftlich bedingten Hemmungen und Bedenken ihren Weg an die erogene Oberfläche stoßen, waren stets Sarnos großes Thema, dem er meist erstaunlich ehrlich unter Verzicht auf Kolportage und albernen Schnickschnack mit empathisch genießendem und stilbewusstem Kameraauge nachfühlte. Um nur einige der zahlreichen psychosexuellen Verhaltensforschungsarbeiten zu nennen, die Sarno in jenen Tagen fertigte: SIN IN THE SUBURBS (1964), NACKT FÜR EINE NACHT (1965), GRÜNE WITWEN – BILLIG ZU HABEN (1966), PORNOSPIELE MIT STOCK UND PEITSCHE (1967), VERDAMMT ZUR LUST (1967), MY BODY HUNGERS (1967), INGA – ICH HABE LUST (1967), KATJA – ALLE BRAUCHEN LIEBE (1968), MICH WILL JEDER (1968), ALL THE SINS OF SODOM (1968), DIE LIEBESORGEL (1968), PASSION IN HOT HOLLOWS (1969) oder natürlich auch der ewig gehandelte und dann doch nie gezeigte Kongress-Wunschfilm REITET DAS ROSAROTE PFERDCHEN (1967), den wir jedoch ganz bestimmt irgendwann auch noch vor euren liebesbedürftigen Augen ausbreiten werden.

Einer jener frühen Sarno-Filme hat uns nicht mehr losgelassen, seit wir im Zuge unseres 10. Jubiläums-Filmkongresses im Juli 2013 den deutschen Original-Kinotrailer (s. o.) zu Gesicht und zu Ohr bekommen hatten: DAS STRANDHAUS (Deep Inside, 1968). Weltweit scheinen nur noch zwei Kopien dieses Films zu existieren, und eingedenk der Aussicht, dass wir im Juli in den Genuss der ganzen schwarzweißen 35mm-Pracht einer dieser beiden Kopien kommen werden, wird uns schon jetzt ganz andächtig zumute. Wie mehrere andere (teils oben genannte) Frühwerke Sarnos galt der Film lange Zeit als gänzlich verschollen, und gilt es in den Staaten immer noch. Daher versteht es sich von selbst, dass auch wir vorab keine Gelegenheit haben werden, die Vorzüge zu ertasten, die sich „deep inside“ in diesem Film verbergen und gewiß nur darauf warten, ihrem rosigen, warmen Grund von euren hungrigen Augen entrissen zu werden – doch der katholische Filmdienst (im Folgenden „Onkel Fürchtegott“) steht uns treu zur Seite, der Herr vergelt’s.

Von einer gutsituierten Dame berichtet er, die alljährlich zur Sommerzeit ehemalige Schulfreundinnen samt Männern oder Liebhabern in ihr Strandhaus einlädt, um deren Orgien als Voyeurin beiwohnen und so ihrem eigenen, frigide-verzichtvollen Dasein ein kleines Scherflein Glück angedeihen zu lassen, „auf daß die Holzhütte zu einem schwülen Lustschloß werde“. Für derlei doch nur allzu elementare menschliche Bedürfnisse hatte Onkel Fürchtegott freilich noch nie Verständnis: „Unter ihren Freunden und Freundinnen findet sich dann alles ein, was der abartigen Liebe frönen will: Ehebrecher, Lesbierinnen, Nymphomaninnen. Man geht zu dritt und zu viert ins Bett, und sollte die Kamera auch einmal den Gewitterwolken und aufgeschreckten Möwen nachjagen, eine Liegestatt ist im Haus immer besetzt.“
Doch ob besetzt oder nicht besetzt, ob artig oder abartig – inmitten von solch libertinärem Treiben lassen sich auch Eifersucht und Obsessionen nicht zweimal bitten, sodass sich schließlich sogar die Schwingen des Todes über das Strandhaus zu legen drohen. Dass auch dies Onkel Fürchtegott nicht versöhnlicher zu stimmen vermochte, nehmen wir dankend als Indikator dafür, dass es schon nicht zum Äußersten kommen wird: „Wollen wir ins Bett gehen? – diese Frage der ersten Szene erscheint als Kernsatz des ganzen „Drehbuchs“ immer wieder, wobei gar nicht erst das Interesse des Publikums an den verschiedenen abartigen Typen und deren Problemen geweckt wird. Wichtig ist dem Filmchen die Entkleidung, der Akt, die Pornographie.“

Da wir nur äußerlich schmierig, aber innerlich unschuldig sind, glauben wir an das Gute in der Pornographie und weigern uns, diesem vernichtenden Urteil Glauben zu schenken, zumindest, solange wir uns nicht am 27. Juli um 21:30 im Filmhauskino davon überzeugt haben, ob es (hier) denn tatsächlich noch Wichtigeres gibt als Entkleidung, Akt und Pornographie und ob es denn nun wirklich so schade wäre, wenn Onkel Fürchtegott recht behielte. Versündigt euch nicht, indem ihr diese kostbare Vorführung versäumt – noch ist die Zukunft dieser letzten, überlieferten deutschen Kinokopie nämlich mehr als vage, und wie stets bei uns gilt: Lieber vorher freuen als hinterher Trübsal blasen!


Strandhaus1

Strandhaus2

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, Juni 25th, 2014 in den Kategorien Blog, Das Hofbauer-Kommando, Festivals, Hinweise veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

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