Zukunft braucht Herkunft – Nippon Connection 2015 (Teil 1 von X)



Nippon Connection 2015

Einmal R/retro, immer R/retro? Diese Frage stellt sich jedes Jahr auf’s Neue im Vorfeld wie im Verlauf vieler Festivals, die sich neben einer stichprobenartigen Überblicksschau über das aktuelle Filmgeschehen in einem Land, einem Kulturraum oder gar der ganzen Welt die Bewahrung und das ‚Lebendighalten‘ des/eines Filmerbes auf die Fahnen geschrieben haben. Mag der Fokus dabei auf das Oeuvre eines ‚Auteurs‘ gerichtet sein, auf den (hetero- oder homogenen) ‚Output‘ eines Produktionsstudios oder auf einzelne Filme, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt oder über größere Zeiträume hinweg auf unterschiedlichste Weise mit einem bestimmten historischen Ereignis auseinandersetzen, usw. Wie dem auch sei: entscheidet man sich weitgehend konsequent dafür, der von (im Idealfall) kundigen Kuratoren ausgelegten Spur in die Vergangenheit (im – leider immer seltener werdenden – Idealfall anhand des Original-Trägermaterials, für das bzw. auf dem diese Werke konzipiert und gedreht wurden, sei dies nun 8, 16, 35 oder 70mm breites Filmmaterial oder ein analoges oder digitales Videoformat) zu folgen, so bleibt einem in der Regel der andernorts auf dem Festival dargebotene Einblick in das gegenwärtige Filmschaffen weitgehend verwehrt. Vor allem wenn die jeweiligen Spielstätten weit mehr als einen Steinwurf voneinander entfernt liegen und/oder die jeweiligen Zeitlinien sich (mathematisch formuliert) lediglich durch eine Verschiebung aufeinander abbilden lassen, d.h. sich die einzelnen Filmaufführungen, die ‚Timeslots‘ nicht ohne Verlust austauschen oder überbrücken lassen – wenn deren jeweilige Länge überhaupt eine solche Kongruenzabbildung zulassen. Auf eine Formel gebracht ließe sich das Verhältnis in diesem Fall in etwa so darstellen:

formel

Wobei A0, also… äh, wobei… wir diesen pseudowissenschaftlichen Schmarrn ganz schnell hinter uns lassen sollten, der lediglich eine arg komplizierte und bewusst verwirrende Erklärung dafür liefern sollte, warum der Autor dieser Zeilen sich außerstande fühlt, hier so etwas wie eine (verspätete) Bilanz der letzten Nippon Connection in Frankfurt am Main zu leisten. Hatte dieser sich doch frühzeitig dazu entschlossen, sein Augenmerk vor allem auf die Filme des in seinem Heimatland eminent einflussreichen aber hier in Europa bis heute nicht wirklich bekannt gewordenen Shinji SOMAI zu richten, weshalb hier nur ein paar kurze, vage Notizen zu den wenigen darüber hinaus gesehenen Filmen vorausgeschickt werden sollen.

Nippon Cinema

FIRES ON THE PLAIN (Nobi | 2014)

Die Erfüllung eines Herzenswunsches: Tsukamatos Neuverfilmung des autobiographisch gefärbten Romans Nobi von Shōhei ŌOKA, 1951 in Tokio publiziert, 1959 von Kon ICHIKAWA eindrücklich verfilmt. Bereits Ichikawas kongeniale Umsetzung der Erlebnisse des japanischen Gefreiten Tamura auf der philippinischen Insel Leyte gegen Ende des zweiten Weltkriegs geriet damals schnell in Kritik ob ihrer schonungslosen Darstellung der Kriegsgräuel, der unpathetischen Schilderung des körperlichen wie moralischen Zerfalls der letzten Überlebenden der Kaiserlich Japanischen Armee, die ohne Hoffnung auf Nahrungs- und Munitionsnachschub in der pazifischen Wildnis ums nackte Überleben kämpfen. Wie ein Betrunkener (so der japanische Filmkritiker Tadao SATO an anderer Stelle) taumelt der tuberkulosekranke Tamura wie in einem pervertierten Bildungsroman von Station zu Station, von einem Erlebnis zum anderen, von einem Höllenkreis zum nächsten. Der Verweis auf Dante erscheint zumindest in Bezug auf den Tamura in Ōokas Roman nicht allzu abwegig, in dem die Auslotung menschlicher Abgründe durch den christlichen Blickwinkel des Protagonisten geprägt erscheint, der trotz allem die Hoffnung auf Besserung, auf eine Läuterung der Menschheit nicht aufgibt. In Ichikawas Umsetzung bleibt davon wenig übrig, dessen Tamura allenfalls für einen utopischen Moment auf die ‚Gnade‘ der einheimischen Bevölkerung hoffen kann, wenn er sich am Ende unbewaffnet einer Feuerstelle nähert, um endlich wieder Menschen zu sehen, die ein ’normales‘ Leben führen – auch wenn der Eindruck ihn täuschen, dies womöglich seinen Tod bedeuten sollte.

Wenn Ichikawas FIRES ON THE PLAIN der Film eines ‚Realisten‘ ist, der unsentimental, wie ein Entomologe auf Vertreter der Spezies Mensch in Extremsituationen blickt, so ist Tsukamotos Film der eines ‚Hyper-Realisten‘ respektive eines ‚Exzentrikers‘ – zumindest in ästhetisch-formaler Hinsicht. Hier folgt die hektisch bewegte Handkamera dem auf krank geschminkten Tsukamoto als Tamura auf seiner hastig geschnittenen Reise ins Herz der Finsternis, hält ungerührt drauf, wenn Gewehrfeuer und Explosionen die Leiber zerfetzen oder Maden die den Weg säumenden menschlichen Überreste verspeisen… Tsukamotos Version entpuppt sich dabei weniger als originalgetreue Literaturadaption denn als inhaltlich sehr genaues Remake des Vorgängerfilms: von der Einstiegsszene, in der Tamura wiederholt gemaßregelt wird, da er sich vom Lazarettarzt ungeheilt hat abweisen lassen, bis zum Ende, als er in die Gesellschaft zweier paranoider Kameraden gerät, die sich gegenseitig das Überleben sichern und dennoch zutiefst misstrauen. Tsukamotos Epilog, der Tamura (welcher sich zuvor in einem Dialog bereits als Schriftsteller ‚geoutet‘ hatte) Jahre später bei der Niederschrift seiner Erinnerungen zeigt, orientiert sich dabei mehr an Ōokas Roman (wo sich der Gefreite im Hospital an das Geschilderte erinnert) als an Ichikawas Ende (siehe oben), bleibt dabei jedoch frei von jeglicher Reflexion über Schuld, Sühne oder gar Vergebung. Tamura erscheint hier als ein auf immer von den Erlebnissen Gezeichneter, der den Menschen im rohen Naturzustand gesehen hat: kein von unschuldigen Engeln bevölkertes Paradies, sondern ein Hobbes’scher Kampf aller gegen alle. Der Deckmantel von Zivilisation und Gesellschaft vermag seinen Augen die Bestie Mensch nicht länger zu verbergen.

Die unnatürliche Farbigkeit der digitalen Bilder von Tsukamotos FIRES ON THE PLAIN verleiht diesen eine gewöhnungsbedürftige Künstlichkeit, sowohl der wild wuchernden Natur als auch den stark geschminkten Darstellern; was zwar einerseits einer realistischen Darstellung (wohl sowieso ein Ding der Unmöglichkeit) des Krieges zuwiderzulaufen scheint, andererseits den Alptraumcharakter von Tamuras Erlebnissen eigentümlich unterstreicht. Tsukamotos Wille, das Grauen des Krieges in aller Deutlichkeit auszumalen zeigt sich vor allem beim Action-Höhepunkt, wenn die japanischen Soldaten beim nächtlichen Versuch, sich unbemerkt von den Augen des Feindes zum Stützpunkt Palompon durchzuschlagen, von diesem gnadenlos niedergemäht werden (ob von amerikanischen Soldaten oder philippinischen Guerilla-Kämpfern bleibt unklar, da dieser Feind weitgehend gesichtslos bleibt – oder eben der vermeintliche Freund und Kamerad sich als solcher entpuppt). Doch schlägt der Cyberpunk-Veteran hier m.E. zu weit über die Stränge, nutzt all seine Versiertheit im Umgang mit Effekten, Kamera und Montage, sodass sich das infernalische Gemetzel in Zeitlupe (eine zumindest zeitweilige Suspendierung der moralischen Empfindsamkeit vorausgesetzt) durchaus als Splatter-Spektakel, als rauschhaftes Grand-Guignol ‚goutieren‘ lässt. Das ist effektreiches Affektkino, in dem für Reflexion oder historische Hintergründe nicht viel Platz bleibt. In dieser Hinsicht war (um nur ein Beispiel zu nennen) ein Film wie Kinji FUKASAKUs ebenso kluger wie kritischer UNTER DEM BANNER DER AUFGEHENDEN SONNE (Gunki hatameku motoni, 1972) bereits wesentlich weiter, in dem sich fast alle zentralen Motive/Szenen aus FIRES ON THE PLAIN wiederfinden und in dem eine Kriegswitwe die wahren Umstände zu ergründen sucht, die zur Exekution ihres Mannes (der zuvor offiziell nur als ‚verschollen‘ galt) unmittelbar vor Kriegsende geführt hatten. Dabei stößt sie allerorts auf Verschleierungen, Bigotterie, Lügen und Selbstbetrug – egal ob bei offiziellen Stellen oder ehemaligen Kameraden.

Doch wäre es sicher falsch, von Tsukamotos Film eine ähnlich reflektierte Auseinandersetzung zu erwarten, will er doch zuallererst schockieren oder, positiver formuliert: nachhaltig erschüttern. Ob dies seinem FIRES ON THE PLAIN, um dessen Finanzierung er lange bangen musste, gelingen wird, bleibt angesichts der ‚medialen Abgebrühtheit‘ der heutigen jüngeren Kinogeher (die den Krieg nicht mehr aus eigener Anschauung kennen und die Tsukamoto wohl darüber aufklären will) jedoch fraglich; wird diesen im Netz via Mausklick doch (fast) alles Vor- wie Unvorstellbare (vom sodomitischen Liebesspiel bis zur realen Enthauptung) in ‚High Definition‘ dargeboten. So bleibt ein Film, der seinen 55 Jahre älteren Vorgänger allenfalls in Drastik und Dynamik übertrifft. Was doch ein bisschen wenig ist.

SEVEN WEEKS (No no nanananoka | 2014)

Ein klein wenig enttäuschend auch der neueste Streich von Kultregisseur Nobuhiko OBAYASHI (Jahrgang 1938, sein Aberwitz von Film HAUSU von 1977 hat vor ein paar Jahren die Criterion-Weihen erhalten). Dieser erzählt in SEVEN WEEKS von einer großen, den Tod (qua Wiedergeburt) überdauernden Liebe. Aber u.a. auch von den Gefahren der Atomkraft. Oder davon, dass der Krieg in Japan keinesfalls mit der kaiserlichen Kapitulationserklärung am 15. August 1945 endete – zumindest nicht in allen Ecken und Winkeln des Landes, etc. Ähnlich vielschichtig hatte Obayashi zuletzt in CASTING BLOSSOMS TO THE SKY (Kono sora no hana: Nagaoka hanabi monogatari, 2012) Realität und Fiktion, das Kleine mit dem Großen, Vergangenheit und Gegenwart sowie Lokal- mit National- und Weltgeschichte verwoben (er selbst nennt dies „filmische Essays“) und u.a. die geplanten Atombombenabwurfe auf Niigata und Kokura und die weitgehende Zerstörung der Kleinstadt Nagaoka durch amerikanische Napalmbomben kurz vor Kriegsende thematisiert – und damit ein Stückweit wieder ins (inter)nationale Gedächtnis gebracht. Doch was ihm dort auf faszinierende Weise über die Spiellänge von 160 Minuten gelang, gerät auf weitere elf Minuten gedehnt im neuen Werk etwas zäh.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: SEVEN WEEKS lässt in seiner (formalen) Verspieltheit und (inhaltlichen) Komplexität aber auch (thematischen) Ernsthaftigkeit die Werke vieler Jungregisseure ziemlich alt aussehen. Wenn sich Obayashi aber gute zwei dialoglastige Stunden Zeit lässt, um nach diversen Umwegen ausführlich die entscheidende, mehrere Figuren verbindende Vorgeschichte zu erzählen droht dem/der einen oder anderen Zuschauer/in (mich eingeschlossen) doch unterwegs die Puste auszugehen – vor allem wenn ihm/ihr die musikalische Verklammerung durch das zentrale musikalische Motiv, (scheinbar) on screen vorgetragen von den Pascals, bereits etwas an den Nerven zehrt. Wer sich jedoch an der bewussten Künstlichkeit von Mise en Scène, Bildgestaltung und Dialogen (nicht unähnlich den späten Resnais-Filmen) nicht stört und einen Hauch von Kitsch und Rührseligkeit nicht scheut, wird mit einem Füllhorn von visuellen Einfällen, anregenden Denkimpulsen und historischen Details belohnt.

KABUKICHO LOVE HOTEL (Sayonara Kabukicho | 2014)

Weniger belohnt fühlte ich mich nach dem Besuch von KABUKICHO LOVE HOTEL von Ryuichi HIROKI, auch kein Unbekannter, auch nicht mehr der Allerjüngste. Das mag einerseits an der arg konstruierten Story seines episodisch erzählten Films liegen, andererseits an den hölzernen Dialogen. Oder auch an der überraschenden Bigotterie des Ganzen, wird die scheinbare Offenheit und Verspieltheit im Umgang mit Schauplatz und Thema doch konterkariert durch eine seltsam moralinsaure Darstellung von Sexualität in ihren unterschiedlichsten Formen und Konstellationen, vor denen der Protagonist (gespielt von Senkrechtstarter Shota SOMETANI) schließlich angewidert Reißaus nehmen und dem Sündenpfuhl Großstadt den Rücken kehren wird (wie der Original-Titel bereits andeutet), um in die Provinz zurückzukehren. Andere Figuren werden es ihm gleichtun, eine davor sogar noch einen Heiratsantrag bekommen – nachdem sie zuvor wortwörtlich von ihren ‚Sünden‘ reingewaschen wurde. Was doch etwas verblüfft, ja irritiert, wenn man an die Anfänge Hirokis als Regieassistent bei diversen Pink Filmen denkt oder den viel weniger verkrampften Umgang damit in früheren Filmen. Von den vielen Figuren, die das Schicksal (=das Drehbuch) im Liebeshotel des Titels zusammenführt, konnte lediglich das Verbrecherpärchen auf der Flucht, das bangend den Tag der Verjährung der begangenen Tat herbeisehnt, meine Sympathie gewinnen. Gemäß dem Motto „Wenn man wenig Gutes über einen Film sagen kann…“ nun aber weiter im Text mit der nächsten Reihe, auch nur ein paar, nicht unbedingt repräsentative Titel.

Nippon Visions

CHIGASAKI STORY (Sanpaku yokka, goji no kane | 2014)

Weitaus sympathischer CHIGASAKI STORY (2014), für den sich Regisseur Takuya MISAWA mit dem Chigasaki Inn zwar jene altehrwürdige Stätte als Schauplatz ausgewählt hat, in dem schon der legendäre Yasujiro OZU einige seiner Drehbücher verfasst hat (wobei natürlich auch reichlich Sake geflossen ist). Im anschließenden Gespräch gab der junge Mann sich allerdings als großer Verehrer des Werks eines anderes Künstlers aus einem ganz anderen Kulturkreis zu erkennen: Woody Allen. Was rückblickend angesichts der diversen amourösen Wirrungen und Verwirrungen, die den Plot seines Debütfilms ausmachen, durchaus Sinn ergibt: Hier finden sich in eben jener historischen Herberge eine überschaubare Zahl von jungen Gästen ein, um zusammen die Hochzeit von Risa (Natsuko HORI) vorzubereiten und zu begehen. Doch die Liebe fällt bei dieser Zusammenkunft keinesfalls dahin, wo sie Vernunft und Logik gemäß eigentlich hinfallen sollte. Selbst die Braut gibt sich einen Tag vor ihrer Vermählung den Avancen eines älteren Mannes hin (für den wiederum ein weiblicher Gast seit Jahren schwärmt). Das Ende hält für die einen zwangsläufig Ernüchterung oder Enttäuschung, für die anderen eine (womöglich) glückliche Zukunft, für wieder andere zumindest die Hoffnung auf eine solche bereit. Das ganz große Drama wäre in diesem (weitgehend) unbeschwerten Sommerfilm auch fehl am Platze gewesen.

JAPAN MEETS KOREA

Ebenfalls sehr sympathisch auf ihre Art: die beiden mittellangen Filme unter dem Banner „Japan Meets Korea“: KIM (Fuzakerunjaneyo, 2014, 41Min.) von Shunpei SHIMIZU und BRAKEMODE (2014, 53Min.) von Paul Young, beide von 2014. In ersterem hadert der Titelheld mit seiner sozialen Stellung als Angehöriger der koreanischen Minderheit in Japan. Die dafür gebräuchliche Bezeichnung ‚Zainichi‘ kommt für ihn einer Stigmatisierung, der Zusammenhalt unter den Exilanten einer Ghettoisierung gleich. Doch der offene politische Kampf ist seine Sache nicht: nachdem ihm eine Verletzung das Boxen nicht mehr erlaubt (eine für Zainichi nicht unübliche Freizeit- bzw. professionelle Beschäftigung, gelten diese doch als den Einheimischen körperlich überlegen), gibt er sich dem Alkohol hin und häuft Wettschulden an. Lediglich die Stelldicheins mit einer verheirateten Prostituierten sorgen für Abwechslung und Zerstreuung. Ob sie im käuflichen Sex die Nähe oder gar Liebe sucht, die ihr ihr gewalttätiger Ehemann (ein eigentlich unscheinbarer Wicht, der offenbar seinen Alltagsfrust an ihr auslässt, Macht ausüben will, wenn auch nur – gesellschaftlich sanktioniert – in den eigenen vier Wänden) verweigert oder finanzielle Mittel für ihre Flucht, bleibt unklar. Großer Pluspunkt des Films: Hauptdarsteller Jeong-Yun KIM, ein langjähriger Freund des Regisseurs und dessen Lebenslauf eine wesentliche Inspirationsquelle.

BRAKEMODE von Paul Young erzählt die Geschichte einer von Anfang an zum Scheitern verurteilten Kampagne in Sachen Völkerverständigung: ein der Kooperation zwischen einem japanischen und einem koreanischen Autohersteller entsprungener Prototyp soll werbewirksam der Öffentlichkeit beider (sich so naher und doch so fremder) Länder präsentiert werden. Jedoch ist in den Chefetagen beider Konzerne keiner wirklich von der Idee überzeugt, zudem wird der Ausstellungswagen kurz vor der Präsentation von einem alten Kauz geklaut. Wenn auch die erhoffte Verständigung im großen Maßstab zwangsläufig misslingen oder zumindest auf später verschoben werden muss, so gelingt die Annäherung zumindest im Kleinen, wenn sich eine Angestellte des koreanischen Autobauers mit dem angereisten Vertreter der Japaner zusammenraufen muss, um den Wagen wiederzubekommen. Höhepunkt: eine spontan improvisierte Gesangsnummer des jungen Japaners vor einer Gruppe gelangweilter koreanischer Marktfrauen (die natürlich kein Wort seines Gejammers verstehen, wohl auch besser so).

Nippon Animation

SHINSENGUMI (2000)

Ein klarer Höhepunkt des Festivals (auch wenn ich, wie gesagt, wenig gesehen und noch weniger vom restlichen Trubel mitbekommen habe): die internationale Kinopremiere von Kon ICHIKAWAs Animationsfilm SHINSENGUMI, einer TV- Produktion aus dem Jahr 2000. Ichikawa begann seine Karriere in den 1930er Jahren als Trickfilmzeichner im J.O Studio in Kyoto, sein erster eigener (Puppentrick-)Film A GIRL AT DOJO TEMPLE (Musume Dojoji) von 1945 galt lange als verschollen, ist mittlerweile aber in der Cinémathèque Française archiviert und gar auf youtube gelandet:

Obwohl dann später (nachdem die Animationsabteilung des Studios geschlossen und dieses dann Teil der Toho Film Company geworden war) mit den Realfilmen der weltweite Erfolg kam, kehrte er nichtsdestotrotz immer mal wieder, wenn sich die Gelegenheit bot, zur Animation in verschiedensten Formen zurück (eines der bizarrsten Beispiele sicherlich der Hybridfilm TOPO GIGIOS KRIEG AUF KNOPFDRUCK von 1967 mit einem italienischen Puppenstar in der Hauptrolle, der noch zwanzig Jahre später seine eigene Anime-Serie bekam).

In SHINSENGUMI erzählt Ichikawa von Aufstieg und Fall der gleichnamigen letzten Smaurai-Miliz der Edo-Zeit, die bis Ende der 1860er Jahre aktiv war. Für die genauen historischen Hintergründe und Zusammenhänge ist hier kein Platz, wer mag kann sich in der entsprechenden Literatur oder auch – für den Anfang – auf wikipedia schlau machen. Seit den 1920er Jahren jedenfalls widmete sich eine Vielzahl von Romanen, Filmen und TV-Serien, Mangas und Computerspielen den Geschichten und Legenden um Isami Kondo, Toshizo Hijikata and Keisuke Yamanami und die anderen Kommandanten der Schutztruppe und deren Gefolgsmänner. Das Besondere an Ichikawas Version: die Technik! Hier bilden keine Folien oder Gliederpuppen die Grundlage der Animation, sondern Figuren und Objekte aus Karton, die mit Stäben vor dem Objektiv bewegt werden (die Japaner nennen diese an das klassische Papiertheater kamishibai angelehnte Technik tachi-e). Mithilfe von Kameraoperationen, Montage, delikatem Licht und Schattenspiel, Stimmen, Musik, Geräuschen und Spritzern künstlichen Bluts entsteht ein lebendiges Geschehen, das keinen Moment die (nur rudimentär angedeutete) dritte Dimension vermissen lässt. Mangels offiziellen Materials hier ein kurzer Mitschnitt zu wissenschaftlichen Studienzwecken:

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Nippon Retro

Nun aber zur Retro, zum im Japan immens einflussreichen Schaffen von Meister Somai, dargereicht unter dem Motto „Luminous and Vibrant“, leuchtend und pulsierend… aber halt: schon so viel Text? Wollte doch nur kurz… Hm, dann verschieben wir das wohl besser… wer will schon soviel am Stück lesen, hier, am Bildschirm… also ich bestimmt nicht. Nun denn: Fortsetzung folgt! Bald… irgendwann… vielleicht… Könnt ja solange im (alten oder neuen, je nach Abrufsdatum) Programm stöbern, um zu sehen, was sonst noch so lief, oder nächstes Jahr läuft, und zwar hier.

Dieser Beitrag wurde am Montag, Juli 13th, 2015 in den Kategorien Aktuelles Kino, Ältere Texte, Blog, Blogautoren, Christian Moises, Essays, Festivals, Filmbesprechungen veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

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