Geborgte Filme – endlich gesehen! #1: Großangriff der Zombies (1980)

Vorwort: 

Wer kennt das nicht: Da ist man bei einem Freund zu Besuch, oft filmbegeistert wie man selbst, und man kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Filme über Filme, alles will man sehen, und dann wird gebettelt: „Den muss ich uuunbedingt sehen… bitte, bitte, bitte… kriegst ihn auch bald wieder zurück…“. Die meisten Freunde sind leichtgläubig (deshalb sind sie wahrscheinlich auch Freunde), und schon ist es geschehen. Man nimmt den/die Film(e) mit nach Hause und dann? Exakt. Sie verstauben für Monate in der Ecke. Nicht dass man sie nicht sehen wollen würde. Aber man muß gerade ins Kino, dann läuft noch eben was im Fernsehen, und die ganzen anderen geliehenen Sachen müssen ja auch noch irgendwann gesichtet werden. Schließlich gibt es nicht nur Freunde, sondern auch naive Bekannte, Videotheken, Büchereien, und sonstige Modalitäten die der Filmaneignung dienlich sind. Auch wenn as mit den Videotheken oder Büchereien manchmal ganz schön teuer werden kann…
Um also mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, und einige der Filme die bei mir rumliegen endlich wieder ihren rechtmäßigen Besitzern zuführen zu können, habe ich diese Rubrik ins Leben gerufen. Ein kleiner Anreiz vielleicht, die lange Liste abzuarbeiten und nebenbei auch noch etwas zu Papier zu bringen.
Den Anfang macht Umberto Lenzis „Großangriff der Zombies„, weil ich den gerade eben geguckt habe.

 

Incubo sulla città contaminata
(Umberto Lenzi / Italien, Spanien, Mexiko / 1980)

Die Verwirrung beginnt schon mit dem Titel: „Nightmare City“, „La invasión de los zombies atómicos“, „City of the Walking Dead“. Laut imdb eine italienisch-spanisch-mexikanische Koproduktion, habe ich zunächt Schwierigkeiten zu entscheiden in welcher Sprache ich den Film nun schauen will. Auf der DVD stehen mir (leider) nur 2 Optionen zur Verfügung: Deutsch oder Englisch. Da ich ein Hardcorecineast und Sparchenfetischist bin, sprich, mir immer alle Filme wenn irgend möglich im Original mit Untertiteln ansehen will, schaue ich bei besagter Internetseite nach der Orginialsprache: Italienisch und/oder Spanisch. Tja, was macht man da…? Entscheide mich schließlich für Englisch, nachdem ich in eine Dialogszene hineingeschaut habe, und mir sicher bin, dass einige Schauspieler in den Szenen definitiv Englisch sprachen oder zumindest versuchten diese Sprache zu imitieren. Außerdem hört sich die deutsche Synchro an derselben Stelle doch um einiges trashiger an, und viele italienische Filme wurden zu der Zeit bekanntlich auch für den englischsprachigen Markt gedreht. Mit einem letzten Gedanken an Mel Ferrer versuche ich die Entscheidung für die englische Tonspur zu rechtfertigen, und schon geht es los.

Vorspann ist schon mal Spitze. Tolle Musik (oh ja: Stelvio Cipriani!), und Aufnahmen von Panoramen und Straßenschluchten einer Großstadtmetropole. Atmosphärisch gelingt Lenzi hier schon die perfekte Einstimmung auf das kommende Geschehen. Ciprianis düstere Synthesizerklänge, getragen aber doch treibend, kombiniert mit anonymen Industriebauten versetzen mir ein wohliges Gruseln, und vermitteln bereits eine Ahnung von der drohenden Apokalypse. Ok, ganz neu ist das nicht. Irgendwie wirkt vieles bekannt, vor allem wohl aus George Romeros Dawn of the Dead (1978). Aber gut geklaut ist für mich trotzdem die halbe Miete. Tarantino ist schließlich nicht der Einzige der damit Kohle scheffelt. Die Handlung ist schnell erzählt: Ein Virus hat wohl von einer handvoll Menschen Besitz ergriffen, die zu Beginn des Films in einem anonymen Flugzeug in einer nicht näher benannten amerikanischen Stadt landen. Es gelingt diesen „Zombies“ (später stellt sich heraus, dass es doch „lediglich“ radioaktiv verseuchte Menschen sind) in die Stadt einzudringen, wobei sie eine blutige Spur der Gewalt hinterlassen. Sie scheinen sinnlos alles zu attackieren was sich bewegt, wobei im Verlauf des Films auch klar wird, dass sie für ihr Überleben ständig frisches Blut benötigen. Also eher eine Mischung aus Vampir und Zombie, denn laufen, prügeln, autofahren und mit Maschinengewehren um sich schießen können sie auch. Der Protagonist, der die Invasion auf dem Flughafen miterlebt hat, ist Reporter, darf aber nicht berichten. Das Militär übernimmt, jedoch soll bei den Bewohnern der Stadt keine Panik ausgelöst werden. Natürlich kommt es wie es kommen muß. Die Situation gerät mehr und mehr außer Kontrolle, da die Infizierten praktisch unverwundbar sind und sich beliebig vermehren können.

 Natürlich ist das Ganze nicht vollkommen ernstzunehmen. Die Dialoge sind meist hahnebüchen, das Make-up und die Splatterszenen grotesk, von stringentem Handlungsaufbau oder gar erzählerischer Kohärenz ist nichts zu spüren. Trash vom Feinsten könnte man also meinen. So einfach ist es jedoch nicht. Umberto Lenzi ist kein Amateur, versteht zumindest in einigen Aspekten sein Handwerk ausgezeichnet, und in seinen Filmen findet sich neben aller Übertreibung auch einiges an Ambivalenz was gesellschaftliche Zustände anbelangt. So auch in „Großangriff der Zombies“. Nicht zuletzt wegen der großartigen Schlußwendung (die ich an dieser Stelle nicht verraten will) rückt der Film in die Nähe von traumähnlichem (italienischen) Genrekino à la Argento, Fulci oder Bava. Dass es Lenzi nicht um einen traditionellen Realismusbegriff geht ist schon relativ bald klar. Realitätsfern ist der Film jedoch bei weitem nicht. Das Szenario einer Invasion von Außen war während des kalten Krieges ein beliebter Topos, doch Fulci gibt dem teilweise durchaus reaktionären Gestus seines Films einen interessanten Twist, wenn er das Bodysnatcher-Motiv leicht umfunktioniert. Denn wie es an einer Stelle des Films explizit formuliert wird: Die infizierten Lebewesen sind eindeutig keine Aliens, sondern Menschen wie du und ich. Und infiziert wird jeder der mit ihnen in Berührung kommt. Der Film trägt seine Botschaft denn auch über weite Strecken der Handlung vor sich her, und Fulci lässt seinen Protagonisten und dessen Freundin, die wir den ganzen Film über auf der Flucht beobachten, in einigen Szenen tatsächlich innehalten, nur um dem Zuschauer die (vorgeschobene) Argumentation wiederholt vorzuhalten: Die Menschen an sich sind schlecht (sprich infiziert), weil sie machtgierig sind, weil sie Fortschritt mit Technologie verwechseln, und weil sie sich schon längst von ihrer wahren Natur entfremdet haben. Der Zombie als natürliche Folge der (eingeschlagenen) Evolution. Neu ist das nicht, aber es funktioniert.

In Verbindung mit zahlreichen surreal anmutenden Sequenzen, die in den gelungensten Momenten an Fulcis „The Beyond“ (der tatsächlich später entstanden ist), besagten Romero und eben auch an die Traumwelten aus Argentos Suspiria und vor allem Inferno erinnern (besonders eindrucksvoll: Der Endkampf im verlassenen Vergnügungspark auf den Achterbahnschienen!), entsteht eine doch sehr eigenwillige Horrorfabel. Wer einen traditionell ernsthaften Genrefilm erwartet, wird aber wohl eher enttäuscht. Wie gesagt, kann man das natürlich auch alles lächerlich finden, und sich an den vorgeblichen Peinlichkeiten der Inszenierung ergötzen. Persönlich finde ich die Inszenierung in letzter Konsequenz (vor allem angesichts des Endes) jedoch durchaus agemessen und im Sinne einer spezifischen Reflektion über den Zustand der Welt auch kohärent. Was mir anfangs oft übel aufstieß oder einfach nur auf die Nerven ging, macht am Ende Sinn. Für mich war „Großangriff der Zombies“ eine lohnende und eindrucksvolle Erfahrung. Vielleicht lese ich in den Film zuviel hinein, und stehe in Wirklichkeit einfach nur auf die Kombination von Authentizität vermittelnder Handkamera und phantastischem Sujet, weil sich in diesem scheinbaren Widerspruch für mich automatisch zahlreiche Reflexionsebenen ergeben die die körperliche Erfahrung zwangsweise mit der psychischen verbinden, auch weit über den Film hinaus (siehe hierbei die beiden meiner Meinung nach großartigen Kannibalenfilme von Ruggero Deodato, Cannibal Holocaust und Ultimo mondo cannibale). Man könnte das als transgressiv bezeichnen – oder einfach von „Der Zauberer von Oz meets Jack the Ripper“ sprechen (mit einer Prise Ed Wood). Gegensätzliches, und scheinbar Unvereinbares ergibt oft die interessantesten Kombinationen.

Der innere Widerspruch der sich in „Großangriff der Zombies“ aus ausgestelltem voyeuristischem Exzess und einer offensichtlichen, im Grunde vielleicht banalen Gesellschaftskritik ergibt, erzeugt einen Widerstand der reinen Oberfläche, eine Öffnung zugunsten eines möglichen Phantasmas. Das heißt im Endeffekt nichts anderes, als dass der Film für mich in der Auseinandersetzung unheimlich gewinnt. „Großangriff der Zombies“ ist ein Musterbeispiel für die in der bürgerlichen Kritik oft verleugneten Qualitäten des Genrekinos, nicht nur im Italien der 60er, 70er oder 80er Jahre (genausogut könnte man manchen „Unterhaltungsfilm“ der NS-Zeit, oder das frühe Stummfilmkino – vor der Herausbildung der künstlerischen Ambitionen der 20er Jahre – als Beispiel heranziehen). Man könnte noch einiges über Lenzis permanente Fetischisierung des Körpers schreiben, die ent/subjektivierung des Blicks, oder die Ökonomie von Objekten. Ob es für einen guten Film auch einen guten Regisseur braucht weiß ich nicht. Aber dass ich noch viel mehr von Umberto Lenzi sehen will steht für mich nun eindeutig fest.

Otto; or, up with Dead People

So, nun kommt sie endlich, meine langversprochene Kritik zu „Otto; or, up with Dead People“ des kanadischen Undergroundregisseurs Bruce LaBruce. Wie ihr meinem letzten Post entnehmen konntet hat dieser Film sogar seinen Weg in meine 100 Lieblingsfilme gefunden… So soll dieser Post eigentlich auch weniger eine Kritik im klassischen Sinne einer (sei es noch so illusorisch) um Objektivität bemühten Bewertung des Films sein, sondern eher meine persönlichen Assoziationen zu dem Film schildern (die natürlich sehr, sehr „p“ sind 😉 ).

Spätestens seit sich Zombies in „Dawn of the Dead“, dem zweiten Teil der legendären Zombiefilmreihe von Altmeister George A. Romero, in einem Einkaufszentrum auf die Wühltische stürzten, musste auch dem Letzten aufgehen, dass die Wiederkehr der Toten ins Leben, dass das Phänomen des „Untotsein“ auch im Sinne einer Gesellschaftskritik verstanden werden konnte. In „Otto…“ klärt uns gleich am Anfang des Films die Stimme der Regisseurin Medea Yarn (Katharina Klewinghaus) darüber auf, dass die Geschichte des Zombies Otto in eine Zeit (unsere?) fällt, in der Zombies nichts Außergewöhnliches mehr darstellen und die Begegnung mit Untoten in ihrer Alltäglichkeit jeglichen Schrecken verloren hat. Obwohl sich Zombies ja bekanntlich nicht auf biologischem Wege fortpflanzen gibt es scheinbar auch eine eigenen Gesetzen folgende Evolution der Zomies, von denen immer mehr rudimentäre Sprech- und Denkfähigkeit aufweisen. Eine neue Welle schwuler Zombies überschwemme zur Zeit Berlin, erfahren wir, während wir zu herrlich schaurig-poppiger Musik den jungen und auch als Zombie noch hübschen Otto (Jey Crisfar) aus seinem Grab emporsteigen und über den Friedhof wanken sehen. Im Laufe des Films wird uns immer wieder die Diskriminierung der Zombies durch die „Menschen“ vor Augen geführt, bis hin zum „Zombie Bashing“, dessen Opfer auch Otto einmal wird.

Der Film könnte nun in eine relativ plumpe Analogie abdriften, zwischen den (noch immer) gesellschaftlich außenvorstehenden Homosexuellen, deren Existenz von manch Einem ja bekanntermaßen ebenso gründlich verdrängt wird, wie die des Todes, bzw. der an den Tod erinnernden Verstorbenen. Die Wiederkehr der Begrabenen, dem Vergessen Anheimgegebenen wäre dann als sarkastisches Zerrbild der öffentlichen (heteronormativen, wenn man so sagen will 😉 ) Wahrnehmung der Schwulen und Lesben (oder der Gay Pride) im Sinne einer allzu lehrstückhaften Gesellschaftskritik zu verstehen.

Glücklicherweise schlägt der Film eine völlig andere Richtung ein, wobei es ihm gelingt die angesprochene Thematik dennoch, allerdings auf ungleich subtilere Weise mit einzubringen. Medea Yarn ist eben nicht die Erzählerin des ganzen Films, den bald schon erkennen wir, dass sie eine in scharzem Gewand auf Friedhöfen lustwandelnde, politisch engagierte Regisseurin ist, die gerade einen ebenso politisch engagierten Zombiefilm namens „Up with Dead People“ dreht. Obwohl sie durchaus als sympathische Person gezeigt wird, ist ihr Film (im Film) quasi als Parodie auf oben dargestellte Platitüden zu verstehen.  Durch diese ständige Ironisierung und Selbstreflexion des übertrieben Gesellschaftskritischen, bleibt es im Film zwar als Perspektive erhalten, wird jedoch zugleich in den Kontext einer wahrhaftigen und äußerst gefühlvollen Darstellung allgemein menschlicher existenzieller Problematik eingebettet.

Für ihren Film castet Medea eine ganze Reihe von Zombiedarstellern, denn ihre Ausführung über die Alltäglichkeit von Zombies bezogen sich anscheinend auf die Welt ihres Films…oder doch nicht? Auf ihre Anzeige hin meldet sich auch Otto, der…nun, anders ist als die „Darsteller“. Otto scheint ein echter Zombie zu sein, ein schwuler noch dazu, der zwar (da er vor seinem Tod Vegetarier war) keine Menschen aber immerhin rohes Fleisch (von überfahrenen Hasen zum Beispiel) verspeist, nach Leiche riecht und aussieht, durch die Gegend torkelt und nur mit ausdrucksloser Stimme kurze Sätze hervorbringt…

Manchmal schießen Erinnerungen an die Zeit als Lebender wie Blitze durch Ottos untoten Geist, an glückliche Momente, an seinen Ex-Freund… Nun ist Otto längst nicht mehr Angehöriger der Gemeinschaft der Lebenden, die aus seiner untoten Perspektive zu einer einzigen Person verschmelzen „…and I don’t like that person very much.“ Walter Benjamin schrieb einmal über die Melancholie: „Produkton einer Leiche ist das Leben, vom Tode her betrachtet.“ Produktion eines Zombies sind Leben und Tod, vom Wiedergängertum her gedacht, könnte man antworten. Diese Zeit, dieser Ort (oder vielleicht jede Zeit, jeder Ort?) produzieren Wesen, die schon gestorben sind und dennoch weiterlaufen und sprechen und denen nichts anderes übrigbleibt als wie Otto am Ende des Films einen „new way of death“ zu suchen. So liegt über dem ganzen Film eine (trotz Hardcoreszenen) ungeheuer sanfte, durch den augenzwinkernden Humor fast heitere Stimmung der Melancholie, die nicht weiter zu beschreiben, sondern nur zu erleben ist.

Die Virtuosität und spielerische Leichtigkeit des Films geht nicht zuletzt auch darauf zurück, dass hier gekonnt mit Perspektivwechseln gespielt wird. Einige Szenen, die wir zunächst für die (filmische) Realität halten, entpuppen sich später als film(im film)ische der Medea Yarnschen Vision. Viele Szenen scheinen wir durch die Augen von Otto zu sehen, in unnatürlichen Farben und aus schiefen Blickwinkeln. Das Geniale dabei ist allerdings, dass der Film keine letzgültige Aussage über die jeweilige Ebene der „Wirklichkeit“ des Gezeigten trifft. Selbst ob Otto nun ein „echter“ Zombie ist bleibt ungeklärt, deutet doch einiges darauf hin, dass dies nur eine Wahnvorstellung Ottos sein könnte. Auch Medea Yarns bezaubernde Lebenspartnerin Hella Bent (Susanne Sachße), die von klimpernder Musik umhüllt, schwarz-weiß und nur in hübschgerahmten Untertiteln redend, wie sie ist, direkt einem Stummfilm entstiegen zu sein scheint, könnte letzlich eine Phantasie ihrer melancholisch-nostalgischen Freundin sein.

Es gäbe sicherlich noch viel mehr über diesen Ausnahmefilm zu sagen, aber ich hoffe allen Lust gemacht zu haben, die den Film noch nicht sehen konnten. Bei meiner im Prinzip uneingeschränkten Empfehlung wäre vielleicht noch anzufügen, dass dieser Film einige Szenen enthält, die die Ekelschwelle von allzu empfindsamen Menschen im wahrsten Sinne des Wortes durchstoßen könnten. (Sorry, das konnt ich mir jetzt nicht verkneifen 🙂 )