Victoria De Durango, Mexiko. Eine Tochter wird von Lösegelderpressern eines Kartells entführt, eine Mutter spürt ihr nach, gerät zwischen die Fronten des eskalierenden Drogenkrieges. Weitere Kreise ziehen die Ereignisse mit jedem Schritt, doch der begleitende Blick wird nicht weitläufiger – bald schon werden sie die Tochter und die Mutter. „La civil“, Teodora Mihais Spielfilmdebüt nach dem preisgekrönten Dokumentarfilm „Waiting for August“ (2014), versteht diesen Mediumswechsel wie kaum ein zweiter als Chance zur formalen Reflektion und Überkreuzung. Zum inhaltsfixierten, gestalterisch indifferenten Problemfilm kann er nie reifen, denn er meidet die Abstraktion. Obwohl aus einem Dokumentarprojekt über die bereits kurz nach Planungsauftakt ermordete Mutter Miriam Rodriguez in ein gänzlich anderes Medium herübergewachsen, bleibt auch diese Geschichte stets nur die Doña Cielos (Arcelia Ramírez), die ihrer Tochter, bestenfalls noch die ihres Ex-Mannes. Weiterlesen…
Vor etwas mehr als einem Monat sonderte HK-Gründungsmitglied Christoph bereits einige reißerische Spekulationen ab über das Schaffen des italienischen Schauspielers und Filmemachers Michele Placido und dessen neuen Film ENGEL DES BÖSEN. Das mit Spannung erwartete Gangster-Biopic läuft seit nunmehr zwei Wochen erfolglos in den deutschen Kinos. Wir wir meinen, ein betrüblicher Zustand, besteht in diesen zarten Tagen doch nur noch selten die Möglichkeit, italienisches Genrekino auf deutschen Kinoleinwänden zu erleben. Die Qualitäten, die uns zu dieser Empfehlung veranlassen, liegen allerdings weniger in der Herkunft des Films begründet und wir möchten im Folgenden in die Tiefen, in denen diese Qualitäten zu finden sind, hinabstechen. Weiterlesen…
Beim wiederholten Dösen / Stichlesen durch diverse Aufstellungen von Titeln diesjähriger Festivallieblinge, nominell Venedig, entdeckte ich, dass Michele Placido schon wieder einen Gangster-Historienfilm gedreht hat. Nun ist es nicht so, als hätte sich der italienische (Alt-)Superstar als Regisseur bisher exzessiv mit Gangstern und Mafia befasst, doch eine glorreiche Vergangenheit in diversen antimafiösen Werken des großen Damiano Damiani (u. a. EIN MANN AUF DEN KNIEN, ALLEIN GEGEN DIE MAFIA), ebenso wie in Michele Soavis jüngerem Mafiaploitation-Revival ARRIVEDERCI AMORE, CIAO sowie einem krönenden Auftritt als Silvio Berlusconi in Nanni Morettis Polit-Schlomödie DER KAIMAN, wirft doch die Frage auf, was es denn mit diesen Vorlieben dieses italienischen Vaters der Nation auf sich hat. Denn sein neuer Film, VALLANZASCA – GLI ANGELI DEL MALE („Vallanzasca – Die Engel des Bösen“?) ist bereits sein zweiter Gangsterploitationer als Regisseur nach dem stilistisch beschissenen, aber interessant geschriebenen und spaßbringenden Unterweltaufstiegskitsch ROMANZO CRIMINALE, der nun erst fünf Jahre zurückliegt. Ist er vielleicht, so wie einst Gian Maria Volonté, eine Galeonsfigur des engagierten, antimafiösen, roten italienischen Kinos? Filme über die 68iger, den Nachhall des Erdbebens von Aquila oder politische Korruption im Nachkriegs-Italien lassen derartiges vermuten. Oder vielleicht doch nur einer, der mit italienischen Mythen Tiefkühl-Calzoni füllt und sie dann als saucoolen Ramsch dem jubelnden Volk vorwirft? Die obszöne Kunstgewerblichkeit, mit der er seine Filme gerne einschmiert, sowie das nostalgische Machismo seiner perfide mit falben Schönlingen wie Kim Rossi Stuart (übrigens der Sohn von Giacomo „Die toten Augen des Dr. Dracula“ Rossi-Stuart!) besetzten Protagonisten könnten Indizien sein. Oder ist Placido am Ende vielleicht noch einer der alten Recken, die verdienstvoll gegen das Aussterben des Genrekinos in Italien ankämpfen? So wie die nach wie vor aktiven Claudio Fragasso und Dario Argento? Jedoch… Weiterlesen…
Eines vorweg – ich weiß nicht mehr, wer den Film gemacht hat und aus welchem Land er stammt. Aus Gründen der Authentizität will ich dies aber auch in Zeiten des Internets nicht nachschlagen. Man muss auch kein Scherlock Holmes sein um zu erkennen, dass die Handlung im ehemaligen Ostblock angesiedelt ist. Wo auch sonst wurde zum Tode Josef Stalins eine Woche Staatstrauer angeordnet.
Alle Bilder von: http://www.stillehochzeit-film.de/presse.html#filmmotive
Der Film soll auf einer waren Begebenheit beruhen, was dem Filmkritiker die Angst vor dem in Internet-Kreisen berüchtigten ‚Spoiler‘ nimmt, da das Ende quasi in der Beschreibung vorweg genommen wird. Was bleibt ist Wie-Spannung, die mit grotesker Komik zu einem angenehm-nachdenklichen Cocktail verwoben wird.
Bereits die Exposition bezieht sich auf das Ende des Films, und so wird es kaum jemanden verwundern, wenn das Finale in sehr ähnlichen (wenn auch nicht den gleichen) Farben gezeichnet ist wie der Anfang. Dazwischen ist Farbenfroh die eigentliche Geschichte einspannt. Man muss kein Landmensch sein um zu erkennen, dass die dargestellte Dorfgemeinschaft völlig überspitzt dargestellt ist und neben anerkannten Religionswissenschaftlern wird auch der Durchschnittstyp erkennen, dass das Maß an gezeigter Spiritualität und Diagrammatik sich in keinster Weise mit der Realität messen kann. Muss es auch nicht, denn hier werden Erinnerungen auf Zelluloid gebannt. Erinnerungen die auf Umwegen erzählt werden und sich damit schon in einem fortgeschrittenen Stadium der Legendenbildung befinden. Da tut es dann auch nichts zur Sache wenn ein mystisch bekleidetes Mädchen durch den Wald springt (dasselbe Mädchen soll später ein Zeichen des Untergangs in der Hand halten). Oder der Ikarus, der erst im Finale das Fliegen lernen wird. Nein, alles unwichtig. Denn das wichtigste an diesem Film ist das Dorf, welches zwar abgehoben in den Sphären der Geschichte erscheint, aber dessen Bewohner real jeweils ihre eigene (typisierte) Geschichte darzulegen wissen.
Die Dorfbewohner sorgen für die Komik, und darüber steht nur die Tragik der Begebenheit. Dieses Übergeordnete überschattet den Film wie der Tod Fontanes ‚Effi Briest‘ überschattet. Das Erfrischende ist aber, dass trotz all der Zeichen kommenden Verderbens der Komik kein Abbruch getan wird. Die Komödie behält selbst in der äußersten Tragödie doch die Oberhand und sogar in der desillusionierenden Rahmenhandlung zeigt sich (zynischer) Witz.
Einen Witz stellt auch das ausdauernde Furzen eines der Hauptcharaktere dar, welches lange an exponierter Stelle im Film zu hören ist und auch dem Bildungsbürger ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern weiß. An welcher Stelle im Film dieser anti-prätentiöse ‚Fartin-Joke‘ zu hören ist, könnt ihr euch vielleicht schon denken. Wenn nicht: Ansehen! Ansonsten: Trotzdem ansehen!