Gespräch mit RP Kahl (Teil 1)

Im Rahmen des RP-Kahl-Specials (siehe auch die Besprechungen zu ANGEL EXPRESS und BEDWAYS) starten wir nun mit dem ersten Teil eines Gesprächs mit RP Kahl, das im Juni 2010 im Anschluss an eine Vorführung im Nürnberger KommKino (die erste Station der BEDWAYS-Kinotour) geführt wurde. Wir wollten uns dabei bewusst gar nicht so sehr auf seinen neuesten Film fokussieren, vielmehr interessierte uns seine Filmlaufbahn als Gesamtes und damit auch ein möglicher Abriss des unabhängigen deutschen Filmschaffens der letzten 15 Jahre. Was zunächst als Interview gedacht war, entwickelte sich aber im Verlauf zu einem angeregten zweistündigen Gespräch, in dem wir größtenteils in chronologischer Abfolge über RP Kahls Werdegang sprachen, und das wir nun auszugsweise auf Eskalierende Träume veröffentlichen möchten. Aufgrund des Umfangs haben wir uns entschlossen es in mehrere Teile, als in sich schlüssige Einheiten, zu gliedern. Der vorliegende erste Teil dreht sich, von seiner frühen Kinoleidenschaft und seinem Zwischenstopp im Theater ausgehend, vor allem um die ersten filmischen Gehversuche und den daran anschließenden Startschuss als Produzent (SILVESTER COUNTDOWN) und Regisseur bis zum Kinostart von ANGEL EXPRESS. Die weiteren Teile des Gesprächs folgen demnächst.



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Bedways (2010)

Es geht um Sex. Soviel steht fest. Und irgendwie auch um Liebe, Verlangen, Gefühle. Irgendwie. Denn das Interesse an Sex ist zwar da, aber die Abwesenheit von Sex auch, das Interesse an Nähe bei gleichzeitiger Abwesenheit von Nähe, das Erzeugen von Gefühlen bei Abwesenheit von Gefühlen, das Reden über Liebe bei Abwesenheit von Liebe. Es soll hervorgebracht, es soll hergestellt werden, da es herbeigewünscht wird. Das Mittel dazu ist ein Film. Nina ist die Hauptfigur, die diesen Film drehen will. Dazu hat sie Hans und Marie für Probeaufnahmen engagiert. Das Problem ist nur: Nina weiß nicht was sie will. Da hilft auch kein Sex. Denn Nina ist ein gebranntes Kind. Und nicht nur Nina. In Bedways sind alle Figuren unsicher, distanziert, verschlossen, haben sich eine Schutzhülle aufgebaut und tragen ihre Posen vor sich her, da sie Angst vor Verletzungen haben. Keine Jugendlichen mehr, aber auch noch nicht im eigenen Leben angekommen. Zumindest wenn man damit Dinge wie Verantwortung, Bewusstsein, Bestätigung im eigenen Ich und ähnliches assoziiert. Verlorene, ohne ein Bild von sich, ohne Vertrauen, und daher im Außen suchend, mit der Kamera tatsächlich nach diesem Bild suchend, in dem man erblicken könnte, was es ist, das fehlt. Die Kunst hat schließlich schon oft als Weg zur Erkenntnis gedient, als beliebtes Mittel um Selbstreflexion zu befördern. In Bedways geht es dabei aber gar nicht so sehr um Verlust oder Schmerz. Bedways ist keine melodramatische Nabelschau versehrter Persönlichkeiten: Denn die Figuren haben im Grunde ja noch nichts verloren, sondern sind Suchende. Suchende nach sich selbst. Wer sich noch nicht gefunden hat, kann sich schließlich kaum verlieren. Was aber auch ein Problem sein kann. Ein Dilemma. Weiterlesen…

Film und DVD: Angel Express – Director’s Cut (1998/2011)

„Ein großer, frecher, heißer Film, der einem die Augen aufreißt.“ (Rheinische Post)

„Ein provozierendes und polarisierendes Bilder-Mosaik, komponiert aus einem manifesten, anarchischen Stilwillen von einem jungen Wilden aus dem Berliner Underground.“ (Frankfurter Rundschau)

„Kahl hat eine nervöse Energie, die ihm im deutschen Kino so leicht keiner nachmacht.“ (Süddeutsche Zeitung)

RP Kahl, der den meisten Zuschauern wohl eher als Nebendarsteller aus zahlreichen Fernsehfilmen bekannt sein sollte (ich habe ihn zuletzt in Michael Kliers Farland (2003) in einer Kleinstrolle an der Seite von Laura Tonke entdeckt), ist auch Regisseur. Und seinen Einstieg begann er sogleich mit einem Kinofilm. Angel Express hieß das Ding, 1998 herausgebracht – ein Beginn, der keiner wurde. Kahl hat erst 2010 wieder einen Spielfilm realisieren können. Dazwischen Projekte, Versuche, Theater, Video, Performance, die 99Euro-Films und im Zuge davon auch ein wunderbarer dokumentarischer Streifen über vier deutsche Schauspielerinnen, Mädchen am Sonntag. Andere Filmemacher der 90er sind erfolgreicher gewesen, wiederum andere sind zur Filmhochschule gegangen und haben danach überhaupt nichts mehr gemacht. RP Kahl ist einer der ungebändigten, ungezügelten, nach wie vor enthusiastischen. Einer, der sich nicht vom Establishment vereinnahmen lassen will und seinen eigenen Weg zu gehen versucht. Ein deutscher Independentfilmer – im besten Sinne. Weiterlesen…