Konsekutive Filme eines Regisseurs zu einem gleichen oder ähnlichen Thema sind immer eine spannende Sache. Der Blick auf die Frau, die in zwei verschiedenen historischen Sphären Konzepte von Weiblichkeit verhandelt in Paul Verhoevens ELLE (2016) und BENEDETTA (2021); David Cronenbergs in direkter Folge entwickelte Studien über Gewalt und Intimität in den Mikrokosmen des organisierten Verbrechens in A HISTORY OF VIOLENCE (2005) und EASTERN PROMISES (2007) – oder jetzt der neue Film von Paul Thomas Anderson, der sich im Zusammenspiel mit PHANTOM THREAD (2017) zu einem Liebes- und Beziehungsfilm-Diptychon fügt, welches sich trotz sehr unterschiedlicher atmosphärischer Dispositionen und Stimmungslagen im Kern als Doppelstudie über Paar-Beziehungen am Rande gesellschaftlicher Norm entpuppt. Auf der einen Seite die neurotische amour fou zwischen autistischem Modedesigner des britischen Hochadels der 50er und seiner ihn gerissen sabotierenden Geliebten aus dem aristokratiefernen Milieu – auf der anderen Seite der hochstapelnde, schauspielende Minderjährige, der im aufgeputschten Kalifornien der 70er Jahre alles auf eine Karte setzt, und sich an die Fersen einer 10 Jahre älteren Schüler-Fotografin hängt. Weiterlesen…
Technik, Ästhetik, Stil und Ambition in einigen US-Filmen des Jahrgangs 2012. Ein paar lose, Tagebuch-artige Anmerkungen zur HFR-3D-Version von THE HOBBIT sowie zu THE MASTER, DJANGO UNCHAINED und GIMME THE LOOT.
Die letzten Wochen gab es quer durchs Netz unzählige ellenlange Diskussionen über die produktionsseitig zunächst als revolutionär angepriesene HFR-3D-Technik bei Peter Jacksons THE HOBBIT. 48 statt 24 Einzelbilder pro Sekunde (= „Higher Frame Rate“, abgekürzt HFR) heißt das Rezept, das vor allem für ruckelfreie Schwenks und unverschwommene schnelle Actionszenen sorgen soll, und von dem sich manche offenbar einen ganz neuen „Realismus“ im Kino versprechen. Das diese elementare formale Eigenschaft des Films überall so breit diskutiert wird, ist im Grunde zweifellos begrüßenswert, auch wenn ich niemanden darum beneide, sich den Film gleich drei Mal in verschiedenen Versionen angesehen zu haben, um danach einen elaborierten Vergleich ziehen zu können. Auch wenn ich die Diskussionen schon aufgrund ihrer Masse nur kursorisch verfolgt habe, scheint der Tenor zur HFR-Technik eindeutig sehr skeptisch bis negativ auszufallen, jedenfalls zu der Art, wie sie im HOBBIT eingesetzt wird. Zu den interessantesten Abhandlungen schien mir dieser Artikel zu gehören, dessen vorgebliche wissenschaftliche Untermauerung zwar etwas fragwürdig anmutet, der mir in seiner Argumentation aber sehr einleuchtet. Zwei zentrale Zitate des allerdings ohnehin erfreulich knapp und prägnant gehaltenen Artikels: Weiterlesen…
Kürzlich rollte der neue Trailer durchs Netz, spannender ist aber fast die Nachricht, dass es von Paul Thomas Andersons THE MASTER tatsächlich auch 70mm-Kopien geben wird, eine erste Kopie wurde vorletzte Woche offenbar bereits in Los Angeles in einem internen Screening gezeigt. Selbstverständlich ist das keineswegs, Ron Frickes letztes Jahr veröffentlichter 70mm-Dokumentar-Essayfilm SAMSARA wurde bislang offenbar nur maximal als 4k-Projektion gezeigt, eine 70mm-Filmkopie ist aus Kostengründen leider nicht in Aussicht. In Sachen Kino-Spielfilm ist THE MASTER dann wohl auch tatsächlich das erste komplett auf 65mm gedrehte Werk seit Ron Howards FAR AND AWAY (1992) und Kenneth Branaghs HAMLET (1996), die dem mittlerweile fast beerdigt geglaubten Format seinerzeit keine entscheidenden Impulse geben konnten. Die gingen noch eher von Christopher Nolans letzten Filmen aus, die zumindest partiell im horizontalen IMAX-65mm-Format gedreht wurden, das gegenüber klassischem 65mm noch einmal ein deutlich größeres Negativbild besitzt, allerdings auch immer seltener adäquat gezeigt werden kann, nachdem es kaum noch echte 70mm-IMAX-Kinos gibt (hierzulande nach der Umrüstung des Berliner IMAX tatsächlich kein einziges mehr, das Spielfilme zeigen würde – London dürfte die nächstgelegene Möglichkeit sein und wird wohl auch demnächst bei THE DARK KNIGHT RISES wieder als Pilgerstätte für IMAX- und 70mm-Enthusiasten fungieren). Dem gleichen Problem steht natürlich auch THE MASTER gegenüber, weil auch die herkömmliche 70mm-Projektion nur noch in einer Handvoll Kinos vorhanden und betriebsbereit ist und zugleich der Digitalisierungsdruck immer größer wird. Insofern durchaus möglich, dass es der letzte (wenn auch nur in wenigen ausgewählten Spielstätten) auf 70mm gezeigte aktuelle Film überhaupt sein wird, mehr oder weniger im letzten möglichen Moment der derzeitigen filmtechnischen Umbruchphase. Glücklicherweise wird der Film auch tatsächlich im analogen Negativschnitt gefertigt, wofür eigens Simone Appleby vom französischen Kopierwerk, das vor einigen Jahren auch die PLAYTIME-70mm-Raustauration durchführte, in die USA eingeflogen wurde (siehe auch hier). Auch wenn mir bei Andersons THERE WILL BE BLOOD der Wille zum „ganz Großen“ bei allen Qualitäten nicht immer ganz mundete, braucht es wohl tatsächlich solche wahnwitzige Ambition und ihre positiven Seiten, um ein Projekt wie THE MASTER in dieser Weise überhaupt noch möglich zu machen. Das ringt jedenfalls einigen Respekt ab. Erfreulicherweise hat das 70mm-Festival in Karlsruhe bereits angekündigt, dass es 2012 zwar zu knapp wird, aber man aller Voraussicht nach spätestens bei der 2013er Ausgabe des Festivals THE MASTER dort auf 70mm zu sehen bekommen wird.