Des Mannes Niedertracht war im HK-Kosmos schon immer besonders bestürzend, wenn er sich an der Seite einer scheidungs- und/oder vereinigungsunwilligen Gemahlin auf dem kalten Lattenrost des Ehebettes wiederfand, bestrebt, sich um jeden Preis aus dem ehelichen Verzicht heraus- und in erbschaftliche Annehmlichkeiten hineinzuwinden. Im vorliegenden, frühen Sündenfall des kanadischen Kinos, zu deutsch IM FIEBER DER LUST (Rudi Dorn, 1967) hat sich ein blaubärtiger Intrigant für eine aufsehenerregende, alternative Methode des Ehefrauen-Dumpings entschieden: Auftragsmord durch Hypnose! Weiterlesen…
November 30, 2014 | Veröffentlicht in
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Das Hofbauer-Kommando,
FestivalsWas habe ich mich auf den Film gefreut. Ein Actionfeuerwerk, ein rauschhaftes Schnittgewitter ohne Sinn und Verstand, einen digitalen Bilderbogen hatte ich mir vor der Sichtung versprochen. Und die zahlreichen negativen Stimmen aus meinem Bekanntenkreis schienen meine Vermutungen in dieser Hinsicht zu bestätigen. Doch dann kam alles etwas anders.
Man of Steel ist meine erste Begegnung mit Zack Snyders filmischem Universum. Damals als Dawn of the Dead und 300 erschienen sind, hat Snyder mich nicht interessiert, und sein Ruf in cinephilen Zirkeln war auch ziemlich schlecht. Ein Emporkömmling, einer dieser jungen Michael Bay-Epigonen, entsprungen der MTV Generation mit ADHS und keinem aktiven Interesse an Filmgeschichte. So in etwa hatte ich das zunächst, eher negativ konnotiert, abgespeichert. Nachdem einige meiner Freunde und Bekannten dann aber erstaunlicherweise auch ein paar positive Worte für seine Watchmen-Verfilmung übrig hatten, legte sich der einhellig negative Ton ein wenig, und der Mantel des Fanboy-Regisseurs schien von Snyder langsam abzufallen. Die Ausschnitte, die ich aus seinen Filmen danach ab und an zu sehen bekam, weckten jedenfalls meine Lust auf das visuelle Spektakel welches sie zumindest in Aussicht zu stellen schienen. Das waren natürlich alles Beobachtungen aus der Ferne, wie das so ist, wenn man über viele Filme liest und hört, weil man sie unmöglich alle sehen kann, und sich die Gedanken und Eindrücke verselbstständigen. Weiterlesen…
… spontan untersucht am Beispiel von CAPOTE (2005).
Es funktioniert eben doch so gut wie nie. Das mit dem „einen Film absichtlich schlecht finden“. Jedenfalls nicht mehr bei mir. So gut wie nie mehr. Mit eiserner Disziplin habe ich für zwei Jahre versucht, eine Technik zu entwickeln, die es mir erlaubt, alle eventuell vorgefassten Meinungen, Vorurteile, Erwartungshaltungen, Prinzipien zur Beurteilung filmischer Qualität, naheliegende Vergleiche, aus denen sich Erwartungshaltungen speisen könnten und eben all diese ganzen schönen Bretter vor dem Kopf mit Aufblenden des Projektors oder Drücken der „Play“-Taste über Bord zu werfen und mich völlig in die Hände des jeweiligen Filmes zu begeben, um ihm die Chance zu lassen meine Gedanken zu formen und nicht umgekehrt. Gelegentlich bezeichne ich mich daher auch scherzhaft als „Film-Hure“, die alles nimmt. Bisherige Versuche, dieses „Prinzip gegen Rezeptionsprinzipien“ anderen Cineasten zu erklären, schlugen weitgehend fehl und ich möchte mich damit hier auch gar nicht aufhalten (viel zu kompliziert!), denn es wurde mir sogar schon vorgeworfen, mich von der Filmrezeption auf die Rezeptions-Rezeption zu verlagern und manchmal kann man einfach nicht anders, als die Lästermäuler durch Schweigen zum Schweigen zu bringen. Und manchmal, trotz all der wundersamen Überraschungen und der grenzenlosen Freiheit von Gedanken und Assoziationen die dieser sich inzwischen gänzlich in einer diffus blubbernden Gedankensuppe verselbstständigte Rezeptions-Ansatz mir gebracht hat und mit der sich meine Sicht aufs Kino radikal verändert hat (sowas klingt immer schön und flach weswegen man beim dreschen derartiger Phrasen immer gerne darauf hinweist, dass man sie nur bei genuinen Anlässen drischt), verwünsche ich ihn fast.
Denn wo ist sie nur hin, die geliebte einstige Selbstdisziplin, mit der ich meine, nennen wir es mal ganz profan „Meinungsbildung“, lenken und manchmal auch geradezu domptieren konnte? Was, wenn meine Rezeption tatsächlich, wie auch schon unterstellt, ein wenig zu beliebig, zu wohlwollend, zu unkritisch, zu diffus geworden ist?
Zu meiner eigenen Genugtuung überwiegt die meiste Zeit die Erleichterung darüber, dass ich mich von oben beschriebenem Ballast befreien konnte, der exzessive Genuss der Vorzüge und die geheime Sehnsucht, dass dieses Rezeptions-Modell unter Cineasten vielleicht mal mehr in Mode kommen könnte als es jetzt der Fall ist. Nicht mit mir als Missionar, oh nein! Lediglich, um Filmen mehr Spielraum zu gewähren, die ihn unter den üblichen Vorraussetzungen nicht bekommen. Und da will ich auch gar nicht zu schrill sein sondern mir beispielsweise nur wünschen, dass ein paar mehr Leute Jess Franco gelegentlich auch als ernstzunehmenden Künstler in Betracht ziehen denn angeblich einige nerdige französische Filmkritiker (diese ominösen französischen Filmkritiker sind schon beinahe ein mystisches Klischee für sich, dass man immer nach Belieben zitieren kann, ohne konkret zu werden, nicht wahr, lieber Filmdienst?). Warum schreibe ich all das mit „Capote“ als Beispiel, einem Film der von vorne bis hinten gängigen Vorstellungen von anspruchsvollem Qualitäts-Kino entspricht?
Gerade deswegen eben! Hat mich diese Öffnung – mit der ich nach eigener Einschätzung noch bei weitem nicht an meine Grenzen gestoßen bin da ich mich regelmäßig dabei ertappe, beispielsweise über einen meiner werten Mitautoren hier zu schmunzeln, wenn er in Unverständnis über die Reputation eines durchweg anerkannten Klassikers die Stirn runzelt oder einen obskuren Hongkong-Actionfilm aus den 70igern mit Eisenstein vergleicht – vielleicht verletzlicher gemacht für Manipulation, den segensreichen Fluch des Kinos, den wir ebenso faszinierend wie, in Cineastenkreisen zumindest, auch gelegentlich beängstigend finden? Bin ich am Ende dank dieser Veränderung meiner Rezeptionshaltung wieder genau in dem Stadium angekommen, dessen Kreation ich noch vor etwas mehr als drei Jahren so lautstark als die Todsünde des Hollywood-Kinos beschimpfte, im Zustand williger Manipulierbarkeit für gefälligen Eskapismus und emotionale Prostitution?
Mit Hollywood-Kino beziehe ich mich hier, natürlich, primär auf die letzten 20 bis 30 Jahre, größtenteils. Auch ein springfreudiger Cineast, der zwischen den Dekaden, zwischen Ton- und Stumm-, Farb- und Schwarzweiß-, Vollbild- und Breitwandfilm nach Herzenslust hin- und herhüpft, ist doch ein Stück weit als Filmgucker in seiner eigenen Zeit verankert (wäre es erschreckend oder vorteilhaft, wenn nicht? Das wäre eine andere interessante Frage, die man beliebig erweitern und hypothetisch auseinandernehmen könnte).
Es wäre verführerisch ersteres Kino („gefälliger Eskapismus“) ins Feld zu führen, beispielsweise mit dem von mir kürzlich gesichteten und (vielleicht, aber nicht notwendigerweise dank akutem Filmentzug für Wochen) erheblich genossenem „V for Vendetta“. Weiterlesen…
So, nun kommt sie endlich, meine langversprochene Kritik zu „Otto; or, up with Dead People“ des kanadischen Undergroundregisseurs Bruce LaBruce. Wie ihr meinem letzten Post entnehmen konntet hat dieser Film sogar seinen Weg in meine 100 Lieblingsfilme gefunden… So soll dieser Post eigentlich auch weniger eine Kritik im klassischen Sinne einer (sei es noch so illusorisch) um Objektivität bemühten Bewertung des Films sein, sondern eher meine persönlichen Assoziationen zu dem Film schildern (die natürlich sehr, sehr „p“ sind 😉 ).
Spätestens seit sich Zombies in „Dawn of the Dead“, dem zweiten Teil der legendären Zombiefilmreihe von Altmeister George A. Romero, in einem Einkaufszentrum auf die Wühltische stürzten, musste auch dem Letzten aufgehen, dass die Wiederkehr der Toten ins Leben, dass das Phänomen des „Untotsein“ auch im Sinne einer Gesellschaftskritik verstanden werden konnte. In „Otto…“ klärt uns gleich am Anfang des Films die Stimme der Regisseurin Medea Yarn (Katharina Klewinghaus) darüber auf, dass die Geschichte des Zombies Otto in eine Zeit (unsere?) fällt, in der Zombies nichts Außergewöhnliches mehr darstellen und die Begegnung mit Untoten in ihrer Alltäglichkeit jeglichen Schrecken verloren hat. Obwohl sich Zombies ja bekanntlich nicht auf biologischem Wege fortpflanzen gibt es scheinbar auch eine eigenen Gesetzen folgende Evolution der Zomies, von denen immer mehr rudimentäre Sprech- und Denkfähigkeit aufweisen. Eine neue Welle schwuler Zombies überschwemme zur Zeit Berlin, erfahren wir, während wir zu herrlich schaurig-poppiger Musik den jungen und auch als Zombie noch hübschen Otto (Jey Crisfar) aus seinem Grab emporsteigen und über den Friedhof wanken sehen. Im Laufe des Films wird uns immer wieder die Diskriminierung der Zombies durch die „Menschen“ vor Augen geführt, bis hin zum „Zombie Bashing“, dessen Opfer auch Otto einmal wird.
Der Film könnte nun in eine relativ plumpe Analogie abdriften, zwischen den (noch immer) gesellschaftlich außenvorstehenden Homosexuellen, deren Existenz von manch Einem ja bekanntermaßen ebenso gründlich verdrängt wird, wie die des Todes, bzw. der an den Tod erinnernden Verstorbenen. Die Wiederkehr der Begrabenen, dem Vergessen Anheimgegebenen wäre dann als sarkastisches Zerrbild der öffentlichen (heteronormativen, wenn man so sagen will 😉 ) Wahrnehmung der Schwulen und Lesben (oder der Gay Pride) im Sinne einer allzu lehrstückhaften Gesellschaftskritik zu verstehen.
Glücklicherweise schlägt der Film eine völlig andere Richtung ein, wobei es ihm gelingt die angesprochene Thematik dennoch, allerdings auf ungleich subtilere Weise mit einzubringen. Medea Yarn ist eben nicht die Erzählerin des ganzen Films, den bald schon erkennen wir, dass sie eine in scharzem Gewand auf Friedhöfen lustwandelnde, politisch engagierte Regisseurin ist, die gerade einen ebenso politisch engagierten Zombiefilm namens „Up with Dead People“ dreht. Obwohl sie durchaus als sympathische Person gezeigt wird, ist ihr Film (im Film) quasi als Parodie auf oben dargestellte Platitüden zu verstehen. Durch diese ständige Ironisierung und Selbstreflexion des übertrieben Gesellschaftskritischen, bleibt es im Film zwar als Perspektive erhalten, wird jedoch zugleich in den Kontext einer wahrhaftigen und äußerst gefühlvollen Darstellung allgemein menschlicher existenzieller Problematik eingebettet.
Für ihren Film castet Medea eine ganze Reihe von Zombiedarstellern, denn ihre Ausführung über die Alltäglichkeit von Zombies bezogen sich anscheinend auf die Welt ihres Films…oder doch nicht? Auf ihre Anzeige hin meldet sich auch Otto, der…nun, anders ist als die „Darsteller“. Otto scheint ein echter Zombie zu sein, ein schwuler noch dazu, der zwar (da er vor seinem Tod Vegetarier war) keine Menschen aber immerhin rohes Fleisch (von überfahrenen Hasen zum Beispiel) verspeist, nach Leiche riecht und aussieht, durch die Gegend torkelt und nur mit ausdrucksloser Stimme kurze Sätze hervorbringt…
Manchmal schießen Erinnerungen an die Zeit als Lebender wie Blitze durch Ottos untoten Geist, an glückliche Momente, an seinen Ex-Freund… Nun ist Otto längst nicht mehr Angehöriger der Gemeinschaft der Lebenden, die aus seiner untoten Perspektive zu einer einzigen Person verschmelzen „…and I don’t like that person very much.“ Walter Benjamin schrieb einmal über die Melancholie: „Produkton einer Leiche ist das Leben, vom Tode her betrachtet.“ Produktion eines Zombies sind Leben und Tod, vom Wiedergängertum her gedacht, könnte man antworten. Diese Zeit, dieser Ort (oder vielleicht jede Zeit, jeder Ort?) produzieren Wesen, die schon gestorben sind und dennoch weiterlaufen und sprechen und denen nichts anderes übrigbleibt als wie Otto am Ende des Films einen „new way of death“ zu suchen. So liegt über dem ganzen Film eine (trotz Hardcoreszenen) ungeheuer sanfte, durch den augenzwinkernden Humor fast heitere Stimmung der Melancholie, die nicht weiter zu beschreiben, sondern nur zu erleben ist.
Die Virtuosität und spielerische Leichtigkeit des Films geht nicht zuletzt auch darauf zurück, dass hier gekonnt mit Perspektivwechseln gespielt wird. Einige Szenen, die wir zunächst für die (filmische) Realität halten, entpuppen sich später als film(im film)ische der Medea Yarnschen Vision. Viele Szenen scheinen wir durch die Augen von Otto zu sehen, in unnatürlichen Farben und aus schiefen Blickwinkeln. Das Geniale dabei ist allerdings, dass der Film keine letzgültige Aussage über die jeweilige Ebene der „Wirklichkeit“ des Gezeigten trifft. Selbst ob Otto nun ein „echter“ Zombie ist bleibt ungeklärt, deutet doch einiges darauf hin, dass dies nur eine Wahnvorstellung Ottos sein könnte. Auch Medea Yarns bezaubernde Lebenspartnerin Hella Bent (Susanne Sachße), die von klimpernder Musik umhüllt, schwarz-weiß und nur in hübschgerahmten Untertiteln redend, wie sie ist, direkt einem Stummfilm entstiegen zu sein scheint, könnte letzlich eine Phantasie ihrer melancholisch-nostalgischen Freundin sein.
Es gäbe sicherlich noch viel mehr über diesen Ausnahmefilm zu sagen, aber ich hoffe allen Lust gemacht zu haben, die den Film noch nicht sehen konnten. Bei meiner im Prinzip uneingeschränkten Empfehlung wäre vielleicht noch anzufügen, dass dieser Film einige Szenen enthält, die die Ekelschwelle von allzu empfindsamen Menschen im wahrsten Sinne des Wortes durchstoßen könnten. (Sorry, das konnt ich mir jetzt nicht verkneifen 🙂 )