RIP Helmut Dziuba



Bereits am Donnerstag, den 19.4.2012, verstarb Helmut Dziuba in Berlin. Vorletzte Woche geisterte die Meldung durch ein paar wenige Blätter, wirklich Notiz zu nehmen schienen davon aber nur wenige. Es mag auch daran liegen, dass Dziuba mit seinen Filmen über jugendliche Figuren letztlich ein wenig ins Kinder- und Jugendfilmghetto abgeschoben war. Genau das hat ihm zu DDR-Zeiten ermöglicht, unverblümte Zustandsbeschreibungen in seine Filme zu schmuggeln, weil in diesem Bereich nicht ganz so genau wie sonst hingeschaut wurde. „Sind ja nur Kinderfilme.“ Und so bleibt etwa von Dziubas DER UNTERGANG DER EMMA nicht der etwas aufgesetzte ideologische Appell einer Figur in der Schlussszene in Erinnerung, sondern das atmosphärische Gespür für ein gegenwärtiges Lebensgefühl, das den Hintergrund bildet einer Geschichte, in der beinahe nur Kinder und ausrangierte Alte noch etwas zu bewegen im Stande scheinen: Die Eltern, die Erwachsenen, haben hingegen die Trostlosigkeit ihrer Lebensstagnation längst dem Alkohol überantwortet. Knapp am liebsten von den bislang leider nur drei gesehenen Dziuba-Filmen ist mir vermutlich ALS UNKU EDES FREUNDIN WAR, an den ich kürzlich bei einer Sichtung von Tony Gatlifs SWING häufiger denken musste. Die Freundschaft eines Jungen im Berlin der 20er Jahre mit einem Sinti-Mädchen vom argwöhnisch beäugten Wanderzirkus gerinnt in den intensivsten Momenten zu einer schmerzhaft verdichteten Melancholie über die drohende Flüchtigkeit einer vorurteilsfreien Annäherung. Trotz oder gerade wegen der zeitlichen Verlagerung mag man das Zerrinnen einer angedeuteten Utopie dabei auch als Allegorie auf die gesellschaftliche Entwicklung zur Filmentstehungszeit deuten, vor allem geht es aber um die Lebenswelten der Figuren.

Helmut Dziuba, von dem wir vorher nichts gehört hatten, begegnete Sano und mir erst im Februar 2010 durch die Berlinale-Aufführung von SABINE KLEIST, 7 JAHRE, dessen Umgang mit den Kinderdarstellern ebenso wie mit den Kinderfiguren uns beeindruckte, auch weil seine respektvoll-aufgeschlossene Haltung wenig gemeinsam hatte mit dem von oben herab instruierenden Tonfall, mit dem Kinderfilme sonst bisweilen ihre Figuren und ihre Zielgruppe adressieren. Dieser und vielleicht auch weitere Dziuba-Filme werden voraussichtlich auch noch Eingang in unsere Besprechungsreihe „100 Deutsche Lieblingsfilme“ finden.
Im darauffolgenden Herbst war der ausgesprochen angenehme Dziuba außerdem bei einer kleinen Werkschau in Nürnberg zu Gast, wo wir während der SABINE KLEIST-Aufführung die Gelegenheit nutzten, um ein Gespräch mit ihm zu führen, wobei er unter anderem von den meist vergeblichen Schwierigkeiten berichtete, nach der Wende noch einmal einen Film zu drehen. Eine Veröffentlichung dieses Interviews steht noch aus (was auch für einige andere gilt, es harrt da noch manches der Weiterverarbeitung).

In Ermangelung eines größeren eigenen Beitrages sei zum Tod von Helmut Dziuba ansonsten auf diesen und diesen Nachruf verwiesen.

(Bilderquellen: berlinale.de & cinema.de)