In Schlußakkord erstrahlt beinahe jeder Schauspieler als Star, fast jeder bekommt seinen ‘Auftritt‘, einen Moment, in dem er glänzen darf; und wenn die Kamera auf dem jeweiligen Körper ruht, tritt die Figur aus dem Dunkel der Handlung und ihrer Zweckmäßigkeit heraus – scheint es, als drehe sich in diesem Moment alles nur um sie. Wie müssen diese Gesichter früher von den Kinoleinwänden geleuchtet haben, in silbrigen Nuancen schimmernd, von den Projektoren mit Kohlelampen durchschienen! Weiterlesen…
Entkörperlichte Hände wirken in rasanter Schnittfolge auf diverse Instrumente ein, oben, unten, rechts, dann links, während die Credits wie stramm durchgespielte Notenblätter in und aus der Kadragenmitte flattern. Der erste Walzerkrieg ist in Ludwig Bergers gleichnamiger Tonfilmoperette bereits entfacht, bevor wir überhaupt erfahren, wer hier wen bekämpft. Entsprechend angespannt dominieren zuvorderst Geigen sie von vorne bis hinten. Musik gibt den Ton an und sie nimmt ihn auch wieder weg. Ein beinahe 180°-Schwenk eröffnet den Reigen durch die Gesamtheit eines vereinsamten Biergartens hindurch, entlang am schleppenden Gang des diesen durchstreifenden Wirtes, dem untermalt von forschen Klängen eine fast unerträgliche Ruhe innewohnt, am Tisch des einsamen Gastes angelangt folgt endlich ein Schnitt. Auf der anderen Seite des Zaunes steppt der Bär. Blickdrehungen und Schnitte begreift „Walzerkrieg“ vor allem als Gegenüberstellungsmittel, zwischen Feiern, Kontrahenten am Instrument, ganzen Kapellen, den Druckstufen, die die Finger des jeweils anderen ins Spiel des so auf Gedeih und Verderb zum Partner Erklärten legen. Was Musik im Menschen anrichtet, davon handelt dieser Film. Den größten Spaß haben dabei jene, die ihren eigenen Takt bereits als seelisches Uhrwerk verinnerlicht haben – diebisch schleicht sich Willy Fritsch für ein Busserl von der Trommel fort und zählt über die Einwürfe seiner Liebsten hinweg die Takte bis zum nächsten Einsatz laut mit. Weiterlesen…
(mit Dank an Bruce Baillie)
Als ich ins Kino komme, haut es mich fast hintenüber, versucht mein Körper reflexartig rückwärts stolpernd umzufallen, wohl erstaunt von den Bildern, die ihm von der Leinwand entgegentreten. Der Film läuft bereits, und ich stehle mich, etwas benommen und schwankend, in eine der vorderen Sitzreihen, um mich in seine Welt hineinfallen zu lassen, deren Entstehung ich jedoch verpasst habe. Auf einer Burgmauer thronend, klagt das Gesicht einer Kriegerin, einer Mutter (eine Medici, wie ich später erfahren werde) die Welt an, fordert sie gleichzeitig heraus, wie Johanna von Orleans auf einem Rennaisancegemälde. Der ganze Film ist ein Renaissancegemälde, eine Abfolge malerischer Tableaus in gemeißeltem oder gaziertem Schwarzweiß. Das Glücksgefühl der Erkenntnis in etwas für mich Besonderes hineingeraten zu sein, überkommt mich sofort, und die verzögerte Realisation desselben lässt mich bereits erahnen, dass dieses Gefühl für den Rest der Vorstellung andauern wird. Liebe auf den ersten Blick also. Weiterlesen…
Schon lange hegte das Hofbauer-Kommando den Wunsch, bei seinen unermüdlichen Bohrungen nach dem öligen Gold des filmgewordenen Begehrens auch einmal in die Gefilde des frühen deutschen Tonfilms vorzustoßen, der – was wir in Zukunft noch öfter zu demonstrieren gedenken – stets über eine „ganz eigene Grundschmierigkeit“ (Sano) verfügt, die nur mühsam vom Mieder zeitgemäßer Anständigkeit zusammengepresst wurde und sich beim unterschwelligsten Anlass zur Frivolität aus ihrem letztlich doch nur lax geschnürten Korsett herauszublähen drohte. Ja, das deutsche Kino war vor und während des zweiten Weltkriegs äußerlich von so aggressivem sexuellen Selbstbewusstsin und innerlich so tiefenschmierig wie danach ganze zwei Jahrzehnte lang nicht mehr. Zahlreiche spritzige Komödien um die Irrungen und Wirrungen der Liebe und das natürlich aufgrund lüstern schmunzelnder Ungeduld der Männchen und aufstachelnd scheinheiliger Hinhaltemanöver der Weibchen schwierige Miteinander der Geschlechter legen anschaulich Zeugnis dieses überaus delektablen Umstands ab. Am anderen Ende des ungeheuren Gefühlsspektrums florierte bereits gar ersprießlich das HK-kernrelevante und der zwischen Scham und Schaulust zerrissenen deutschen Seele intim nahestehende Genre des Sittenfilms in all seinen unterschiedlich seriösen und unseriösen Ausformungen. Weiterlesen…
Der Film wirkt zunächst wie zusammengeschustert, zusammengestöpselt, zusammengeklaubt und zusammengeklebt, aus mehreren Filmen zusammengefügt, und von verschiedenen Händen zusammengesetzt. Alles funktioniert nach diesem Prinzip, der Zentripetalkraft des Kunstwerks, welches imstande ist sich vieles einzuverleiben und sich zu eigen zu machen. Unscharfe Aufnahmen, traumähnliche Ellipsen, im Nachhinein im Synchronstudio gezimmerte Szenenübergänge. Heterogene Elemente werden vermischt, der Film zerfasert, franst aus, birst an allen Ecken und Enden. So flüchtig vieles erscheint, und so rasch die Impressionen auch vorüberziehen, noch lieber verweilt die Kamera auf ausgesuchten Dingen, zeigt sie aus verschiedenen Perspektiven, und lässt manche Sequenz gerne auch laufen, einfach weiterlaufen, ihre Wirkung intensivieren, indem sie Momente streckt und sie innerhalb einer Plansequenz auf der Stelle treten lässt. Ein bisschen merkt man dann, wie das ist im Leben, wenn die Zeit stillsteht und nicht vergehen will, wenn es auf einmal stockt, der Augenblick uns im Stich lässt oder uns einsaugt und sich Gefühle zu dehnen scheinen bis der Raum sich zu dehnen scheint, Nahaufnahmen aus der Totale. Weiterlesen…
Das Reizvolle am Übergang von der Stummfilmzeit zum Tonfilm sind für mich die stilistischen Umbrüche, das Ungeschickte und Unfertige, welches man in den Filmen Ende der 20er und Anfang der 30er oft zu entdecken meint. Der Zwang, aber auch das Interesse, sich um neue Arten der Filmsprache zu bemühen, und der Versuch Eigenschaften des stummen Films in den Sprechenden zu überführen. Regine ist auf den ersten Blick so ein Film. Jedoch nur auf den ersten. Denn wir schreiben bereits das Jahr 1935, und auf dem Regiestuhl sitzt mit Erich Waschneck ein echter Meister, der nichts dem Zufall überlässt, bzw. diesen immer seinen eigenen Zwecken zuzuführen versteht. Am ehesten erinnerte mich das alles an Boris Barnets Okraina (1933), einen Film der ebenso präzise wie freimütig mit seinen Einfällen zu jonglieren versteht, und dem innerhalb des Ganzen immer wieder einzelne Miniaturen gelingen, die dem Zuschauer jedes Mal aufs Neue das Gefühl verleihen einem Zauberkunststück beizuwohnen. Das vermeintlich Leichte und Einfache ist aber oft mit dem größten Aufwand verbunden und der Eindruck von Spontaneität verdankt sich meist intensiver Arbeit. Weiterlesen…