Peter Pewas Straßenbekanntschaft mit der DEFA





Zu Peter Pewas Meisterwerk Straßenbekanntschaft (1948) heißt es in Ralf Schenks Buch Eine kleine Geschichte der DEFA (2006) unter dem Eintrag 13. April 1948:

Im Berliner „Filmtheater am Friedrichshein“ feiert der erste und einzige DEFA-Film des Regisseurs Peter Pewas Premiere: „Strassenbekanntschaft“. Über seinen Kameramann Georg Bruckbauer, der zuvor schon Filme von Werner Hochbaum („Schatten der Vergangenheit“, 1936) oder helmut Käutner („Romanze in Moll“, 1943) fotografiert hatte, erzählt Pewas

„Vor lauter Empfindsamkeit konnte er schon Tage vor Drehbeginn weder essen noch schlafen. Er verriet mir, dass ihm das bei jedem Film so ginge, denn er suchte jedem Film eine ganz bestimmte Lichtcharakteristik zu geben. Bei der ‚Straßenbekanntschaft‘ wollte er mit dem Weitwinkel experimentieren, um in allen Szenen möglichst viel von der Umwelt präsent machen zu können. Er (…) suchte für jede Szene einen besonderen Klick und unterstützte damit meine eigenen Intentionen.“

Nach den Arbeitsbedingungen bei der DEFA befragt, antwortet Pewas 1981: „Nie zuvor und danach hatte ich so exzellente Produktionsbedingungen wie bei der DEFA. Ich bekam alles, was ich brauchte. So lange die Produktion lief, mischte sich die DEFA nicht in die künstlerische Arbeit ein. Das war ihr Prinzip. Die großen Hammerschläge kamen dann unter Umständen später.“


Dazu auch Fred Gehler (in: Film und Fernsehen, Berlin/DDR, Nr. 5, 1991):

Die dramatische Konstruktion des Films ist erstaunlich offen: Geschichte und Gesichter tauchen auf und werden wieder verlassen. Ein Pirschgang durch seelische Landschaften. Die Kamera als Scheinwerfer. Das von der deutschen Filmklassik so ge­schätzte und entdeckte Modellieren mit dem Licht, durch das Licht.

Das Mißverständnis mit dieser „Straßenbekanntschaft“ war vorprogrammiert. Ein Film, der sich nicht verbal beim Worte nehmen ließ, der sich primär konstituierte in seinen visuellen Valeurs, in seinen Chiffren. Film im Bewußtsein für eine „filmische Sprache“, in der Artikulation der Hoffnung, das verschüttete und dem ideologischen Auftrag geopferte Urelement des Films nun endlich wieder freisetzen zu können. Pewas und sein Kameramann Georg Bruckbauer machten die Objekte beredt: die Details eines Zimmers, die Requisiten einer Straße, das Häusermeer der Stadt. Auffällig ihre Affinität zu Spiegeln: Menschen vor Spiegeln, Spiegel als Reflex innerer Verfassung (Ich kann nicht mehr in den Spiegel schauen, ohne Ekel vor mir selbst zu haben …) Kaputte Spiegel in zerstörten Wohnungen. Die Verführungsszene Erikas wird vor einem Spiegel, mit Hilfe eines Spiegels eröffnet. Erika steigt auf einen Stuhl, um ihre Beine mit den neuen Strümpfen im Spiegel zu betrachten.

Die Schwenks und der extreme Weitwinkeleinsatz in manchen Szenen des Films hätten in anderen Filmländern zu Elogen auf die moderne filmische Stilistik geführt. In der gespaltenen deutschen Kinematographie anno 1948 blieb dies alles unbemerkt oder unangemerkt. Das Beste, was „Straßenbekanntschaft“ passierte, war, als ein DEFA-Film im Dienste der Volksgesundheit etikettiert zu werden. Andere Stimmen mutmaßten schon: Berlin wird leider nur von der Schattenseite des Lebens her gezeigt. Und Pewas Hinweis, sein Film sei als ein Werk zu sehen, das alle Motive aus dem Menschlichen bezieht, war schon bald eine sehr verfängliche und kulturpolitisch so nicht mehr vertretbare Artikulation.

Für mich bleibt Pewas einzige DEFA-Arbeit eine der schönsten filmischen Offenbarungen des deutschen Nachkriegsfilms. Ein Impuls, der keinen Widerhall fand. Sieben Jahre später machte Pewas mit seinem ersten bundesdeutschen Spielfilm „Viele kamen vorbei“ ähnliche Erfahrungen.

Dieser Beitrag wurde am Freitag, November 17th, 2017 in den Kategorien Ältere Texte, Blog, Blogautoren, Filmschaffende, Sano, Verschiedenes, Zitate veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

Kommentar hinzufügen