STB Alexander Schmidt 2011

Legende

* = im Kino gesehen
n. b. = nicht bewertet
[ ] = soundsovielte Sichtung

Dezember 2011

New York Stories / New Yorker Geschichten (Martin Scorsese, Francis Ford Coppola & Woody Allen; USA 1989) 8/10, 5/10, 9/10

Ibara no O / King of Thorn (Kazuyoshi Katayama, J 2009; Animationsfilm) 6/10
Die spannende an ein typisches Philipp K. Dick-Szenario erinnernde Ausgangsidee wird leider nicht reizvll genug ausgeschöpft, um mich wirklich zu begeistern. Stattdessen verliert sich der Köing der Dornen etwas in den in anödend gleichmäßiger Frequenz eingeschobenen Monsterkämpfen.

Lady Blue Shanghai (David Lynch, F/USA 2010, Kurzfilm, 3.x) 7/10
Tatsächlich jetzt schon dreimal gesehen, da ich den zweimal Leuten zeigen musste. Er gefiel mir mit jedem Mal etwas mehr, auch wenn ich ihn nach wie vor für ein eher schwächeres Lyncherzeugnis halte.

Tais-toi / Ruby & Quentin (Francis Veber, F 2003) 5/10
Reno und Dépardieu als ungleiche Gangster, kurzweilig, aber nichts zum merken.

History of the World: Part I / Mel Brooks – Die verrückte Geschichte der Welt (Mel Brooks, USA 1981) 6,5/10
In seiner konsequenten Debilität irgendwie doch ziemlich witzig. Urlaub in der Kindheit.

The Animatrix / Animatrix (Diverse, USA 2003; Kurzfilmsammlung) 7,5/10
Diese kurzen Animationsfilme gehen die Prämisse des MATRIX-Universums zum Glück mehrheitlich auf spielerische (und damit philosophischere) Weise an, anstatt wie die Realfilmtrilogie zunehmend auf religiöses Pathos und manchmal fast unfreiwillig komische Überwältigungsaction zu setzen und somit hinter ihrer behaupteten Tiefsinnigkeit weit zurück zu bleiben. Natürlich gibt es auch hier viel Style over Substance, aber dafür vom Feinsten und in stilistischer Diversität.

Fried Green Tomatoes / Grüne Tomaten (Jon Avnet, USA 1991) 6,5/10

The Help* (Tate Taylor, USA 2011) 7,5/10

November 2011

De valse noot / La note fausse (Raoul Servais, Belgien 1963, Kurzfilm) n.b.

Dance of the Vampires / Tanz der Vampire (Roman Polanski, USA/UK 1967,[5]) 8,5/10

L’auberge rouge (Gérard Krawczyk, F 2007) 6/10

Homevideo (Kilian Riedhof, D 2011, TV-Film) n.b.
Für einen aktuellen deutschen Fernsehfilm recht gut. Wie bewertet man sowas?

The Din of Celestial Birds (E. Elias Merhige, USA 2006, Kurzfilm) 9/10
Die nur knapp viertelstündige Fortsetzung von Merhiges „metaphysischem Splatterfilm“ BEGOTTEN. Genauso kompromisslos und toll.

Suspect Zero (E. Elias Merhige, USA 2004) 7,5/10
Visuell starker Psychothriller mit übersinnlichen Anklängen. Ben Kingsley spielt die anderen Darsteller leider nur zu leicht an die Wand.

Jagdszenen aus Niederbayern (Peter Fleischmann, BRD 1969) 7,5/10
Wer immer noch nicht begriffen haben sollte, dass bayrische Käffer die Hölle auf Erden sind, möge diesen Film sehen!

Milchwald (Christoph Hochhäusler, D 2003) 4/10
Ach die Berliner Schule mit ihrer kultivierten Anämie und ihren plakativ nicht kommunizierenden Figuren. Interessant ist hier allerdings das Sounddesign und der fast Resnaissche (zum Vergleich L’AMOUR À MORT) Musikeinsatz. Die ein oder andere Szene ist auch eigentlich ziemlich gut, oder zumindest fast. Aber im angestrengten Versuch unaufdringlich und subtil zu sein wirkt der Film nahezu plump. Hochhäusler hat in einem Interview glaube ich gesagt, es ginge ihm darum, „das Interesse der Kamera auszulöschen“, oder so. Klingt nach Zen, fühlt sich aber eher wie Aderlass an.

Ai no mukidashi / Love Exposure (Sion Sono, J 2008) 9/10
Leider, leider damals auf der Berlinale wegen Übermüdung und allzu morgendlicher Vorführungszeit gespart. Was für eine Fehlentscheidung, was für ein toller unanstrengender, süffiger, die Kehle netzender Film von „einem der letzten großen Schangler“ (Zitat Christoph)! Sono kann von mir aus gerne nochmal eine siebenstündige Fortsetzung drehen. Einfach schauen und schauen und schauen. Kino als Schlemmermenü.

La piel que habito / Die Haut in der ich wohne* (Pedro Almodóvar, E 2011) 6,5/10

Hermitage (Carmelo Bene, I 1968, Short) 5/10
Nachdem ich von Benes psychedelisch-barockem Bilderrausch SALOMÉ ja seinerzeit hellauf begeistert war, hielt ich es für an der Zeit, sein Werk ein bisschen weiter zu erkunden. HERMITAGE ist Benes erster Gehversuch als Regisseur und trotz größtmöglichen Prunk- und Schangelaufgebots vermochte er nicht annähernd eine ähnlich dionysische Rauschwirkung bei mir zu entfachen, wie die vier Jahre später gedrehten Wilde-Adaption, die den Betrachter in einen Einstellung für aufblitzende Einstellung in einen frenetischen Taumel versetzt (so ging es zumindest Anika, Christoph und mir). HERMITAGE erinnert eher ewas an Kenneth Anger und James Bidgoods schwulen Kultfilm PINK NARCISSUS ohne die Konsequenz und Ausdruckskraft dieser Vergleichsfolien zu erreichen. Die Tendenz geht leider in Richtung Langel (soeben kreirter Begriff für langweiligen Schangel). Sehenswert höchstens als für Bene sicher wichtiger Ausgangspunkt für seine späteren Exzesse.

Bugie rosse / Red Lies (Pierfrancesco Campanella, I 1993) 7/10
Ein Giallo im Schwulenmilieu. Wunderbar die Szene als die dämonische Grande Dame Alida Valli dem Protagonisten gegenübersteht und sich mit abgründigem Lächeln die Lippen mit Lippenstift nachfährt.

Il nido del ragno / Spider Labyrinth (Gianfranco Giagni, I 1988) 7/10
Sehr atmosphärischer giallesker Horrorfilm mit Anklägen an H.P.Lovecraft.

Lady Blue Shanghai (David Lynch, F/USA 2010, Short) 6/10
Hatte von diesem Kurzfilm Lynchs und bin neulich bei Andis Sehtagebuch nochmal explizit drauf aufmerksam geworden. Vielleicht lag’s daran, dass ich den auf youtube gesehen habe, aber für mein Empfinden war der jetzt nicht herausragend und INLAND EMPIRE definitiv der atmosphärischere Film. Davon mal abgesehen dass dieses Dior-Product-Placement ja auch im Grunde bäh ist. Trotzdem ganz schöne Bilder und ein paar von Lynchs Standardmotiven.

Oktober 2011

Poo kor karn rai / The Terrorists* (Thunska Pansittivorakul, THAI/D 2011) 7/10
Poetisches, zugleich brutal realistisches Essay über Tyrannei und Unterdrückung. Anstrengend in der Rezeption, intensiv in der Nachwirkung.

Drag Me to Hell (Sam Raimi, USA 2009) 7/10
Höllischer Spaß mit viel Schangel à la sprechenden Ziegen und summenden Fliegen. Höchst fragwürdig natürlich die Darstellung betagter osteuropäischer Migrantinnen mit mutmaßlichem Sinti-und-Roma-Hintergrund…

Melancholia* (Lars von Trier, DK/S/F/D 2011) 9/10
There’s a sta-aaar waiting in the sky…“ Ziggy Stardust

Film Socialisme* (Jean-Luc Godard, CH/F 2010) 7/10
Das Geld, die Tragödie, die Liebe, Europa, der Kapitalismus, der Tod, die Juden, die Nazis, die Palästinenser, die Griechen, die Deutschen, die Franzosen, Patti Smith, Balzac, ein Lama, ein blinder Junge, Kinder, Eltern, das Wasser, der Sozialismus, das Kino.

A Torinói ló / Das Turiner Pferd* (Béla Tarr, HUN/F/D/CH/USA 2011) 9,5/10
Ultrakunst! In der Akademie der Künste anlässlich der Verleihung des Konrad-Wolff-Preises an Tarr gesehen. Ultrakunst. Es folgt (hoffentlich) in Kürze ein Text dazu. Jawohl, bestimmt! Er kommt noch, nur Geduld.

Despair (Rainer Werner Fassbinder, BRD/F 1978) 8/10
Ab und zu ein Fassbinder geht immer! DESPAIR ist vielleicht keines seiner herausragendsten Werke, aber sicher nicht „einer seiner schlechtesten Filme“ (Christoph). Auch wenn ich die Romanvorlage hier nicht gelesen habe, glaube ich anhand meiner auf der Lektüre von „Lushins Verteidigung“ und „Lolita“ basierenden Nabokovgrundkenntnis sagen zu können, dass Fassbinder dessen leicht überdrehten, vertrackt leichtfüßigen und hintergründig ironischen Ton ziemlich perfekt trifft und farbenfroh bebildert. Ballhaus‘ Kamera ist traumhaft wie eh und jeh und Dirk Bogarde, Andrea Ferréol, Volker Spengler, Klaus Löwitsch, Peter Kern und andere liefern sich süffisante High Camp-Dialoge. Was die Artifizialität der Ausstattung betrifft ein Schritt in Richtung des großartigen QUERELLE.

Ugetsu monogatari / Erzählungen unter dem Regenmond (Kenji Mizoguchi, J 1953) 8,5/10
Japanische Klassiker kriegen mich irgendwie immer. Wunderschön sanfte Kamerfahrten von Kazuo Miyagawa, tolles Sounddesign vor allem in den Geisterszenen und große Darsteller, vor allem die weiblichen.

Öszi almanach / Almanach of Fall (Béla Tarr, HUN 1985) 7/10
Sehr innovativer Umgang mit Farbe und Ausleuchtung sowie exzellente Kameraarbeit. Relativ dialoglastig, was aber nicht schlimm ist. Allerdings konnte ich nur zu den beiden Alten echte Empathie aufbauen, vielleicht ist das auch so beabsichtigt?

New Rose Hotel (Abel Ferrara, USA 1998) 5,5/10
Trotz super Besetzung und nicht unraffiniertem Plot funktioniert der Film nur teilweise für mich. Fast jede Szene wirkt irgendwie vorbereitend und als die Handlung gerade in Gang kommt, wird die Tür gleich wieder vor der Nase zugeschlagen und der Film schaltet bist zum Schluss schier endlos auf Rückblende-Modus, was sich leider sehr viel interessanter anhört, als es ist.

Die Weibchen* (Zbynek Brynych, BRD 1970) 9/10
Schangel, Schangel, Schangel, dass die Hose platzt! Kannte Fellini den Film, als er STADT DER FRAUEN gemacht hat?

L’eau froide / Cold Water / Das weiße Blatt* (Olivier Assayas, F 1994) 6/10
Es gibt eine grandiose, schier endlose Partyszene und viel gute Musik aus den 70ern. Richtig warm bin ich mit dem kalten Wasser allerdings nicht geworden und werde ich mit Assayas wohl auch nicht mehr, vermute ich nach dem vierten Film, den ich hiermit von ihm kenne. Obwohl er selbst (war anwesend) ein wirklich sehr, sehr sympathischer typ zu sein scheint.

Whore’s Glory* (Michael Glawogger, D/AU 2011, Doku) 7/10

Ruang rak noi nid mahasan / Last Life in the Universe (Pen-Ek Ratanaruang, Thailand/J 2003) 7/10

September 2011

Durch die Nacht mit… Udo Kier und Grayson Perry (Cordula Kablitz-Post, D 2004, TV-Dokuserie) n.b.

Marseille (Angela Schanelec, D 2004) 4,5/10
Kommentar bei Sanos Text

Doktor Knock (Dominik Graf, D/AU 1996, TV) 7,5/10

Kimyô na sâkasu / Strange Circus (Sion Sono, J 2005) 8/10

Kumonosu-Jo / Das Schloss im Spinnwebwald* (Akira Kurosawa, J 1957) 8,5/10
Von den drei Macbethverfilmungen die ich bisher gesehen habe die beste und das heißt was, wenn die anderen von Welles und Polanski sind.

The Texas Chain Saw Massacre (Tobe Hooper, USA 1974) 9/10
Für diesen romantischen Abend nochmal tief empfundenen Dank an die Gaysha, Schatz der sie ist!

Weiße Lilien (Christian Frosch, AU/D/LUX/HUN 2007) 9/10
Nach DIE TOTALE THERAPIE nun schon der zweite Ultrafilm von diesem Frosch. MEHR!!!

White of the Eye (Donald Cammel, UK 1987) 9/10

Le Havre* (Aki Kaurismäki, FIN/F/D 2011) 2/10
Furchtbares, gut gemeintes Gutmenschenkino. Musste teils furchtbares Schlockpublikum ertragen, das die ganze Zeit aus der letzten Reihe vernehmlich kicherte und prustete und jemanden, der mit einer Ananas in der Hand eine Kneipe betritt, wohl für das Exzentrischste und Urkomischste hielt, mit dem ein Film nur aufwarten kann. Kotz.

August 2011

Falscher Bekenner (Christoph Hochhäusler, D/DK 2005) 7,5/10
Tolle Szene: als Armin seiner Freundin Katja, die er gerne als Freundin hätte, die ihn aber nur als Freund sieht, nachdem er sie beim herumalbernden Herumfahren mit einem Rollstuhl in einer Tennishalle offensichtlich am Arm verletzt hatte, wobei auch der Rollstuhl zu Bruch ging, ein Pflaster mitbringt und sie sagt, sie habe doch schon eines und er sagt, ja aber kein neues und sie ihren Arm entblößt und die Kamera von ganz dicht zeigt, wie Armin Katja mit einem Ruck das alte Pflaster abreißt unter dem kurz die Wunde sichtbar wird und dann nach oben gleitet und Katjas Gesicht erfasst, die jetzt Armin anblickt und ihrem Blick folgt auf Armins Gesicht, der sie anblickt, um dann wieder abzutauchen und genau in dem Moment wieder auf ihrem Arm zur Ruhe zu kommen, als Armin das neue Pflaster aufdrückt.

Durch die Nacht mit… Alejandro Jodorowsky und Daniel Pinchbeck (Hasko Baumann, D 2009, TV-Dokuserie) n.b.
Eher langeweilig, hauptsächlich unterhalten sich die zwei über Eso-Quatsch, wobei Jodorowsky dies deutlich unterhaltsamer tut, als der oft verkrampft wirkende amerikanische Sinnsucher, Maya-Apokalyptiker und Kornkreis“experte“.

Hakob Hovnatanyan (Sergej Paradjanow, SU 1967, Kurzfilm) 7/10

Morlock: Die Verflechtung (Dominik Graf, D 1993, TV) 8/10
Hochgradig spannender Wende-Krimi in dem Götz George von einer alten und ihm gar nicht bewussten Schuld eingeholt wird, gegen eine Seilschaft ehemaliger Stasi-Funktionäre kämpft und selbst vor einer Konfrontation mit dem russischen Militär nicht zurückschreckt. Außerdem bekommt er in einem unfassbaren surrealen Einsprengsel das Herz von E.T.A. Hoffmann geschenkt. Danke Graf!

Polizeiruf 110: Cassandras Warnung (Dominik Graf, D 2011, TV) 9/10

Anima Persa / Lost Soul (Dino Risi, I/F 1977) 8/10

Durch die Nacht mit… Schlingensief und Friedman (Edda Baumann von Broen, D 2003, TV-Dokuserie) n.b.
VÖLLIG UNFASSBAR!!

Martha [2] (Rainer Werner Fassbinder, BRD 1974, TV) 9,5/10

Menschen am Sonntag (Kurt Siodmak / Robert Siodmak / Edgar G. Ulmer / Fred Zinneman, D 1930) n.b.
Interessanter (pseudo-) dokumentarischer Blick auf das Berliner Leben vor 80 Jahren. Gegen Ende zieht sich der (ohnehin nicht vollstänidg erhaltene) Film allerdings etwas, oder war das nur meine Müdigkeit? Tue mich generell schwer, Stummfilme zu bewerten, da ich dabei oft das Gefühl habe, (noch immer) nicht fähig zu sein den Film richtig zu erleben. Müsste wohl mal einen Monta lang nur Stummfilme sehen um reinzukommen.

Zerkalo / Der Spiegel* [3] (Andrej Tarkowskij, SU 1975) 10/10
Die heutige (16.8.) Wiederbegegnung mit dieser Ultrakunst (zur Erklärung: dieses mittlerweile zum festen Repertoire der ET-Terminologie gehörende und unter Mithilfe von Rajko B. in die Blogosphäre hinausgetragene Wort wurde ursprünglich von unserem kybernetischen Heiland Scott Hoffmann in Bezug auf Tarkowski-Filme verwendet!) nehme ich zum Anlass, mein längeres Fastschweigen hier auf dem Blog zu durchbrechen und eine paar spontane Gedanken los zu werden.
Wie man mit Blick auf mein Sehtagebuch unschwer feststellen kann, nutze ich gerade die allsommerliche Tarkowski-Retrospektive des ehrenwerten ARSENAL-Kinos für eine persönliche neuerliche Beschäftigung mit dem Oeuvre dieses Herrn, wozu auch die begleitende Lektüre seiner filmtheoretischen Essays und Gedanken („Die versiegelte Zeit„) gehört. Denn wenn gewisse subversive Kreise rund um das Hofbauerkommando schon beständig daran arbeiten diesen Blog in einen Hort fragwürdigster Schmutzinhalte und Hintertreppenattraktionen zu verwandeln, ist jemand gefragt, der einmal wieder die hehre Fackel der ehrwürdigen (und auch noch kanonischen! *vorprogrammierter Herzinfarkt bei einem gewissen, innig geliebten Kollegen*) Cinekunst als Spiritualkunst zu schwenken, oder sollte ich lieber sagen, das russisch-orthodoxe Weihrauchfässchen?
Wie dem auch sei, wie ebenfalls unschwer an meinen Wertungen zu erkennen ist, besorgt es mir der schnauzbärtige Andrei gerade so richtig und vielleicht birgt das die Chance einer Schwangerschaft mit dem ein oder anderen Text, der selbstverständlich hier vor aller Öffentlichkeit im Zirkuszelt der ET ausgetragen werden wird!
Doch nun zum SPIEGEL, diesem abstraktesten, ephemersten, tendenziell wohl sperrigsten und doch zugleich persönlichsten und vielleicht schönsten Filme Tarkowski, dem Lieblingsfilm von Lars von Trier übrigens, in dessen Filmen Tarkowski-Zitate zu finden übrigens ein heimliches cinerdiges Hobby von mir geworden ist: und schon versagen die Worte, denn dieser filmische Kristall entzieht sich der verbalen Beschreibung, obwohl Sprache und das gerade in ihrer höchsten Präzision und gleichzeitigen Vieldeutigkeit, nämlich als Gedicht, ganz im Zentrum des Films stehen. Doch was tut dies nicht? Weitaus unaufdringlicher als der zwar formal beeindruckende, aber pathosüberladene und letztlich unfreiwillig komische TREE OF LIFE, schickt sich DER SPIEGEL an, fast die gleichen universalen Themen, wie Kindheit/Alter, Erinnerung, verlorene Unschuld, die Natur als Offenbarung anzupacken… […wird wegen akuter Ultramüdigkeit morgen fortgesetzt]

…morgen hieß in diesem Fall mal wieder „drei Tage später“, aber nun folgt sie tatsächlich die versprochene Fortsetzung:
Ein junger, schüchterner Mann wird hypnotisiert. Bei drei so sagt ihm die matronenhaft agierende Hypnotiseurin, würden sich nicht nur seine zuvor in Froststarre versetzen Hände entspannen, auch seine Stimme sei dann befreit und er könne endlich (wieder) laut sprechen. Diese Szene steht am Anfang des SPIEGELS, ohne dass es hier einen echten Anfang gebe, wie es auch kein echtes Ende dieses Films gibt. Er wird seinem Titel nicht nur durch die allgegenwärtige, fast ständige Anwesenheit von Spiegeln im Filmbild gerecht, sondern auch dadurch, dass er einen virtuellen Raum schafft, dessen Grenzen sich nicht bemessen lassen und dessen Ausmaße je nach Betrachterstandpunkt unterschiedlich sind. Auf einer eher oberflächlichen Ebene ist dieser passenderweise auch im Spielfilmoeuvre Tarkowskis genau in der Mitte, also gewissermaßen auf der Spiegelachse seines Werks stehende Film natürlich eine Selbstbespiegelung seines Regisseurs und dessen Erinnerungen, Gedanken, Obsessionen und Ängste, was die sowjetische Filmkritik auch veranlasste, ZERKALO als „freudianische Nabelschau“ zu verunglimpfen, wobei Freud natürlich ungefähr soviel mit Tarkowski zu tun hat wie, sagen wir mal spaßeshalber Darwin mit Haneke. Tarkowski betreibt im Übrigen alles Andere als narzisstische Masturbation über dem eigenen Leben, hinter der Verwendung persönlich(st)er Erinnerungen, steht viel mehr der von ihm immer wieder geäußerte Gedanke, dass das filmische Bild, wie alle große Kunst ihm zufolge aus der genauesten und unmittelbarsten Beobachtung der Realität entsteht und nur so aus dem Speziellen, ja Einmaligen, das Bild des Allgemeingültigen oder des Universums entstehen kann wie im japanischen Haiku.
Wie immer man dazu stehen mag, beschwört ZERKALO ein Gefühl bei mir herauf, dass man vielleicht als „Kindheitsgefühl“ charakterisieren könnte, obwohl meine Kindheit zweifellos anders verlief, als die eines 1932 geborenen Russen. Das Prinzip, die Splitter erlebter Zeit, also Realität keimen zu lassen und daraus die abstrakten und surrealen Bilder, die sich in ZERKALO mit zunehmender Häufigkeit Bildraum erobern, abzuleiten, lässt in Tarkowskijs Oeuvre allgemein den Übergang zwischen den nur vermeintlich getrennten Ebenen des Realen und Imaginären so unmerklich erscheinen und kommt dadurch der realen Erfahrung im Leben viel näher, als manch andere Darstellung von Erinnerung oder Traum. Streng genommen kann keiner Einstellung in ZERKALO eine eindeutige Zeitebene zugeschrieben werden, was dadurch verstärkt wird, dass die Mutter und die Frau des als Erwachsener stets unsichtbar bleibenden Protagonisten Alexei von derselben Schauspielerin (Margarita Terechowa) gespielt wird, ebenso wie dieser als Kind und sein Sohn Ignat (Ignat Danilzew). Spiegelt die neue Generation die ältere oder spiegeln die Erinnerungen das Gegenwärtige? Dies bleibt unbeantwortbar und wenn ich die letzte Szene richtig verstanden habe, sehen wir hier denn jungen Alexei uns seine Schwester mit der uralten Mutter, beobachtet von der jungen Mutter während das „Stabat Mater“ von Pergolesi ertönt. Dann kurz Stille. Der junge Alexei schließt rennend zu seiner alten Mutter und seiner Schwester auf und stößt einen lauten Lustschrei aus. Die Stimme, die verlorenging. Oder wiedergewonnen wurde, je nachdem von welcher Seite des Spiegels betrachtet.
[noch lange nicht fertig! zweite Fortsetzung folgt… ähm demnächst]

Braindead [3] (Peter Jackson, Neuseeland 1992) 9/10

Sitcom [ca. 6] (François Ozon, F 1998) 8/10

Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt [3] (Rosa von Praunheim, BRD 1971) n.b.

The Adventures of Priscilla, Queen of the Desert / Priscilla – Königin der Wüste (Stephan Eliott, Australien/UK 1994) 7,5/10

Soljaris / Solaris* [3] (Andrej Tarkowskij, SU 1971) 9,5/10

Sajat Nova / Die Farbe des Granatapfels* [2] (Sergej Paradjanow, SU 1963) 8/10

Iwanowo detstwo / Iwans Kindheit* [2] (Andrej Tarkowskij, SU 1962) 9/10

Juli 2011

Spaß ohne Grenzen [2] (Ulrich Seidl, AU 1998, Doku) 9/10

Auf der anderen Seite (Fatih Akin, BRD/TRK/I 2007) 9/10

Abel (Alex van Warmerdam, NL 1986) 7,5/10

From Dusk Till Dawn 2: Texas Blood Money (Scott Spiegel, USA 1999) 2/10

Monsieur Verdoux / Der Frauenmörder von Paris* (Charles Chaplin, USA 1947) 8,5/10

Saving Grace /Grasgeflüster (Nigel Cole, UK 2000 [2]) 5/10

Wild Tigers I Have Known (Cam Archer, USA 2006) 7/10

Engel, die ihre Flügel verbrennen (Zbynek Brynych, BRD 1970) 7/10
Kurzkommentar folgt dann noch bei Christophs Deutsche-Reihe-Text.

Vanilla Sky (Cameron Crowe, USA/ESP 2001) n.b.
Keine Wertung da ich den in angetrunkenem und müdem Zustand geschaut und mich streckenweise dabei unterhalten habe. Das Original ABRE LOS OJOS fand ich seinerzeit ziemlich gut. Müsste die mal im Vergleich sehen.

Thr3e (Robby Henson, PL/USA 2006) 1/10
Mit meinen neuen Mitbewohnern im Fernsehen geschaut. Unglaublich madiger Psychothrillerschlock mit grottigen, fünftklassigen Chargen, plumpester Pseudopsychologie und hanebüchen doofen Plottwists. Dazu noch mit routinemäßiger Lustlosigkeit synchronisiert. Große Scheiße!

The Tree of Life* (Terrence Malick, USA 2011) 7/10
Wesentlich besser als befürchtet und dennoch irgendwie enttäuschend. Kamera, Schnitt, Musik und Tonschnitt sind absolut grandios und verleihen dem BAUM eine gewisse Süffigkeit, die keinen Moment der Langeweile aufkommen lässt. Zunächst mal wirkt der Film aber viel zu kurz für die Art von Über-Pathos, die er dann am Ende anschlägt. Dafür sind einem nach knapp über zwei Stunden die Figuren dann doch noch nicht nahe genug. Möglicherweise ist die 6h-Version tatsächlich besser. Andererseits ist sie vermutlich noch dicker angereichert mit Innigkeitskitsch, Bildern aus diesen wunderschönen Naturbildbänden, die man z.B. Leuten als Mitbringsel schenkt, die keinen Wein trinken, reaktionären Geschlechterbildern und im schlimmsten Fall visuellen Metaphern auf Grönemeyer-Niveau (Stichwort „Strand des Lebens“). Trotz all dieser Bedenken definitiv ein beeindruckender Film und in seiner konsequent ironiefreien Emphatik irgendwie auch wieder bewundernswert eigen. Zum Glück ist Malick wenigstens nur ein ganz normaler Christ und kein evangelikaler Fanatiker oder gar Scientologe, sonst hätten die einen erschreckend guten Werbefilmer. Et lux perpeeeeetuam!

Die Akte Golgatha (Zoltan Spirandelli, D 2010, TV, [2]) 1/10 & 7/10
Dümmlichster Schund, den ich seinerzeit für moviepilot besprechen musste, der aber aufgrund seiner unfassbaren Schlockigkeit doch äußerst unterhaltsam ist. Definitiv genau der richtige Film, um sich dabei mit Kumpels zu besaufen. (In der verlinkten Besprechung auf moviepilot ist der Hinweis in Klammern auf den angeblich guten „Vaya con Dios“ übrigens NICHT von mir, sondern wurde redaktionell „ergänzt“).

Tomato Kecchappu Kôtei / Emperor Tomato Ketchup (Shûji Terayama, J 1971, Langfassung) 8/10
Ebenfalls groß und keinsfalls pornographisch, wie dem Film diffamierenderweise nachgesagt wird. Ich hatte den Eindruck, EMPEROR.. ist ein sehr persönlicher Film Terayamas, in dem er das Trauma des Krieges und insbesondere der Atombombenabwürfe durchspielt, nicht etwa „verarbeitet“. Die ausgedehnte Schere-Stein-Papier-Sequenz am Ende des Films ist m.E. Erachtens dann aber doch einen Tick zu lang geraten, was ihr leider ein bisschen die Kraft und dem Rhythmus des Films die Präzision nimmt.

Ori / The Cage (Shûji Terayama, J 1966, Kurzfilm; [2]) 9/10
Was für ein Debüt! Unglaublich intensive Bildsprache, morbide, erotisch und augenzwinkernd zugleich. Terayama zeigt hier ein brilliantes Gespür für Rhythmus und Bildkomposition gepaart mit anarchischer Poesie.

Seconds / Der Mann, der zweimal lebte (John Frankenheimer, USA 1966) 9,5/10

Juni 2011

Schlafkrankheit* (Ulrich Köhler, D/F 2011) 8/10
Absolut positiv überrascht wurde der Berliner-Schule-Skeptiker in mir. Statt nüchternen, spröde von der Leinwand staubenden Bildern in grauem Bürolicht tatsächlich ein ganz und gar warmer, stellenweise poetischer Film. Nicht ganz auf der künstlerischen Höhe wie Claire Denis‘ Metafilme, aber es geht in die richtige Richtung. Dazu kommt eine angenehme Prise Humor und ein unaufdringliches und daher gutes postmodernes Spiel mit Joseph Conrads Buch „Herz der Finsternis“ (das auch eine wesentliche Inspiration für den epochalen APOCALYPSE NOW war). Als jemand, der selbst längere Zeit als Kind in Afrika gelebt hat, wie Köhler, kann ich sagen, man merkt das sehr deutlich. Das Afrikabild, das der Film vermittelt ist weder naiv verklärend, noch ist es aus der intellektuellen Zuflucht kritischer Distanz abgeleitet. Man spürt Zärtlichkeit und Wehmut darin.

Der blaue Engel (Josef von Sternberg, D 1930) 8/10

Leo es pardo (Iván Zulueta, ESP 1976, Kurzfilm) 7/10

Arrebato (Iván Zulueta, ESP 1980) 8,5/10

A Ghost of a Chance (Gorton Hall, USA 1973) n.b.

Alle Anderen (Maren Ade, D 2009) 6/10
Aha. Naja. Hm.

Boris Godounov (Andrzej Zulawski, F/ESP/Jugoslawien 1989) n.b.
Leider nur in sehr schlechter Bildqualität mit hardcoded polnischen Untertiteln (Text/Gesang ist ja auf russisch) verfügbar. Daher hatte ich mich bisher um diesen Film meines derzeitigen Lieblingsregisseurs (und allgemeinen ET-Lieblings) gedrückt. Jetzt habe ich mir die Adaption der Mussorgski-Oper auf ausdrückliche Empfehlung doch in dieser Fassung angeschaut und kann nur hoffen, dass MONDOVISION, ein Label, dass sich verdienstvollerweise der Publikation von Zulawskis Gesamt-oeuvre in luxuriösen Editionen angenommen hat, sich auch bald den BORIS vornimmt, zumal das einer der wenigen Zulawskifilme ist, die es nicht schon anderweitig irgendwie auf DVD gibt. Die Kamera ist gewohnt großartig, die üppigen Kulissen erinnern (natürlich auch wegen des ähnlichen Themas) an den superben IWAN GROSNY von Eisenstein und natürlich rasen und zucken die Schauspieler einigermaßen durch die Gegend. Fehlen nur noch messerscharfe Bildqualität und (mir) verständliche Untertitel und der Film ist vermutlich ein weiteres Meisterwerk unseres geliebten Cine-Ekstatikers!

L’enfer / Die Hölle (Claude Chabrol, F 1994) 6,5/10
Chabrol… ein Lieblingsregisseur wird der wohl nie für mich werden mit seiner visuell wenig ausdrucksstarken Filmsprache, seinen verlaberten Karikaturen der französischen Bourgeoisie und seiner detektivischen Aufdeckung der Abgründe hinter den Familienidyllen (oh Wunder, wer hätte da welche vermutet?). Trotzdem nach dem L’ENFER erstmal in Gang gekommen ist, wird dieses Portrait eines krankhaft eifersüchtigen Ehemanns immerhin recht unterhaltsam. Sehr viel mehr erwarte ich mir auch in Zukunft von Chabrol aber nicht.

La Comtesse de Castiglione (David Lodge, UK 2000, Kurzfilm; ca. 4.x) 9/10
Einfach immer wieder zum Niederknien dieses Quayeske kleine Juwel.

La campana del infierno / A Bell from Hell (Claudio Guerín, ESP/F 1973) 8/10
Und schon wieder schlägt die Ultrakunst zu mit dieser von mystischen Nebeln durchwirkten schangelig-morbiden Perle europäischen Horrors. Tragischerweise stürzte der Regisseur am letzten Tag der Dreharbeiten vom eigens für den Film konstruierten Glockenturm. Was da noch Tolles hätte kommen können! Ein zweiter Rollin vielleicht, wer weiß? Glockentürme als Motiv sind übrigens irgendwie immer ein sicheres Zeichen für einen sehenswerten Film.
I don’t know how you can live with all those animals!
I like animals. They’re real! They eat when they’re hungry, they sleep when they’re tired and they fuck when they’re in heat. You have never been in heat, aunt!

„Tatort“: Im Abseits (Uwe Janson, D 2011) 1,5/10
Ein Fernsehkrimi, der berührt, damit hatte ich nicht gerechnet! Endlich nimmt sich der Tatort verdientermaßen eines Randthemas wie Frauenfußball an. Ich dachte bisher „hey, Fußball, das ist doch was für Männer“ und habe mich über die kickenden Damen lustig gemacht, wenn das Gespräch an unserem Stammtisch darauf kam. Jetzt weiß ich, dass die echt hart arbeiten und um Anerkennung kämpfen müssen in einer Welt, die ganz von Macho-Regeln beherrscht wird. Und ich habe die Probleme eines fußballbegeisterten Mädchens mit Migrationshintergrund und streng islamischem Elternhaus kennen gelernt. Die waren mir gar nicht so bewusst, muss ich zugeben. Ganz toll fand ich, dass hier auch echte Promis, wie Theo Zwanziger und Jogi Löw und diese Fußballfrauen, ich weiß grad nicht, wie sie heißen, mitgespielt haben. Richtig berührend, wo diese eine Nationalspielerin so bei Fadimes Beerdigung meint „Hey, jetzt holen wir den Titel! Für dich Fadime!“ Ich werde mir jedenfalls jetzt alle Spiele der Frauen-WM anschauen und nie wieder Macho-Witze über Frauenfußball machen. Für Fadime!

Niagara (Henry Hathaway, USA 1953) 8/10
Film Noir in leuchtenden Technicolorfarben mit einer hinterhältigen Marilyn und erstaunlichen Parallelen zu VERTIGO.

Eureka (Nicolas Roeg, USA/UK 1983) 9/10
Meta! Meta! Meta-Soap! Welles trifft auf Sirk trifft auf Zulawski.

My Son, My Son, What Have Ye Done (Werner Herzog, USA/D 2009) 9,5/10
Ja, er ist es!!! Es ist tatsächlich der von mir angesichts der Liste von Mitwirkenden erhoffte Megafilm geworden. Seit BAD LIEUTENANT ist Herzog auch in Sachen Spielfilm wieder zu Höchstform aufgelaufen, bei seinen Dokumentarfilmen, die mit die besten sind, die ich kenne, war von einer Absenkung der Genialität ohnehin nie etwas zu spüren.
MY SON… das ist einmal mehr die Geschichte eines schrittweisen Gangs in den Wahnsinn; bei Herzog hat dieser Vorgang immer eine religiöse Dimension, es ist gewissermaßen die einzig logische spirituelle Konsequenz aus der Welt, auch wenn es nicht ratsam sein mag, sie zu ziehen. Vom Soldaten Stroszek, der beim Anblick eines Tals voller Windmühlen den Verstand verliert, über die gegen das Dasein rebellierenden Zwerge in der Lavawüste, Aguirre, Kaspar Hauser, die hypnotisierten Glasmacher, nochmal Stroszek und den vereinzelten Pinguin der zielstrebig auf eine unendliche Eiswüste zusteuert, die seinen sicheren Tod bedeutet, zeigt Herzog den Wahnsinn als etwas Visionäres, fast Heiliges. Jedenfalls als etwas, das der Natur inhärent ist und das Individuum jederzeit wie eine Epiphanie überfallen kann. Bei Brad findet diese Epiphanie in Peru statt, als er ganz plötzlich von einer inneren Stimme davor gewarnt wird mit seinen selbsterfahrungsgeilen Kumpanen auf eine Raftingtour zu gehen. Nachdem alle dabei ertrinken fühlt Brad sich bestätigt und findet von nun an Gottes Antlitz auf einer Dose Frühstücksflocken, dessen Stimme in einer alten Gospelaufnahme und er entdeckt seine Berufung zum Schauspieler. Als Orestes empfindet er die Verantwortung eines Erlösers. „Nicht den Frieden bringe ich euch, sondern das Schwert“ waren ja schon die verhängnisvollen Worte eines berühmten Vorgängers, wie wir uns erinnern. Auch Brad / Orestes kann die Menschheit vom umfassenden Tantalidenfluch nur mit dem Schwert befreien, nur wenn er die größte Schuld des Muttermords auf sich nimmt, kann das kosmische Gleichgewicht wieder hergestellt werden…
Der Tötungsakt selbst bleibt, der durchgehend äußerst klugen Regie sei dank, das nie sichtbare, nie als billiger Trumpf gegen den Zuschauer ausgespielte Auge des Orkans, der blinde Fleck um den der bunte Reigen von MY SON… sich dreht. Der Film ist voll von erquicklichen Bizzarrerien, poetischem Irrsinn und einer Art Meta-Camp für die Schauspieler wie Udo Kier, Brad Dourif und Grace Zabriskie die denkbar besten Interpreten sind, auch wenn es Michael Shannon ist, der den Film trägt. Ganz großes Kino etwa, wenn Udo Kier als Theaterregisseur die Vorgeschichte der Orestie lustvoll vor seinen Darstellern ausbreitet und resümiert: „This family… they all ate each other’s flesh and fucked each other’s wives, you know?“
Brad bezeichnet seine Flamingos als „eagles in drag“, MY SON.. ist ein GGFÜA (ganz großer Film über alles, Ekkehard Knörrer) in Drag.
„Der Fittich der Straussin hebt sich fröhlich; aber ist’s ein Gefieder das sorgsam birgt? / Lässt sie doch ihre Eier auf der Erde liegen zum Ausbrüten auf dem Boden und vergisst, dass ein Fuss sie zertreten und ein wildes Tier sie zerbrechen kann! / Sie ist so hart gegen ihre Jungen, als wären es nicht ihre; es kümmert sie nicht, dass ihre Mühe umsonst war. / Denn Gott hat ihr die Weisheit versagt und hat ihr keinen Verstand zugeteilt. / Doch wenn sie aufgescheucht wird, verlacht sie Ross und Reiter.“ Hiob 39,13-18

Suna no onna / Die Frau in den Dünen (Hiroshi Teshigahara, J 1964) 9,5/10

„Tatort“: Nachtgeflüster (Torsten C. Fischer, D 2007, TV) 6/10

Kynodontas / Dogtooth (Giorgos Lanthimos, GR 2009) 7,5/10

Combien tu m’aimes? / Wie sehr liebst du mich? (Bertrand Blier, F/I 2005) 8/10
Ihre Brüste waren wie kleine geballte Fäuste, jederzeit bereit, sich gegen einen Angriff von außen zu wehren.

The Wrestler / Der Wrestler (Darren Aronofsky, USA 2008) 7/10

„Tatort“: Nur ein Spiel (Manuel Siebenmann, D 2005) 5/10

Murder Story (Eddie Arno, Markus Innocenti, NL/UK 1989) 3/10

Jigoku no banken: akai megane / Red Spectacles (Mamoru Oshii, J 1987; [2]) 9/10

¿Quién puede matar a un niño? / Ein Kind zu töten (Narciso Ibáñez Serrador, E 1976) 3/10

Der Felsen (Dominik Graf, D 2002; [2]) 9,5/10

Mai 2011

„Tatort“: Frau Bu lacht (Dominik Graf, D 1995) 7,5/10
Knusper, knusper Fröschchen! Marcel Proust hatte einen Schellfisch.

„Tatort“: Ausgelöscht (Harald Sicheritz, AU 2011, TV) 4/10

Human Nature (Michel Gondry, F/USA 2001) 8,5/10
Ziemlich dufte Fast-Ultrakunst von Gondry und Kaufman, noch vor ETERNAL SUNSHINE… Das im Grunde recht ausgelutschte aber zwangsläufig im kulturellen Dickicht traumatisch rekurrente Thema „Natur versus Zivilisation“ gibt hier Anlass zu einer retrospektiv aus dem Jenseits, dem Knast und dem Gerichtssaal erzählten menage á quatre die sprachwitztrunken torkelnd das ohnehin fiktive Gleichgewicht zwischen Triebbezähmung und Trieberfüllung verliert.

A Clockwork Orange / Uhrwerk Orange (Stanley Kubrick, UK/USA 1971, [5]) n.b.
Hab den Film diesmal streckenweise nur mit halber Aufmerksamkeit gesehen. Tatsächlich, es ist nicht ganz zu leugnen, mit mehrmaligem Ansehen von Kubrickfilmen wirken sie irgendwie zunehmend wie Echsen in Formaldehyd… was ja als Effekt auch nicht uninteressant ist. Also was ich meine, UHRWERK ORANGE wirkte auf mich plötzlich so klassisch, dass ich ihn nicht mehr erleben konnte, sondern ihm „beiwohnte“. Andererseits hatte ich eigentlich ursprünglich nur vor, kurz den Anfang zu sehen und dann wegzuzappen, was ich dann aber doch nicht konnte. Übrigens, äußerst amüsant, gerade las ich ein paar imdb-Kommentare mit Ein-Punkte-Wertung: ein ehemaliger Filmstudent erzählt da, seine Dozentin hätte ihnen aufgegeben den Film zu sehen, hätte dann gesagt, sie möge ihn ja sogar, aber „so mache man keine Filme“, das war die Lektion! – was der Filmstudent offensichtlich für einen Beweis dafür hält, dass der Film eben sehr, sehr schlecht sei. 😀

Sei donne per l’assassino / Blutige Seide (Mario Bava, I 1964) 8,5/10

Fickende Fische (Almut Getto, D 2002) 6/10

Morte a Venezia / Tod in Venedig (Luchino Visconti, I/F 1971; [2]) 10/10
Als ich den Film vor etwa 11 Jahren das erste Mal sah, hatte ich vom Titel her glaube ich so etwas wie einen spannenden Krimi erwartet, konnte mit Thomas Mann wenig und mit Mahler gar nichts anfangen und entdeckte erst gerade dank Hitchcock meine Filmleidenschaft. Dementsprechend fand ich TOD IN VENEDIG mehr oder weniger furchtbar. Ich kann mich jedenfalls erinnern, dass ich etwa die erste Dreiviertelstunde noch vergeblich darauf wartete, dass „die Handlung losgeht“…
Diesmal war es dagegen ein reiner Hochgenuss ohne auch nur eine Minute der Langeweile, dem gealterten (lebens)müden Komponisten von Aschenbach bei seinem melancholisch-schwülstigen Leiden zuzusehen. TOD IN VENEDIG ist im Grunde das filmische Äquivalent eines barocken Vanitas-Stillebens, betrachtet durch die Augen des feinfühligen – und natürlich schwulen – Fin-de-Siècle-Intellektuellen. Auch wenn die Vorlage hier von Thomas Mann stammt, könnte man sich ebenso gut Marcel Proust vorstellen (Viscontis Lieblingsautor), wie er in seinem mit Kork ausgekleideten Zimmer sitzt, an einer kurz vorm Verwelken befindlichen Orchidee riecht und sich dann mit Portwein aus einem Kristallglas leicht die Lippen netzt… wehmütig der vergangenen Jugend gedenkend und nun eingesperrt in einem verfallenden Körper, in einer versinkenden Stadt. Die Blickwechsel von Aschenbachs mit Tadzio, dem anämischen, filigranen und natürlich adligen Objekt seiner morbiden Begierde sind wie gefrorene Blitze, die das Herz des kranken, zu Tode vergeistigten Künstlers zersägen und ihm bewusst machen, dass seinen Kompositionen bei aller Perfektion immer das natürlichste gefehlt hat, sinnliche Schönheit. Der todesschwangere Gleaze erreicht seinen Höhepunkt, als Aschenbach (ein herrlicher, für Mann typischer sprechender Name übrigens) Tadzio am Strand des Lido folgt und dieser sich, verspielt wie ein Welpe, um die seitlich des Weges angebrachten Stangen schwingen lässt, während nur für Aschenbach und den Zuschauer hörbar „Zarathustras Schicksalslied“ aus seiner / Mahlers 3. Symphonie erklingt: „Oh Mensch, gieb Acht! Was spricht die tiefe Mitternacht?“ Da dauert es dann auch nicht mehr lange, bis dem grotesk geschminkten Tonsetzer im Klappstuhl das Herz versagt und die Pomade wie schwarzes Blut übers Gesicht rinnt beim letzten Blick auf den sich fern im Meer vor dem Sonnenuntergang reckenden Engel der Jugend.

Mahler auf der Couch (Felix & Percy Adlon, D/AU 2010) 6,5/10
Mahler trifft Freud, nachdem seine Frau ihn mit Gropius betrogen hat. Janz nett.

Wild at Heart (David Lynch, USA 1990; [3]) 8/10
Irgendwie wurde ich mit WILD AT HEART noch nie so richtig warm. Vielleicht liegt das mit darin begründet, dass sich dieser Film fortwährend in viele in sich brilliante Einzelszenen auflöst, ganz im Gegensatz zu den hermetisch-hypnotischen Welten von ERASERHEAD, BLUE VELVET und TWIN PEAKS, die eher etwas wie Welten in einer Schneekugel wirken. Andererseits liebe ich eigentlich Filme, die sich „auflösen“ und außerdem passt es natürlich zu einem apokalyptischen Roadmovie. Trotzdem… die dauernden Reminiszenzen an den WIZARD OF OZ sind mir zu aufdringlich. Ich fühle mich von dem Film – wie sonst nie bei Lynch – auf Distanz gehalten. Wie Christoph mal sinngemäß gesagt hat: der Film strengt sich zu sehr an, postmodern zu sein. Mich würde jetzt aber wirklich mal Roehlers Remake LULU + JIMI interessieren, denn, frei nach Rajko B., „Wenn die Postmoderne sich selbst postmodernisiert, dann wird sie wieder gut!“

Mistérios de Lisboa / Die Geheimnisse von Lissabon 1-3 (Raul Ruiz, P/F/BRA/Griechenland 2010, TV-Miniserie) 5/10
Schön: Elegante Plansequenzen, Puppentheater, Papageien. Nich‘ so geil: typischer Literaturverfilmungsmief, hölzerne Darsteller (oder war die Synchro so scheiße? oder beides?), Totalversagen beim Spannungsaufbau. Der durchaus möglich gewesen wäre. Habe mir Teil 4-6 dann gespart.

Import/Export (Ulrich Seidl, AU/F/D 2007) 7/10
Gut, aber dennoch ein bisschen enttäuschend, denn als Seidl-Fan hatte ich hier das Gefühl eines Remixes aus früheren seiner Filme, alles wirkte für mich altbekannt und dementsprechend auch weniger schockierend oder berührend.

Exit through the Gift Shop (Banksy, UK/USA 2010) 8/10
Im Kino vorgenommen und leider verpasst, jetzt im Fernsehen nachgeholt: sehr kurzweilige und intelligente Mischung aus echtem Dokumentarfilm und reflexiver Mockumentary, ohne ganz das eine oder das andere zu sein. Vom großen Mysteryman der Streetart, Banksy.

Almanya – Willkommen in Deutschland* (Yasemin Samdereli, D 2011) 6/10
Tja, sowas schleicht sich hier ein, wenn mich meine Eltern mal ins Kino einladen. Almanya ist eigentlich genau das, was man auch erwartet, eben ein „wahnsinnig netter Film“, der „auf ganz leichte, heitere Art und Weise“ ein „Problemthema“ angeht und unter Unterrühren einer Prise nachdenklicher Schwermut und garniert mit einer handvoll Augenzwinkern und einem ganz, ganz süßen Kind das Herz erwärmt. Ideales Wohlfühlkino für den integrationsproblematikinteressierten Bildungsbürger! Von vornherein auf Derartiges gefasst, konnte ich mich aber tatsächlich getrost zurücklehnen und mich der warmen Umarmung dieses deutschtürkischen Honigs für die ganze Familie überlassen…

Arcana (Giulio Questi, I 1972) 9/10
Wie zu erwarten hat Questi mit diesem sozialkritisch-okkulten Mystexzess meinen G-Punkt gekitzelt!

„Tatort“: Der illegale Tod (Florian Baxmeyer, D 2011, TV) n.b.
Achja, mal wieder Fernsehabend mit den Eltern, nä.

Pingpong (Matthias Luthardt, D 2006) 8,5/10
Sozusagen die deutsche Variante von TEOREMA (Takashi Miike hat ja mit VISITOR Q eine genialische japanische Adaptation geschaffen). Ein verführerisch androgyner Junge (brilliant: Sebastian Urzendowsky) schneit eines Tages unerwartet bei der Familie seines Onkels in Österreich herein. Sein Vater hat sich offenbar erst vor kurzer Zeit umgebracht und Paul ist per Anhalter gekommen um bei ihnen wie er sagt „Urlaub zu machen“, was seinen Onkel und dessen Familie sehr wundert, ist dieser doch seit langem mit seiner Schwester und deren Familie verkracht gewesen. Mit Pauls Ankunft beginnt natürlich die Fassade des Bürgerglücks im schicken Eigenheim sukzessive zu bröckeln und Frustrationen verschiedenster Provinienz entladen sich facettenreich in Akten physischer und psychischer Gewalt irgendwo zwischen DIE KLAVIERSPIELERIN, klassischem Suspense und dem bereits erwähnten TEOREMA. Glücklicherweise ist er auch hinreichend elliptisch um meinen rezeptorischen Saugnäpfen genügend Leerstellen zum Andocken zu bieten. Aber nooooooch viiiiiiiel elliptischer wäre natürlich nooooooch besser gewesen! 😉

The King’s Speech (Tom Hooper, USA 2010) n.b.
Ebenfalls im Flugzeug in beschissener Quali gesehen, was bei diesem Film aber vermutlich nichts ausmacht, denn es reicht absolut geradeso die Schauspieler zu erkennen und ihnen zuzuhören. Maaann, boa ey, stottert der Colin aber dufte! Hätte nie gedacht, dass ein Schauspieler das so hinkriegt, wau!! Desweiteren ist dieses nicht-shakespearesche Königsdrama mit geschätzter Fallhöhe 0,5 inch reichlich rührselig und mir im Grunde herzlich wurscht.

True Grit (Joel & Ethan Coen, USA 2010) n.b.
Im Flugzeug auf einem mickrigen Bildschirm in mieser Quali gesehen, daher der Fairness halber keine Wertung. Schien mir weder besonders schmerzhaft noch besonders interessant.

April 2011

Kaze to ki no uta / The Poem of Wind and Trees (Yoshikazu Yasuhiko, J 1987, Video) n.b.

„Tatort“: Jagdzeit (Peter Fratzscher, D 2010, TV) 6,5/10

Guter Junge (Torsten C. Fischer, D 2008, TV) 9/10

Terra em Transe / Land in Trance (Glauber Rocha, BRA 1967) 8,5/10

Shi mian mai fu / House of the Flying Daggers (Yimou Zhang, China/HK 2004) 6/10
Im Gegensatz zu Ang Lee verlässt sich Yimou Zhang nicht auf die Dramatik seiner Geschichte und den Einsatz einiger Wuxia-typischer Spezialeffekte, sondern kleistert den gesamten Film mit digitalem Bombast (aka Scha….) und geradezu pervers übersättigten Farben zu. Das verschafft zwar einerseits höchste Style-Over-Substance-Genüsse, gerinnt aber gerade in den Passagen wo der Film zusätzlich zum schicken Look auch mal so richtig emotional sein will zum enervierenden Pathos. Allerdings muss man dem Film zu Gute halten, dass er der am wenigsten faschistoide der Wuxia-Trilogie von Yimou Zhang aka Chinas Riefenstahl ist.

Wo hu cang long / Tiger & Dragon (Ang Lee, Taiwan/HK/USA/China 2000) 8/10

New Nightmare (Wes Craven, USA 1994) 9/10
Damit ist es (auch mir) bewiesen: Wes Craven hat die Postmoderne durchverstanden!!

Sauna (Annti-Jussi Annila, FIN/CZ 2008) 10/10
Alles in dieser elliptischen Schuld-und-Sühne-Kontemplation tief in den finnischen Sümpfen strahlt eine Aura des Morbiden aus und der Film arbeitet mit einer fast physisch spürbaren Unerbittlichkeit an einer visuellen Metaphysik der Schuld. Dabei entwickelt SAUNA mit jedem Bild einen hypnotischen und unentrinnbaren Sog, der den Betrachter in seine Tiefe reißt wie der zärtliche Würgegriff zähen Schlicks, mit dem der Sumpf nach allem Lebendigen greift. Fast könnte man meinen, der untote Tarkowski habe hier noch einmal aus dem Schattenreich inszeniert und auf der Grundlage eines frühen Bergman-Drehbuchs nach einer Erzählung von E.A. Poe einen kurzen Blick auf die Hölle gewagt. Schwer zu sagen, wann ich zuletzt bei einem Film ein derart genuines Erlebnis von Schaurigkeit hatte. (Längerer Text folgt hoffentlich in Bälde.)

The Last Movie (Dennis Hopper, USA 1971) 7/10
Hoppers genialisch gescheitertes Traumprojekt wirkt, mehrfach umgeschnitten, unter anderem von Hoppers Kumpel Jodorowsky, leider doch häufig wie eine (unvollständige) Materialsammlung zu einem ungedrehten Meisterwerk. Als solche betrachtet aber höchst sehenswert und stellenweise erahnt man etwas von der Größe, die der Film hätte haben können. Zum Niederknien sind jedenfalls die Scope-Aufnahmen der peruanischen Landschaft.

März 2011

I Want Candy (Stephen Surjik, UK 2007) 4/10

Victor Victoria (Blake Edwards, UK/USA 1982) 9/10

La vie est un long fleuve tranquille / Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss (Etienne Chatiliez, F 1988) 8/10

Fallen / Dämon – Trau keiner Seele (Gregory Hoblit, USA 1998) 8/10
Obwohl hier fast alle bekannten Okkultthriller-Klischees versammelt sind, wie rätselhaften Botschaften an den Wänden von Mordschauplätzen, einer einsamen Hütte im Wald und einer in Dämonologie versierten Theologin, ist FALLEN einer der effektivsten und unheimlichsten Thriller seit langem.

The Happening (M. Night Shyamalan, USA 2008) 6/10
Nein, nein, nein, ich werde wohl nicht mehr zum Shyamalanisten. Und ich werde mir auch nicht einreden lassen, dass es sich bei diesem insgesamt ganz netten, schmerzfreien und teils etwas kitschigen Filmchen um so etwas wie die Ultra-Elusivität handelt… Dann doch lieber Greenaways THE FALLS, da geht’s auch um ein „Violent Unknown Event“, nur auf circa fünf mal originellere Weise.

The Adventures of Baron Munchhausen / Die Abenteuer des Baron Münchhausen (Terry Gilliam, UK/BRD 1980) 9/10
Überraschenderweise (andererseits auch wieder nicht) einer der am häufigsten unterschlagenenen und geschmähten, aber zugleich stärksten Gilliam-Filme und eine Ode an die menschliche Phantasie. Hier erweist sich Gilliam zudem stilistisch als würdiger Nachfahre der barock überladenenen Bilderwelten des Fellinis von SATYRICON und CASANOVA. Außerdem ist die Besetzung bis in die Nebenrollen mehr oder minder brilliant mit Oliver Reed und einer blutjungen Uma Thurman als Götterpaar Vulkan und Venus und einem ungewohnt genialisch spielenden Robin Williams als Herr des Mondes.
Münchhausen reiht sich in Gilliams Interpretation ein in die Serie seiner melancholisch-romantischen Helden, die für die Vertreter der kalten Ratio als in ihrer Phantasie gefangen erscheinen, in Wahrheit aber mehr vom Leben verstehen, als diese. Der Archetyp dieser Figuren ist natürlich Don Quichotte, aber ob es Gilliam je vergönnt sein wird, diesen Film noch zu machen… Man kann nur hoffen!

Püha Tõnu kiusamine / The Temptation of St. Tony (Veiko Õunpuu, EST/FIN/S 2009) 8,5/10
Interessanterweise merkt man diesem estnischen Film seine geographisch-kulturelle Herkunft an, mischen sich doch darin vertraute Stilismen einerseits des skandinavischen, andererseits des osteuropäischen Kinos. Gerade Regisseur aus dem finno-ugrischen Sprachraum (zu dem auch Estland zählt) wie Aki Kaurismäki und Bela Tarr scheinen zu den Vorbildern Õunpuus zu zählen, aber auch Anklänge an Bergman und entfernt sogar an Antonioni und Buñuel sind hier spürbar. Obwohl nicht in jeder Hinsicht ausgereift habe ich diese moderne Version der Versuchungen Antonius schon allein der frostigschönen Schwarz-Weiß-Kamera wegendurchgängig genossen. Und natürlich gab es viel surrealen und mystischen Schangel, inklusive Transgressionen, jaja, ich geb’s ja zu.

Freddy’s Dead: The Final Nightmare / A Nightmare on Elm Street: Freddy’s Finale (Rachel Talalay, USA 1991) 7/10

A Nightmare on Elm Street: The Dream Child / Nightmare 5 – Das Trauma (Stephen Hopkins, USA 1989) 6/10

A Nightmare on Elm Street 4: The Dream Master (Renny Harlin, USA 1988) 6/10

A Nightmare on Elm Street 3: Dream Warriors / Nightmare 3 – Freddy lebt (Chuck Russell, USA 1987) 8,5/10

En malas compañías / Doors Cut Down (Antonio Hens, ESP 2000, Kurzfilm) 7/10

A Nightmare on Elm Street Part 2: Freddy’s Revenge / Nightmare 2 – Die Rache (Jack Sholder, USA 1985) 6,5/10

Das Gelübde (Dominik Graf, D 2007) 8,5/10

A Nightmare on Elm Street / Nightmare – Mörderische Träume (Wes Craven, USA 1984) 8,5/10

Februar 2011

Blue Movie (Alberto Cavallone, I 1978) 6,5/10

Boarding Gate (Olivier Assayas, F/LUX 2007) 6/10

World’s Greatest Dad (Bobcat Goldthwait, USA 2009) 6,5/10

The Cat Came Back (Cordell Baker, CND 1988, Animation, Kurzfilm) 7/10

Shelter (Jonah Markovitz, USA 2007) 3/10

TRON: Legacy (Joseph Kosinski, USA 2010)* 4/10
Wo der erste Teil immerhin noch einen gewissen naiven Charme versprüht und mit campig-psychedelischem Schangel aufwartet, setzt der filmische Erbfolger (wie zu erwarten) auf das geschniegelte Design des „neuen digitalen Chic“, wie ich es mal taufen will und wirkt konsequenterweise wie die Filmwerdung einer Smartphone-Fun-App. Die krude und aus halbherzigen Zitaten klassischer Sci-Fi-Filme ohne Liebe zusammengewürfelte Handlung kann man getrost vergessen, darüber nachzudenken macht den Film nur schlimmer. Dafür gibt es ein paar digitale Kämpfe, Motorradrennen und Verfolgungsjagden von der eisigen Eleganz post-hoch-n-moderner Videoclips. Dumm nur für den Nachfolger eines einst digitaltechnische Maßstäbe setzenden Films, dass der 3D-Effekt so gut wie nicht vorhanden war. Wie es aussieht könnte jetzt ausgerechnet Wim Wenders der Regisseur sein, der mit PINA die Endlösung für den Einsatz von 3D gefunden hat!?! Mal sehen…

Total Recall (Paul Verhoeven, USA 1990 [2]) 9/10
Und der dritte „Vorbereitungsfilm“. Dufter Sci-Fi-Spaß: Arnie erleidet mutmaßlich eine schizoide Embolie, es gibt einen ansehnlichen Catfight, und er begegnet auf dem Mars einer Frau mit drei Brüsten und anderen Mutanten. Ich sollte wirklich mal irgendwann das Gesamtwerk von Philipp K. Dick lesen.

Die Bettwurst (Rosa von Praunheim, BRD 1970 [4] 8/10
Auch zur Prüfungsvorbereitung gesichtet. Die halbimprovisierten Szenen fand ich auch beim wiederholten Male super. Das überinszenierte Ende mit asynchronem Ton ging mir diesmal dafür leider gehörig auf die Neven

Videodrome (David Cronenberg, CND 1983 [4]) 10/10
Zur Vorbereitung auf eine Prüfung wiedergesehen… Einfach nur groß! Mit Schrecken musste ich gerade feststellen, dass es Pläne für ein Remake gibt…

Naboer / Next Door (Pål Sletaune, N/DK/S 2005 [2]) 8,5/10
Auch so ein Film über Psychose, Schein und Sein und Realitätsverlust, nur halt mit Atmosphäre!

Januar 2011

Kiss and Run (Annette Ernst, D 2002) 7/10
Zufällig mit Anika beim Zappen entdeckt. Wie man ganz ohne Stars, peinliche Pseudo-Mindfuck-Attitüden und Kindergartensymbolismus einen ganz normalen guten Unterhaltungsfilm macht, zeigt Annette Ernst in dieser romantischen Komödie, die uns für BLACK SWAN entschädigte. In angenehmem Kontrast auch zum sonstigen Deutsch-Schlock, lässt der Film seinen Ideen Raum zur Entfaltung und setzt sie mit abwechslungsreichen, aber nie gezwungen wirkenden Schnörkeln in Schnitt und Kamera in Szene. KISS AND RUN hatte jedenfalls gute zwei Portionen mehr von der tänzerischen Leichtigkeit, die BLACK SWAN beschwört aber an keiner Stelle einlöst.

Black Swan (Darren Aronofsky, USA 2010)* 3,5/10
Während der Film in seiner ersten Hälfte irgendwie noch leidlich unterhaltsamen Camp produziert (natürlich ungewollt), nervt das selbstverliebte Pathos dieses völlig aseptischen und durch und durch frigiden Films zunehmend und produziert ein nicht nur vorhersehbares, sondern in erster Linie dämliches Finale. Dass Aronofsky sich in einem Interview rühmt, einen Film geschaffen zu haben, der gleichzeitig sexy und unheimlich ist (als wenn das etwas gänzlich Sensationelles, noch nie Dagewesenes wäre) ist mehr als lachhaft. Der Film ist leider nichts davon und auch die von mir erhoffte style-over-substance-Orgie (die Aronofskys erste Filme für mich noch zum guilty pleasure macht) blieb leider aus. Was bleibt ist etwas amüsanter Trash und ein paar nette Kamerabewegungen. Ach und mit body horror à la Cronenberg oder gar mit „surrealistischen Sequenzen“, die manche Rezensenten in BLACK SWAN gefunden haben wollen, hat der Film nichts, aber auch wirklich gar nichts zu tun.

La semana del asesino / Cannibal Man (Eloy de la Iglesia, ESP 1972) 9/10

Die totale Therapie (Christian Frosch, AU 1996) 9/10
Im ländlich gelegenen Therapiezentrum Scharvia, das die garantiert völlig antiidelogische „totale Therapie“ anbietet, trifft jeder auf sein wahres Selbst! Zum Beispiel: die vollbusige Blondine Bibi ereifert sich während ihrer energischen Yoga-Fitnessübungen über eine zugeknöpfte Physikerin, die sie als „holländischen Kühlschrank“ tituliert. Der Kühlschrank tritt hinter der Tür hervor (mit starkem Akzent): „Bibi, du bist der lebende Beweis, dass Gott tot ist.“

Black Christmas / Jessy – Die Treppe in den Tod (Bob Clark, CND 1974)* 7,5
Einer der Urfilme des Slasher-Genres, der mich in der ersten Hälfte durch burleske Details erheiterte und in der zweiten Dank dichter Atmosphäre und blutgefrierender Psychopathenstimme ordentlich durchgruselte.

Babylon (Ralf Huettner, D 1992)* 10/10
Ist das zu glauben?!? Ein deutscher Film mit Veronica Ferres, der sich wie eine Gemeinschaftsarbeit von Zulawski, Argento und Dominik Graf anfühlt!?! Als großer Fan von Ralf Huettners bergmystischen Grusel Der Fluch erwartete ich mir schon so einiges, wurde aber gemeinsam mit Christoph völlig geplättet von dem unfassbaren oneironautischen Dauerrausch dieses Films! Wie eine in der Metamorphose zur Fledermaus befindliche und sich dabei fortwährend peristalisch windende Raupe wirft dieser Trip eine Unfassbarkeit nach der anderen auf und den Zuschauer in ein metaphysisch-obszönes Wechselbad der starken Gefühle. Alle Schönheit ist konvulsivisch!!! Ausführlicher Lobeshymnus folgt demnächst als Zusammenarbeit mit Christoph!

Valerie a týden divu / Valerie – Eine Woche voller Wunder (Jaromil Jires, Tschechien 1970)* 9/10
Surrealer Tauchgang in die Erlebniswelt eines Mädchens, dem plötzlich unter dem weißen Kleidchen Blut auf die Blümchenwiese tropft, auf der es herumtollt. In ständig zwischen Traum und Albtraum changierenden Bildern führt das Märchen ins verwirrte Herz der kleinen Valerie, wo inzestuöse Gelüste und religiöse Ängste einen vampirischen Kampf ausfechten.

Le amazzoni – donne d’amore e di guerra / Sie hauen alle in die Pfanne (Alfonso Brescia, I/ESP 1973) n.b.
Trashiger Amazonen-Sleaze, leider in unterirdischer Qualität gesehen, streckenweise unterhaltsam, insgesamt etwas zu zahm und uninspiriert.

Schamlos (Eddy Saller, AU/BRD/F 1968) 6,5/10
Die herrlich wuselige Kamerarbeit und Montage atmet den hippen Zeitgeist der 60er. Tatsächlich mal ein Film, wo Udo Kier der beste Schauspieler ist.

Der Wald vor lauter Bäumen (Maren Ade, D 2003) 7,5/10
Eine Schwäbin in Baden? Das kann ja nicht gut gehen! Eine junge und völlig hilflose Lehrerin trifft auf das Grauen: ihre Mitmenschen. Und: sie selbst! Must-see für alle Teilzeit-Misanthropen und Seidl-Fans.

Sukkubus – Den Teufel im Leib (Georg Tressler, BRD 1989) 9/10
Bergmystik, Hirten-Sleaze und gutes altes Teufelswerk, da lacht mein Herz!

At the Suicide of the Last Jew in the Last Cinema of the World [2] (David Cronenberg, F 2007, Kurzfilm) 7/10

Six Shooter (Martin Mc Donagh, UK/IRL 2004, Kurzfilm) 7/10

Zwei Teufelskerle auf dem Weg zur grünen Hölle* (Ernst Hofbauer / Fernando Orozco, BRD/I/ESP/Kolumbien 1974) 9/10
Zwei dufte Typen mischen Kolumbien auf und werden von einem Heer falscher Amazonen als Lustobjekte missbraucht. Fazit: Genau mein Humor!!

Deathwish / Ein Mann sieht rot* (Michael Winner, USA 1974) 6/10

Les Bulles de savon vivantes (Georges Meliès, F 1906) 7/10

Jesus Christus Erlöser (Peter Geyer, D 2008) n.b.

Tendres Cousines / Zärtliche Cousinen (David Hamilton, F/BRD 1980) 7,5/10
Der Weichzeichner simuliert die Sicht bei ca. 3,5 Dioptrin, was irgendwie totaaal interessant ist. Außerdem fängt ein zerstreuter Professor streunende Seelen in Luftballons und ein Vierzehnjähriger bumst sich zum Erwachsenen.

Teknolust (Lynn Hershman-Leeson, USA/D/UK 2002) 3/10
Billiger Sci-Fi-Schlock mit aufgepropfter Arthouse-Attitüde, in dem Tilda Swinton eine graumäusige, mauerblümige Genetikerin und ihre drei künstlich erschaffenen Schwestern/Töchter spielt, die sich auf zum Samenraub machen, da sie sich regelmäßig Sperma spritzen müssen. Blubb.

Who’s Afraid of Virginia Woolf? / Wer hat Angst vor Virginia Woolf? (Mike Nichols, USA 1966) 10/10
Die Apotheose des Ehekriegs!

Jaka Sembung / Jaka, der Rebell (Sisworo Gautama Putra, Indonesien 1981) 7/10

Die Brut des Bösen (Christian Anders, BRD 1979) 8/10

Les mémés cannibales / Rabid Grannies (Emmanuel Kervyn, Belgien/F/NL 1989) 5/10

Gwendoline (Just Jaeckin, F 1984) 9/10

Peeping Tom / Augen der Angst (Michael Powell, UK 1960) 9/10

Hadewijch (Bruno Dumont, F 2009) 7.5/10

Final Analysis / Eiskalte Leidenschaft (Phil Joanou, USA 1992) 6/10

„Wallander“: The Fifth Woman / „Kommissar Wallander „: Die fünfte Frau (Aisling Walsh, UK/USA/S/D 2010, TV) 5/10

Red Riding: In the Year of Our Lord 1974 / Yorkshire Killer 1974 (Julian Jarrold, UK 2009) 7/10

„Donna Leon“: Die dunkle Stunde der Serenissima (Sigi Rothemund alias Siggi Götz, D 2008, TV) 4/10

„Tatort“: Tödliche Ermittlungen (Michael Schneider, D 2010, TV) 4/10

Buddenbrooks – Teil 2 (Heinrich Breloer, D 2008) 6/10

„Wallander“: The Man Who Smiled / „Kommissar Wallander“: Der lächelnde Mann (Andy Wilson, UK/USA/S/D 2010, TV) 6/10

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63 Antworten zu “STB Alexander Schmidt 2011”

  1. Alexander S. on November 5th, 2011 at 00:16

    @Settembrini: Hab gerade deinen Text sowie die Kommentare gelesen. Stimme dem allen sehr zu. Bin jetzt bei der Erinnerung an MELACNHOLIA fast wieder ins Schwanken gekommen, ihn nicht wieder hochzustufen. Ach diese Zahlenwertungen fngen langsam an mich zu nerven, irgendwann werd ich sie mir auch wieder abgewöhnen…
    Also nicht nur mir ist das mit dem gleichen Breughel-Bild wie in Tarkowskis SOLARIS (hab ich auch dieses Jahr im Arsenal erstmals auf Leinwand gesehen, kannte den aber schon, natürlich super) aufgefallen! Tatsächlich gibt es in fast allen Trier-Filmen Referenzen an das Ouevre des Russen, am deutlichsten wohl in ANTICHRIST, der ja auch explizit Tarkowski gewidmet ist. In MELANCHOLIA erinnert übrigens auch der Birkenwald bzw. das Birkenholz an IVANS KINDHEIT und eines der Tableaus aus dem Prolog an eine Einstellung aus DER SPIEGEL, wo der Wind in extremer Zeitlupe durch das Unterholz des Waldes streicht. Auch in ANTICHRIST gab es ja schon diese extrem durchstilisierten Tableaus, was eine der vielen Gemeinsamkiten dieser beiden Filme ist, die ja schon durh die gleichartige Gestalung des Titelschriftzugs von von Trier als „Geschwister“ ausgewiesen werden, wie ihr treffend in den Filmforen schreibt.
    Wenn du übrigens Anregungen suchst, was die weitere Erkundung des von Trierschen Werks betrifft: meine Favoriten sind THE ELEMENT OF CRIME, einer meiner absoluten Lieblingsfilme, an dem ich eifnach alles liebe, IDIOTEN, einer der ehrlichsten, schonungslosesten und vielschichtigsten Filme, darüber, was es heißt als Mensch zwangsläufig in Gesellschaft zu leben (im weitesten Sinne) und die GEISTER-Serie, mein Einstieg zu von Trier, der mich gleich zum bisher durch keinen Film getrübten Fan hat werden lassen. Ich mag eigentlich alles von ihm, auch wenn es da notwendigerweise Abstufungen gibt. Für mich ist MELANCHOLIA zwar auch großartig, hat mich aber tatsählich nicht ganz in dem Maße umgehauen, wie dich offensichtlich.
    Fand aber auch einige Szenen emotional sehr intensiv, u.A. die bei dir in den Kommentaren erwähnten, also wo Justine nicht in die Badewanne steigen kann, oder als Claire ihren Mann findet. Gänsehaut habe ich auch bekommen, als das erste Mal Justines Pferd Abraham vor der Brücke scheut und sie anfängt wie wild darauf einzuprügeln. Und das Ende ist natürlich super bombastisch und toll. Befand mich zum Glück im totalen Koffeinrausch, als ich im Kino war und bekam richtig Herzklopfen beim Finale, so muss es sein! 😀
    Zu A TORINÓI LÓ kommt hoffentlich demnächst noch ein Text von mir… *räusper* Dieses Jahr wohl noch… *hust*

  2. Settembrini on November 5th, 2011 at 20:47

    @Alexander: Freut mich, daß Du den Text gelesen hast, zumal wir ja gar nicht so weit auseinanderliegen.
    Bei dem Brueghel-Bild hatte ich in der Tat schon im Kino den Eindruck, daß es dasselbe wie in „Solaris“ ist, was sich dann ja nach etwas Nachforschung auch als richtig herausgestellt hat. Interessante Hinweise, was „Iwans Kindheit“ und „Der Spiegel“ betrifft, ich kenne zwar beide, habe sie aber beide nur jeweils einmal gesehen und das auch schon vor Jahren – kurz gesagt, diese Details sind mir nicht aufgefallen, vielen Dank für die Erwähnung, wenn ich „Melancholia“ mal wieder sehe, werde ich darauf achten.
    Und Anregungen sind natürlich sehr willkommen (wobei ich ganz interessant finde, daß unter denjenigen, die sich mit dem Trierschen Werk auskennen, fast jeder einen anderen Favoriten zu haben scheint)!
    Jedenfalls bin ich immer noch gefesselt von dem Film. Dabei habe ich da gerade noch rechtzeitig und restlos genervt (hatte mit dem öffentlichen Nahverkehr zu tun) in den Kinosaal geschafft, erstmal keine so gute Voraussetzung, um in einen Film reinzukommen, aber MELANCHOLIA schaffte das gleich von Beginn an. Und dann diese Schlußszene…

    Das „Turiner Pferd“ hat mich, wie erwähnt, nicht in gleicher Weise elektrisiert, trotzdem wäre ich natürlich gern bereit, einen Text dazu zu lesen.

  3. Christoph on November 21st, 2011 at 09:48

    Ach die Berliner Schule mit ihrer kultivierten Anämie und ihren plakativ nicht kommunizierenden Figuren.(…) Klingt nach Zen, fühlt sich aber eher wie Aderlass an.

    Ach Christoph! Du sollst doch die Berliner Schule nicht immer so schubladisieren und auf die Einstellungslängen runterbrechen, dass hat dir dein Sano schon zigmal gesagt!

    ————————————–

    Wann soll ich Sion Sono einen der „letzten großen Schangler“ genannt haben? Zeichnest du unsere Telefonate etwa auf? Ich fühle mich schändlichst hintergangen!

  4. Sano on November 22nd, 2011 at 11:04

    MILCHWALD hat mir seinerzeit auch nicht gefallen, und ist soweit ich mich erinnere für mich bis heute das schwächste Beispiel für eine Ästhetik der „Berliner Schule“ geblieben. Um es einfach zu sagen: es wirkt alles sehr aufgesetzt, und ich wurde das Gefühl nicht los, dass Anspruch und Umsetzung gewaltig auseinanderklaffen. Aber zum Glück hat sich Hochhäusler ja in eine andere Richtung entwickelt, als man es anhand dieses Films vielleicht hätte annehmen können. Bin jedenfalls nicht scharf auf eine Zweitsichtung,auch wenn es wie gesagt auch schon ein paar Jahre her ist.. – hach 2004 – früher war nicht unbedingt alles besser. 😉 Soweit ich mich erinnere gab es damals so ne Art Debutreihe im Ersten oder beim ZDF (oder war das gar das kleine Fernsehspiel), und ich habe mit aufgeregtem Gemüt und voller Freude den Film auf VHS aufgenommen,da ich natürlich unbedingt sehen wollte, was die Leute von Revolver gedreht haben. Die Sichtung am nächsten Tag war dann aber wie gesagt etwas enttäuschend. Aber interessant zu sehen, dass MARSEILLE bei dir nur 0,5 Punkte höher eingestuft worden ist. Vielleicht sollte ich MILCHWALD doch noch möglichst bald eine zweite Chance geben. 🙂

    @Christoph

    Da geht es dir auch mal wie mir – „Was, Ich? – Wie, Wann, Wo? Und Warum!?“ Aber Sono als einen der letzten großen Schangler zu bezeichnen – das klingt schon sehr nach dir. 😉 Und in dem Fall hätte glaube ich kaum einer was dagegen wenn diese passende Bemerkung seines Geistes Kind gewesen wäre. Vielleicht war es aber ein tatsächlich ein Missverständnis, und du hast eher gesagt Sono wäre einer der „letzten großen Sleazer“. Du kannst halt einfach nicht vom Schabernack lassen. Da fantasiert man eben schon mal, dass der Christoph einem wieder eine typische Bemerkung ins Ohr flüstert. Und Alex heißt ab jetzt ofiziell nur noch Schangel-Alex [aber bitte nicht zu oft zitieren!].

  5. Mr. Vincent Vega on November 22nd, 2011 at 17:07

    In erster Linie ist Sono vor allem einer letzten großen Nichtskönner.

  6. Christoph on November 22nd, 2011 at 17:50

    Lame, Rajko, lame. Und mir immer vorwerfen, ich würde mich hinter Geschmacksurteilen verstecken.

  7. Alexander S. on November 23rd, 2011 at 21:24

    @Christoph: Häh? Verstehe deinen Kommentar nicht ganz. Wo spreche ich denn bitte von Einstellungslängen??
    Und was Sono anbelangt: da siehst du mal wie gut ich dir zuhöre, im Gegensatz zu dir 😛
    Kann nicht beschwören, dass du es wortwörtlich so gesagt hast, aber sinngemäß auf jeden Fall. Wieso überhaupt, würdest du die Aussage etwa revidieren wollen??

    @Sano: es ging bei Sono definitv um Schangel, auch wenn der Sleaze bei ihm ja auch alles andere als zu kurz kommt ^^
    Sehe auch einen Reisenschritt zwischen MILCHWALD und FALSCHER BEKENNER, der mir ja viel besser gefallen hat. Bin mal gespannt auf die noch ausstehenden Begegnungen mit Hochhäusler.
    „Schangel-Alex“? Das klingt doch viel zu trocken, man merkt, dass du noch Schangelnovize bist, Sano, da müssen die Wörter wenn schon in perverser Umschlinung miteinander schangeln: Schanglex!

  8. Christoph on November 25th, 2011 at 20:43

    Mein Kommentar war der Versuch einer Satire auf das, was ich mir in langen Berliner Schule-Diskussionen einst anhören durfte, bevor sich mir diese Filme offenbarten. Ob du nun explizit die Einstellungslänge bemäkelst oder „Ach, die Berliner Schule mit ihrer kultivierten Anämie und ihren plakativ nicht kommunizierenden Figuren.“ schreibst ist da eher peripher, um es mit Christoph Hochhäuslers Lieblingsadjektiv zu sagen. 😉

    Aber die Tatsache, dass ich mich schließlich unerklärlicherweise doch von der BS (im Englischen ja eine gebräuchliche Abkürzung für Bullshit, also Vorsicht) verführen ließ, gibt Anlass zu der Hoffnung, dass auch du eines Tages die Beine für sie spreizen wirst.

    „Schanglex“

    Das ist wirklich unheimlich. Ich dachte das Gleiche, als ich Sanos Kommentar las.

  9. Alexander S. on November 25th, 2011 at 22:47

    @Christoph: Die BS (finde die Abkürzung absolut schnafte) hat ja durchaus tolle Ansätze, dazu gehören meines Erachtens zum Beispiel die langen Einstellungen (sofern sie nicht statisch (Kamerathrombose) und totgeboren öde sind, siehe MARSEILLE). Insofern war ich irritiert von deiner Unterstellung, aber gut, jetzt verstehe ich, du hast eben die Einstellungslängen plakatiert ich plakatiere die Nonkommunikation. Wobei die mich per se ja auch nicht stört. Es ist eher – und das eben nicht in allen, aber doch vielen BS-Filmen – diese Nüchternheit bis zum Kotzreiz. Bei Antonioni gibt es auch die Kommunikationslosigkeit und die toten Zeiten, aber da atmet der Film noch, die Einstellungen präsentieren nicht einfach Leere, sondern die Leere wird zu einer eigenständigen, fühlbaren Präsenz.
    Hugh, Schanglex hat gesprochen.

  10. Christoph on November 28th, 2011 at 09:48

    – Die Leere in der BS hat für mich und viele andere auch eine eigenständige, fühlbare Präsenz. Mitunter leuchtet die sogar.
    – Antonioni und Tarr sind übrigens SCHANGELIG, lieber Schanglex. Vergleich abgelehnt.
    – „totgeboren öde“, „Nüchternheit bis zum Kotzreiz“… Alex? Was sind denn das für tendenzöse, mainstreamaffine Formulierungen? Du solltest wirklich dringend mal einen Film von Jürgen Enz sehen, um das, was du da so anschaulich beschreibst, überhaupt einmal zu spüren.
    – Offensichtlich empfindest du die Nonkommunikation als lang und statisch. Ergo hatte ich (wie fast immer, wenn wir diskutieren) recht. 🙂
    – Ich erinnere mich nur noch neblig an MARSEILLE, den ich von Sano in volltrunkenem Zustand wortwörtlich „reingewürgt“ bekam (eine der bizarrsten Filmvergewaltigungen meines Lebens), aber wenn mich mein Gedächtnis nicht überlistet, wurde da viel kommuniziert, an der Bar und so.

    Oh! Tulsey! I love you so much it hurts.

  11. Christoph on November 28th, 2011 at 09:49

    PS:

    „Für einen aktuellen deutschen Fernsehfilm recht gut. Wie bewertet man sowas?“

    Wie einen ganz normalen, guten Film natürlich. Ich bezweifle zwar, dass HOMEVIDEO ein eben solcher war, aber das tut ja nichts zur Sache. 😀

  12. Mr. Vincent Vega on November 29th, 2011 at 03:31

    „Wie bewertet man sowas?“

    4/10

  13. Andreas on Januar 8th, 2012 at 04:27

    Bzgl. LADY BLUE SHANGHAI: irgendwie aber auch ein wenig absurd, ausgerechnet einem ausdrücklichen Werbe-/Marketingfilm nun „Product Placement“ vorzuwerfen 😉 Finde eher, dass er ziemlich reizvoll mit diesen konkreten Werbe-Auftrag umgeht. Was tatsächliches Product Placement angeht, scheint Lynch ja auch nicht allzu viel davon zu halten: http://www.youtube.com/watch?v=F4wh_mc8hRE 😀

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