Ghosts of Mars (2001)



Je mehr ich von Carpenters Filmen ab 1990 sehe, desto mehr drängt sich mir der Verdacht auf, dass die immer mal wieder aufgeschnappte Behauptung Carpenter habe nach THEY LIVE konstant abgebaut, nicht mehr als ein böswilliges Gerücht ist. GHOSTS OF MARS zum Beispiel, wurde bei seinem Kinostart übelst verrissen,  zwei Jahre nach MATRIX hatte offenbar niemand mehr Lust auf handgemachte Genrekost, selbst eingefleischte Carpenter-Fans loben höchstens noch den Trash-Faktor des Films. Aber mal im Ernst: Allein die Idee, ASSAULT – ANSCHLAG BEI NACHT ein futuristisches Update auf dem Mars zu geben, mit Courtney Love in der Rolle von Ethan Bishop und Ice Cube als Napoleon Wilson, hat einen sehr verrückten Charme.

Und wenn Courtney Love nicht eine Woche vor Drehbeginn die Ex-Frau ihres Lovers über den Fuß gefahren wäre, Carpenters Casting-Coup wäre voll aufgegangen. Mit Love als Vertreterin des (feministischen) Hardcorepunks und Grunge und mit Ex-N.W.A.-Mitglied Ice Cube als Vertreter des Westküsten-Hip Hops, bzw. Gangsta Raps wären die Verteter zwei der wichtigsten amerikanischen Subkulturen der Neunziger (die 2001 natürlich schon längst Geschichte und in Mainstream und Ausverkauf angekommen waren) aufeinander getroffen. Wenn man sich jetzt noch daran erinnert, dass die Gangproblematik und Ghettobildung in L.A. eine Art mythologischen Hintergrund für ASSAULT bildete, ist die Besetzung von dem aus South Central stammenden Ice Cube, der mit Liedern wie „Black Korea“ den Soundtrack zu den Rodney King riots von 1992 lieferte, doppelt interessant.

Leider kann Natasha Henstridge Love nicht wirklich ersetzen, aber das wäre auch schon der einzige Kritikpunkt den ich vorbringen kann. Ansonsten hat der Film einen wunderbar trashigen, hemdsärmeligen Charme und wirkt mit seinen Pappkulissen in Zeiten als CGI und Blue Screens gerade groß im Kommen waren natürlich völlig aus der Zeit gefallen, aber eben auch wie eine nostalgische Hommage an die anpackende, schnörkellose Kunst B-Filme zu drehen. Toll auch die sexuell aufgeladene Atmosphäre in der sich die Figuren ständig Anzüglichkeiten an den Kopf werfen und sich gegenseitig flachlegen wollen, aber nie richtig zum Zug kommen (Jason Stathams Begehren erinnert da doch sehr an die Zigarette, die Napoleon Wilson in ASSAULT so vehement verlangt und erst von Laurie Zimmer gegen Ende des Films überreicht bekommt). Und wie immer bei Carpenter ist natürlich der Western nicht weit: Die verlassende Stadt in der Wüste, der Saloon, der großartig inszenierte Zugüberfall am Schluß. Ein wirklich starker Film.

Dieser Beitrag wurde am Montag, Oktober 12th, 2009 in den Kategorien Alexander P., Ältere Texte, Blog, Blogautoren, Filmbesprechungen veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

7 Antworten zu “Ghosts of Mars (2001)”

  1. tumulder on Oktober 12th, 2009 at 17:29

    Danke für diesen Einwurf. Ich sah mich nach der letzten Sichtung auch gezwungen meine bisherige Meinung über diesen Film weitestgehend zu revidieren. Ich empfand ihn geradezu erfrischend in seiner Art einfach anders zu sein.

  2. JMK on Oktober 12th, 2009 at 21:24

    Nun ja. selbst als wohlwollender Carpenter-Fan muss man den Geistern schon jeglichen Sinn und Handlung absprechen.
    Aber auch ich musste beim zweiten oder dritten Durchgucken schon mal schmunzeln, schon als Referenz an die guten alten Zeiten.

  3. Christoph on Oktober 13th, 2009 at 18:43

    Sinn und Handlung, was sind das schon Faktoren? Je laenger ich meiner cineastischen Obsession froene, desto weniger erscheinen sie mir als diejenigen, die Filme interessant, geschweige denn stimulierend machen. Etwas muss keinen Sinn haben, um in meinem Kopf Sinn zu ergeben (wo kaemen wir nur hin, wenn wir den Filmemacher zum irdischen Logikstifter erklaeren wuerden) und keine Handlung um zu Handlungen zu gelangen.
    Ansonsten brenne ich darauf, das Carpentersche Spaetwerk zum einen vollstaendig zu erschliessen (vor allem IN THE MOUTH OF MADNESS) und andererseits mit dem manisch gutwilligen Autor dieser Kritik zu diskutieren denn was ich bisher vom spaeten / spaeteren Carpenter kenne – „They live“, „Village of the Damned“, „Vampires“ (ganz schlimm, habe ich TV gesehen, wohl geschnitten, aber: Ohne das Wissen, einen Carpenter-Film vor mir zu haben, hielt ich den Film einfach fuer einen der ueblichen Freitag Nacht-RTL II-08/15-DTV-Muellstreifen) und eben „Ghosts of Mars“ – faellt fuer mich schon eindeutig in die Kategorie „dull stuff“ (wobei ich letzteren allerdings, klischeegerecht, doch trashig-amuesant finde) dem ohne bizarre intellektuelle Verrenkungen etwas substanzielles abzugewinnen mir persoenlich kaum moeglich erscheint – bzw. erschien. Carpenter braucht wohl seine Zeit, ich habe vor einer Woche THE THING (den ich auch schon eher als „Spaetwerk“ zaehlte) nach Jahren wieder gesehen und mein durchweg negativer Ersteindruck hat sich praechtig gelaeutert.

  4. Sano on Oktober 14th, 2009 at 13:00

    Ist schon komisch. Ich les und hör in den letzten Monaten (und Jahren) eigentlich nur positives von Leuten die sich „Ghosts of Mars“ wiederholt zu Gemüte geführt haben. Der totale Gegensatz zu den üblen Verrissen an die ich mich zum deutschen Kinostart erinnere. Ja das Böse CGI…
    Bin natürlich auch sehr scharf auf den Film, und sowieso auf alles von Carpenter, da ich bis auf drei tolle Streifen (Halloween, Das Ding, und Flucht aus L.A. fand ich beim anschauen alle super) immer noch nix von ihm gesehen habe. Nur gut das Andi und Alex P. im November ne kleine Retro organisiert haben. Ich freue mich, und mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Und als Einstieg schau ich mir davor noch „They Live!“ auf DVD an. 🙂

  5. Alexander P. on Oktober 16th, 2009 at 10:48

    IN THE MOUTH OF MADNESS ist wirklich sehr empfehlenswert, schon allein weil er als Horrorfilm und als Parodie wunderbar funktioniert. Ich habe nur ein bißchen Angst vor MEMOIRS OF AN INVISIBLE MAN, weil das einer der wenigen Filme ist, über die Carpenter selbst nicht viel Positives zu sagen hat. Aber Chevy Chase dabei zuzusehen, wie der den Einstieg in die „ernsthafte“ Schauspielerei versucht, ist Motivation genug sich da mal ranzuwagen. Enttäuschend an seinem Spätwerk fand ich bisher eigentlich nur CIGARETTE BURNS (gemessen an den Ansprüchen, die ich nach den positiven Kritiken hatte, PRO-LIFE kenne ich noch nicht), aber bin froh, dass ihm die Masters of Horror-Episoden zumindest zum Comeback geholfen zu haben scheinen. Und RIOT wird er ja angeblich mit Nicolas Cage drehen… 😀

  6. Sam Spade on Oktober 16th, 2009 at 13:29

    Da ich „Ghosts of Mars“ nie gesehen habe, will ich mich hier gar nicht groß einmischen, aber da Alexander gerade „The Mouth of Madness“ erwähnt hat, möchte ich eine Empfehlung für den mal ganz dick unterstreichen – ist nämlich mein absolut liebster Carpenter, den ich rundherum großartig finde, während ich ansonsten eigentlich gar kein so großer Carpenter-Fan bin.

  7. Sano on Oktober 16th, 2009 at 16:17

    Erinnere mich, wie ich als jugendlicher mal versucht habe „Memoirs of an Invisible Man“ zu schauen. Carpenter sagte mir damals noch nichts, und nach ner halben Stunde hab ich glaub ich schon angeödet die Flinte ins Korn geworfen. Scheint sich also auch meinerseits um einen „speziellen“ Film zu handeln. 🙂
    Nicolas Cage klingt aber nicht so dolle. Der scheint sich neben Cuba Gooding Jr. nun endgültig zum Trash-Schauspieler erster Güte zu entwickeln. Aber vielleicht gaht ja nur meine Phantasie mit mir durch…

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