Odds & Ends (1959)

„I just got high and put it together.“


Anscheinend als Parodie auf amerikanische Experimentalfilme der 50er Jahre entstanden, ist Odds & Ends selbst ein Vertreter dieser Richtung.
Experimentalfilm – Für mich heißt das immer, dass ein Filmemacher auf die Suche nach etwas geht, etwas versucht, einen Anfang macht. Kein Statement, sondern ein Experiment. Natürlich ist der Begriff im späteren Kontext auch etwas unsinning. Alles was scheinbar nicht narrativ motiviert sein soll, und etwas schwer verständlich ist (sprich: Fragen aufwirft), wird gemeinhin als „Experimentalfilm“ bezeichnet. Eine Restkategorie für auf der Strecke gebliebenes. In diesem Fall erscheint diese fragwürdige Zuordnung jedoch ganz passend.

Odds & Ends ist ein wildes Durcheinander an Bildern und Farben, Stills und Bewegungsabläufen, begleitet von Musik und einer Stimme aus dem Off: Nonsensical Narration. Was parodiert werden soll ist nicht ganz klar, bzw. überdeutlich. Für mich funktionierte der Film aber als Experimentalfilm par excellence. Ein visueller Stimulus, der vor Einfällen und Phantasie überquillt, und auf eine Art geschnitten ist, dass man in die Knie gehen möchte. Der Kommentar und die Musik sind das akustische Hintergrundgeplätscher, welches jede Art von akustischer Untermalung ad absurdum führt. Das Gesehene spricht für sich – also auch ein genuiner Stummfilm. Die Parodie entspringt deshalb aus der Verbindung von Ton und Bild.

Bei mir löste alles einen Rausch aus, der meinen ganzen Körper ergriff und mein Herz schneller schlagen ließ. Wenn es auf der Seite der National Film Preservation Foundation heißt, die Regisseurin Jane Conger Belson Shimane [was] considered the “most gifted talent” of the “new San Francisco group,”, so glaube ich das aufs Wort. An instant classic.




Odds & Ends – USA, 1959 – 4 Minuten – Regie: Jane Conger Belson Shimane – Sprecher: Henry Jacobs – 16mm, Farbe

RE: John Frankenheimer

Abgespalten aus dem Kommentarbereich meines Sehtagebuchs aufgrund extraordinärer tagescinepolitischer Relevanz.

Happy Harry mit dem Harten schrieb on October 9th, 2010 at 03:03:

Sehr interessante Bewertungen zu Frankenheimer, machen richtig Lust es dir gleich zu tun und eine kleine Retro einzulegen. Bin mal gespannt, wie dir “Seconds” (sonst kenne ich nur noch “Ronin” und “Der Zug”) gefällt, in meinen Augen einer der progressivsten amerikanischen Filme der 60er und wirklich mal ein völlig unter Wert verkauftes Meisterwerk, so unbekannt wie der heute ist. “Harry Crown” wird jedenfalls schnellstmöglich geschaut. Gibt es vielleicht auch was schriftlich dazu? “Reindeer Games” und “Prophecy” kommen ja meist nicht so gut weg wie bei dir…

Eigentlich ist das gar keine Frankenheimer-Retro, die ich da veranstalte, sondern nur das Resultat der cineastischen Offenbarung, die mir ganz unerwartet und aus heiterem Himmel 99 AND 44/100 % DEAD und THE MANCHURIAN CANDIDATE (den ich mir aus Begeisterung für ersteren gleich am nächsten Tag angesehen habe) beschert haben. Nach einer Woche Frankenheimer bin ich völlig geplättet und glühe vor Begeisterung.
Aber gleichfalls ein wenig vor Enttäuschung: Der Mann muss einer der unterbewertetsten und auch missverstandendsten (was die Filme angeht, die keinen „Klassiker“-Status erreicht haben, angeht) amerikanischen Filmemacher überhaupt sein, den ich jetzt, ohne zu zögern, in einem Atemzug mit Hitchcock, Kubrick, Scorsese, Huston, Ford etc. nennen würde. Ich hatte mich nie für ihn interessiert, leider und glücklicherweise, denn die Zeit war, glaube ich erst jetzt reif für mich, ihn zu entdecken. Vor letzter Woche kannte ich nur ein Stück von BIRDMAN OF ALCATRAZ und GRAND PRIX, den ich ziemlich mochte, der mich allerdings auch nicht neugierig auf seinen Regisseur gemacht hatte, als ich ihn vor zwei Jahren überwältigenderweise auf 70mm sehen konnte. Und den hochgradig eigentümlichen THE HOLCROFT COVENANT, der mich vor einem Monat etwas neugieriger gemacht hat, den ich aber immer noch ein wenig in die Kategorie „Betriebsunfall“ eingeordnet hatte. Ich hielt es eben nicht so recht für möglich, dass dieser John Frankenheimer vielleicht ein subversives Spielkind im Kino-Sandkasten sein könnte – ich hatte mit seinem Namen immer nur solides “Craftmanship” verbunden, ein Vorurteil, welches anscheinend weiter verbreitet ist.

Da ich mir ganz und gar nicht sicher bin, dass ich in meinem momentanen Stadium der Überwältigung und aus dem diffusen Strom von Gedanken etwas Brauchbares (und Würdiges) aufs Papier bringen könnte, hole ich jetzt hier mal ein wenig aus, auch für meine geliebten Mitautoren, die sich ein natürliches Misstrauen gegenüber meinem ständigen Überschwang angeeignet haben und die einen grob umrissenen Einblick in meine frische Frankenheimer-Obsession erhalten sollten.;-)
Gestern Nacht habe ich SECONDS gesehen und bin sprachloser denn je weil er, wie du auch schon angerissen hast, wirklich zeigt, wie Frankenheimer durch die Decke gegangen ist zu seiner Zeit, in seinem System, in seiner Schule. Derartige Feststellungen sind für mich zwar immer eher sekundär (ich bin ja nicht Rajko), aber trotzdem: Ein Wunder, dass dieser Film ihm nicht seine Karriere ruiniert hat. Nicht nur der formale Exzess des Films. Nicht nur, dass er amerikanische Lebensmüdigkeit noch harscher aus dem Schatten reißt… Für seine Verhältnisse beinahe exzessiv harsch, da eine der vielen staunenswürdigen Eigenschaften seiner Filme seine mühelos ausbalancierte Beobachtungsgabe für soziale und politische Getriebe ist, die seine Feststellungen – die immer nur temporäre Gültigkeit zu haben scheinen – nie in die Gefahr der Anmaßung laufen lässt. Und trotzdem leistet er sich auch diese schrille Stilisierung, diese Comichaftigkeit (wenn man mich fragen würde, woran ich bei Frankenheimers visuellem Stil zuerst denke, würde ich vermutlich mit “schiefer Kamera” oder “Weitwinkel-Schangel” antworten) und dieser draufgängerische Leichtsinn, der seinen Bildern oft innewohnt. Und das sind dann einfach Bilder, deren amerikanischer Eskapismus auf eine, hm, europäisch anmutende Ruhe und Geduld treffen, eine Freude an der plötzlichen Zerstörung von Rhytmik – was dann häufig in Szenen mündet, die von entweder provozierender und / oder hypnotisierender bis surrealer sowie gelegentlich tatsächlich amüsant absurder Länge sind – in dem Sinn, dass er mit großen Genuss immer jeweils das hervorquellen lässt, für das im Studiokino normalerweise nie die Zeit bleibt (weil man es meist auch nicht haben möchte;-). Da kommt das Anzügliche, das Jämmerliche, das flüchtig Poetische, das runtergespielt Aggressive, das unbeabsichtigt Hämische, das zufällig Zärtliche, das dezent Perverse und das unbeachtet Tragische zum Vorschein für den kurzem Moment, den es sonst nicht oft vergönnt bekommt. Vielleicht können das auch wirklich nur sehr wenige Regisseure tatsächlich bannen und wenn dem so ist, würde das Frankenheimer nur noch höher platzieren. All diese neun Filme haben mir auch einen Mann gezeigt, der nicht nur die Ironie und das Risiko liebt, sondern der auch enorm verletztliche Figuren und Räume entwirft, tatsächlich verletztliche Filme dreht, die sich nicht gegen Widersprüche – stilistischer wie psychologischer Art – wehren. Das ist ihm dann wohl auch so schlecht bekommen, denn da Cineasten auch nur Menschen sind (man hält es ja kaum noch für möglich, aber doch!) und die Menschen Dinge, die für sie nicht zusammenpassen und die nicht augenscheinlich miteinander harmonisieren, nicht ausstehen können, können sie Frankenheimer auch nur dann so richtig doll ausstehen, wenn er sich als klassischer Filmemacher der alten Schule präsentiert und ihnen z. B. einen homogenen Politthriller wie THE MANCHURIAN CANDIDATE oder ein introvertiertes Quasi-Kammerspiel wie BIRDMAN OF ALCATRAZ vorsetzt.

Und auf der anderen Seite ist er eben der wahrscheinlich größte Actionregisseur, der mir, einem Ignoranten, der sich lange Zeit für Actionfilme (für Action natürlich schon) nie besonders interessiert hat, mit den Autorennen in GRAND PRIX und vor allem den Verfolgungsjagden in RONIN und REINDEER GAMES Freudentränen in die Augen treibt, der rein filmische Dynamik so innig begriffen hat, dass man vor einer einfachen Autoverfolgungsjagd atemlos in die Knie gehen und verzaubert “Kunst” hauchen möchte. Die Montage ist eine von Frankenheimers größten Stärken und er schneidet manchmal auch sehr gerne über die Köpfe der Schauspieler hinweg. ALL FALL DOWN zum Beispiel (Völlig vergessen, der Film. Kann mir nicht erklären, warum. Viel zeitloser und frischgebliebener als so mancher kanonisierter Jugend-Problemstreifen dieser Jahre) hat etwas sehr Kazaneskes an sich (nicht nur wegen der vielen Kazan-belasteten Mitwirkenden), aber in Momenten, die Kazan wahrscheinlich ehrfürchtig der stehenden Kamera und seinen Schauspielern überlassen hätte, setzt es bei Frankenheimer aus heiterem Himmel einen physischen Insert-Shot. Der Schnitt in SECONDS ist ja auch vollkommen unfassbar und furchteinflößend. Da entsteht tatsächlich durch das Zackige Schnittgewitter weit mehr Surrealismus als durch die Kamera selbst.

Überhaupt: Schauspieler und Orte bei Frankenheimer. Die Schauspieler saugt er immer bis zum letzten Tropfen aus, unterdrückt aber gleichzeitig den Schauspieler in dem Charakter so sehr, dass nie die Bedrohung eines theatralen Flairs aufkommt. Gerade auch in einem Film wie ALL FALL DOWN erkennbar – solche Filme machten Stars damals, um nach ihrem Hauptdarsteller-Oscar noch einen Nebendarsteller-Oscar abzustauben. Was man den Darbietungen von Stars in diesen Filmen leider auch oft anmerkt (nichts neues, das hat sich bis heute gehalten und ist penetranter denn je, da Stars heute in aller Regel keine… na ja.)
Der Schauspieler verschwindet also und mit ihm auch die Schauspielführung. Unglaublich. Ich habe das noch nie so natürlich gesehen und es wirkt bei Frankenheimer auch noch besonders intensiv, da er eigentlich keinen lästigen Realismus-Fetisch hat, der ihn ständig zu Spülwasser-Dampf, Straßenstaub oder natürlichem Licht anspornen würde. Realismus ist bei ihm ein filmischer Effekt wie jeder andere auch (ich liebe es) und das ist eine Tugend, die noch weit rarer ist als seine übrigen, die ich bereits aufgezählt habe (das nimmt hier leider auch gerade die Form einer Aufzählung an – klassisches Krankheitsbild unbeschreiblicher Euphorie). Filmischer Realismus – den halte ich schon seit längerem für ein Trugbild. Den gibt es so einfach nicht.

Und dann Locations bei Frankenheimer. Hier zeigt sich für mich ein besonders tiefes Verständnis der emotionalen und körperlichen Schlucht zwischen Leinwand und Kino, bzw. Kamera und Auge, Lichtquelle und Filmmaterial, etc. pp.
John Frankenheimer ist für mich ein Meister der Location. Nicht einmal so sehr der Location-Wahl sondern schlicht und einfach in seinem Umgang mit Locations, seinem Blick auf Locations, seiner Wahrnehmung bis hin zu seiner passiven Interpretation von Locations. Wenn er in RONIN Nizza filmt oder in THE CHALLENGE Japan, ist die Kamera nie Tourist, selbst wenn die Figuren es sind (Frankenheimer ist auch total multiperspektivisch und springt ständig, häufig unberechenbar, hin- und her. SECONDS ist da mit seiner extremen subjektiven Objektivität eine Ausnahme in meinem bisherigen Erfahrungsbereich).

Man spürt die Orte (nicht „erlebt“ – da käme dieses ärgerliche Realismus-Verständnis wieder ins Spiel). Man kann sie auf sich wirken lassen, oft auch innerhalb kurzer Momente. Sie sind begehbar, erstastbar, ohne dass mit der Kamera gewackelt würde, um uns zu signalisieren „Hey, ihr seid jetzt DA!“. Oder das man manipulativen Gebrauch von Direktton machen würde, um uns eine crispe Geräuschkulisse einzutrichtern, wie man es heute in diversen „naturgeschmäcklerisch“ verbrämten Arthouse-Pralinen antreffen kann (Um die Nerven einiger meiner Mitträumer nicht eskalieren zu lassen, will ich hier keine Titel nennen).
Die Orte leben immer und wirken eben gerade nicht wie Locations, die man für einen Film ausgesucht hat, sondern wie organische Instanzen, die ihren festen Platz haben neben den Darstellern und manchmal auch der Requisite. Es ist die ganz eigene Atmosphäre der Orte, die Frankenheimer an ihnen vorfindet und die einzufangen er versteht wie nur wenige andere. Es verstehen meiner Erfahrung nach überhaupt sehr wenige Filmemacher, ihren Drehorten auf Augenhöhe zu begegnen.
Die Locations sind Darsteller – aber eben nicht so, wie man manchmal über ein altes Schloss in einem Gothic-Horrorfilm sagt, es sei der Hauptdarsteller des Films. Wenn die Locations Schauspieler wären, wären sie also in Frankenheimers Filmen Laiendarsteller und keine method actors.
Gerade diese schwer greifbare, eigene Art, mit Orten und Gebäuden umzugehen, diese Art, die mit Realismus an sich nichts zu tun hat, weil es ausschließlich um Wahrnehmung und nicht um Eindrücke geht, macht Frankenheimers Filme ungeheuer sinnlich. Sie sind rauschende Sinnenfeste, auch REINDEER GAMES und PROPHECY sind Sinnenfeste.

Von letzterem versprach ich mir tatsächlich nur einen mäßigen Horrorfilm, der aber als Film an sich vielleicht interessant sein könnte. Bekommen habe ich einen Film, der als Film an sich und als Brainstorming zum damaligen politischen Schleudertrauma sehr interessant ist, der aber tatsächlich in allererster Linie zu meiner intensivsten und markerschütterndsten Horrorfilm-Erfahrung seit meiner inzwischen fast fünf Monate zurückliegenden Sichtung von Serradors EIN KIND ZU TÖTEN geriet. Unsereins ist bekanntermaßen ja nicht mehr allzu leicht von der Stelle zu bewegen in Sachen Horror. PROPHECY hat mir aber letztlich eine jener seltenen, herben Adrenalin-Duschen geschenkt, die mir seit meiner traumatischen jugendlichen Horrorfilm-Initiation mit Argentos L’UCCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO und Carpenters HALLOWEEN nicht mehr oft vergönnt sind. Der Film ist eine furios umgesetzte Achterbahnfahrt, die auf eine hinterhältig gewundene Spannungskurve baut, die dem ersten HALLOWEEN sehr ähnelt, nur der Bösewicht hier natürlich nicht das Monster, sondern die Quecksilbervergiftung des Flusses ist, die als Bösewicht mit einem melodramatischen Kunstgriff so eingeführt wird, dass mir, zum vielleicht ersten Mal bei einem „Verseuchte Umwelt produziert Mutantenmonster“-Film, tatsächlich mulmig zumute war. Dass das funktioniert, führe ich auf das m. E. überdurchschnittliche Drehbuch zurück, aber damit stehe ich wohl allein. Gerade die Charaktere in PROPHECY sind in meinen Augen ausnahmsweise einmal nicht amerikanische Täter, die sich für Opfer halten, sondern tatsächlich nur amerikanische Opfer, die im Gebirgswald, ihrer mythischen Wiege, gegen einen degenerierten Bären kämpfen – der Mythos selbst ist also degeneriert und unter diesem Gesichtspunkt wirkt dann vielleicht auch das indianische Element des Films nicht mehr ganz so ungelenk wie von vielen behauptet. Den Vorwurf, das Drehbuch sei reine Kolportage, kann ich nicht nachvollziehen. Es ist nicht allzu komplex, aber es ist weder simpel, noch psychologisch anmaßend. Aber ich gehöre ja auch zu denen, die eisern darauf beharren, dass Joe Eszterhas‘ SHOWGIRLS-Drehbuch eine Meisterleistung darstellt.

Frankenheimer hat Ende der 60iger in einem Interview festgestellt, dass seine bisherigen Filme ja doch sehr maskuline Filme gewesen wären, da er sich bisher nie so recht an weibliche Figuren herangetraut hat (glatte Lüge, wenn man sich die starken weiblichen Parts in ALL FALL DOWN, THE MANCHURIAN CANDIDATE oder SECONDS besieht). Das Paradoxe daran ist, dass er einerseits zwar recht hat, da es sich tatsächlich um sehr männlich dominierte Filme handelt, diese Filme andererseits jedoch denkbar weit entfernt vom Testosteron-Pathos zahlreicher anderer Prä-New Hollywood-Dramatiker und Mythologen ist. Chauvinismus, Männerfreundschafts-Romantik, distanzlose Parolen-Drescherei, selbst wenn sie nur “in character” wäre, habe ich bei Frankenheimer noch nicht entdecken können. Eigentlich haben seine Filme, von den Figuren her aufgerollt, etwas ausgesprochen ungeschlechtliches an sich, nicht selten sogar in Form einer leichten, aber merklichen Verschiebung, die manchmal dazu führt, dass die vermeintlichen Geschlechterrollen auf nahezu surrealistische Weise vertauscht werden. Mein letzter Frankenheimer war BLACK SUNDAY, etwas abstrakter betrachtet eine äußerst irritierende Travestie-Show mit Marthe Keller als agilem Rauhbein, Bruce Dern als diffuser “damsel in distress” und Robert Shaw als Ober-Transe, die pausenlos ihren Body-Suit wechselt. Unfassbar. Und natürlich nicht einmal halb so schrill, wie ich es hier klingen lasse. Es bleibt, wie das meiste, was an Frankenheimers Filmen so toll ist, ein elusives, unstetes und letztlich natürlich auch schangeliges, Metaebenenartiges Geflecht zwischen den Bausteinen, auf die es als Wirt es nicht angewiesen ist (was experimentellere oder auch einfach nur verspieltere Frankenheimer-Filme wie SECONDS, GRAND PRIX oder z. B. auch REINDEER GAMES beweisen), deren naheliegender und natürlich manchmal vorgeschriebener Gebrauch Frankenheimer aber eher entgegenkommt, weil er mit der Konvention, mit Genreregeln genau die Art von höllisch-nonchalantem Spaß hat, die nur jemand daran haben kann, der sie genauestens kennt und von Herzen liebt.
Gleichzeitig ist es ihm – oder war es ihm zumindest einmal – aber auch nicht ganz geheuer, denn dann liest man ihn wieder sagen (1969), dass Hitchcock ja eigentlich bei aller technischen Güte seiner Filme eben doch „a commercial director if there ever was one“ sei und dass er niemals mit Hitchcock tauschen wollen würde. Dieses manchmal etwas schizophren erscheinende Verhältnis zum Genre (wobei er tatsächlich meinte, dass er meist „character-driven action films“ im Sinn hätte) kommt perfekt zum Tragen in meinem Initiations-Funkenfilm 99 AND 44/100 % DEAD, dem ultimativen postmodernen, untertrieben surrealen Gangsterfilm, der all das schon so unendlich viel eleganter, reiner, klarer und reifer gesagt und getan hat, was die Filmemacher der 80iger und 90iger, die heute als „Postmodernisten“ gelten, so unendlich weniger klar, rein und um soviel selbstvereinnahmter und -bewusster nochmal (und immer und immer wieder und wieder) wiedergekäut haben.

Wenn Frankenheimer versucht, ganz klar und nüchtern Erzählkino zu machen, endet das eher in dem Malheur, dass er sich seinem eigenen Ehrgeiz zuliebe – und wie die meisten amerikanischen Filmemacher seiner Schule hält er das klassische Erzählkino natürlich für die Königsdisziplin – zurechtstutzt und seine assoziative Spontaneität wie die unglaublicher- wie anbetungswürdigerweise damit eng verbandelte Stilisierungswut einer Schlicht- und Kühlheit Platz macht, die mitunter etwas unbequem in “echtem” (s. o.) Film-Realismus mündet wie in ANDERSONVILLE, einem Film, der zwar von diesem Realismus gerettet wird, dessen dramaturgisches Konstrukt (das Drehbuch) offensichtlich diesen Ansatz nicht unterstützt. Es ist schon sehr tragisch, wie stiefmütterlich man Frankenheimer für den gesamten Rest seiner Karriere nach dem Einbruch der späten 70iger, behandelt hat von Seiten der Studious und Sender. Obwohl ich aus Frankenheimers Spätwerk bisher nur drei Filme kenne, empfinde ich den Unterschied zu seinem Früh- und Zentralwerk als extrem drastisch, weil man in diesen späten Filmen (in RONIN vielleicht nicht so sehr – aber RONIN ist im Endeffekt auch fast ein Remake von BLACK SUNDAY) zum ersten Mal ein Tauziehen zwischen dem Film und seinem Regisseur bemerkt, einen Konflikt, der nur in brillantem Chaos enden kann (so wie bei REINDEER GAMES), nicht aber in chaotischer Brillanz (Frankenheimers spezifische Brillanz).

Chaotische Brillanz. Davon sollte es einfach mehr geben. Viele der wenigen Regisseure, die dazu im Stande sind, haben sich bereits einen Platz in meinem Pantheon erobert und Frankenheimer hat auch schon seine Säule. Habe ich schon erwähnt, dass ich seine Filme als zutiefst elegisch und poetisch empfinde? Man traut sich ja fast nicht mehr, so etwas über Filme zu schreiben ohne sich der Schlöndorfferei schuldig zu machen.

BlackSunday
Seconds
99And44/100%Dead
AllFallDown
52PickUp
AllFallDown
99And44/100%Dead
Seconds
Andersonville
TheManchurianCandidate
BlackSunday
Seconds

Our rockstar who art in heaven…

Die Sehnsüchte von Generationen vor uns… ihre Suche… und ihre wahre Absolution! Lichtjahre entfernt und doch so nah. Bezaubernd schön und liebenswert häßlich. Engelsgleich und nuttig. Sanft und wild. Fidel und apathisch. Wie in Amerika, so auch in Italien:

Zitat der Woche

In 1973, fresh out of Syracuse University, the video artist Bill Viola went to visit a friend in San Francisco who took him straight from the airport to a camping trip in the desert. “We drove down to Death Valley and arrived at Zabriskie Point at midnight under a full moon. In the next two days, my life was changed,“ Mr. Viola recalled recently. “I realized that, growing up in New York, I’d never seen 75 miles straight in front of me in all directions at once.

“Two things happen. Your self shrinks to an insignificant black speck on the face of the planet that could be flicked off at any moment, like a little bug. You become humbled by the scope. The second thing that happens is your self expands. When you engage something in vision, literally a part of you goes out 75 miles to touch that, and you realize that what you see is not separate from your self.“


zitiert nach Don Shewey: An Artist Finds Poetry in Videotape
aus der US-amerikanischen Tageszeitung The New York Times
veröffentlicht am 08. November 1987