14. Hofbauer-Kongress, Aufriss #16
„Ferdinand ist ein Bananenmann
Er träumt, er macht‘ sich an Damen ran
Doch traut er sich nicht und neigt zum Verzicht,
Kaum kommt es auf handfeste Taten an“
So schrieb schon der mittelalterliche Heiterkeitsgelehrte Hilarius Borscht in seinem lustvoll-nachdenklichen Gedichtband „Keine Minne in meinen Gemächern“. Sicherlich war Borscht nicht der erste, der die altertümliche Sage um den Freiherrn zu Fernstech in derart gefühlvolle Verse kleidete. Dennoch gilt seine Ballade als der bislang einzige überlieferte Text, in dem jener als „Bananenmann“ bezeichnet wird – ein Begriff, der der Mediävistik bis heute Rätsel aufgibt. Worauf spielte Borscht mit dieser Zeile an?
„Die krummen sind die besten“, interpretiert Filmmogul Alois Brummer den Lyriker großzügig. In seiner modernisierten Kino-Adaption findet er auf die historische Frage zudem eine erstaunliche Antwort. In seiner Verfilmung präsentiert sich der Ritter mit der unbefleckten Lanze als Büroangestellter im München der Gegenwart. Voll scheuer Sehnsucht beäugt Ferdinand hier die Damen der Umgebung. Doch während er sich lächelnd durch genussvolle Verkehrsfantasien träumt, ist er in Wirklichkeit Spielball einer unwirtlichen, von Verzicht geprägten Realität.
Hier gelingt Brummer ein Geniestreich. Hintersinnig aus dem Werk Hilarius Borschts schöpfend, lässt er seinen Helden in den Momenten größter Not eine Banane verspeisen – macht ihn also BUCHSTÄBLICH zum Bananenmann! 1976, bei der Premiere des Films in Cannes, zog seine respektlos-frische Perspektive auf die traditionsreiche Geschichte einen Eklat nach sich.
Eine „Schändung der Volksseele“ warf ihm sogar die Bild-Zeitung vor. Eigens für diese Kritik hatte das Blatt ein Kultur-Ressort aus der Taufe gehoben, das bereits in der nächsten Ausgabe wieder der Vergangenheit angehörte. So gewaltig war die Verdrossenheit.
„So haben wir uns den Bananenmann nicht vorgestellt“, empörte sich auch Roger Ebert in seiner Rezension für das amerikanische Filmmagazin Variety. Brummer habe die klassische Volkssage aus ihrem philosophischen Gehalt geschält und nichts als eine gelbliche Gurke auf die Leinwand geworfen.
Dabei ist seine moderne Variante von Ferdinands Ringen mit dem Verzagen voll von spritzigen Einfällen und Kunstgriffen. Mehr als nur einen Höhepunkt erreicht die Odyssee des Helden beispielsweise, als er sich aus purer Verzweiflung der Melkmaschine eines verrückten Wissenschaftlers anvertraut. Dieser verspricht ihm, dass er mittels des zweideutig blinkenden Apparates verhindern könne, dass Ferdinand die Sahne flockig wird. Mit haarsträubenden Resultaten. Ferdinands wahres Problem ist jedoch die Distanz. Diese scheinbar unüberbrückbare Kluft zwischen ihm und den Frauen. Schon die bloße Erinnerung an ein wohlproportioniertes Mädchen in der U-Bahn lässt ihn das heimische Mobiliar wie in einem Rausch bespringen. Es zerbirst in tausend Splitter – genau wie Ferdinands Illusionen. Er muss erkennen, dass das Problem in ihm selbst verborgen liegt. Und dass keine Banane der Welt ihn von seinen Ängsten befreien kann.
Dass Alois Brummers „Ferdinand der Pussyschreck“ bei seiner Premiere auf solchen Unmut gestoßen ist, mag vielleicht auch auf seine ausgedehnten Porno-Szenen zurückzuführen sein. Erst unter den Alternativtiteln „Mit Gurke und Banane“ und „Verrückt nach steilen Kurven“ fand das liebevolle Großstadtmärchen endlich seinen verdienten Zuspruch. Auf dem Januar-Kongress wird es nun auch unsere Beinkleider in Schutt und Asche legen. Ganz, wie es in Nürnberg Tradition ist.
Zu sehen in der Nacht vom 02. auf den 03. Januar im KommKino in einer sehr gepflegten 35mm-Fuji-Kopie, oder als Wiederholung außerhalb des Hofbauer-Kongresses am 09. und 11.01 jeweils um 21:15. 🙂