100 Deutsche Lieblingsfilme #41: Zu jung für die Liebe? (1961)





„16 Jahre und schon einen Kerl im Bett – mit Sekt und Kaviar!“

„Normal zu denken hilft dir nichts, wenn du verstehen willst, wie die Erwachsenen denken.“

Jugendliches Treibgut in den engen Schlingen einer autoritären und vorurteilsbehafteten Gesellschaft. Bei der jungen Liebe zwischen Katja, 16, und Klaus, 17, zeitigten die ungeheuren Gefühle rasch biologische Resultate. Sie, Waise und unter Vormundschaft des Jugendamtes, und er, Oberschüler und ein Sohn reicher Eltern, wollen daher heiraten, um sich auch als Minderjährige eigenständig um das erwartete Kind kümmern zu können. Es folgt ein Kampf um Mündigkeit, den sie gegen allen Widerstand der Erwachsenen und mit der Unterstützung gleichaltriger Freunde nicht aufgeben. Als sie erfahren, dass es für Fälle wie ihren in Schottland eine Möglichkeit zur selbstbestimmten Heirat gibt, schrecken sie auch vor diesem Weg nicht zurück.

Eine Welt der aufgezwungenen Ordnung, geregelten Verhältnisse und ökonomischen Lebensplanung ist es, die der Film nachzeichnet und darin zunächst wenig Freiräume für die Überraschungen des Lebens, für Entfaltung und eigene Entscheidungen ausmachen kann. Echte Solidarität gibt nur unter den Jugendlichen, deren notgedrungene Fluchten und Versteckspiele zwischendurch auch mal so wirken, als erlebten sie gemeinsam ein aufregendes Abenteuer und spürten wenigstens dabei einen Hauch von Freiheit – was jedoch nie als temporäre Jugendromantik abgetan oder am Ende gar einer falschen Versöhnung zugeführt wird. Die bleibt, als letzter Schritt einer entschlossenen jugendlichen Emanzipationsgeschichte, folgerichtig aus. Die Eltern hingegen kehren die Scherben ihrer verkorksten Vernunftehe von einer Ecke in die andere, und glauben doch, es besser zu wissen als ihre Sprößlinge. Wie lebensechte Karikaturen erscheinen sie bisweilen in ihrer Ereiferung und ihrem zeigefingernden Geschnatter.

Ein unterschwellig agierender Schalk scheint dem Film ohnehin manchmal im Nacken zu sitzen – nicht nur in den spritzigen, mit gepfefferten Spitzen gewürzten Dialogen. Bei ernsten Unterredungen dudelt mitunter auch mal ganz ungeniert Musik, dramaturgische Seriosität untergrabend und sich sanfte Schlenker erlaubend. Oder jene Szene, in der sich ein betrunkener Partygast gerade noch rechtzeitig ins Bild wirft, bevor die Kamera einen Blick auf die letzte Etappe eines spontanen Striptease erhaschen würde.

Ironischerweise ist ausgerechnet der Rechtsanwalt der einzige unter den Erwachsenen, der um der Gerechtigkeit willen nur allzu gerne den verbohrten „so steht es aber geschrieben“-Rechtsbegriff lockerer auslegen würde und bereit ist, ein Auge zuzudrücken, soweit es ihm möglich ist. Verkörpert wird er vom großen Helmut Käutner, dessen Handschrift die eine oder andere Spur in diesem Film hinterlassen hat, bei dem er auch als künstlerischer Leiter und bei der Adaption der Vorlage mitwirkte. Seine Frau Erica Balqué übernahm bei seinen Filmen oft die Regie-Assistenz und lieferte hier ihre einzige eigene Regiearbeit ab.

Gut möglich, dass es tatsächlich der erste Kinofilm im westdeutschen Nachkriegsdeutschland war, bei dem eine Frau Regie führte. Doch auch als Debütfilm ist er eher einer Generation zuzurechnen, die bei den deutschen Jungfilmern kein Gehör mehr fand und auch von Kritik und Publikum zunehmend ignoriert wurde. Dass hier jedoch ein wirklich junger deutscher Film auf der Höhe der Zeit und mit aufrichtiger Empathie gegenüber seinen Protagonisten entstand, das wollte man dieser Generation nicht mehr zutrauen und auch nicht zubilligen. Gerade jenem Teil dieser Generation, der sich redlich mühte, nicht auf das Abstellgleis rangiert zu werden, auf das ihn schließlich der Verschiebebahnhof der Filmgeschichtsschreibung ungerechterweise doch beförderte.

Dass es zumindest vage Pläne einer mittelfristigen Heimvideoveröffentlichung dieser beinahe vergessenen Rarität gibt, lässt ein wenig hoffen, dass es wenigstens manche dieser zwischen den Häfen der offiziellen Strömungen umher treibenden Filmgewächse immerhin ein Stück weit zurück in halbwegs beschilderte Vertriebskanäle schaffen.

Zu jung für die Liebe? – BRD 1961 – 93 Min. – s/w – 35mm, 1,66:1 – Regie: Erica Balqué – Künstlerische Oberleitung: Helmut Käutner – Produzent: Artur Brauner – Drehbuch: Eberhard Keindorff, Johanna Sibelius – Kamera: Igor Oberberg – Schnitt: Waltraud Wischniewsky – Musik: Ernst Simon – Darsteller: Loni von Friedl, Heinz Blau, Wolfgang Reichmann, Adelheid Seeck, Helmut Käutner, Anita Höfer, Berta Drews

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, August 28th, 2012 in den Kategorien Ältere Texte, Andreas, Blog, Blogautoren, Deutsche Lieblingsfilme, Filmbesprechungen veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

Eine Antwort zu “100 Deutsche Lieblingsfilme #41: Zu jung für die Liebe? (1961)”

  1. Marian on August 29th, 2012 at 10:17

    Fabelhafter Text, Andi! Dieser Film klingt, wie für mich gemacht. Habe jetzt auch schon ungeheure Gefühle und würde ihn am liebsten jetzt sofort anschauen!

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